(deutsch / english / italiano)
Varvarin: licenza di uccidere
1. Varvarin: licenza di uccidere
La Corte di Appello di Colonia ha rigettato ieri l'istanza dei parenti
delle vittime e dei sopravvissuti al raid NATO sul paesino serbo di
Varvarin... (a cura del CNJ)
2. German court rejects Serbs' appeal over 1999 bridge bombing (AFP)
3. Deutsches Gericht wies serbische Klage wegen NATO-Bombenkrieg 1999
erneut ab
(Jürgen Elsässer / Rüdiger Göbel / Heinz-Jürgen Schneider)
4. Ergänzende Ausführungen zu den die gesamtschuldnerische Haftung
begründenden Tatsachen... (U. Dost, Rechtsanwalt)
VEDI / SIEHE / SEE ALSO:
http://www.nato-tribunal.de/varvarin/index.htm
=== 1 ===
Varvarin: licenza di uccidere
(a cura del CNJ)
La Corte di Appello di Colonia ha rigettato ieri l'istanza dei parenti
delle vittime e dei sopravvissuti al raid NATO sul paesino serbo di
Varvarin contro il governo federale tedesco.
Nel bombardamento del ponte a Varvarin, il 30 maggio 1999, dieci
persone rimasero uccise, 17 riportarono ferite gravi e altre 30
rimasero ferite lievemente. Il ponte non era un obbiettivo militare.
Gli aerei Nato lo colpirono in due attacchi consecutivi; la
maggiorparte delle vittime furono abitanti accorsi per soccorrere i
feriti del primo raid.
Furono centinaia, d'altronde, gli obbiettivi civili colpiti, e circa
1500 le vittime civili di quella aggressione criminale della quale si
resero corresponsabili i governi europei di "centrosinistra".
La decisione della Corte di Appello di Colonia rappresenta l'ennesimo
penoso tentativo di insabbiare le cause intentate contro la NATO per
la aggressione del 1999. Tutte le altre denunce, presentate a numerose
istanze - di vari paesi o sovranazionali - sui crimini di guerra della
Nato in Jugoslavia sono state già bloccate per "ragion di Stato",
comprese quelle italiane, e quella presentata dalla Jugoslavia alla
Corte Internazionale dell'Aia (vedi alla pagina:
https://www.cnj.it/24MARZO99/giudiziario.htm - in costruzione).
Tuttavia, come è spiegato nella intervista ad uno degli avvocati
tedeschi che difendono la parte offesa, la causa per Varvarin verrà
portata alle istanze superiori. Perciò, le vittime di Varvarin hanno
tuttora urgente bisogno del nostro sostegno. Per contribuire, si puo'
versare sul conto tedesco:
Vereinigung deutscher Juristen,
Berliner Sparkasse,
BLZ 100 500 00, Kto.: 33 52 20 14
Sulla causa intentata in Germania per il bombardamento di Varvarin si
veda anche, ad esempio:
IL SITO INTERNET DEL COMITATO TEDESCO CHE SOSTIENE LA CAUSA
http://www.nato-tribunal.de/varvarin/index.htm
NATO - Kriegsopfer klagen gegen die Bundesrepublik Deutschland
(Memoria d'appello indirizzata alla Corte Suprema di Colonia)
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/3770
Primo processo per i raid del 1999 (16 Ott 2003)
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/2867
Varvarin 30/5/1999 (30 Ott 2003)
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/2910
Varvarin-Bürger gegen Deutschland (9 Dic 2003)
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/3000
Varvarin/Germania: sancito il diritto di ammazzare i civili ?
(11 Dic 2003)
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/3009
Varvarin citizens to appeal to Higher Court in Cologne
(19 Dic 2003)
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/3037
Projekt "NATO-Kriegsopfer klagen auf Schadenersatz"
(13 Feb 2004)
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/3192
Varvarin-Klage: Kostenknebel aus Berlin
(26 Ott 2004)
...
nonche' larga parte del libro di Jürgen Elsässer
Kriegslügen ("Menzogne di guerra"),
specialmente nell'edizione aggiornata tedesca (2004):
https://www.cnj.it/documentazione/sanja.htm
(L'ultimo giorno di Sanja - Cosa racconterebbe della guerra una una
ragazza serba perita nel bombardamento di Varvarin)
=== 2 ===
http://www.spacewar.com/2005/050728134039.7aksw5it.html
Agence France-Presse - July 28, 2005
German court rejects Serbs' appeal over 1999 bridge bombing
COLOGNE, Germany - A German court on Thursday rejected
an attempt by 35 Serbs to claim compensation for
Germany's part in the 1999 bombing of a bridge in
Varvarin, Serbia, during the Kosovo conflict.
The appeal court in Cologne ruled that neither
international law nor German law allowed for such a
claim, upholding a decision made by a court in Bonn in
December last year.
The German state cannot be accused of "behaving like a
war criminal" as a result of the aerial bombing of the
bridge in the central Serbian town which killed 10
people and injured 17, the judges ruled.
The Serbs, all relatives or friends of the victims,
were claiming 536,000 euros (650,000 dollars) in
damages in a civil case which was the first of its
kind in Germany.
The claimants said that although no German military
personnel were in the planes which bombed the bridge,
Germany was part of the NATO operation and took part
in the decision to carry out the bombing.
The Serbs said after the ruling that they would now
take their case to the federal court of justice.
In claims backed up by Amnesty International, the
Serbs said the NATO air strikes on May 30, 1999, on
the town 160 kilometres (100 miles) south of Belgrade
violated international law because they targeted
civilians.
The bombing raid was carried out on a Sunday as a
market was being held near the bridge.
NATO says the bridge was a "legitimate" target because
it could have been used for military operations.
But a study produced as evidence by the Serbs showed
that the bridge was not strong enough to carry
vehicles of more than 12 tonnes, ruling out its use
for most military vehicles.
The United Nations and NATO took control of Kosovo in
June 1999, at the end of a war between Serbian armed
forces and ethnic Albanian rebels.
=== 3 ===
http://www.jungewelt.de/2005/07-29/010.php
29.07.2005 - Inland
Jürgen Elsässer
Freispruch für Kanzler Schröder
Deutsches Gericht wies serbische Klage wegen NATO-Bombenkrieg 1999
erneut ab
Das Oberlandesgericht Köln (OLG) hat am Donnerstag in zweiter Instanz
eine Schadensersatzklage von serbischen Kriegsopfern abgewiesen. In
dem Musterprozeß war der deutsche Staat zum ersten Mal nicht wegen der
Verbrechen des Naziregimes, sondern denen der Bundesrepublik verklagt
worden. Es ging um den ersten Krieg der Deutschen nach 1945, den
Angriff der NATO-Verbündeten auf Jugoslawien im Jahre 1999
vorangetrieben und beschlossen von der Regierung unter Kanzler Gerhard
Schröder.
Im NATO-Bombenhagel starben im Verlaufe des 78tägigen Krieges 2000
jugoslawische Zivilisten, darunter etwa 700 Kinder, des weiteren
fielen etwa 1000 Militärangehörige. Stellvertretend für alle
Hinterbliebenen klagten 35 Bewohner der mittelserbischen Ortschaft
Varvarin. Einer von ihnen war gestern bei der Urteilsverkündung dabei
der Bürgermeister Zoran Milenkovic, Vater der getöteten 16jährigen
Sanja. Insgesamt verloren an jenem 30. Mai 1999 zehn Varvariner Bürger
ihr Leben, weitere 17 wurden schwer verletzt.
Im Urteil des OLG Köln wird zum einen bekräftigt, was bereits
erstinstanzlich für Recht befunden worden war: Individualkläger aus
einem Staat A (in diesem Fall Serbien-Montenegro) können einen Staat B
(in diesem Fall Deutschland) nicht verklagen, es sei denn, es liegt
ein entsprechendes zwischenstaatliches Abkommen vor. Damit wird erneut
eine Spaltung des Völkerrechts in Kauf genommen: Während die
NATO-Staaten ihre militärische Intervention gegen Jugoslawien als
Verteidigung individueller Menschenrechte in jenem Fall: der
Kosovo-Albaner darstellten, dürfen umgekehrt Individuen im
aktuellen Fall die Varvariner ihre ganz persönlichen Menschenrechte
nicht gegen Staaten verteidigen. Mit anderen Worten: Die
Menschenrechte sollen der NATO nützen, nicht den Menschen.
Immerhin stellten die Kölner Richter fest, daß der deutsche Staat für
strafbare Handlungen seines Personals haftet. Auf eine solche
Staatshaftung hatten sich die Kläger mit einer Fülle von Beweisen
bezogen: Das höchste Staatspersonal, nämlich die Bundesregierung, sei
an der Auswahl der NATO-Bombenziele beteiligt gewesen, und deutsche
Tornados hätten insgesamt 504 Einsätze geflogen.
Für das Gericht lag trotzdem keine strafbare Handlung vor, weil eine
Brücke als Angriffsziel immer militärisch vertretbar sei (also auch im
Falle des militärisch bedeutungslosen Varvarin). Allenfalls der
Zeitpunkt Sonntagnachmittag, zur Marktzeit, während eines
Kirchenfestes sei fragwürdig, aber eine deutsche Mitbestimmung über
die Uhrzeit des Zuschlagens sei ebensowenig nachgewiesen wie eine
direkte Beteiligung deutscher Piloten oder Flugzeuge. Bei den
Kampfhandlungen der NATO-Verbündeten aber habe sich Deutschland darauf
verlassen können, daß diese das humanitäre Volkerrecht beachten. An
dieser Stelle wurde im Publikum höhnisch gelacht. Ob die Richter die
Namen My Lai (Son My) und Abu Ghraib schon einmal gehört haben?
(Siehe auch Interview mit Heinz-Jürgen Schneider)
http://www.jungewelt.de/2005/07-29/019.php
29.07.2005 - Interview
Interview: Rüdiger Göbel
»BRD darf nicht straffrei bleiben«
NATO-Krieg gegen Jugoslawien wird Gerichte weiter beschäftigen.
Varvarin-Kläger wollen nach Urteil des OLG Köln in Revision gehen.
Gespräch mit Heinz-Jürgen Schneider
* Heinz-Jürgen Schneider ist Rechtsanwalt und vertritt mit seiner
Kollegin Gül Pinar Einwohner der serbischen Kleinstadt Varvarin, die
am 30. Mai 1999 bei einem Raketenangriff der NATO verletzt wurden. Bei
dem Angriff waren zehn Zivilisten getötet und 17 schwer verletzt worden.
F: Die Bundesrepublik Deutschland muß keinen Schadenersatz an zivile
Opfer des NATO-Luftangriffs auf die serbische Kleinstadt Varvarin
zahlen. Dies entschied am Donnerstag das Oberlandesgericht (OLG) Köln
in zweiter Instanz. Wie begründete der Vorsitzende Richter Hans-Peter
Prior die Entscheidung?
Hauptpunkt der Begründung ist, daß die Bundesrepublik Deutschland kein
konkretes Verschulden an dieser Tat trifft. Das Gericht in Köln ist
davon ausgegangen, daß die Bundesluftwaffe bei den ganzen Angriffen
auf Jugoslawien eine eher am Rand stehende Rolle gespielt habe, daß
die Identität der eigentlichen Todesbomber nicht geklärt werden konnte
und daß Deutschland darauf vertrauen konnte, daß ein Angriff auf
Varvarin in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht durch die anderen
NATO-Staaten ausgeführt wird.
F: Überrascht Sie die OLG-Entscheidung?
Nach der mündlichen Verhandlung im Februar hatten wir uns eine kleine
Erfolgsaussicht ausgerechnet. Das einzig Positive am jetzigen Urteil
ist, daß das OLG im Prinzip die juristische Begründung bestätigte, die
wir immer vertreten hatten deutsches Staatshaftungsrecht ist
generell auch anwendbar für Individiualklagen von Opfern eines Krieges
unter deutscher Beteiligung. Ansonsten finden wir die Begründung und
auch den gewählten juristischen Maßstab völlig unzureichend.
F: Das OLG hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Entscheidung
Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe zugelassen. Werden
Sie das Urteil anfechten und in die dritte Instanz gehen?
