"Kosova": Mafia-Staat von UN Gnaden

(chronologisch geordnet)

1) Europarat warnt vor Unabhängigkeit (2008-01-22)
2) Streit um künftigen Status des Kosovo droht zu eskalieren (2008-01-31)
3) Wankendes Gefüge (GFP)
Mit der gestrigen Anerkennung des illegalen Sezessionsregimes in Pristina setzt Berlin seine Serie flagranter Völkerrechtsbrüche gegenüber Serbien fort... (21.02.2008)
4) Mafia-Staat von UN Gnaden (21.2.2008)
5) Jung läßt sich in Pristina feiern (22.02.2008)
6) »Medienbild hatte mit der Realität nichts zu tun« (26.02.2008)
»Ethnische Säuberungen« im Kosovo hat es vor der NATO-Aggression von 1999 nicht gegeben. Ein Gespräch mit Dietmar Hartwig (jW)
7) Die Abspaltung des Kosovo ist nichtig – genau wie das Münchner Abkommen (23.02.2008)
Rede von Klaus Hartmann bei Protestkundgebung in Frankfurt a.M. 


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sueddeutsche.de

22.01.2008

Kosovo: Europarat warnt vor Unabhängigkeit

Die Zukunft des Kosovo sorgt im Europarat für heftige Diskussionen: Zahlreiche Abgeordnete warnen vor einer "Balkanisierung" anderer Gebiete.

Die geplante Unabhängigkeit des Kosovos spaltet auch die parlamentarische Versammlung des Europarates. Während sich Befürworter einer Unabhängigkeit der abtrünnigen serbischen Provinz in Straßburg zurückhaltend äußerten, warnten zahlreiche Abgeordnete aus den 47 Europaratsländern vor einem "Präzedenzfall" und einer "Balkanisierung" anderer Gebiete.

"Viele Regionen wollen eine Unabhängigkeit, doch man kann nicht einen Staat unterstützen, der von vornherein pleite ist. Die Kosovo-Provinz braucht Stabilität", sagte der britische Liberale Michael Hancock als Gegner einer schnellen Unabhängigkeit. Sie dürfe auch nicht die Augen davor verschließen, dass politisch Verantwortliche im Kosovo ins organisierte Verbrechen verwickelt sein sollen, beispielsweise in Schmuggel, Prostitution und Geldwäsche.

Angesichts einer fehlenden Verhandlungslösung zwischen Serben und Albanern "betrachte ich die Unabhängigkeit des Kosovos als einzig mögliche Lösung", sagte der liberale Berichterstatter des politischen Ausschusses, Lord Russell-Johnston.

Moskaus "Nein"

Die Welt dürfe nicht in "ethnische Volksgruppen" aufgeteilt werden, mahnte die französische Sozialistin Josette Durrieu. Sie erinnerte an das Beispiel Belgiens, wo ein Teil der Flamen eine Trennung von den Wallonen fordert.

Mehrere russische Abgeordnete bekräftigen erwartungsgemäß das Nein Moskaus zu einem unabhängigen Kosovo. Die Krise sei dadurch vergiftet worden, dass die "Separatisten" in der serbischen Provinz Unterstützung von "einigen EU-Staaten" erhalten hätten, sagte der Leiter der russischen Delegation, Michael Kosaschew von der Regierungspartei "Einiges Russland".

Die Verhandlungen über die Zukunft des Kosovos seien dadurch von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. "Die EU wäre besser beraten, wenn sie Serbien mitsamt der Kosovo-Provinz aufnähme", sagte Kosachew. Das Kosovo-Problem sollte dem UN-Sicherheitsrat überlassen bleiben.

Der deutsche Grünen-Abgeordnete Rainder Steenblock betonte hingegen, alle Versuche, mit internationalen Vermittlern eine Einigung zu erzielen, seien gescheitert. Nun müsse es eine Lösung geben. "Einfach so weitermachen wäre unverantwortlich."

In einer Entschließung, über die die Abgeordneten aus den 47 Europaratsländern abtimmen sollen, werden die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats aufgefordert, ihre "Differenzen zu überwinden" und eine Lösung durchzusetzen. Sollte dies nicht geschehen, könnte die Provinz einseitig ihre Unabhängigkeit erklären. Es müsse aber verhindert werden, dass sich der "Kosovo in ein Pulverfass verwandelt" und ein neuer Konklikt den Balkan bedrohe, heißt es in dem Text weiter.

Auch US-Außenministerin Condoleezza Rice hat die europäischen Verbündeten davor gewarnt, klare Entscheidungen über das Kosovo auf die lange Bank zu schieben.

