Unter Separatisten
28.09.2017
Unitat Catalana, Unser Land, Bayernpartei...
Politisch-ideologische Rückendeckung erhält der katalanische Separatismus seit 1999 von einer Fraktion im Europaparlament, in der Bündnis 90/Die Grünen starken Einfluss ausüben. Der Fraktion The Greens/European Free Alliance gehören Abgeordnete grüner Parteien, aber auch Abgeordnete von Mitgliedsparteien der European Free Alliance (EFA) an; bei letzteren handelt es sich um Parteien von Sprachminderheiten aus EU-Staaten. Eine der beiden Fraktionsvorsitzenden von The Greens/EFA ist die deutsche Grüne Ska Keller. In der EFA sind etwa katalanische Vereinigungen aktiv, darunter nicht nur eine Organisation aus der spanischen Autonomen Region Katalonien, sondern auch die Unitat Catalana aus Perpignan (Frankreich) sowie Parteien aus dem spanischen Valencia und von den Balearen. Die EFA ist damit pankatalanisch orientiert. Der gemeinsame Nenner all ihrer sonstigen Mitglieder ist allein der Bezug auf Sprach- bzw. Ethno-Minderheiten; zu ihren Mitgliedern gehören dabei neben sich als links einstufenden Parteien auch konservative und rechte Organisationen. EFA-Mitglieder sind zum Beispiel die Bayernpartei, die schlesische Autonomiebewegung Ruch Autonomii Slaska, diverse Deutschtums-Organisationen - etwa Unser Land aus dem Alsace (Frankreich) - und die konservative belgische Nieuw-Vlaamse Alliantie (N-VA), die langfristig den Austritt des niederländischsprachigen Landesteils (Flandern) aus dem belgischen Staat anstrebt.
Anschlusspläne
Die Bereitschaft von Bündnis 90/Die Grünen, dem Ethno-Verband EFA mit der Aufnahme in die gemeinsame Fraktion eine wichtige politische Bühne zu verschaffen, wird auch dadurch nicht beeinträchtigt, dass der EFA Organisationen wie Erdélyi Magyar Neppart oder die Süd-Tiroler Freiheit angehören. Erdélyi Magyar Neppart (Ungarische Volkspartei Transsilvaniens) ist eine Partei der ungarischsprachigen Minderheit Rumäniens, die offiziell für die Autonomie des Minderheitengebiets plädiert. Anhänger der Partei treten sogar für einen Anschluss an Ungarn ein und haben den ungarischen NS-Kollaborateur József Nyirő gerühmt, der für die faschistischen \"Pfeilkreuzler\" tätig war, 1941 Joseph Goebbels huldigte und 1942 in einer Rede forderte: \"Aus dem Weg mit den Brunnenvergiftern, mit denjenigen, die die ungarische Seele destruieren, unsern Geist infizieren, die die ungarische Kraftentfaltung verhindern\" (german-foreign-policy.com berichtete [1]). Die Süd-Tiroler Freiheit wiederum fordert die Abspaltung von Teilen Norditaliens (Bolzano-Alto Adige) und entweder die Gründung eines eigenen Staates Südtirol oder aber - vorzugsweise - den Anschluss an Österreich. Die Süd-Tiroler Freiheit steht in dirkter Tradition zu den sogenannten Südtiroler Freiheitskämpfern, die seit den 1950er Jahren in Italien immer wieder Sprengstoffanschläge verübten, um den Anschluss von Bolzano-Alto Adige an Österreich zu erzwingen.[2]
Europa der Völker
Indem die EFA zahlreiche offen separatistische Parteien organisiert - neben der Süd-Tiroler Freiheit etwa die Esquerra Republicana de Catalunya und die Scottish National Party -, legt sie die Lunte an eine ganze Reihe von EU-Staaten, darunter nicht nur Spanien, sondern etwa auch Großbritannien, Italien und Frankreich. Wie Europa aussähe, sollten die separatistischen Kräfte, die die EFA fördert, Erfolg haben, zeigt eine Karte, die die EFA lange Jahre online verbreitete und die heute noch auf der Internetpräsenz der EFA-Jugendorganisation zu sehen ist. german-foreign-policy.com dokumentiert einen Auszug (siehe rechts).[3]
Ehrengast
Einen kräftigen Aufschwung hat dem katalanischen Separatismus vor ziemlich genau zehn Jahren die Frankfurter Buchmesse verschafft: Im Oktober 2007 konnte damals zum ersten Mal nicht ein Land, sondern mit Katalonien ein Teil eines Staates auf dem international renommierten Großevent als \"Ehrengast\" auftreten. Dies hat nicht nur weithin für Aufmerksamkeit, sondern in Katalonien selbst für heftigen Unmut gesorgt - unter spanischsprachigen Einwohnern der Region; diese wiesen empört darauf hin, dass diejenigen Schriftsteller aus der Region, die nicht in katalanischer, sondern in spanischer Sprache publizierten, in Frankfurt keine Berücksichtigung fänden. Damit werde die Vielfalt Kataloniens auf eine katalanische Ethnokultur reduziert, hieß es. Damals rechtfertigte der Vorsitzende der EFA-Mitgliedspartei Esquerra Republicana de Catalunya, Josep-Lluís Carod-Rovira, diese Praxis mit der Aussage, wenn \"die deutsche Kultur zu einer Buchmesse eingeladen\" wäre, würde man \"auch keine deutschen Autoren zulassen, die auf Türkisch schreiben\" (german-foreign-policy.com berichtete [4]). Gleichzeitig wurden auf der Frankfurter Veranstaltung Landkarten verbreitet, auf denen nicht nur das spanische Valencia und die Balearen, sondern auch Andorra und Teile Südfrankreichs als \"katalanisch\" markiert waren. Dies entspricht vollständig der pankatalanischen Orientierung der EFA.
\"Katalonien entgegenkommen\"
Zeitweise haben auch Berliner Regierungsberater die territoriale Integrität Spaniens offen in Frage gestellt. Die EU könne \"an einen Punkt geraten, an dem zu überlegen wäre, ob eine ausgehandelte Separation nicht einem Zustand permanenter Instabilität vorzuziehen sei\", hieß es 2013 in einem Papier der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).[5] 2014 plädierte die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in einer Kurzanalyse dafür, Madrid solle \"auf eine Übereinkunft hinarbeiten\", um \"dem neuen Staat\" - gemeint war Katalonien - \"entgegenzukommen\".[6] Das Plädoyer für die Abspaltung Kataloniens entspricht alten Vorstellungen deutscher Strategen, denen zufolge es für Deutschland nur vorteilhaft sein könne, separatistische Kräfte in anderen Staaten zu fördern - denn damit würden auch Konkurrenten der Bundesrepublik, etwa Frankreich, erheblich geschwächt.
Sorge um die Machtbasis
Zuletzt sind allerdings eher besorgte Stimmen zu hören gewesen. Der katalanische Separatismus, der immer wieder Rückendeckung in Deutschland fand, stürzt den spanischen Staat aktuell in eine tiefe politische Krise. Diese kommt zur ökonomischen Krise hinzu, die ungebrochen weiterschwelt und auf lange Sicht - ähnlich wie die Krisen in Griechenland und Italien - eine Gefahr für den Euro und die EU ist. Damit droht sich der katalanische Sezessionskonflikt zu einem weiteren Brandherd in der krisengeschüttelten EU zu entwickeln, der den Staatenbund empfindlich schwächen könnte - zu Lasten der deutschen Weltpolitik, die in ihrer aktuellen Konzeption auf eine kontinentale Basis, die EU, angewiesen ist.
\n