Das werden wir machen, auch wenn damit für die Opfer aus Varvarin ein
weiterer, mehrjähriger Instanzenweg vorgezeichnet ist. Es kann nicht
angehen, daß Deutschland straffrei an einem völkerrechtswidrigen
Angriffskrieg teilnimmt. Wir werden nicht stehen lassen, daß die
tatsächliche Beteiligung Deutschlands an diesem Krieg weiter
bagatellisiert wird. Die Bundesluftwaffe war mit 14
Tornado-Kampfflugzeugen über Jugoslawien im Einsatz. Es wurden über
500 Einsätze geflogen und dabei 236 Raketen verschossen. Das zeigt,
daß der deutsche Einsatz sehr massiv gewesen ist und es nicht das
Entscheidende ist, welcher Nationalität die Bomber gewesen sind,
sondern es ist entscheidend, daß Deutschland mithaftet, weil es Teil
dieser Kriegsmaschine gewesen ist.
F: Wie haben die in Köln anwesenden serbischen Kläger auf das Urteil
reagiert?
Bei der gestrigen Urteilsverkündung war der Bürgermeister von
Varvarin, Zoran Milenkovic, zugegen. Beim NATO-Angriff am 30. Mai 1999
wurde seine Tochter Sanja getötet. Er hatte, wie alle im Klägerteam,
ein klein wenig Hoffnung gehabt. Aber auch Zoran Milenkovic wußte
natürlich um den politischen Hintergrund und die grundsätzliche
Dimension dieses Verfahrens. Er stimmte mit uns darin überein, daß
Rechtsmittel eingelegt werden müssen.
F: Die SPD-Grünen-Bundesregierung hatte versucht, die Kläger aus
Varvarin dadurch einzuschüchtern, daß sie ihnen ihre hohen
Anwaltskosten in Rechnung stellte. Wer trägt die Kosten des Verfahrens?
In dieser Instanz muß von seiten der Klägerinnen und Kläger ein Teil
der Kosten übernommen werden. Es ist ihnen zwar sogenannte
Prozeßkostenhilfe bewilligt worden, die stellt sie aber nur von den
eigenen Anwalts- und den Gerichtskosten frei. Die Kosten der Anwälte
der Regierung hätten sie zu tragen. Und natürlich ist auch die dritte
Instanz vor dem Bundesgerichtshof außerordentlich kostspielig, so daß
auch über die Finanzierung dieses Musterprozesses weiter in der
Öffentlichkeit nachgedacht werden muß.
F: Wie soll der Gang nach Karlsruhe finanziert werden?
Wir werden zunächst die Klägergemeinschaft in Varvarin über das Urteil
unterrichten. Ich kann Ihnen aber versichern, daß innerhalb der
notwendigen Monatsfrist diese Revision eingelegt wird. Über die
weiteren finanziellen Aspekte wird man die Öffentlichkeit unterrichten.
F: Sollten Sie auch beim BGH scheitern: Welche Möglichkeiten gäbe es
dann noch?
Der sogenannte ordentliche Rechtsweg ist damit beendet. Es ist aber
möglich, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. So haben es auch die
griechischen Kläger wegen des Wehrmachtsverbrechens in Distomo 1944
gemacht. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Fall noch keine
Entscheidung getroffen. Sollte die im Sinne der Kläger positiv
ausgehen, könnte sie eine Ausstrahlung auf das Varvarin-Verfahren haben.
=== 4 ===
Da: "Ulrich Dost"
Data: Mer 8 Giu 2005 18:56:10 Europe/Rome
A: "'Coordinamento Nazionale per la Jugoslavia'"
Oggetto: Varvarin
Sehr geehrte Damen und Herren,
am 16. Juni 2005 [danach: 28 Juli] will das OLG Köln in dem
Berufungsverfahren jugoslawischer Staatsbürger gegen die
Bundesrepublik Deutschland eine Entscheidung verkünden. Anbei
übersende ich Ihnen die letzten Schriftsätze vor diesem Termin. Der
Ausgang des Verfahrens ist nach wie vor offen.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Dost
Rechtsanwalt
Kanzleiadresse:
Mandrellaplatz 7
12555 Berlin
Telefon (030) 88 471 430
Fax (030) 88 471 431
---
Oberlandesgericht Köln
Reichenspergerplatz 1
50670 Köln
vorab per Telefax: 02 21/77 11 600
Berlin,07. Juni 2005
3/04D02 Do/Ki
In dem Rechtsstreit
Ristic u.a. ./. BRD
- 7 U 8/04 -
wird im Nachgang zur mündlichen Verhandlung am 24.2.2005 und auf den
letzten Schriftsatz der Beklagten vom 19.4.2005 wie folgt erwidert.
1. Ergänzende Ausführungen zu den die gesamtschuldnerische Haftung
begründenden Tatsachen
Diejenigen Umstände, die die Haftung der Beklagten für die Schäden der
Kläger begründen, hat sie mit ihrem Schriftsatz
vom 19.4.2005 selbst vortragen und untermauern lassen. Zu ihrer
Verantwortlichkeit für den Militäreinsatz »Allied Force« führt die
Beklagte aus:
»Im NATO-Rat und im NATO-Militärausschuss wird nach dem Konsensprinzip
entschieden, da alle Teilnehmerstaaten die politische Verantwortung
für den NATO-geführten Einsatz im gleichen Maß und ungeachtet ihrer
tatsächlichen Beteiligung tragen« (vgl. Schriftsatz vom 19.4.2005, 1.
a), dort Seite 2)
Dazu ist anzumerken, dass die von der Beklagten irreführend als
»politisch« bezeichnete Verantwortung in Wirklichkeit die auf
Verträgen und Gesetzen beruhende rechtliche Gesamtverantwortung der
NATO-Mitgliedsstaaten für das Handeln ihrer in der NATO integrierten
militärischen Verbände, einschließlich aller ihrer Kommandoebenen,
ist. Dass dies die haftungsrechtliche Verantwortung der
NATO-Mitgliedsstaaten einschließt, versteht sich von selbst.
Bekanntlich ist nach Artikel 9 des NATO-Vertrags der NATO-Rat das
oberste Organ der NATO. Mit dem NATO-Vertrag wurde vertraglich
vereinbart, dass der NATO-Rat keine für die Mitgliedsstaaten
verbindlichen Entscheidungen trifft. Seine Beschlüsse haben
Empfehlungscharakter und bedürfen in jedem Fall zu ihrer Wirksamkeit
gesonderter einzelstaatlicher Entscheidungen. Rechtsfolgerichtig
konnte der im NATO-Rat am 8.10.1998 gefasste Beschluss zu der
Militäroperation gegen Jugoslawien nur durch die (erfolgte) Zustimmung
- wegen des Einstimmigkeitsgebots - aller NATO-Mitgliedsstaaten
wirksam werden.
Die Ausführungen der Beklagten in ihrem jüngsten Schriftsatz sind
unvollständig, soweit sie dort ausführen lässt,
»der NATO-Rat (würde) in seinen Entscheidungsprozessen vom
NATO-Militärausschuss unterstützt (werden)«.
(vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 19. 4. 2005, 1. a), dort Seite 2)
Ergänzend ist hinzuzufügen, dass der Militärausschuss als höchstes
Organ auf der militärischen Ebene der NATO für sämtliche militärischen
Angelegenheiten zuständig, dabei aber dem NATO-Rat untergeordnet ist.
Schon aus dem vertraglich fixierten Unterordnungsverhältnis ergibt
sich, dass auch der Militärausschuss keine für die
NATO-Mitgliedsstaaten verbindlichen Entscheidungen treffen kann.
Die rechtliche Verantwortung für das Handeln der NATO und ihrer dort
integrierten militärischen Verbände, einschließlich aller
Kommandoebenen, verbleibt in Friedenszeiten wie auch während eines
bewaffneten Konflikts bei den NATO-Mitgliedsstaaten. Die »politische
Verantwortung« für Entscheidungen der Beklagten in ihrer Eigenschaft
als NATO-Mitgliedsstaat ist gleichbedeutend mit der rechtlichen
Verantwortlichkeit. Anders ausgedrückt: erstere schließt die zweite in
sich ein und nicht aus.
Politisches Handeln hat sich im Rahmen des geltenden Rechts zu bewegen
und - darüberhinaus - messen zu lassen. Deshalb unterliegt es
gerichtlicher Überprüfbarkeit. Das ergibt sich schon aus dem
Rechtsstaatsprinzip, das ebenso wenig wie § 839 BGB in Zeiten eines
bewaffneten Konflikts von der Rechtsordnung suspendiert ist.
Jedenfalls kennt das Recht keine Abtrennung »politischer«
Entscheidungen, die die rechtliche Verantwortlichkeit der
NATO-Mitgliedsstaaten in irgendeiner Weise einschränkt, vermindert
oder sogar ausschließt. Sollte die Beklagte diesbezüglich einen für
die Entscheidung des Rechtsstreits rechtsrelevanten Unterschied in der
Weise sehen, dass sie, unter Ausschluss der Haftung, selbst "nur
politische Verantwortung" getragen haben will, hat sie dazu nichts
vorgetragen.
Die vorzitierten Ausführungen der Beklagten bestätigen und untermauern
die seit Beginn des Rechtsstreits von den Klägern vorgetragene
Rechtsauffassung, wonach es für die Frage der Haftung vorliegend nicht
darauf ankommt, ob die Beklagte unmittelbar mit eigenen Jagdflugzeugen
und Personal den Angriff auf die Brücke von Varvarin vollzogen hat.
Insoweit ist dem gegnerischen Vortrag in vollem Umfange zuzustimmen,
wenn die Beklagte ausführen lässt, dass die NATO-Staaten »im gleichen
Maß und ungeachtet ihrer tatsächlichen Beteiligung« für den
NATO-Einsatz "Allied Force" verantwortlich sind - und, ich darf
ergänzen - haften.
Mit diesen neuerlichen Ausführungen dürfte der dazu im Widerspruch
stehende, frühere Vortrag der Beklagten zur Haftungsfrage überholt
sein. In ihrem Schriftsatz vom 19.12.2002 hatte sie noch vortragen
lassen, dass die Haftung
»... allenfalls der NATO, nicht aber der Beklagten zugerechnet werden
(könne).«
(vgl. Schriftsatz vom 19.12.2002, IV. Ziff. 4, dort Seite 21)
Mit dem jüngsten schriftsätzlichen Vortrag stellt die Beklagte
erstmals den Vortrag der Kläger unstreitig, wonach die Zerstörung der
Brücke von Varvarin planmäßig im Rahmen der so genannten Zielplanung
vorbereitet und diese als so genanntes Einzelziel angegriffen und
zerstört wurde. Die Beklagte führt dazu aus:
»Für die Ausführung des vom NATO-Rat erteilten Gesamtauftrages war die
nachgeordnete militärische Ebene verantwortlich. Erst auf dieser Ebene
wurden auf der Basis des gebilligten Operationsplanes in Abstimmung
mit den jeweils an den konkreten Operationen beteiligten Nationen
situationsabhängig Einzelziele festgelegt. Für die Brücke von Varvarin
galten insoweit keine Besonderheiten.«
(vgl. Schriftsatz vom 19.4.2005, 1. b), dort Seite 2)
Mit diesem Eingeständnis der Beklagten ist nun streitlos gestellt
worden, dass der Luftangriff gegen die Brücke von Varvarin nicht
irrtümlich oder versehentlich, sondern eben planmäßig, letztlich in
bewusster Absicht erfolgt ist. Der Vortrag der Beklagten ist insoweit
unmissverständlich.
Schon die in meiner Klageschrift vom 24.12.2001 umfassend geschilderte
Art und Weise der in zwei Angriffswellen erfolgten Brückenzerstörung
beweist lückenlos eine geplante und zielgerichtet ausgeführte
Luftoperation. Ich verweise deshalb auf die Ausführungen in der
Klageschrift (IV., 2.2.4, dort ab Seite 145). Die Tatsache eines
geplanten Luftangriffs wird auch mit dem unter Beweis gestellten und
unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag bewiesen, wonach die beiden
Pressesprecher der NATO, Jamie Shae und Generalleutnant Walter Jertz,
auf Pressekonferenzen der NATO am 31. Mai und 1. Juni 1999, den
Luftangriff auf die Brücke nicht etwa wie auf die chinesische
Botschaft als Irrtum, sondern als rechtlich legitim erklärten. Ich
verweise auf meine Ausführungen in der Klageschrift (I., 4, dort Seite
104, außerdem: Anlagen 43 und 44 der Klage).