Es sei sicherlich angebracht, den Ausgang der Präsidentenwahl in Serbien Anfang Februar abzuwarten, sagte Rice vor einem Treffen mit ihren Kollegen aus Frankreich, Großbritannien und Deutschland in Berlin. "Aber irgendwann muss man klare Entscheidungen treffen, und ihre Verschiebung macht klare Entscheidungen nicht leichter."

Es wird erwartet, dass das überwiegend von Albanern bewohnte Kosovo unmittelbar nach der Wahl in Serbien seine Unabhängigkeit erklären wird. Darin wird die Führung der südserbischen Provinz von den USA und einer großen Mehrheit der EU-Länder unterstützt.


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Streit um künftigen Status des Kosovo droht zu eskalieren

2008-01-31 17:10:45

Der Streit um den künftigen Status des Kosovo droht derzeit zu eskalieren. Kosovos Ministerpräsident Hashim Thaci hatte am vergangenen Donnerstag in Brüssel erklärt, das Kosovo sei bereit, innerhalb der kommenden Tage seine Unabhängigkeit zu erklären. Die EU erwägt unterdessen die Entsendung einer Polizeitruppe ins Kosovo. Dazu legte der Sprecher des russischen Außenministeriums Michail Kaminin am Dienstag eine Erklärung vor. Darin heißt es, eine einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo verstoße gegen die UN-Charta. Ein derartiger Schritt werde unabsehbare Folgen haben. Durch eine ohne die Zustimmung der UN erklärte Unabhängigkeit des Kosovo werde ein zerstörerischer Präzedenzfall für das System der internationalen Beziehungen geschaffen.

Russland unterstützt in der Frage über künftigen Status des Kosovo Serbien, es lehnt eine Unabhängigkeit des Kosovo entschieden ab. Bei einem Treffen mit dem serbischen Präsidenten Boris Tadic und dem serbischen Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica erklärte der russische Präsident Wladimir Putin vor kurzem, eine Unabhängigkeitserklärung des Kosovo verstoße zum einen gegen das Völkerrecht, zum anderen gefährde es die Stabilität auf dem Balkan und damit auch die Stabilität der Welt. Der russische Außenminister Sergej Lawrow betonte ebenfalls, Russland lehne eine Unabhängigkeit des Kosovo ab. Es verstoße gegen das Völkerrecht, dass einige Staaten die Unabhängigkeit des Kosovo unterstützen und anerkennen wollten. Bei der Suche nach einer Lösung der Kosovo-Frage solle man keinen Termin festlegen, dadurch würde die Lage komplizierter. Der Balkan-Beauftragte des russischen Außenministeriums Alexander Bozan-Chartschenko sagte, sein Ministerium habe bereits Pläne ausgearbeitet, um eine Unabhängigkeit des Kosovo zu verhindern. Russland werde mit Belgrad in engem Kontakt bleiben, um sämtliche Schritte abzustimmen. Russland werde sowohl die aktuelle Lage als auch alle weiteren Entwicklungen aufmerksam verfolgen.

Politische Beobachter betonten, Russland unterstütze Serbien schon aufgrund der traditionell guten und engen Beziehungen zwischen beiden Staaten. Daher sei Russland auch ein entschiedener Gegner der Unabhängigkeitsbestrebungen des Kosovo. Die Differenzen, die in dieser Frage zwischen Russland und den westlichen Staaten bestehen, seien auch ein Ausdruck der widerstreitenden strategischen Interessen der beiden Seiten. Nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Zerfall der Sowjetunion seien viele osteuropäische Länder der NATO beigetreten. Serbien habe allerdings an seinen traditionell freundschaftlichen und engen Beziehungen zu Russland festgehalten. Serbien hat sich damit als Hürde für die geplante Osterweiterung der NATO erwiesen. Ließe Russland nun die Unabhängigkeit des Kosovo zu, könnte sich die UN aus Serbien zurückziehen. Das Mandat im Kosovo würde dann laut den Statuten der EU übergeben. Damit könnte Russland durch sein Veto im Weltsicherheitsrat keinen Einfluss mehr auf Entscheidungen bezüglich des Kosovo ausüben. Russland hätte damit auch Serbien sehr enttäuscht. Außerdem könnte Russland seine Interessen in der Balkan-Region dann nur unter erschwerten Bedingungen weiter verfolgen. Darüber hinaus fürchtet Russland, dass durch die Unabhängigkeit des Kosovo ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen würde. Die in Folge des Zusammenbruchs der Sowjetunion aufgetretenen territorialen Fragen würden sich verschärfen.

