(Chi fosse in grado di tradurre immediatamente in italiano questa
importantissima intervista e' pregato di contattarci con urgenza:
<jugocoord@...>)

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Felipe Turover:
"Carla del Ponte hat den Killern den Weg zu mir gewiesen."


Aus: KONKRET, Dezember 2002
(Siehe auch:
http://www.konkret-verlage.de/
http://www.juergen-elsaesser.de/)


"Gerechtigkeit ist eine Frau", sagte UN-Generalsekretär Kofi Annan
über Carla del Ponte, zur Zeit Chefanklägerin im Haager Prozeß gegen
Slobodan Milosevic. Ganz andere Erfahrungen mit der Schweizer Juristin
hat Felipe Turover gemacht. Der 37jährige stammt aus einer
republikanischen spanischen Familie, seine Eltern flohen mit ihm vor
Franco in die Sowjetunion. Nach dem Tod des Diktators kam Turover
wieder in sein Geburtsland zurück, um dann bereits Ende der achtziger
Jahre wieder als Finanzmann in Moskau an den ökonomischen Wohltaten
der Perestrojka zu partizipieren. Er arbeitete von 1992 bis 1999 für
die Jelzin-Regierung im Schuldenmanagement mit westlichen
Gläubigerbanken



(Interview)

Elsässer: Sie sind der Hauptbelastungszeuge in der Affäre Mabetex, die
auch als Russia-Gate bekannt wurde. Um was handelt es sich dabei, und
was hat Carla del Ponte damit zu tun?

Turover: Mabetex ist eine Baufirma mit Sitz in Lugano in der
italienischen Schweiz. Sie gehört dem Kosovoalbaner Beghijet Pacolli,
der mittlerweile einen Schweizer Paß hat. Pacolli und sein
Geschäftspartner Viktor Stolpowskich bekamen in den neunziger Jahren
Aufträge aus dem Kreml in Höhe von umgerechnet zwei Milliarden Euro,
es ging angeblich um Bau- und Sanierungsarbeiten im Regierungs- und
Präsidentenkomplex.
Nachgewiesenermaßen sind in diesem Zusammenhang Dollarsummen in
Milliardenhöhe außerhalb Rußlands verschwunden, im Gegenzug wurden
Schmiergelder in Millionenhöhe nach Moskau gezahlt. Pacolli hat für
Kreditkarten Jelzins und der beiden Jelzin-Töchter gebürgt, das hat
die Banca del Gottardo, die die Karten ausgegeben hat, bestätigt.
Carla del Ponte, damals Schweizer Bundesanwältin, hat mich im Verlaufe
des Jahres 1997 kontaktiert und mich aufgefordert, als Zeuge in der
Sache zur Verfügung zu stehen. Später hat sie den ermittelnden
russischen Generalstaatsanwalt Jurji Skuratow in die Schweiz
eingeladen und mich mit ihm bekannt gemacht. Sie galt damals schon als
große Kämpferin für Gerechtigkeit, deswegen bin ich ihrem Wunsch
gefolgt. Das war ein beinahe tödlicher Fehler.

Elsässer: Warum?

Turover: Ich war auf Ehrlichkeit angewiesen und habe del Ponte von
Anfang an darauf hingewiesen, daß mich meine Aussage in Lebensgefahr
bringt.
Schließlich arbeitete ich damals noch als Berater für die russische
Staatsspitze - also genau für die Leute, die ich mit diesen Dokumenten
schwer belastete. Was aber machte Frau del Ponte? Sie gab meinen
vollen Namen und meine Funktion an die Presse. Das ist so, als hätte
ich von Medellin aus Informationen über den Escobar-Clan an die
US-Drogenpolizei geliefert und müßte dann, während ich noch in der
Höhle des Löwen bin, meinen Namen als Kronzeuge gegen Escobar in der
"New York Times" lesen. In meinem Fall war es nicht Medellin, sondern
Moskau, und die Zeitung war der "Corriere della Sera", aber die
Wirkung war dieselbe: Ich war aufgeflogen, und nur durch überstürzte
Flucht aus Moskau konnte ich mein Leben retten.
Seither, seit mittlerweile drei Jahren, lebe ich undercover. Dafür
bedanke ich mich bei Carla del Ponte. Sie hat den Killern den Weg zu
mir gewiesen.

Elsässer: Ist das nicht reichlich übertrieben? Was kann eine Schweizer
Bundesanwältin für einen Artikel in einer italienischen Tageszeitung?

Turover: Die beiden Journalisten vom "Corriere" haben alle
Informationen von del Ponte bekomme, inklusive meiner Mobilfon-Nummer.
Sie selbst sagten es mir, weil sie wissen, daß ich in Lebensgefahr
bin.

Elsässer: Del Ponte hat das dementiert.

Turover: Dann sagt sie die Unwahrheit. Das habe ich übrigens schon oft
gesagt, und nie hat sie mich wegen übler Nachrede verklagt. Der Grund
ist ganz einfach: Sie hat keine Beweise, aber ich.