Von daher war für Spekulationen der Beklagten in vorangegangenen
Schriftsätzen, wonach
»... die Zerstörung der Brücke von Varvarin unter den konkreten
Umständen als "Exzess" anzusehen (sei)...«,
(vgl. Schriftsatz vom 19.12.2002, dort Seite 27, vorletzter Absatz)
von Beginn an kein Raum. Das insbesondere auch deswegen nicht, weil
die Beklagte mit dem gleichen Schriftsatz selbst den Beweis dafür
lieferte, dass die Bombardierung der Brücke von Varvarin planmäßig
erfolgte. Als Anlage 7 reichte sie ein Memorandum der NATO vom
17.12.2002 ein, indem explizit die geplante Durchführung dieses
Luftangriffs bestätigt wird:
»... Die NATO hielt sich bei dem Angriff auf die Brücke von Varvarin
äußerst genau an die oben erwähnten Grundsätze. Aus Gründen des
Schutzes und der Geheimhaltung von Einsätzen kann die NATO keine
konkreten Informationen über die Planung und Durchführung dieser
militärischen Operation preisgeben oder Einzelheiten über die genaue
Zielfestlegung und Bombardierung der Brücke liefern.«
(Vgl. Anlage 7 zum Schriftsatz der Beklagten vom 19.12.2002)
Ungeachtet dessen, dass die planmäßige Zerstörung der Brücke aus den
vorgenannten Gründen ohnehin als bewiesen anzusehen ist, bleibt
dennoch zu begrüßen, dass die Beklagte diese Tatsache im letzten
Schriftsatz unstreitig gestellt hat.
Der Vortrag der Beklagten stützt zusätzlich die Glaubwürdigkeit des
schon mit der Klageschrift als Zeugen angebotenen - und ohnehin
glaubwürdigen - deutschen Generalleutnants Walter Jertz, der in einem
Interview mit dem Nachrichtenmagazin »Focus« (Heft 41/2000, Interview
ab Seite 132) erklärt hatte, dass die NATO-Mitgliedsstaaten in die
Zielauswahl aktiv einbezogen waren, indem sie ihre Zustimmung zum
Angriff auf konkrete Ziele geben mussten und ein Angriff dann
unterblieb, wenn nur einer der Staaten die Zustimmung verweigerte. Ich
verweise auf meine ausführlichen Darlegungen unter Angebot der
Zeugnislegung in der Klageschrift (III. 3, dort Seite 118).
Die vorgenannten Äußerungen des Generalleutnants Walter Jertz stehen
inhaltlich in völliger Übereinstimmung mit den öffentlichen Äußerungen
des damaligen Verteidigungsministers Rudolf Scharping. Auch er
bestätigt, dass die Beklagte den Angriffen zustimmen musste:
»Ich hatte entschieden, dass wir... zwar Angriffen zustimmen sollten,
die militärischen Hauptquartieren in Belgrad galten oder
Einrichtungen, die Milosevic persönlich nutzte. Brücken in Belgrad und
anderswo sollten aus militärischen und politischen Gründen nicht mehr
angegriffen werden. Kanzler und Außenminister stimmten zu.«
(vgl. Schriftsatz der Kläger vom 7. Oktober 2003, dort Seite 14,
zitiert aus: Rudolf Scharping in »Wir dürfen nicht wegsehen Der
KOSOVO-KRIEG UND EUROPA«, Ullstein Buchverlag GmbH & Co KG, Berlin,
1999, dort Seite 187)
Ich darf daran erinnern, dass diese Entscheidung erst nach dem
Luftangriff auf die Brücke von Varvarin gefallen ist. Scharping teilte
sie Kanzler und Außenminister am 31. Mai 1999 mit. Zur Vermeidung
ausführlicher Wiederholungen wird auf den erstinstanzlich unter Beweis
gestellten und unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag in meinem
Schriftsatz vom 7. Oktober 2003 (dort ab Seite 13, 3. Absatz bis Seite
14) verwiesen.
Mit den Aussagen des Generalleutnants Walter Jertz und des
Ex-Verteidigungsministers Scharping korrespondieren auch die des als
Zeugen angebotenen ehemaligen Außenministers Frankreichs, Herr Hubert
Vedine. Ich verweise insoweit auf die unwidersprochen gebliebenen
Ausführungen und das Angebot der Zeugnislegung in meiner Klageschrift
vom 24. Dezember 2001 (III. 3, dort Seite 119).
Nicht zuletzt mit dieser lückenlosen Beweis- und Indizienkette haben
die Kläger - weit über den ihnen zufallenden Rahmen der Beweislast
hinaus - nachgewiesen, dass die Beklagte sehr wohl über bevorstehende
Luftangriffe gegen Einzelziele, einschließlich der Brücke von
Varvarin, unterrichtet wurde.
Die Beklagte hatte es demnach in der Hand, der Bombardierung der
Brücke von Varvarin die Zustimmung zu verweigern und so die Schäden
der Kläger zu verhindern. Es steht also außer Frage, dass die Beklagte
- auch von daher - für die bei den Klägern eingetretenen Schäden zu
haften hat. Ihr Verhalten hat kausal die Schäden mindestens mitverursacht.
Während die Beklagte in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom
19.12.2002 noch vorgetragen hat, sie sei im Rahmen der
NATO-Operationen gegen Jugoslawien
»... mit sog. RECCE- und ECR-Tornados beteiligt (gewesen), die der
Luftaufklärung einerseits und dem Begleitschutz andererseits dienten«
(vgl. Schriftsatz vom 19.12.2002, II. »Zum Sachverhalt«, Ziffer 2,
Seite 5)
erklärt die Beklagte nun in ihrem jüngsten Schriftsatz, während des
gesamten Konflikts in Jugoslawien keinen Begleitschutz geleistet haben
zu wollen:
»Unmittelbarer Begleitschutz für Luftangriffskräfte anderer Nationen
wurde während des gesamten Konfliktes nicht geleistet.«
(vgl. Schriftsatz vom 19.4.2005, 1. d), dort Seite 3)
Es bedarf keiner vertiefenden Erörterungen, dass eine der beiden
Aussagen der Beklagten definitiv falsch sein muss.
Dass die Beklagte mit ihren Kampfflugzeugen vom ersten bis zum letzten
Kriegstag Tag und Nacht Begleitschutzaufgaben für andere
Kampfflugzeuge zur Absicherung der Luftangriffe - einschließlich der
Brücke von Varvarin - erfüllte, ergibt sich einerseits aus dem schon
in der ersten Instanz lückenlos unter Beweis gestellten Sachvortrag.
Ich verweise auf meine Ausführungen und das Angebot der Zeugnislegung
im Schriftsatz vom 7. Oktober 2003 (I. 2, ab Seite 15 bis Seite 20).
Aber auch aus dem eigenen Sachvortrag der Beklagten ergibt sich, dass
sie ständig Aufgaben des Begleitschutzes wahrgenommen hat
(vgl.Schriftsatz vom 19.12.2002, II. »Zum Sachverhalt«, Ziffer 2,
Seite 5).
Auch der neuerliche Tatsachenvortrag im jüngsten Schriftsatz der
Beklagten belegt exemplarisch, dass sie am 30.5.1999 mit
Kampfflugzeugen auch den Luftangriff auf die Brücke von Varvarin
absicherte, indem sie über dem jugoslawischen Luftraum mit dem Auftrag
im Einsatz war, »andere Luftfahrzeuge« vor dem Beschuss durch
gegnerische Flugabwehrstellungen zu schützen:
»Dieser Auftrag wurde während der gesamten Operation ausschließlich in
Form eines großflächigen Raumschutzes über dem Einsatzgebiet Kosovo
durchgeführt , d.h. in einem zugewiesenen Raum sollten andere
Luftfahrzeuge vor dem Beschuss durch gegnerische radargelenkte
Flugabwehrstellungen geschützt werden.«
(vgl. Schriftsatz vom 19.4.2005, 1. d), dort Seite 3)
Eben genau dieser Raumschutz ist Begleitschutz. Er diente anderen
Kampfflugzeugen dazu, die zur Vernichtung geplanten Ziele, zu denen an
diesem Tag eben auch die Brücke von Varvarin gehörte, ungestört von
feindlichem Militär anfliegen, angreifen und erfolgreich vernichten zu
können. Mit dem Raumschutz sicherte die Beklagte die Angriffe ab. Ihre
Behauptung - bei hypothetischer Unterstellung der Richtigkeit -, dass
sich ihr Raumschutz lediglich auf den Luftraum über dem Kosovo bezogen
haben soll, ändert daran nichts.
Ein Raumschutz im unmittelbaren Luftraum über dem serbischen Ort
Varvarin war im Übrigen auch nicht erforderlich. Der Ort und die
Umgebung waren unverteidigt. Ein gegnerischer Beschuss, der einen
Angriff auf die Brücke von Varvarin hätte vereiteln können, war nicht
zu erwarten. Anders im Kosovo, wie die Beklagte selbst vorträgt.
Dieser Raumschutz »während der gesamten Operation« beweist -
zusätzlich zu dem bisherigen Vortrag der Kläger - die Mittäterschaft
der Beklagten bei der Bombardierung der Brücke von Varvarin.
Folgerichtig haftet - auch aus diesem Gesichtspunkt - die Beklagte den
Klägern für die eingetretenen Schäden.
2. Ergänzende Ausführungen zur Beweislast
Die Tatsache, dass es vorliegend um einen Fall geht, in dem die
Ursachenzusammenhänge nicht abgrenzbar sind, führt hinsichtlich der
Kausalität der eingetretenen Schäden der Kläger zu einer
Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten. Das verkennt die Beklagte im
vorliegenden Rechtsstreit völlig.
Das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten der Beklagten hat den
Umständen nach die Bombardierung der Brücke von Varvarin möglich
gemacht und so kausal zu den Schäden der Kläger (mindestens)
beigetragen. Das genügt vorliegend für die Umkehr der Beweislast (vgl.
NJW 1988, 2803).
Nach der Rechtsprechung des BGH sind Beweiserleichterungen bis zur
Umkehr der Beweislast erst und nur dann ausgeschlossen, wenn ein
jeglicher haftungsbegründender Ursachenzusammenhang »äußerst
unwahrscheinlich« ist (vgl. dazu BGHZ 85, 212 (216f) = NJW 1983, 333 =
LM § 823 (Eh) BGB Nr. 44; Senat, NJW 1988, 2949 = LM § 823 (Aa) BGB
Nr. 101 = VersR 1989, 80 (81 unter 2); NJW 1994, 801 = LM H. 5/1994 §
286 (B) ZPO Nr. 98 = VersR 1994, 52 (53 und II 2c, bb), NJW 1995, 778
= LM H. 2/1995 § 276 (Ca ) BGB Nr. 52 = VersR 1995, 46 (47 unter II
2a, c).
Die Beklagte hat durch ihr schuldhaftes Verhalten das gesamte Spektrum
der möglichen Schadensursachen erweitert.
Und sie hat die Aufklärung der Hintergründe für den Luftangriff auf
die Brücke von Varvarin mindestens verweigert, wenn nicht gar
verschleiert.
Der Ursachenzusammenhang der klägerischen Schäden ist nach dem
unumstößlich feststehenden Sachverhalt zu dem nicht »äußerst
unwahrscheinlich«.
Abgrenzbare Ursachenzusammenhänge sind nicht feststellbar. Im
Gegenteil, nach den getroffenen Feststellungen wären die Schäden der
Kläger ohne das schuldhafte Verhalten der Beklagten nicht eingetreten.
Das Spektrum der möglichen (!) Ursachenzusammenhänge ist vielfältig.