Politische Beobachter bewerten die Differenzen zwischen Russland und den westlichen Staaten hinsichtlich der Kosovo-Frage derzeit als sehr ernst. Die westlichen Länder wollen an ihrem Plan zur Lösung der Kosovo-Frage festhalten. Die Beobachter befürchten, dass es sogar zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen Russland und den westlichen Staaten kommen könnte, falls sich das Kosovo wirklich unabhängig erklären würde.



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Wankendes Gefüge 

21.02.2008


BERLIN/PRISTINA (Eigener Bericht) - Mit der gestrigen Anerkennung des illegalen Sezessionsregimes in Pristina setzt Berlin seine Serie flagranter Völkerrechtsbrüche gegenüber Serbien fort. Man bereite die "Aufnahme diplomatischer Beziehungen" zur "Republik Kosovo" vor, teilt ein Sprecher der Bundesregierung mit. Damit verstößt Deutschland erneut gegen die UNO-Charta und setzt das Prinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen in Europa endgültig außer Kraft. Separatisten in mehreren EU-Staaten, aber auch im Kaukasus und in Kanada kündigen an, den kosovarischen Präzedenzfall zur Durchsetzung ihres Abspaltungsverlangens zu nutzen. Gegen Demonstranten, die die rechtswidrige Abtrennung des Kosovo von den übrigen serbischen Landesteilen nicht akzeptieren wollen, schreiten inzwischen NATO-Truppen ein - im Auftrag des deutschen Protektoratsverwalters im Kosovo, Joachim Rücker. Rücker handelt offiziell im Namen der UNO, deren Charta die Sezession eigentlich verbietet, deren Generalsekretär jedoch trotz der tiefen Spaltung des Sicherheitsrates die Aggression gegen Belgrad toleriert. Das beispiellose Vorgehen Berlins sowie weiterer westlicher Staaten bringt das nach dem Zweiten Weltkrieg zwecks globalen Machtabgleichs geschaffene UNO-Gefüge ins Wanken.

Wie ein Sprecher der Bundesregierung mitteilt, hat Berlin am gestrigen Mittwoch die Anerkennung der selbsternannten "Republik Kosovo" sowie die Aufnahme diplomatischer Beziehungen eingeleitet. Demnach erfolgt die Anerkennung durch ein Schreiben des Bundespräsidenten, das per Kurier nach Pristina gebracht und dort dem "Präsidenten" des Sezessionsregimes übergeben wird. Dies wird voraussichtlich am heutigen Donnerstag oder am morgigen Freitag geschehen. Eine Kopie ist dem "Präsidenten" als Vorab-Fax bereits über die deutsche Vertretung in Pristina zugeleitet worden. Die Vertretung firmiert derzeit noch gemäß internationalem Recht als "Deutsches Verbindungsbüro Kosovo", wird aber in den nächsten Tagen zu einer "Botschaft" aufgewertet.

Diktatorisch

Mit jedem dieser Schritte setzt Berlin seine Serie flagranter Völkerrechtsverstöße gegenüber Serbien bzw. dessen Vorgänger Jugoslawien fort. Bereits mit dem Krieg gegen Belgrad im Frühjahr 1999 hatte die Bundesregierung internationale Normen gebrochen. Der Beschluss vom vergangenen Samstag, an einer jeder juristischen Grundlage entbehrenden Polizei- und Justizintervention der EU im Kosovo teilzunehmen, war ein erneuter illegaler Willkürakt.[1] Bereits jetzt steht nach Anerkennung und Aufnahme diplomatischer Beziehungen der nächste Gesetzesbruch fest. Noch im Februar soll die EU ihren "Sonderbeauftragten" für das Kosovo, Pieter Feith, als neuen Protektoratsverwalter installieren. Weil nicht nur die UNO, sondern auch alle anderen halbwegs legitimationsfähigen internationalen Zusammenschlüsse (OSZE, Europarat) tief gespalten sind, wird ein Willkürbündnis nach dem Modell der anti-irakischen Kriegskoalition ("Koalition der Willigen") den EU-Protektor einsetzen. Trotz des Fehlens jeglicher demokratischen Legitimation wird er diktatorische Vollmachten erhalten: Nach aktuellem Planungsstand kann er Beschlüsse der "Regierung" in Pristina ebenso ohne nähere Begründung aufheben wie Entscheidungen des kosovarischen Parlaments.