Elsässer: Mabetex-Chef Pacolli ist ja nicht nur ein Baulöwe, sondern
soll auch gute Verbindungen zu den kosovoalbanischen UCK-Terroristen
haben.

Turover: Das ist richtig. Zu seiner Firmengruppe gehörte, nach seinen
eigenen Angaben, mindestens bis zum Jahr 2000, die kosovoalbanische
Tageszeitung "Bota Sot", die selbst von der OSZE wegen rassistischer
Artikel verurteilt wurde. Sie hetzte vor allem gegen Serben, gegen
mich als den "Juden Turover" auch antisemitisch.

Elsässer: Sollten kosovoalbanische Bestechungsgelder an den
Jelzin-Clan gezahlt worden sein, könnte das das Verhalten des
russischen Präsidenten im Frühjahr 1999 erklären. Als die Nato den
Krieg gegen Jugoslawien vorbereitete, rührte er keinen Finger zum
Schutz des angeblichen Brudervolks der Serben. Bei der Konferenz in
Rambouillet etwa, als die Nato-Staaten extrem einseitig zugunsten der
Albaner agierten, protestierte Moskau nicht, obwohl seine Diplomaten
mit am Verhandlungstisch saßen. Kauften die Kosovo-Albaner Jelzins
Stillhalten?

Turover: Das ist eine mögliche Erklärung. Es handelt sich bei diesen
Geschichten um eine Symbiose aus Politik, Plünderung und Geldwäsche im
großen Stil.

Elsässer: Und del Ponte?

Turover: Alle Ermittlungsverfahren in der Schweiz zur Mabetex-Affäre
wurden politisch von höchster Stelle niedergeschlagen. Mehr noch: Die
Unterlagen, die del Ponte von ihrem russischen Amtskollegen Skuratow
bekommen hatte, sind auf wundersame Weise bei Pacolli gelandet. Der
hat seine Moskauer Freunde Jelzin und Borodin benachrichtigt, und in
der Folge wurde Skuratow, ein ehrlicher und kompetenter Jurist,
kaltgestellt - trotz dreier praktisch einstimmiger Entschließungen des
russischen Senats zu seinen Gunsten. Das Ende von Skuratow war auch
das Ende der Moskauer Mabetex-Ermittlung - das letzte Verfahren wurde
im Dezember 2000 eingestellt.

Elsässer: Handelte del Ponte als Schutzpatronin der albanischen Mafia
oder des Jelzin-Clans?

Turover: Weder noch. Sie handelt nur in ihrem eigenen Interesse.
Politische Ziele sind ihr völlig egal. Nehmen Sie etwa den Zeitpunkt,
als sie mit ihren Erkenntnissen zu Mabetex inklusive meines Namens an
die Öffentlichkeit ging, Ende August 1999. Das war ja nicht nur ein
Schlag gegen mich, sondern auch gegen Jelzin. Zwar hat sie später
nicht weiterermittelt, aber in diesem Augenblick haben ihre
Enthüllungen Jelzin schwer geschadet.
Vorausgegangen war, im Sommer 1999, der spektakuläre Coup russischer
Eliteeinheiten im Kosovo: Nach dem Waffenstillstand hatten sie den
Flughafen von Pristina besetzt, die Nato kam zu spät. Fast wäre es
deswegen zum dritten Weltkrieg gekommen, wie der britische Kfor-Chef
Michael Jackson damals sagte. Moskau pokerte hoch, wollte eine eigene
Besatzungszone im Kosovo, um die Serben zu schützen. In dieser
Situation mußte Jelzin desavouiert werden. Die damalige
US-Außenministerin Madeleine Albright trifft sich also im Juli 1999
auf dem Londoner Flughafen Heathrow mit del Ponte und macht ihr das
wahrscheinlich klar. Im August geht dann del Ponte über den "Corriere
della Sera" mit ihren Enthüllungen gegen Jelzin an die Öffentlichkeit,
und Mitte September legt Albright in einem Statement auf CNN zur
russischen Regierungskorruption nach. Jelzin muß in dieser Situation
ein Amtsenthebungsverfahren und Strafverfolgung befürchten. Entlastung
bringen ihm Ende September zwei Bombenanschläge in Moskau, angeblich
begangen von tschetschenischen Terroristen. Russische Truppen
marschieren in Tschetschenien ein, damit wird das öffentliche
Interesse von Russia-Gate abgelenkt.

Elsässer: Agierte del Ponte in dieser Situation als Befehlsempfängerin
Washingtons?

Turover: Sie ist genausowenig proamerikanisch wie proalbanisch. Sie
handelt im Schweizer Interesse, d.h. im Interesse der Mafia-Politik in
der Schweiz.

Elsässer: Das müssen Sie näher erklären.