Diesseits steht fest, dass der Beklagten die Beweislast in der
Kausalitätsfrage nicht nur für das »ob« der Kausalität, sondern auch
für das Ausmaß der Ursächlichkeit ihres militärischen Handelns im
Rahmen des Einsatzes »Allied Force« zufällt.
Ausgehend von der Beweislast der Beklagten hätte sie beweisen müssen,
dass der Luftangriff auf die Brücke von Varvarin:
1. entweder rechtmäßig, das heißt ohne Verletzung der Schutzrechte der
Kläger aus dem Zusatzprotokoll I erfolgt ist;
2. oder - alternativ - der Luftangriff zwar unter Verletzung des
Zusatzprotokolls I erfolgt ist, jedoch ohne eigenes schuldhaftes
Verhalten erfolgt wäre und die Schäden der Kläger auch ohne
ihr Verhalten herbeigeführt worden wären.
Gemessen daran fehlt es an einem substantiierten, mindestens unter
Beweisangebot gestellten Sachvortrag der Beklagten gänzlich. Die
ständigen substanzlosen pauschalen Behauptungen der Beklagten, etwa
der Gestalt, dass es sich bei der Brücke von Varvarin um ein legitimes
militärisches Ziel gehandelt habe, reicht jedenfalls in keiner Weise
zu ihrer Entlastung. Auch die pauschale Behauptung, wonach
»... die für die Ausführungen der Luftschläge verantwortlichen
NATO-Staaten sowie die mit der Zielauswahl befassten NATO-Gremien alle
erdenklichen Anstrengungen zum Schutz der Zivilbevölkerung unternommen
(hätten)«
(vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 19. Dezember 2002, dort Seite 3,
letzter Absatz)
wird den Anforderungen der beweislastigen Beklagten nicht gerecht und
kann sie nicht entlasten.
Das trifft auch auf die pauschale Behauptung der Beklagten zu, wonach
»die gesamte Zielplanung während der Operation "Allied Force" (d.h.
die Auswahl der Ziele und die Wahl des Angriffsverfahrens)... so
angelegt (gewesen sei), dass mögliche Schäden, vor allem an
Zivilpersonen, aber auch an der Umwelt, vermieden wurden. Hierzu hat
die NATO ein
komplexes Verfahren angewandt, in das alle verfügbaren Informationen
über das jeweilige Ziel, über dessen räumliches Umfeld sowie über die
Wirkungsweise der verschiedenen, zur Bekämpfung in Frage kommenden
Waffenarten einflossen. Mit Hilfe von Computersimulationen wurden
Waffen mit dem niedrigsten Schadensrisiko ausgewählt. Jedes Ziel wurde
auf die völkerrechtliche Zulässigkeit der Bekämpfung rechtlich bewertet.«
(Vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 14. November 2003, II. 2., dort
Seite 3)
Die Beklagte muss sich fragen lassen, warum sie dann nicht dezidiert
die Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass der Angriff auf die
Brücke von Varvarin völkerrechtlich zulässig gewesen sein soll?!
Die Beklagte muss sich fragen lassen, woher sie überhaupt wissen will,
dass jedes Ziel auf die völkerrechtliche Konformität geprüft worden
sein soll, wenn sie gleichzeitig behauptet, dass sie wegen des in der
NATO geltenden Grundsatzes »need to know« gar keine Kenntnis über alle
Angriffsziele erhalten habe und speziell hinsichtlich des Angriffs auf
die Brücke von Varvarin nicht einbezogen worden sein will?!
Die Beklagte muss sich fragen lassen, wie sie denn wissen will, dass
ihre Kampfflugzeuge keine Begleitschutzaufgaben zur Absicherung von
Luftangriffen durch Kampfflugzeuge anderer Nationen erfüllt haben,
wenn sie andererseits keine Kenntnis über alle Angriffsziele gehabt
haben will?! Hypothetisch unterstellt, dass sie keine Kenntnis hatte,
ist dann eine andere Schlussfolgerung möglich als die, dass sie
Luftangriffe unter Verstoß gegen das Zusatzprotokoll I dadurch
ermöglichte, dass sie die Überprüfung der Völkerrechtskonformität
unterließ und auf die Ausübung des ihr als vollwertiger
NATO-Mitgliedsstaat zustehenden Vetorechts verzichtete?!
Die Beklagte muss sich fragen lassen, worin dieses von ihr behauptete
»komplexe Verfahren« zum Schutz der Zivilbevölkerung bestanden haben
soll?! Ist aus der Tatsache, dass sie dazu nichts vorträgt ein anderer
Schluss zu ziehen, als dass es ein solches Verfahren gar nicht gegeben
hat und nicht zur Anwendung gekommen ist?!
Die Beklagte muss sich fragen lassen, welche konkreten Maßnahmen sie
als aus dem Zusatzprotokoll I Verpflichtete unternommen hat, um
während des Militäreinsatzes die Einhaltung der sich selbst
auferlegten Pflichten zur Gewährleistung der Schutzrechte der
Zivilbevölkerung in einem bewaffneten Konflikt sicherzustellen?!
Die Beklagte muss sich fragen lassen, warum der Angriff auf die Brücke
von Varvarin - bei hypothetischer Unterstellung, dass die Brücke ein
militärisches Ziel und ihre Zerstörung legitim war - zur Mittagszeit
erfolgte und woraus sich unter Berücksichtigung des Angriffszeitpunkts
die völkerrechtliche Legitimität im Sinne des Zusatzprotokolls I
ergeben soll?
Die Beklagte muss sich weiter fragen lassen, warum vor dem Angriff auf
die Brücke - bei hypothetischer Unterstellung, dass nicht nur das
Ziel als solches, sondern auch der Angriffszeitpunkt zu rechtfertigen
wäre - nicht entsprechend den Regeln des Zusatzprotokoll I die
Zivilbevölkerung gewarnt wurde?
Die Beklagte muss sich fragen lassen, wie der Angriff auf die Brücke
letztlich überhaupt zu rechtfertigen ist, obwohl das Zusatzprotokoll I
den Angriff auf unverteidigte Orte gänzlich untersagt?!
Nur zur Klarstellung für die Beklagte sei hier angemerkt, dass es sich
bei den vorgenannten Fragen nicht um Polemik handelt. Es sind
letztlich Rechtsfragen, ohne dabei den Anspruch auf Vollständigkeit zu
erheben, die im Rahmen der zu Lasten der Beklagten verteilten
Beweislast von ihr zu beantworten gewesen wären.
Nach der wie dargelegt verteilten Beweislast fiel es den Klägern
lediglich zu, nachzuweisen, dass die ihnen zugefügten Verletzungen und
die Tötung ihrer Angehörigen die Folge eines durch Kampfflugzeuge
erfolgten Luftangriffs gewesen sind, der den NATO-Mitgliedsstaaten
zuzurechnen ist. Dem sind die Kläger - weit über den prozessrechtlich
erforderlichen Umfang - vollumfänglich nachgekommen.
3. Ergänzende Ausführungen zur gesamtschuldnerischen Haftung unter
Berücksichtigung der Rechtsprechung
Beruht ein Schaden haftungsrechtlich auf mehreren Ursachen, die von
verschiedenen Personen gesetzt worden sind, so haften diese
grundsätzlich als Gesamtschuldner (§§ 830 , 840 BGB). Zivilrechtlich
wird in diesen Fällen nicht danach unterschieden, ob einzelne Ursachen
wesentlicher sind als andere (BGH, VersR 1968, 773 (774); 804, (805)
unter II. 2; Staudinger-Medicus, BGB, 12. Aufl., § 249 Rdnr. 51;
Grunsky, in: MünchKomm, 2. Aufl., Vorb. § 249 Rdnr. 50). Das gilt
grundsätzlich auch, wenn eine Ursache für sich allein den Schaden
nicht herbeigeführt hat, es dazu vielmehr des Hinzutretens weiterer
Ursachen im Sinne einer kumulativen Gesamtkausalität bedurfte (RGZ 73,
289 f.; BGH, VersR 1970, 814 (815); vgl. auch RGZ 69, 57 (58); BGH, LM
§ 408 HGB Nr. 3 = WM 1962, 1196 (1197 f.)).
Demgemäß ist der Schaden durch die Beklagte zu ersetzen, wenn er - wie
hier - letztlich erst durch das Eingreifen eines Dritten eintritt
(Staudinger-Medicus, § 249 Rdnr. 68; Grunsky, in: MünchKomm, Vorb. §
249 Rdnrn. 52, 57).
Das gilt auch im Verhältnis zwischen den NATO-Mitgliedsstaaten als
mögliche Schädiger in einem bewaffneten Konflikt. Sie wirken bei der
Vorbereitung und Durchführung militärischer Operationen in
vielfältiger Weise zusammen.
Bezogen auf die Militäroperationen gegen Jugoslawien betrifft das zum
Einen die "reine" Staatsebene und zwar sowohl ohne als auch unter
Einbeziehung der NATO, im letzteren Fall insbesondere über den NATO-Rat.
Das betrifft - selbstredend - zum Anderen das die Luftoperationen
planende und ausführende Militär, auf der NATO-Ebene beginnend beim
Militärausschuss über alle weiteren untergeordneten Ausschüsse und
Kommandoebenen, vom einfachen Soldaten bis zum General.
Die Beklagte hat mit den übrigen NATO-Mitgliedsstaaten nationales
Militär zur Ausführung der Militäroperation gegen Jugoslawien unter
dem Dach ihres gemeinsamen Militärbündnisses - der NATO -
zusammengeführt. Unter Nutzung der dort existierenden militärischen
Kommandostrukturen wurde die Operation geplant und durchgeführt. Das
bewirkt tatsächlich - im Vergleich zu herkömmlichen Militärallianzen
- eine besonders enge Verflechtung der Streitkräfte bei der Ausübung
militärischer Aktionen. Und rechtlich belegt gerade diese enge
Verflechtung die der Beklagten zuzurechnenden klägerischen Schäden im
Sinne der gesamtschuldnerischen Haftung.
Die Zurechenbarkeit fehlt in derartigen Fällen nur dann ausnahmsweise,
wenn die Ursächlichkeit des ersten Umstands für das Eintreten des
zweiten Ereignisses nach dem Schutzzweck der Norm gänzlich
bedeutungslos ist (BGHZ 106, 313 (316 f.) = NJW 1989, 2127 = LM StrEG
Nr. 14), wenn also das schädigende erste Verhalten nur noch den
äußeren Anlaß für ein völlig ungewöhnliches und sachwidriges
Eingreifen eines Dritten bildet, das dann den Schaden erst endgültig
herbeiführt (BGHZ 58, 162 (165 f.) = NJW 1972, 904 = LM § 823 (C ) BGB
Nr. 42; Senat, NJW 1986, 1329 (1331) = NJW 1986, 1329 = LM § 249 (Bb)
BGB Nr. 42).
Das ist vorliegend jedoch aus den mannigfaltig genannten Gründen
völlig auszuschließen.
4. Ergebnis
Auch der Grundsatz der Staatenimmunität steht entgegen der Auffassung
der Beklagten der Zulässigkeit der vorliegenden Klage nicht im Wege.
In meinem unwidersprochen gebliebenen Schriftsatz vom 7.10.2003 werden
beispielhaft weitere acht das humanitäre Völkerrecht verletzende
Luftangriffe dokumentiert und unter Beweis gestellt (vgl. Schriftsatz
vom 7. 10. 2003, dort Seite 7 bis 12, Anlagen 1 bis 8 ). Derartige
Luftangriffe gegen die Zivilbevölkerung, zivile Objekte, unverteidigte
Orte in und außerhalb von Kampfgebieten, einschließlich massive
Angriffe gegen Kosovo-albanische Flüchtlingstrecks waren fester
Bestandteil der Militäroperation "Allied Force".
Warum sollten schwerste Verletzungen des humanitären Völkerrechts -
wie der Luftangriff auf die Brücke von Varvarin - heute nicht der
gerichtlichen Überprüfung und Sanktionierung unterliegen?
Beglaubigte und einfache Abschrift anbei.