Gesetzwidrig

Bereits der jetzt amtierende deutsche Protektoratsverwalter Joachim Rücker, der seine Legitimation über die UNO bezieht, zeichnet sich durch großzügigen Umgang mit internationalem Recht aus. Dies betrifft nicht nur seine anhaltende Unterstützung für kosovarische Separatisten (darunter Milizionäre, die zahlreicher Kriegsverbrechen bezichtigt werden [2]) - damit half er die illegale Sezession vorzubereiten -, sondern auch den gesetzwidrigen Verkauf serbischen Staatseigentums an ausländische Investoren [3]. Tatsächlich hätte Rücker schon deswegen längst zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Am gestrigen Mittwoch hat der Deutsche die Verwaltungsgrenze zur serbischen Südprovinz Kosovo durch NATO-Truppen schließen lassen. Die Handlung richtete sich gegen Demonstranten, die die illegale Hochrüstung der Verwaltungsgrenze zur Staatsgrenze nicht hinzunehmen bereit sind. An diesem Donnerstag wird Rücker weitere Absprachen mit dem deutschen Verteidigungsminister Franz-Josef Jung treffen, der als erstes Mitglied der Bundesregierung nach der Sezessionserklärung in Pristina eingetroffen ist.

Präzedenzfall

Die Anerkennung der Sezession durch Deutschland und weitere westliche Staaten inspiriert Separatisten in zahlreichen Ländern weltweit. Ein katalanischer Sezessionist etwa erklärt sie zu einem "höchst wichtigen Präzedenzfall": "Sie zeigt, dass man es akzeptieren muss, wenn Menschen nach staatlicher Unabhängigkeit verlangen."[4] Ähnlich äußern sich baskische Separatisten. Gleiches Recht in Anspruch nehmen wollen auch Abspaltungsbewegungen in Georgien (Abchasien, Süd-Ossetien), Aserbaidschan (Nagornyi-Karabach), Russland (Tschetschenien) und Moldawien (Transnistrien), aber auch in Frankreich (Korsika) und in Großbritannien (Schottland). Selbst beim Parti Quebecois in Kanada heißt es: "Die Unabhängigkeit des Kosovo zeigt uns, dass der Wille eines Volkes, unabhängig zu werden, von Staaten auf der ganzen Welt anerkannt werden kann - auch gegen die Opposition des Landes, das man verlässt".[5] Nicht zuletzt in den an Serbien grenzenden Ländern kündigen sich neue Sezessionsunruhen an. "Hochrangige Vertreter der Albaner in Makedonien haben darauf hingewiesen, dass die Teilung des Kosovos auch für sie Anlass sein werde, zu überprüfen, ob ihre Volksgruppe im makedonischen Staat verbleiben möchte", schreibt die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).[6]

Neokolonial

Die SWP, die bislang eher nicht mit pointierter Kritik an der Bundesregierung hervorgetreten ist, stellt dem Kosovo selbst eine düstere Zukunft in Aussicht. "Schon bisher haben Beamte und andere Abgesandte aus EU-Staaten zusammen mit Vertretern der USA den Kern der UNMIK gebildet", schreibt die Stiftung in einer kürzlich veröffentlichten Analyse: "Trotzdem befindet sich die Provinz ökonomisch, politisch und sozial in einem desolaten Zustand".[7] Aussicht auf wirkliche Besserung besteht demnach auch nach Installierung eines EU-Verwalters mit quasi-diktatorischen Vollmachten nicht. "Darüber hinaus stellt sich schon seit langem die grundsätzliche Frage, ob sich überhaupt vermeiden lässt, dass die internationale Verwaltung neokolonialen Verhaltensmustern anheimfällt", urteilt die SWP. Sie hält zukünftige kosovarische Unruhen gegenüber den Protektoratsmächten für wahrscheinlich: "Die Frustration der Kosovo-Albaner über die nach ihrer Überzeugung von den 'internationalen Kolonisatoren' vorenthaltene Selbstbestimmung" könne angesichts der Entwicklung vor Ort "nur zunehmen".

Völkerbund

Den größten Schaden bei der Errichtung der neokolonialen westlichen Herrschaft über Südosteuropa trägt jedoch das nach dem Zweiten Weltkrieg zwecks globalen Machtabgleiches geschaffene UNO-Gefüge davon. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-Moon, hat sich in der Auseinandersetzung offen auf die Seite des Westens geschlagen und weigert sich, den Bruch der UNO-Charta durch die Sezession des Kosovo zu untersagen. Vielmehr toleriert er die Entmachtung der UNMIK und die nicht legitimierte Übertragung der Kontrollgewalt in Pristina an die EU. Die UNO erweist sich damit als Beute der westlichen Staaten, die trotz schwerwiegender Verstöße gegen ihre eigenen Grundlagen Partei für Berlin und Washington ergreift. Sie wäre nicht die erste Organisation, die gegründet wurde, um eine ungezügelte Eskalation der weltweiten Mächtekonkurrenz zu verhindern, und anschließend in ebendieser Mächtekonkurrenz unterging.