Turover: Die Schweiz und die Schweizer Banken leben hauptsächlich von
der Geldwäsche. Alle Diktatoren und alle großen Kriminellen dieser
Welt deponieren ihr schmutziges Geld hierzulande; vor allem der Kanton
Tessin eignet sich hervorragend, man bringt die Millionen einfach im
Koffer oder im Handschuhfach von Italien über die Grenze. Alle
Politiker im Tessin wissen davon, alle profitieren davon. Und del
Ponte als Staatsanwältin des Kantons hat diese Praktiken geschützt,
schon vor der Mabetex-Affäre Ende der neunziger Jahre. Nehmen Sie etwa
den Fall einer Aktiengesellschaft in Chiasso, gegen die wegen
Geldwäsche für die italienische Mafia ermittelt wurde - die
Ermittlungen wurden von ihr eingestellt.
In erster Linie ist del Ponte aber pro del Ponte. Für ihre Karriere
würde sie alles tun, sogar George W. Bush anklagen. Als Juristin ist
sie im übrigen eine Null. Können Sie sich vorstellen, daß sie nach
meiner Kenntnis in ihrer bisherigen Laufbahn keine einzige Anklage
gewonnen hat? Ihr einziges Talent liegt in der Selbstdarstellung, in
der Selbstvermarktung.

Elsässer: Ihr Agreement mit Albright hat sich jedenfalls rentiert.
Wenig später wurde sie Chefanklägerin in Den Haag - auf Vorschlag
Washingtons. Die Zürcher "Weltwoche" wunderte sich: "Warum die
Amerikaner sie als Nachfolgerin der unbequemen und vorzeitig
abservierten Louise Arbour haben wollten, bleibt ein Rätsel. Denn sie
haben nie einen Hehl daraus gemacht, daß sie den Gerichtshof für einen
nutzlosen Schwulst halten."

Turover: Del Ponte und die Schweizer Regierung halfen Albright, und
dafür wurde sie - die Amerikaner sind ehrliche Leute, sie zahlen für
ihre Aufträge - mit dem Posten in Den Haag belohnt. Auch dort verkauft
del Ponte sich glänzend. Dabei ist der Prozeß eine einzige
Katastrophe. Sie hat überhaupt nichts in der Hand gegen Milosevic, de
jure müßte er sofort freigelassen werden. So kann sich Milosevic, der
selbst nur ein Bandit und Betrüger ist, als unschuldig Verfolgter
darstellen, und der serbische Nationalismus ist im Aufschwung, wie
sich bei den letzten Wahlen zeigte.
Weiß man in Den Haag wirklich nicht, daß die Schweizer Bundesregierung
einen Sonderermittler in der Affäre del Ponte eingesetzt hat? Wie kann
eine Frau Chefanklägerin des UN-Kriegsverbrechertribunals bleiben, die
selbst Gegenstand höchstrichterlicher Untersuchungen wegen schwerer
Verbrechen ist?

Elsässer: Sie haben im März 2001 Anzeige gegen Carla del Ponte und
unbekannt gestellt, u.a. wegen Gefährdung Ihres Lebens und Mordversuch
(tentato assassinio) im Zusammenhang mit Russia-Gate. Aber der
Schweizer Bundesanwalt Valentin Roschacher hat die Anzeige gegen seine
Amtsvorgängerin abgewiesen. Wie können Sie also sagen, es sei eine
Sonderermittlung gegen del Ponte im Gange?

Turover: Roschacher hat del Ponte geschützt, und deshalb habe ich ihn
wegen Begünstigung zu ihren Gunsten verklagt, und diese Klage ist
nicht nur angenommen worden, sondern es wurde im Mai 2002 sogar ein
Sonderermittler vom Schweizer Bundesrat eingesetzt, Arthur Hublard,
der ehemalige Generalstaatsanwalt des Kantons Jura. Der untersucht
meine Anklagen gegen Roschacher - aber damit ist auch die Causa del
Ponte endlich auf dem Tisch.
Überdies habe ich gegen die Schweiz eine Klage vor dem Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte in Strasbourg angestrengt.

Elsässer: Gegen die Schweiz - nicht gegen del Ponte?

Turover: In Strasbourg kann man nicht gegen Privatpersonen klagen.
Aber in der Substanz richtet sich die Anklage vor allem gegen del
Ponte, weil sie als Bundesanwältin der Schweiz mein Leben in Gefahr
gebracht hat. Es ist ein Unding, daß sie weiter in Den Haag amtiert,
solange zwei solche Verfahren anhängig sind.

Elsässer: Sie leben verdeckt im Untergrund und wechseln ständig den
Aufenthaltsort. Wie lange werden Sie das durchhalten?

Turover: Ich muß, wegen del Ponte, sonst bin ich ein toter Mann.
Natürlich habe ich mich abgesichert, indem ich sicherstellte, daß im
Falle meines Ablebens noch brisantere Informationen öffentlich werden
als bisher schon.
Aber eine beruhigende Sicherheit gibt mir das nicht. Bisher wurden
jedenfalls schon mindestens fünf Belastungszeugen in der Affäre
Mabetex aus dem Weg geräumt. Das letzte Opfer war die persönliche
Sekretärin von Pacolli, eine 32jährige Frau, Tod im Badezimmer,
angeblich ein Blutgerinsel.
Es gab nie eine Autopsie der Leiche, sie wurde am nächsten Tag
verbrannt.


Interview: Jürgen Elsässer