Ulrich Dost
Rechtsanwalt
&Beglaubigt zwecks Zustellung
Varvarin: licenza di uccidere
1. Varvarin: licenza di uccidere
La Corte di Appello di Colonia ha rigettato ieri l'istanza dei parenti
delle vittime e dei sopravvissuti al raid NATO sul paesino serbo di
Varvarin... (a cura del CNJ)
2. German court rejects Serbs' appeal over 1999 bridge bombing (AFP)
3. Deutsches Gericht wies serbische Klage wegen NATO-Bombenkrieg 1999
erneut ab
(Jürgen Elsässer / Rüdiger Göbel / Heinz-Jürgen Schneider)
4. Ergänzende Ausführungen zu den die gesamtschuldnerische Haftung
begründenden Tatsachen... (U. Dost, Rechtsanwalt)
VEDI / SIEHE / SEE ALSO:
http://www.nato-tribunal.de/varvarin/index.htm
=== 1 ===
Varvarin: licenza di uccidere
(a cura del CNJ)
La Corte di Appello di Colonia ha rigettato ieri l'istanza dei parenti
delle vittime e dei sopravvissuti al raid NATO sul paesino serbo di
Varvarin contro il governo federale tedesco.
Nel bombardamento del ponte a Varvarin, il 30 maggio 1999, dieci
persone rimasero uccise, 17 riportarono ferite gravi e altre 30
rimasero ferite lievemente. Il ponte non era un obbiettivo militare.
Gli aerei Nato lo colpirono in due attacchi consecutivi; la
maggiorparte delle vittime furono abitanti accorsi per soccorrere i
feriti del primo raid.
Furono centinaia, d'altronde, gli obbiettivi civili colpiti, e circa
1500 le vittime civili di quella aggressione criminale della quale si
resero corresponsabili i governi europei di "centrosinistra".
La decisione della Corte di Appello di Colonia rappresenta l'ennesimo
penoso tentativo di insabbiare le cause intentate contro la NATO per
la aggressione del 1999. Tutte le altre denunce, presentate a numerose
istanze - di vari paesi o sovranazionali - sui crimini di guerra della
Nato in Jugoslavia sono state già bloccate per "ragion di Stato",
comprese quelle italiane, e quella presentata dalla Jugoslavia alla
Corte Internazionale dell'Aia (vedi alla pagina:
https://www.cnj.it/24MARZO99/giudiziario.htm - in costruzione).
Tuttavia, come è spiegato nella intervista ad uno degli avvocati
tedeschi che difendono la parte offesa, la causa per Varvarin verrà
portata alle istanze superiori. Perciò, le vittime di Varvarin hanno
tuttora urgente bisogno del nostro sostegno. Per contribuire, si puo'
versare sul conto tedesco:
Vereinigung deutscher Juristen,
Berliner Sparkasse,
BLZ 100 500 00, Kto.: 33 52 20 14
Sulla causa intentata in Germania per il bombardamento di Varvarin si
veda anche, ad esempio:
IL SITO INTERNET DEL COMITATO TEDESCO CHE SOSTIENE LA CAUSA
http://www.nato-tribunal.de/varvarin/index.htm
NATO - Kriegsopfer klagen gegen die Bundesrepublik Deutschland
(Memoria d'appello indirizzata alla Corte Suprema di Colonia)
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/3770
Primo processo per i raid del 1999 (16 Ott 2003)
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/2867
Varvarin 30/5/1999 (30 Ott 2003)
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/2910
Varvarin-Bürger gegen Deutschland (9 Dic 2003)
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/3000
Varvarin/Germania: sancito il diritto di ammazzare i civili ?
(11 Dic 2003)
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/3009
Varvarin citizens to appeal to Higher Court in Cologne
(19 Dic 2003)
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/3037
Projekt "NATO-Kriegsopfer klagen auf Schadenersatz"
(13 Feb 2004)
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/3192
Varvarin-Klage: Kostenknebel aus Berlin
(26 Ott 2004)
...
nonche' larga parte del libro di Jürgen Elsässer
Kriegslügen ("Menzogne di guerra"),
specialmente nell'edizione aggiornata tedesca (2004):
https://www.cnj.it/documentazione/sanja.htm
(L'ultimo giorno di Sanja - Cosa racconterebbe della guerra una una
ragazza serba perita nel bombardamento di Varvarin)
=== 2 ===
http://www.spacewar.com/2005/050728134039.7aksw5it.html
Agence France-Presse - July 28, 2005
German court rejects Serbs' appeal over 1999 bridge bombing
COLOGNE, Germany - A German court on Thursday rejected
an attempt by 35 Serbs to claim compensation for
Germany's part in the 1999 bombing of a bridge in
Varvarin, Serbia, during the Kosovo conflict.
The appeal court in Cologne ruled that neither
international law nor German law allowed for such a
claim, upholding a decision made by a court in Bonn in
December last year.
The German state cannot be accused of "behaving like a
war criminal" as a result of the aerial bombing of the
bridge in the central Serbian town which killed 10
people and injured 17, the judges ruled.
The Serbs, all relatives or friends of the victims,
were claiming 536,000 euros (650,000 dollars) in
damages in a civil case which was the first of its
kind in Germany.
The claimants said that although no German military
personnel were in the planes which bombed the bridge,
Germany was part of the NATO operation and took part
in the decision to carry out the bombing.
The Serbs said after the ruling that they would now
take their case to the federal court of justice.
In claims backed up by Amnesty International, the
Serbs said the NATO air strikes on May 30, 1999, on
the town 160 kilometres (100 miles) south of Belgrade
violated international law because they targeted
civilians.
The bombing raid was carried out on a Sunday as a
market was being held near the bridge.
NATO says the bridge was a "legitimate" target because
it could have been used for military operations.
But a study produced as evidence by the Serbs showed
that the bridge was not strong enough to carry
vehicles of more than 12 tonnes, ruling out its use
for most military vehicles.
The United Nations and NATO took control of Kosovo in
June 1999, at the end of a war between Serbian armed
forces and ethnic Albanian rebels.
=== 3 ===
http://www.jungewelt.de/2005/07-29/010.php
29.07.2005 - Inland
Jürgen Elsässer
Freispruch für Kanzler Schröder
Deutsches Gericht wies serbische Klage wegen NATO-Bombenkrieg 1999
erneut ab
Das Oberlandesgericht Köln (OLG) hat am Donnerstag in zweiter Instanz
eine Schadensersatzklage von serbischen Kriegsopfern abgewiesen. In
dem Musterprozeß war der deutsche Staat zum ersten Mal nicht wegen der
Verbrechen des Naziregimes, sondern denen der Bundesrepublik verklagt
worden. Es ging um den ersten Krieg der Deutschen nach 1945, den
Angriff der NATO-Verbündeten auf Jugoslawien im Jahre 1999
vorangetrieben und beschlossen von der Regierung unter Kanzler Gerhard
Schröder.
Im NATO-Bombenhagel starben im Verlaufe des 78tägigen Krieges 2000
jugoslawische Zivilisten, darunter etwa 700 Kinder, des weiteren
fielen etwa 1000 Militärangehörige. Stellvertretend für alle
Hinterbliebenen klagten 35 Bewohner der mittelserbischen Ortschaft
Varvarin. Einer von ihnen war gestern bei der Urteilsverkündung dabei
der Bürgermeister Zoran Milenkovic, Vater der getöteten 16jährigen
Sanja. Insgesamt verloren an jenem 30. Mai 1999 zehn Varvariner Bürger
ihr Leben, weitere 17 wurden schwer verletzt.
Im Urteil des OLG Köln wird zum einen bekräftigt, was bereits
erstinstanzlich für Recht befunden worden war: Individualkläger aus
einem Staat A (in diesem Fall Serbien-Montenegro) können einen Staat B
(in diesem Fall Deutschland) nicht verklagen, es sei denn, es liegt
ein entsprechendes zwischenstaatliches Abkommen vor. Damit wird erneut
eine Spaltung des Völkerrechts in Kauf genommen: Während die
NATO-Staaten ihre militärische Intervention gegen Jugoslawien als
Verteidigung individueller Menschenrechte in jenem Fall: der
Kosovo-Albaner darstellten, dürfen umgekehrt Individuen im
aktuellen Fall die Varvariner ihre ganz persönlichen Menschenrechte
nicht gegen Staaten verteidigen. Mit anderen Worten: Die
Menschenrechte sollen der NATO nützen, nicht den Menschen.
Immerhin stellten die Kölner Richter fest, daß der deutsche Staat für
strafbare Handlungen seines Personals haftet. Auf eine solche
Staatshaftung hatten sich die Kläger mit einer Fülle von Beweisen
bezogen: Das höchste Staatspersonal, nämlich die Bundesregierung, sei
an der Auswahl der NATO-Bombenziele beteiligt gewesen, und deutsche
Tornados hätten insgesamt 504 Einsätze geflogen.
Für das Gericht lag trotzdem keine strafbare Handlung vor, weil eine
Brücke als Angriffsziel immer militärisch vertretbar sei (also auch im
Falle des militärisch bedeutungslosen Varvarin). Allenfalls der
Zeitpunkt Sonntagnachmittag, zur Marktzeit, während eines
Kirchenfestes sei fragwürdig, aber eine deutsche Mitbestimmung über
die Uhrzeit des Zuschlagens sei ebensowenig nachgewiesen wie eine
direkte Beteiligung deutscher Piloten oder Flugzeuge. Bei den
Kampfhandlungen der NATO-Verbündeten aber habe sich Deutschland darauf
verlassen können, daß diese das humanitäre Volkerrecht beachten. An
dieser Stelle wurde im Publikum höhnisch gelacht. Ob die Richter die
Namen My Lai (Son My) und Abu Ghraib schon einmal gehört haben?
(Siehe auch Interview mit Heinz-Jürgen Schneider)
http://www.jungewelt.de/2005/07-29/019.php
29.07.2005 - Interview
Interview: Rüdiger Göbel
»BRD darf nicht straffrei bleiben«
NATO-Krieg gegen Jugoslawien wird Gerichte weiter beschäftigen.
Varvarin-Kläger wollen nach Urteil des OLG Köln in Revision gehen.
Gespräch mit Heinz-Jürgen Schneider
* Heinz-Jürgen Schneider ist Rechtsanwalt und vertritt mit seiner
Kollegin Gül Pinar Einwohner der serbischen Kleinstadt Varvarin, die
am 30. Mai 1999 bei einem Raketenangriff der NATO verletzt wurden. Bei
dem Angriff waren zehn Zivilisten getötet und 17 schwer verletzt worden.
F: Die Bundesrepublik Deutschland muß keinen Schadenersatz an zivile
Opfer des NATO-Luftangriffs auf die serbische Kleinstadt Varvarin
zahlen. Dies entschied am Donnerstag das Oberlandesgericht (OLG) Köln
in zweiter Instanz. Wie begründete der Vorsitzende Richter Hans-Peter
Prior die Entscheidung?
Hauptpunkt der Begründung ist, daß die Bundesrepublik Deutschland kein
konkretes Verschulden an dieser Tat trifft. Das Gericht in Köln ist
davon ausgegangen, daß die Bundesluftwaffe bei den ganzen Angriffen
auf Jugoslawien eine eher am Rand stehende Rolle gespielt habe, daß
die Identität der eigentlichen Todesbomber nicht geklärt werden konnte
und daß Deutschland darauf vertrauen konnte, daß ein Angriff auf
Varvarin in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht durch die anderen
NATO-Staaten ausgeführt wird.
F: Überrascht Sie die OLG-Entscheidung?
Nach der mündlichen Verhandlung im Februar hatten wir uns eine kleine
Erfolgsaussicht ausgerechnet. Das einzig Positive am jetzigen Urteil
ist, daß das OLG im Prinzip die juristische Begründung bestätigte, die
wir immer vertreten hatten deutsches Staatshaftungsrecht ist
generell auch anwendbar für Individiualklagen von Opfern eines Krieges
unter deutscher Beteiligung. Ansonsten finden wir die Begründung und
auch den gewählten juristischen Maßstab völlig unzureichend.
F: Das OLG hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Entscheidung
Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe zugelassen. Werden
Sie das Urteil anfechten und in die dritte Instanz gehen?