[3] s. dazu Neuer Vasall und Abmontiert
[4] Vascos y catalanes aprueban decisión de Kosovo frente a oposición de Madrid; AFP 18.02.2008
[5] Kosovo and Quebec have nothing in common, says Dion; Canwest News Service 18.02.2008
[6], [7] Bedrohliche Weiterung der Kosovo-Krise; SWP-Aktuell 4, Januar 2008



=== 4 ===

stern.de - 21.2.2008 - 15:35



Kosovo

Mafia-Staat von UN Gnaden

Von Christoph Reuter

Der Ex-Regierungschef sitzt in Den Haag auf der Anklagebank, auf dem Korruptionsindex liegt der Kosovo mit Kambodscha und Kamerun an der Spitze und die Mafia wäscht dort ihr schmutziges Geld - alles unter den Augen der UNO, die den Ministaat nach ihren Vorstellungen aufbauen wollte.


Die Party war sehr groß am Sonntag. Menschen weinten auf den Straßen der Kosovo-Hauptstadt Pristina, trotzten der Kälte mit ihren Transparenten "A new state is born", und brauchten zum Rausch gar nicht die Gratisdrinks der Cafes: "Mein Leben lang habe ich auf diesen Tag gewartet", wiederholten Junge wie Alte unisono in die Mikrophone der Reporter, "endlich sind wir unabhängig von den Serben!"

Der jüngste Staat der Welt ist geboren, Amerika und weite Teile Europas haben seine Anerkennung angekündigt, die EU lockt mit Mitgliedschaft in weiter und Milliardenhilfen in naher Ferne - doch der Kater nach dem Fest könnte lange anhalten. Was nicht daran liegt, dass Moskau gegen die Unabhängigkeit protestiert und Serbien beschwört, den Kosovo niemals aufgeben zu wollen. Sondern am Ausgang des neun Jahre währenden Experiments, die UN einen Staat nach ihren Vorstellungen und Möglichkeiten aufbauen zu lassen.

Die UN formte ein Land nach ihren Vorstellungen

Nachdem die Nato dem serbischen Feldzug und der Vertreibung der Albaner im Kosovo 1999 mittels Bombardements ein Ende gemacht hatte, übernahm die "United Nations Mission in Kosovo", UNMIK, zusammen mit der Truppengemeinschaft KFOR die Kontrolle. Und ging daran, ein Land nach ihren Grundsätzen zu formen, demokratisch und rechtsstaatlich sollte es werden. Personell wurde diese Mission nicht in homöopathischen Dosen ausgestattet wie etwa in Afghanistan, sondern mit immensem Aufwand für die etwa 2,1 Millionen Einwohner. Polizei, Gerichtsbarkeit, Militär, Wirtschaftsaufbau, Telekommunikation, Zoll, alles lag in den Händen der mehreren tausend "Internationalen" unter Führung des "SRSG", des "Special Representative of the UN Secretary General in Kosovo"; eine Art Vizekönig mit beinahe monarchischer Machtfülle und weitgehender Immunität für seine Mitarbeiter.

Aus dem Kosovo wurde Unmikstan. Und wird nun an "Eulex" übergeben, die nächste aufsichtsführende Behörde: 1800 Polizisten, Juristen, Zoll- und andere Beamte der EU, die demnächst einrücken. Doch was für einen Staat hat die Weltgemeinschaft nach knapp neun Jahren auf die Welt geholfen? 

Den Strom absichtlich ausgeschaltet

Bei den Unabhängigkeitsfeiern in Pristina lachten die Gäste einer Bar erleichtert, als sie merkten, dass der Besitzer Licht und Musik zum Toast auf die Nation absichtlich ausgeschaltet hatte. Denn mehrstündige Stromausfälle gehören weiterhin zum Alltag. Fast die Hälfte der Kosovaren ist arbeitslos. Der Energiekonzern KEK ist in den vergangenen Jahren von lokalen Machthabern wie internationalen Beratern gleichermaßen geplündert worden, ohne in der Zwischenzeit eine geregelte Versorgung sicherzustellen. Einziger nennenswerter Exportartikel des Kosovo ist Metallschrott. Bei der internationalen Anti-Korruptions-Organisation "Transparency International" lag Kosovo auch schon vor der Unabhängigkeit im Bericht vom Dezember 2007 zusammen mit Staaten wie Kamerun und Kambodscha in der Spitzengruppe der Korrupten. Ein beträchtlicher Teil des gesamten Heroin-Schmuggels von Afghanistan via Türkei nach Europa laufe durch den Kosovo, wiederholen Ermittler von BND und europäischen Polizei-Einheiten regelmäßig. Was ist schiefgegangen?