Das werden wir machen, auch wenn damit für die Opfer aus Varvarin ein
weiterer, mehrjähriger Instanzenweg vorgezeichnet ist. Es kann nicht
angehen, daß Deutschland straffrei an einem völkerrechtswidrigen
Angriffskrieg teilnimmt. Wir werden nicht stehen lassen, daß die
tatsächliche Beteiligung Deutschlands an diesem Krieg weiter
bagatellisiert wird. Die Bundesluftwaffe war mit 14
Tornado-Kampfflugzeugen über Jugoslawien im Einsatz. Es wurden über
500 Einsätze geflogen und dabei 236 Raketen verschossen. Das zeigt,
daß der deutsche Einsatz sehr massiv gewesen ist und es nicht das
Entscheidende ist, welcher Nationalität die Bomber gewesen sind,
sondern es ist entscheidend, daß Deutschland mithaftet, weil es Teil
dieser Kriegsmaschine gewesen ist.
F: Wie haben die in Köln anwesenden serbischen Kläger auf das Urteil
reagiert?
Bei der gestrigen Urteilsverkündung war der Bürgermeister von
Varvarin, Zoran Milenkovic, zugegen. Beim NATO-Angriff am 30. Mai 1999
wurde seine Tochter Sanja getötet. Er hatte, wie alle im Klägerteam,
ein klein wenig Hoffnung gehabt. Aber auch Zoran Milenkovic wußte
natürlich um den politischen Hintergrund und die grundsätzliche
Dimension dieses Verfahrens. Er stimmte mit uns darin überein, daß
Rechtsmittel eingelegt werden müssen.
F: Die SPD-Grünen-Bundesregierung hatte versucht, die Kläger aus
Varvarin dadurch einzuschüchtern, daß sie ihnen ihre hohen
Anwaltskosten in Rechnung stellte. Wer trägt die Kosten des Verfahrens?
In dieser Instanz muß von seiten der Klägerinnen und Kläger ein Teil
der Kosten übernommen werden. Es ist ihnen zwar sogenannte
Prozeßkostenhilfe bewilligt worden, die stellt sie aber nur von den
eigenen Anwalts- und den Gerichtskosten frei. Die Kosten der Anwälte
der Regierung hätten sie zu tragen. Und natürlich ist auch die dritte
Instanz vor dem Bundesgerichtshof außerordentlich kostspielig, so daß
auch über die Finanzierung dieses Musterprozesses weiter in der
Öffentlichkeit nachgedacht werden muß.
F: Wie soll der Gang nach Karlsruhe finanziert werden?
Wir werden zunächst die Klägergemeinschaft in Varvarin über das Urteil
unterrichten. Ich kann Ihnen aber versichern, daß innerhalb der
notwendigen Monatsfrist diese Revision eingelegt wird. Über die
weiteren finanziellen Aspekte wird man die Öffentlichkeit unterrichten.
F: Sollten Sie auch beim BGH scheitern: Welche Möglichkeiten gäbe es
dann noch?
Der sogenannte ordentliche Rechtsweg ist damit beendet. Es ist aber
möglich, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. So haben es auch die
griechischen Kläger wegen des Wehrmachtsverbrechens in Distomo 1944
gemacht. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Fall noch keine
Entscheidung getroffen. Sollte die im Sinne der Kläger positiv
ausgehen, könnte sie eine Ausstrahlung auf das Varvarin-Verfahren haben.
=== 4 ===
Da: "Ulrich Dost"
Data: Mer 8 Giu 2005 18:56:10 Europe/Rome
A: "'Coordinamento Nazionale per la Jugoslavia'"
Oggetto: Varvarin
Sehr geehrte Damen und Herren,
am 16. Juni 2005 [danach: 28 Juli] will das OLG Köln in dem
Berufungsverfahren jugoslawischer Staatsbürger gegen die
Bundesrepublik Deutschland eine Entscheidung verkünden. Anbei
übersende ich Ihnen die letzten Schriftsätze vor diesem Termin. Der
Ausgang des Verfahrens ist nach wie vor offen.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Dost
Rechtsanwalt
Kanzleiadresse:
Mandrellaplatz 7
12555 Berlin
Telefon (030) 88 471 430
Fax (030) 88 471 431
---
Oberlandesgericht Köln
Reichenspergerplatz 1
50670 Köln
vorab per Telefax: 02 21/77 11 600
Berlin,07. Juni 2005
3/04D02 Do/Ki
In dem Rechtsstreit
Ristic u.a. ./. BRD
- 7 U 8/04 -
wird im Nachgang zur mündlichen Verhandlung am 24.2.2005 und auf den
letzten Schriftsatz der Beklagten vom 19.4.2005 wie folgt erwidert.
1. Ergänzende Ausführungen zu den die gesamtschuldnerische Haftung
begründenden Tatsachen
Diejenigen Umstände, die die Haftung der Beklagten für die Schäden der
Kläger begründen, hat sie mit ihrem Schriftsatz
vom 19.4.2005 selbst vortragen und untermauern lassen. Zu ihrer
Verantwortlichkeit für den Militäreinsatz »Allied Force« führt die
Beklagte aus:
»Im NATO-Rat und im NATO-Militärausschuss wird nach dem Konsensprinzip
entschieden, da alle Teilnehmerstaaten die politische Verantwortung
für den NATO-geführten Einsatz im gleichen Maß und ungeachtet ihrer
tatsächlichen Beteiligung tragen« (vgl. Schriftsatz vom 19.4.2005, 1.
a), dort Seite 2)
Dazu ist anzumerken, dass die von der Beklagten irreführend als
»politisch« bezeichnete Verantwortung in Wirklichkeit die auf
Verträgen und Gesetzen beruhende rechtliche Gesamtverantwortung der
NATO-Mitgliedsstaaten für das Handeln ihrer in der NATO integrierten
militärischen Verbände, einschließlich aller ihrer Kommandoebenen,
ist. Dass dies die haftungsrechtliche Verantwortung der
NATO-Mitgliedsstaaten einschließt, versteht sich von selbst.
Bekanntlich ist nach Artikel 9 des NATO-Vertrags der NATO-Rat das
oberste Organ der NATO. Mit dem NATO-Vertrag wurde vertraglich
vereinbart, dass der NATO-Rat keine für die Mitgliedsstaaten
verbindlichen Entscheidungen trifft. Seine Beschlüsse haben
Empfehlungscharakter und bedürfen in jedem Fall zu ihrer Wirksamkeit
gesonderter einzelstaatlicher Entscheidungen. Rechtsfolgerichtig
konnte der im NATO-Rat am 8.10.1998 gefasste Beschluss zu der
Militäroperation gegen Jugoslawien nur durch die (erfolgte) Zustimmung
- wegen des Einstimmigkeitsgebots - aller NATO-Mitgliedsstaaten
wirksam werden.
Die Ausführungen der Beklagten in ihrem jüngsten Schriftsatz sind
unvollständig, soweit sie dort ausführen lässt,
»der NATO-Rat (würde) in seinen Entscheidungsprozessen vom
NATO-Militärausschuss unterstützt (werden)«.
(vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 19. 4. 2005, 1. a), dort Seite 2)
Ergänzend ist hinzuzufügen, dass der Militärausschuss als höchstes
Organ auf der militärischen Ebene der NATO für sämtliche militärischen
Angelegenheiten zuständig, dabei aber dem NATO-Rat untergeordnet ist.
Schon aus dem vertraglich fixierten Unterordnungsverhältnis ergibt
sich, dass auch der Militärausschuss keine für die
NATO-Mitgliedsstaaten verbindlichen Entscheidungen treffen kann.
Die rechtliche Verantwortung für das Handeln der NATO und ihrer dort
integrierten militärischen Verbände, einschließlich aller
Kommandoebenen, verbleibt in Friedenszeiten wie auch während eines
bewaffneten Konflikts bei den NATO-Mitgliedsstaaten. Die »politische
Verantwortung« für Entscheidungen der Beklagten in ihrer Eigenschaft
als NATO-Mitgliedsstaat ist gleichbedeutend mit der rechtlichen
Verantwortlichkeit. Anders ausgedrückt: erstere schließt die zweite in
sich ein und nicht aus.
Politisches Handeln hat sich im Rahmen des geltenden Rechts zu bewegen
und - darüberhinaus - messen zu lassen. Deshalb unterliegt es
gerichtlicher Überprüfbarkeit. Das ergibt sich schon aus dem
Rechtsstaatsprinzip, das ebenso wenig wie § 839 BGB in Zeiten eines
bewaffneten Konflikts von der Rechtsordnung suspendiert ist.
Jedenfalls kennt das Recht keine Abtrennung »politischer«
Entscheidungen, die die rechtliche Verantwortlichkeit der
NATO-Mitgliedsstaaten in irgendeiner Weise einschränkt, vermindert
oder sogar ausschließt. Sollte die Beklagte diesbezüglich einen für
die Entscheidung des Rechtsstreits rechtsrelevanten Unterschied in der
Weise sehen, dass sie, unter Ausschluss der Haftung, selbst "nur
politische Verantwortung" getragen haben will, hat sie dazu nichts
vorgetragen.
Die vorzitierten Ausführungen der Beklagten bestätigen und untermauern
die seit Beginn des Rechtsstreits von den Klägern vorgetragene
Rechtsauffassung, wonach es für die Frage der Haftung vorliegend nicht
darauf ankommt, ob die Beklagte unmittelbar mit eigenen Jagdflugzeugen
und Personal den Angriff auf die Brücke von Varvarin vollzogen hat.
Insoweit ist dem gegnerischen Vortrag in vollem Umfange zuzustimmen,
wenn die Beklagte ausführen lässt, dass die NATO-Staaten »im gleichen
Maß und ungeachtet ihrer tatsächlichen Beteiligung« für den
NATO-Einsatz "Allied Force" verantwortlich sind - und, ich darf
ergänzen - haften.
Mit diesen neuerlichen Ausführungen dürfte der dazu im Widerspruch
stehende, frühere Vortrag der Beklagten zur Haftungsfrage überholt
sein. In ihrem Schriftsatz vom 19.12.2002 hatte sie noch vortragen
lassen, dass die Haftung
»... allenfalls der NATO, nicht aber der Beklagten zugerechnet werden
(könne).«
(vgl. Schriftsatz vom 19.12.2002, IV. Ziff. 4, dort Seite 21)
Mit dem jüngsten schriftsätzlichen Vortrag stellt die Beklagte
erstmals den Vortrag der Kläger unstreitig, wonach die Zerstörung der
Brücke von Varvarin planmäßig im Rahmen der so genannten Zielplanung
vorbereitet und diese als so genanntes Einzelziel angegriffen und
zerstört wurde. Die Beklagte führt dazu aus:
»Für die Ausführung des vom NATO-Rat erteilten Gesamtauftrages war die
nachgeordnete militärische Ebene verantwortlich. Erst auf dieser Ebene
wurden auf der Basis des gebilligten Operationsplanes in Abstimmung
mit den jeweils an den konkreten Operationen beteiligten Nationen
situationsabhängig Einzelziele festgelegt. Für die Brücke von Varvarin
galten insoweit keine Besonderheiten.«
(vgl. Schriftsatz vom 19.4.2005, 1. b), dort Seite 2)
Mit diesem Eingeständnis der Beklagten ist nun streitlos gestellt
worden, dass der Luftangriff gegen die Brücke von Varvarin nicht
irrtümlich oder versehentlich, sondern eben planmäßig, letztlich in
bewusster Absicht erfolgt ist. Der Vortrag der Beklagten ist insoweit
unmissverständlich.
Schon die in meiner Klageschrift vom 24.12.2001 umfassend geschilderte
Art und Weise der in zwei Angriffswellen erfolgten Brückenzerstörung
beweist lückenlos eine geplante und zielgerichtet ausgeführte
Luftoperation. Ich verweise deshalb auf die Ausführungen in der
Klageschrift (IV., 2.2.4, dort ab Seite 145). Die Tatsache eines
geplanten Luftangriffs wird auch mit dem unter Beweis gestellten und
unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag bewiesen, wonach die beiden
Pressesprecher der NATO, Jamie Shae und Generalleutnant Walter Jertz,
auf Pressekonferenzen der NATO am 31. Mai und 1. Juni 1999, den
Luftangriff auf die Brücke nicht etwa wie auf die chinesische
Botschaft als Irrtum, sondern als rechtlich legitim erklärten. Ich
verweise auf meine Ausführungen in der Klageschrift (I., 4, dort Seite
104, außerdem: Anlagen 43 und 44 der Klage).