Die plakativste Antwort lächelt seit Monaten pausbäckig vor rotem Hintergrund von metergroßen Anzeigentafeln überall im Stadtzentrum von Pristina: "Ramush - We need you, now!" verkünden die Plakate. Ramush Haradinaj war, Ex-Kommandeur in der "Kosovo-Befreiungsarmee" UCK, 2004 - 2005 Premierminister des Kosovo und ist derzeit angeklagt vorm Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Für seine Gefolgsleute: "die Faust Gottes". Für die UNMIK-Mission: "ein Freund und Partner".

Zusammen mit zwei Mitangeklagten, Idriz Balaj, Anführer der "Schwarzen Adler" und Lahi Brahimaj, "der Zigeuner", soll Ramush Haradinaj zwischen März und September 1998 systematisch Serben, auch auch Roma und Albaner, die sich seinem Herrschaftsanspruch nicht unterwarfen, aus dem Gebiet seines Clans im Nordwesten des Kosovo vertrieben und ermordet haben. Menschen wurden mit Stacheldraht gefesselt und an Autos hergeschleift, bei lebendigem Leib verstümmelt. Dutzende Leichen fanden sich später an der bevorzugten Hinrichtungsstätte der drei. Insgesamt 37 Verbrechen gegen die Menschlichkeit wirft die Haager Anklage Ramush Haradinaj vor. 

Fraglich, ob Ramush verurteilt wird

Doch ob er, wie geplant, in den kommenden Wochen verurteilt werden kann, wird immer fraglicher. Vier Zeugen sind im Verlauf des Verfahrens bereits auf die eine oder andere Art zu Tode gekommen, etliche bedroht worden. Ein Drittel der insgesamt 90 Zeugen durfte mit verdeckter Identität aussagen - der höchste Anteil aller bisherigen Prozesse vor dem Jugoslawientribunal.

Dass UN-Chefanklägerin Carla del Ponte wieder und wieder die UNMIK darauf drängt, sich von Haradinaj zu distanzieren, um Zeugen nicht das Gefühl zu geben, der Mann verfüge weiterhin über internationale Unterstützung - vergebens. Als Ramush Haradinaj sich im März 2007 auf den Weg nach Den Haag machte, empfing ihn "SRSG" Joachim Rücker nochmal zum demonstrativen Abschiedstreffen. "Herr Haradinaj ist nicht verurteilt", erklärte später der feinsinnige UNMIK-Chef, der früher einmal Bürgermeister von Sindelfingen war: "Und er ist Parteivorsitzender einer Regierungspartei. Das, finde ich, gehört zum normalen Geschäft." 

Ein normales Geschäft, das seit Jahren darin besteht, einem mutmaßlichen Kriegsverbrecher tatkräftig bei seiner Polit-Karriere zu helfen. Schon als Ramush mit einer Gruppe Bewaffneter im Juli 2000 das Anwesen eines konkurrierenden Drogenhändlerclans überfiel und dabei Verletzungen erlitt, wurde er vom US-Militär in deren deutsche Basis Ramstein ausgeflogen. Der UNMIK-Nachrichtendienst erhielt die Anweisung, "keine restiktiven Maßnahmen gegen Ramush Haradinaj zu ergreifen" und urteilte später in einem geheimen Memorandum: "Weil die internationale Gemeinschaft vor ihren (Haradinajs Clan) Aktivitäten die Augen verschließt, werden sie von der Bevölkerung als unantastbar betrachtet." 

Zum Regierungschef durchgedrückt

Als Haradinajs neu gegründete Partei AAK, "Zukunftsallianzs Kosovos", bei den Wahlen 2004 acht Prozent der Stimmen erhielt, drückte Rückers Vorgänger, der damalige UNMIK-Chef Sören Jessen-Petersen, ihn als Premierminister durch - und bedauerte seinen Rücktritt nach der Anklageerhebung im März 2005. Aber sorgte wenig später dafür, dass Haradinaj bis zum Beginn des eigentlichen Prozesses frei kam und in Pristina sein politisches und geschäftliches Machtsystem weiter ausbauen konnte. Von dem Ermittler berichten, dass es praktisch die Kontrolle über Drogen- und andere Schmuggelgeschäfte im West-Kosovo umfasse.