Von daher war für Spekulationen der Beklagten in vorangegangenen
Schriftsätzen, wonach
»... die Zerstörung der Brücke von Varvarin unter den konkreten
Umständen als "Exzess" anzusehen (sei)...«,
(vgl. Schriftsatz vom 19.12.2002, dort Seite 27, vorletzter Absatz)
von Beginn an kein Raum. Das insbesondere auch deswegen nicht, weil
die Beklagte mit dem gleichen Schriftsatz selbst den Beweis dafür
lieferte, dass die Bombardierung der Brücke von Varvarin planmäßig
erfolgte. Als Anlage 7 reichte sie ein Memorandum der NATO vom
17.12.2002 ein, indem explizit die geplante Durchführung dieses
Luftangriffs bestätigt wird:
»... Die NATO hielt sich bei dem Angriff auf die Brücke von Varvarin
äußerst genau an die oben erwähnten Grundsätze. Aus Gründen des
Schutzes und der Geheimhaltung von Einsätzen kann die NATO keine
konkreten Informationen über die Planung und Durchführung dieser
militärischen Operation preisgeben oder Einzelheiten über die genaue
Zielfestlegung und Bombardierung der Brücke liefern.«
(Vgl. Anlage 7 zum Schriftsatz der Beklagten vom 19.12.2002)
Ungeachtet dessen, dass die planmäßige Zerstörung der Brücke aus den
vorgenannten Gründen ohnehin als bewiesen anzusehen ist, bleibt
dennoch zu begrüßen, dass die Beklagte diese Tatsache im letzten
Schriftsatz unstreitig gestellt hat.
Der Vortrag der Beklagten stützt zusätzlich die Glaubwürdigkeit des
schon mit der Klageschrift als Zeugen angebotenen - und ohnehin
glaubwürdigen - deutschen Generalleutnants Walter Jertz, der in einem
Interview mit dem Nachrichtenmagazin »Focus« (Heft 41/2000, Interview
ab Seite 132) erklärt hatte, dass die NATO-Mitgliedsstaaten in die
Zielauswahl aktiv einbezogen waren, indem sie ihre Zustimmung zum
Angriff auf konkrete Ziele geben mussten und ein Angriff dann
unterblieb, wenn nur einer der Staaten die Zustimmung verweigerte. Ich
verweise auf meine ausführlichen Darlegungen unter Angebot der
Zeugnislegung in der Klageschrift (III. 3, dort Seite 118).
Die vorgenannten Äußerungen des Generalleutnants Walter Jertz stehen
inhaltlich in völliger Übereinstimmung mit den öffentlichen Äußerungen
des damaligen Verteidigungsministers Rudolf Scharping. Auch er
bestätigt, dass die Beklagte den Angriffen zustimmen musste:
»Ich hatte entschieden, dass wir... zwar Angriffen zustimmen sollten,
die militärischen Hauptquartieren in Belgrad galten oder
Einrichtungen, die Milosevic persönlich nutzte. Brücken in Belgrad und
anderswo sollten aus militärischen und politischen Gründen nicht mehr
angegriffen werden. Kanzler und Außenminister stimmten zu.«
(vgl. Schriftsatz der Kläger vom 7. Oktober 2003, dort Seite 14,
zitiert aus: Rudolf Scharping in »Wir dürfen nicht wegsehen Der
KOSOVO-KRIEG UND EUROPA«, Ullstein Buchverlag GmbH & Co KG, Berlin,
1999, dort Seite 187)
Ich darf daran erinnern, dass diese Entscheidung erst nach dem
Luftangriff auf die Brücke von Varvarin gefallen ist. Scharping teilte
sie Kanzler und Außenminister am 31. Mai 1999 mit. Zur Vermeidung
ausführlicher Wiederholungen wird auf den erstinstanzlich unter Beweis
gestellten und unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag in meinem
Schriftsatz vom 7. Oktober 2003 (dort ab Seite 13, 3. Absatz bis Seite
14) verwiesen.
Mit den Aussagen des Generalleutnants Walter Jertz und des
Ex-Verteidigungsministers Scharping korrespondieren auch die des als
Zeugen angebotenen ehemaligen Außenministers Frankreichs, Herr Hubert
Vedine. Ich verweise insoweit auf die unwidersprochen gebliebenen
Ausführungen und das Angebot der Zeugnislegung in meiner Klageschrift
vom 24. Dezember 2001 (III. 3, dort Seite 119).
Nicht zuletzt mit dieser lückenlosen Beweis- und Indizienkette haben
die Kläger - weit über den ihnen zufallenden Rahmen der Beweislast
hinaus - nachgewiesen, dass die Beklagte sehr wohl über bevorstehende
Luftangriffe gegen Einzelziele, einschließlich der Brücke von
Varvarin, unterrichtet wurde.
Die Beklagte hatte es demnach in der Hand, der Bombardierung der
Brücke von Varvarin die Zustimmung zu verweigern und so die Schäden
der Kläger zu verhindern. Es steht also außer Frage, dass die Beklagte
- auch von daher - für die bei den Klägern eingetretenen Schäden zu
haften hat. Ihr Verhalten hat kausal die Schäden mindestens mitverursacht.
Während die Beklagte in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom
19.12.2002 noch vorgetragen hat, sie sei im Rahmen der
NATO-Operationen gegen Jugoslawien
»... mit sog. RECCE- und ECR-Tornados beteiligt (gewesen), die der
Luftaufklärung einerseits und dem Begleitschutz andererseits dienten«
(vgl. Schriftsatz vom 19.12.2002, II. »Zum Sachverhalt«, Ziffer 2,
Seite 5)
erklärt die Beklagte nun in ihrem jüngsten Schriftsatz, während des
gesamten Konflikts in Jugoslawien keinen Begleitschutz geleistet haben
zu wollen:
»Unmittelbarer Begleitschutz für Luftangriffskräfte anderer Nationen
wurde während des gesamten Konfliktes nicht geleistet.«
(vgl. Schriftsatz vom 19.4.2005, 1. d), dort Seite 3)
Es bedarf keiner vertiefenden Erörterungen, dass eine der beiden
Aussagen der Beklagten definitiv falsch sein muss.
Dass die Beklagte mit ihren Kampfflugzeugen vom ersten bis zum letzten
Kriegstag Tag und Nacht Begleitschutzaufgaben für andere
Kampfflugzeuge zur Absicherung der Luftangriffe - einschließlich der
Brücke von Varvarin - erfüllte, ergibt sich einerseits aus dem schon
in der ersten Instanz lückenlos unter Beweis gestellten Sachvortrag.
Ich verweise auf meine Ausführungen und das Angebot der Zeugnislegung
im Schriftsatz vom 7. Oktober 2003 (I. 2, ab Seite 15 bis Seite 20).
Aber auch aus dem eigenen Sachvortrag der Beklagten ergibt sich, dass
sie ständig Aufgaben des Begleitschutzes wahrgenommen hat
(vgl.Schriftsatz vom 19.12.2002, II. »Zum Sachverhalt«, Ziffer 2,
Seite 5).
Auch der neuerliche Tatsachenvortrag im jüngsten Schriftsatz der
Beklagten belegt exemplarisch, dass sie am 30.5.1999 mit
Kampfflugzeugen auch den Luftangriff auf die Brücke von Varvarin
absicherte, indem sie über dem jugoslawischen Luftraum mit dem Auftrag
im Einsatz war, »andere Luftfahrzeuge« vor dem Beschuss durch
gegnerische Flugabwehrstellungen zu schützen:
»Dieser Auftrag wurde während der gesamten Operation ausschließlich in
Form eines großflächigen Raumschutzes über dem Einsatzgebiet Kosovo
durchgeführt , d.h. in einem zugewiesenen Raum sollten andere
Luftfahrzeuge vor dem Beschuss durch gegnerische radargelenkte
Flugabwehrstellungen geschützt werden.«
(vgl. Schriftsatz vom 19.4.2005, 1. d), dort Seite 3)
Eben genau dieser Raumschutz ist Begleitschutz. Er diente anderen
Kampfflugzeugen dazu, die zur Vernichtung geplanten Ziele, zu denen an
diesem Tag eben auch die Brücke von Varvarin gehörte, ungestört von
feindlichem Militär anfliegen, angreifen und erfolgreich vernichten zu
können. Mit dem Raumschutz sicherte die Beklagte die Angriffe ab. Ihre
Behauptung - bei hypothetischer Unterstellung der Richtigkeit -, dass
sich ihr Raumschutz lediglich auf den Luftraum über dem Kosovo bezogen
haben soll, ändert daran nichts.
Ein Raumschutz im unmittelbaren Luftraum über dem serbischen Ort
Varvarin war im Übrigen auch nicht erforderlich. Der Ort und die
Umgebung waren unverteidigt. Ein gegnerischer Beschuss, der einen
Angriff auf die Brücke von Varvarin hätte vereiteln können, war nicht
zu erwarten. Anders im Kosovo, wie die Beklagte selbst vorträgt.
Dieser Raumschutz »während der gesamten Operation« beweist -
zusätzlich zu dem bisherigen Vortrag der Kläger - die Mittäterschaft
der Beklagten bei der Bombardierung der Brücke von Varvarin.
Folgerichtig haftet - auch aus diesem Gesichtspunkt - die Beklagte den
Klägern für die eingetretenen Schäden.
2. Ergänzende Ausführungen zur Beweislast
Die Tatsache, dass es vorliegend um einen Fall geht, in dem die
Ursachenzusammenhänge nicht abgrenzbar sind, führt hinsichtlich der
Kausalität der eingetretenen Schäden der Kläger zu einer
Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten. Das verkennt die Beklagte im
vorliegenden Rechtsstreit völlig.
Das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten der Beklagten hat den
Umständen nach die Bombardierung der Brücke von Varvarin möglich
gemacht und so kausal zu den Schäden der Kläger (mindestens)
beigetragen. Das genügt vorliegend für die Umkehr der Beweislast (vgl.
NJW 1988, 2803).
Nach der Rechtsprechung des BGH sind Beweiserleichterungen bis zur
Umkehr der Beweislast erst und nur dann ausgeschlossen, wenn ein
jeglicher haftungsbegründender Ursachenzusammenhang »äußerst
unwahrscheinlich« ist (vgl. dazu BGHZ 85, 212 (216f) = NJW 1983, 333 =
LM § 823 (Eh) BGB Nr. 44; Senat, NJW 1988, 2949 = LM § 823 (Aa) BGB
Nr. 101 = VersR 1989, 80 (81 unter 2); NJW 1994, 801 = LM H. 5/1994 §
286 (B) ZPO Nr. 98 = VersR 1994, 52 (53 und II 2c, bb), NJW 1995, 778
= LM H. 2/1995 § 276 (Ca ) BGB Nr. 52 = VersR 1995, 46 (47 unter II
2a, c).
Die Beklagte hat durch ihr schuldhaftes Verhalten das gesamte Spektrum
der möglichen Schadensursachen erweitert.
Und sie hat die Aufklärung der Hintergründe für den Luftangriff auf
die Brücke von Varvarin mindestens verweigert, wenn nicht gar
verschleiert.
Der Ursachenzusammenhang der klägerischen Schäden ist nach dem
unumstößlich feststehenden Sachverhalt zu dem nicht »äußerst
unwahrscheinlich«.
Abgrenzbare Ursachenzusammenhänge sind nicht feststellbar. Im
Gegenteil, nach den getroffenen Feststellungen wären die Schäden der
Kläger ohne das schuldhafte Verhalten der Beklagten nicht eingetreten.
Das Spektrum der möglichen (!) Ursachenzusammenhänge ist vielfältig.