 

Es ist ein faustischer Pakt, überaus praktisch für beide Seiten. Denn für die alle ein, zwei Jahre wechselnden UNMIK-Chefs zählte vor allem, ihre Amtszeit erfolgreich hinter sich zu bringen. Keiner wollte so enden wie jener traurige Finne, in dessen Mandatsperiode die Märzunruhen 2004 fielen, als ein albanischer Mob zwei Dutzend serbischer Kirchen und Klöster im Kosovo niederbrannte. Langfristige Probleme ignorieren und Erfolgsmeldungen zur Zentrale nach New York schicken, war für die eigene Karriere stets das klügste. Dazu passt ein erpressbarer Politiker wie Ramush Haradinaj perfekt, der alle Wünsche der UN erfüllte und die Lage ruhig hielt - wie, war weitgehend egal. Nur Joachim Rückers Vize, der amerikanische Ex-General Steven Schook, ging kürzlich etwas zu weit. 

"Ich bin schuldig, meinen Job zu lieben"

Am 17. Dezember 2007 wurde er geschasst. Schon im September waren Ermittlungen gegen ihn aufgenommen worden. Auf einer denkwürdigen Pressekonferenz - "Ich bin schuldig, meinen Job zu lieben" - erzählte Schook zwar freimütig von den Gründen seiner Demissionierung (zuviel Lobbyarbeit für US-Firmen, zu viele junge Frauen, die ihm Ramushs Männer bei heiteren Gelagen zugeführt hatten), vergaß aber irgendwie den Hauptgrund: Bei einem abendlichen Treffen mit dem Jugend- und Kulturminister Astrit Haraqia aus Ramushs Koalition hatte Schook Namen und Aufenthaltsort des im Rahmen des Ramush-Zeugenschutzprogrammes nach Norwegen evakuierten Belastungszeugen Rama Bayu weitergereicht. 

Nachdem Bayu selbst im vermeintlich sicheren Oslo bedroht worden war, hatte er sich angstvoll an seine Betreuer vom Zeugenschutzprogramm gewandt. Die verständigten ihrerseits das UN-Hauptquartier in New York, das unverzüglich ein Ermittlerteam nach Pristina schickte, dort pikanterweise auch die Festplatte von UNMIK-Chef Rücker beschlagnahmte und Schooks Wirken ein rasches Ende bereiteten. Sehr zum Bedauern der örtlichen Mafiosi, die sich mit Schook darin einig sein konnten, dass Zeugenschutzprogramme doch geradezu unverhältnismäßig kostspielig seien.

Nun grüßt Ramush von Dutzenden Plakaten die Feiernden in Pristina - aber keiner will sie bezahlt haben, weder seine Partei, noch sein "Verteidigungsfond", gegen den wegen Geldwäsche kurzzeitig ermittelt und der Direktor der örtlichen Kassa-Bank verhaftet wurde, bis das Verfahren im Sande verlief.

Ramush Haradinaj ist der prominenteste, aber nicht der einzige Fall. Die internationalen Polizeichefs wie der hocherfahrene Stu Kellock aus Toronto haben die Erfahrung gemacht, dass die Gesetze im Kosovo nicht für alle gelten. Immer wieder blockten die UNMIK-Oberen, sobald ehemalige UCK-Kommandeure und Clanführer ins Fadenkreuz der Ermittlungen gerieten. "Die Ermittlungen wurden von oben gestoppt, von KFOR und UNMIK", erinnert sich auch Christer Karphammer, Schwede und erster internationaler Richter in Pristina: "Einige der früheren UCK-Führer genossen regelrechte Immunität."

Lushtaqi entging zweimal einer Festnahme

So entging auch der frühere UCK-Obere Sami Lushtaqi mindestens zweimal einer Festnahme. Er war verdächtig, einer der Hintermänner eines Bombenanschlags auf einen Bus serbischer Friedhofsbesucher im Februar 2001 zu sein. Während und kurz nach dem Krieg soll er in privaten Folterlagern der UCK albanische wie serbische Zivilisten getötet haben. Der US-Diplomat und damalige UNMIK-Vize Jock Covey verhinderte laut einem Bericht der Sunday Times persönlich Lushtaquis Verhaftung. Die, so Covey, würde das Kosovo destabilisieren.

Lushtaqi machte ungestört weiter Karriere und ließ sich in seinem Heimatort Skenderaj im Dezember 2007 zum Bürgermeister wählen. Ende Januar 2008 kam er als einer der ersten neu gewählten Bürgermeister in die Gunst eines Besuchs von UN-Missionschef Joachim Rücker persönlich. Rücker war des Lobes voll für Lushtaqi, der sich richtlinientreu an die UNMIK-Vorgaben halte und nun sogar albanisch-serbische Gemeinde-Kommittees einrichten wolle: "Skenderaj kann der Welt zeigen, dass der Kosovo nicht nur eine demokratische, sondern auch eine multi-ethnische Zukunft hat."