Diesseits steht fest, dass der Beklagten die Beweislast in der
Kausalitätsfrage nicht nur für das »ob« der Kausalität, sondern auch
für das Ausmaß der Ursächlichkeit ihres militärischen Handelns im
Rahmen des Einsatzes »Allied Force« zufällt.
Ausgehend von der Beweislast der Beklagten hätte sie beweisen müssen,
dass der Luftangriff auf die Brücke von Varvarin:
1. entweder rechtmäßig, das heißt ohne Verletzung der Schutzrechte der
Kläger aus dem Zusatzprotokoll I erfolgt ist;
2. oder - alternativ - der Luftangriff zwar unter Verletzung des
Zusatzprotokolls I erfolgt ist, jedoch ohne eigenes schuldhaftes
Verhalten erfolgt wäre und die Schäden der Kläger auch ohne
ihr Verhalten herbeigeführt worden wären.
Gemessen daran fehlt es an einem substantiierten, mindestens unter
Beweisangebot gestellten Sachvortrag der Beklagten gänzlich. Die
ständigen substanzlosen pauschalen Behauptungen der Beklagten, etwa
der Gestalt, dass es sich bei der Brücke von Varvarin um ein legitimes
militärisches Ziel gehandelt habe, reicht jedenfalls in keiner Weise
zu ihrer Entlastung. Auch die pauschale Behauptung, wonach
»... die für die Ausführungen der Luftschläge verantwortlichen
NATO-Staaten sowie die mit der Zielauswahl befassten NATO-Gremien alle
erdenklichen Anstrengungen zum Schutz der Zivilbevölkerung unternommen
(hätten)«
(vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 19. Dezember 2002, dort Seite 3,
letzter Absatz)
wird den Anforderungen der beweislastigen Beklagten nicht gerecht und
kann sie nicht entlasten.
Das trifft auch auf die pauschale Behauptung der Beklagten zu, wonach
»die gesamte Zielplanung während der Operation "Allied Force" (d.h.
die Auswahl der Ziele und die Wahl des Angriffsverfahrens)... so
angelegt (gewesen sei), dass mögliche Schäden, vor allem an
Zivilpersonen, aber auch an der Umwelt, vermieden wurden. Hierzu hat
die NATO ein
komplexes Verfahren angewandt, in das alle verfügbaren Informationen
über das jeweilige Ziel, über dessen räumliches Umfeld sowie über die
Wirkungsweise der verschiedenen, zur Bekämpfung in Frage kommenden
Waffenarten einflossen. Mit Hilfe von Computersimulationen wurden
Waffen mit dem niedrigsten Schadensrisiko ausgewählt. Jedes Ziel wurde
auf die völkerrechtliche Zulässigkeit der Bekämpfung rechtlich bewertet.«
(Vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 14. November 2003, II. 2., dort
Seite 3)
Die Beklagte muss sich fragen lassen, warum sie dann nicht dezidiert
die Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass der Angriff auf die
Brücke von Varvarin völkerrechtlich zulässig gewesen sein soll?!
Die Beklagte muss sich fragen lassen, woher sie überhaupt wissen will,
dass jedes Ziel auf die völkerrechtliche Konformität geprüft worden
sein soll, wenn sie gleichzeitig behauptet, dass sie wegen des in der
NATO geltenden Grundsatzes »need to know« gar keine Kenntnis über alle
Angriffsziele erhalten habe und speziell hinsichtlich des Angriffs auf
die Brücke von Varvarin nicht einbezogen worden sein will?!
Die Beklagte muss sich fragen lassen, wie sie denn wissen will, dass
ihre Kampfflugzeuge keine Begleitschutzaufgaben zur Absicherung von
Luftangriffen durch Kampfflugzeuge anderer Nationen erfüllt haben,
wenn sie andererseits keine Kenntnis über alle Angriffsziele gehabt
haben will?! Hypothetisch unterstellt, dass sie keine Kenntnis hatte,
ist dann eine andere Schlussfolgerung möglich als die, dass sie
Luftangriffe unter Verstoß gegen das Zusatzprotokoll I dadurch
ermöglichte, dass sie die Überprüfung der Völkerrechtskonformität
unterließ und auf die Ausübung des ihr als vollwertiger
NATO-Mitgliedsstaat zustehenden Vetorechts verzichtete?!
Die Beklagte muss sich fragen lassen, worin dieses von ihr behauptete
»komplexe Verfahren« zum Schutz der Zivilbevölkerung bestanden haben
soll?! Ist aus der Tatsache, dass sie dazu nichts vorträgt ein anderer
Schluss zu ziehen, als dass es ein solches Verfahren gar nicht gegeben
hat und nicht zur Anwendung gekommen ist?!
Die Beklagte muss sich fragen lassen, welche konkreten Maßnahmen sie
als aus dem Zusatzprotokoll I Verpflichtete unternommen hat, um
während des Militäreinsatzes die Einhaltung der sich selbst
auferlegten Pflichten zur Gewährleistung der Schutzrechte der
Zivilbevölkerung in einem bewaffneten Konflikt sicherzustellen?!
Die Beklagte muss sich fragen lassen, warum der Angriff auf die Brücke
von Varvarin - bei hypothetischer Unterstellung, dass die Brücke ein
militärisches Ziel und ihre Zerstörung legitim war - zur Mittagszeit
erfolgte und woraus sich unter Berücksichtigung des Angriffszeitpunkts
die völkerrechtliche Legitimität im Sinne des Zusatzprotokolls I
ergeben soll?
Die Beklagte muss sich weiter fragen lassen, warum vor dem Angriff auf
die Brücke - bei hypothetischer Unterstellung, dass nicht nur das
Ziel als solches, sondern auch der Angriffszeitpunkt zu rechtfertigen
wäre - nicht entsprechend den Regeln des Zusatzprotokoll I die
Zivilbevölkerung gewarnt wurde?
Die Beklagte muss sich fragen lassen, wie der Angriff auf die Brücke
letztlich überhaupt zu rechtfertigen ist, obwohl das Zusatzprotokoll I
den Angriff auf unverteidigte Orte gänzlich untersagt?!
Nur zur Klarstellung für die Beklagte sei hier angemerkt, dass es sich
bei den vorgenannten Fragen nicht um Polemik handelt. Es sind
letztlich Rechtsfragen, ohne dabei den Anspruch auf Vollständigkeit zu
erheben, die im Rahmen der zu Lasten der Beklagten verteilten
Beweislast von ihr zu beantworten gewesen wären.
Nach der wie dargelegt verteilten Beweislast fiel es den Klägern
lediglich zu, nachzuweisen, dass die ihnen zugefügten Verletzungen und
die Tötung ihrer Angehörigen die Folge eines durch Kampfflugzeuge
erfolgten Luftangriffs gewesen sind, der den NATO-Mitgliedsstaaten
zuzurechnen ist. Dem sind die Kläger - weit über den prozessrechtlich
erforderlichen Umfang - vollumfänglich nachgekommen.
3. Ergänzende Ausführungen zur gesamtschuldnerischen Haftung unter
Berücksichtigung der Rechtsprechung
Beruht ein Schaden haftungsrechtlich auf mehreren Ursachen, die von
verschiedenen Personen gesetzt worden sind, so haften diese
grundsätzlich als Gesamtschuldner (§§ 830 , 840 BGB). Zivilrechtlich
wird in diesen Fällen nicht danach unterschieden, ob einzelne Ursachen
wesentlicher sind als andere (BGH, VersR 1968, 773 (774); 804, (805)
unter II. 2; Staudinger-Medicus, BGB, 12. Aufl., § 249 Rdnr. 51;
Grunsky, in: MünchKomm, 2. Aufl., Vorb. § 249 Rdnr. 50). Das gilt
grundsätzlich auch, wenn eine Ursache für sich allein den Schaden
nicht herbeigeführt hat, es dazu vielmehr des Hinzutretens weiterer
Ursachen im Sinne einer kumulativen Gesamtkausalität bedurfte (RGZ 73,
289 f.; BGH, VersR 1970, 814 (815); vgl. auch RGZ 69, 57 (58); BGH, LM
§ 408 HGB Nr. 3 = WM 1962, 1196 (1197 f.)).
Demgemäß ist der Schaden durch die Beklagte zu ersetzen, wenn er - wie
hier - letztlich erst durch das Eingreifen eines Dritten eintritt
(Staudinger-Medicus, § 249 Rdnr. 68; Grunsky, in: MünchKomm, Vorb. §
249 Rdnrn. 52, 57).
Das gilt auch im Verhältnis zwischen den NATO-Mitgliedsstaaten als
mögliche Schädiger in einem bewaffneten Konflikt. Sie wirken bei der
Vorbereitung und Durchführung militärischer Operationen in
vielfältiger Weise zusammen.
Bezogen auf die Militäroperationen gegen Jugoslawien betrifft das zum
Einen die "reine" Staatsebene und zwar sowohl ohne als auch unter
Einbeziehung der NATO, im letzteren Fall insbesondere über den NATO-Rat.
Das betrifft - selbstredend - zum Anderen das die Luftoperationen
planende und ausführende Militär, auf der NATO-Ebene beginnend beim
Militärausschuss über alle weiteren untergeordneten Ausschüsse und
Kommandoebenen, vom einfachen Soldaten bis zum General.
Die Beklagte hat mit den übrigen NATO-Mitgliedsstaaten nationales
Militär zur Ausführung der Militäroperation gegen Jugoslawien unter
dem Dach ihres gemeinsamen Militärbündnisses - der NATO -
zusammengeführt. Unter Nutzung der dort existierenden militärischen
Kommandostrukturen wurde die Operation geplant und durchgeführt. Das
bewirkt tatsächlich - im Vergleich zu herkömmlichen Militärallianzen
- eine besonders enge Verflechtung der Streitkräfte bei der Ausübung
militärischer Aktionen. Und rechtlich belegt gerade diese enge
Verflechtung die der Beklagten zuzurechnenden klägerischen Schäden im
Sinne der gesamtschuldnerischen Haftung.
Die Zurechenbarkeit fehlt in derartigen Fällen nur dann ausnahmsweise,
wenn die Ursächlichkeit des ersten Umstands für das Eintreten des
zweiten Ereignisses nach dem Schutzzweck der Norm gänzlich
bedeutungslos ist (BGHZ 106, 313 (316 f.) = NJW 1989, 2127 = LM StrEG
Nr. 14), wenn also das schädigende erste Verhalten nur noch den
äußeren Anlaß für ein völlig ungewöhnliches und sachwidriges
Eingreifen eines Dritten bildet, das dann den Schaden erst endgültig
herbeiführt (BGHZ 58, 162 (165 f.) = NJW 1972, 904 = LM § 823 (C ) BGB
Nr. 42; Senat, NJW 1986, 1329 (1331) = NJW 1986, 1329 = LM § 249 (Bb)
BGB Nr. 42).
Das ist vorliegend jedoch aus den mannigfaltig genannten Gründen
völlig auszuschließen.
4. Ergebnis
Auch der Grundsatz der Staatenimmunität steht entgegen der Auffassung
der Beklagten der Zulässigkeit der vorliegenden Klage nicht im Wege.
In meinem unwidersprochen gebliebenen Schriftsatz vom 7.10.2003 werden
beispielhaft weitere acht das humanitäre Völkerrecht verletzende
Luftangriffe dokumentiert und unter Beweis gestellt (vgl. Schriftsatz
vom 7. 10. 2003, dort Seite 7 bis 12, Anlagen 1 bis 8 ). Derartige
Luftangriffe gegen die Zivilbevölkerung, zivile Objekte, unverteidigte
Orte in und außerhalb von Kampfgebieten, einschließlich massive
Angriffe gegen Kosovo-albanische Flüchtlingstrecks waren fester
Bestandteil der Militäroperation "Allied Force".
Warum sollten schwerste Verletzungen des humanitären Völkerrechts -
wie der Luftangriff auf die Brücke von Varvarin - heute nicht der
gerichtlichen Überprüfung und Sanktionierung unterliegen?
Beglaubigte und einfache Abschrift anbei.
Ulrich Dost
Rechtsanwalt
&Beglaubigt zwecks Zustellung