Tatsächlich hat Skenderaj vor allem eine Gegenwart der Furcht. Niemand traut sich, gegen Sami Lushtaqi und seine Männer das Wort zu erheben, nicht einmal in Pristina. Als Lushtaqi vor Monaten durch eine KFOR-Straßensperre preschte und ein Verfahren gegen ihn eröffnet wurde, "wagte keiner der einheimischen Richter, die Akte auch nur anzufassen", erinnert sich einer ihrer internationalen Kollegen: "Wir haben Familie, sagten sie, wir wollen nicht sterben."

Dunkle Geschäfte laufen längst dezent

Dabei ist es nicht so, dass im Kosovo Männer mit Sonnenbrillen und tiefergelegten BMWs die Straßen kontrollieren und illegale Prostituierte zu hunderten von hier nach Mitteleuropa geschleust werden. Die Geschäfte laufen längst dezenter. Kosovo-albanische Clans kontrollieren das Rotlichtgewerbe in vielen Städten Europas. Und wo ließe sich das dort schwarz verdiente Geld besser waschen als im Kosovo? Etwa mit vorgetäuschter Geschäftstätigkeit an den Tankstellen, von denen knapp 1000 über den kleinen Landstrich verteilt stehen, oft kundenleer, ebenso oft um ein mehrstöckiges Motel ergänzt, das meist weder Fenster noch Kundschaft hat. Desweiteren existieren 30 Privatuniversitäten im Kosovo, die für viel Geld bunte Zertifikate bieten und große Studentenzahlen melden - selbst, wenn sie nur einmal die Woche Unterricht anbieten.

 

Keiner ihrer Abschlüsse ist in der EU anerkannt, aber darum geht es ja auch gar nicht. Sondern darum, die Herkunft schwarz verdienter Gelder zu verschleiern. Die Lizenzen zum Betrieb einer Privatuniversität vergab der letzte Erziehungsminister ohne jede Prüfung aber gegen eine Aufwandsentschädigung von 50.000 Euro. Innerhalb der UNMIK ist dies nicht unbekannt, und eigentlich sollte auch gegen den Ex-Minister deswegen bereits Anklage erhoben worden sein. Ein hochrangiger albanischer Jurist hebt nur die Hände und rollt stumm mit den Augen. Der Ex-Minister habe einflussreiche Freunde. Als die UNMIK vor Wochen daran ging, alle Privatunis zu zertifizieren, Lehrtätigkeit und Qualifikationen ihres Personals zu untersuchen, antworteten zehn der 30 nicht einmal aufs Anschreiben. 

Kriminalität? Welche Kriminalität

"SRSG" Joachim Rücker versteht die ganze Kritik nicht: "Wenn jemand Beweise hat, dass es hier organisierte Kriminalität gibt, dann bitten wir herzlich dann, dass dies mit Polizei und Staatsanwaltschaft geteilt wird." Ein Hinweis, bei dem Hasan Preteni nur einmal kurz auflacht, fröhlich klingt er dabei nicht. Der stämmige Ex-Offizier und Jurist ist seit 2006 Chef der ersten Anti-Korruptionsbehörde im Kosovo. Nun sei es mitnichten so, dass Korruption kultureller Bestandteil des Kosovo sei, "die Menschen sind wütend! Wir bekommen viele und detaillierte Hinweise!" Etwa über zwei Ärzte im Staatlichen Krankenhaus, die gespendete Geräte für 200.000 Euro privat verhökerten. Oder den Beamten, der für eine Unterschrift 50 Euro haben wollte. "Aber wissen Sie, wer als erster aus dem Gefängnis wieder draußen war? Die Ärzte. Sie haben einfach die Gefängnis-Wärter bestochen." Je größer der Fall, je mächtiger der Bestochene, desto weniger geschehe: "Wir arbeiten an 120 Fällen, haben viele bereits an die Staatsanwaltschaft weitergegeben. Die müssten nun weiterermitteln, denn wir sind nicht die Polizei, nicht das Gericht. Aber was geschieht? Fast nichts. Und die Menschen trauen sich nicht, irgendetwas gegen die Paten zu unternehmen, sagen, es habe doch sowieso keinen Zweck, wenn die auch noch von der UN beschützt werden!"

Nach den Wahlen vergangenen Dezember hat die neue Regierung unter Ex-UCK-Chef Hashim Thaci versprochen, die Stellenzahl in Petrenis Minibehörde zu verdoppeln und hat auch sonst der Korruption den Kampf angesagt. Hasan Petreni bleibt skeptisch. Tha

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