Da: Klaus von Raussendorff
Subject: Hager Tribunal versucht, Strategie der Selbstverteidigung von
Slobodan Milosevic zu durchkreuzen
Inviato: 30/07/2004 11:30
Liebe Leute,
zum Stand des Milosevic-Prozesses dokumentiere ich:
MILOSEVIC KÜNFTIG ZWANGSVERTEIDIGT?
Ein Versuch, die Strategie der Selbstverteidigung des Angeklagten zu
durchkreuzen
Von Cathrin Schütz
(erschien leicht gekürzt in Neues Deutschland vom 29. Juli 2004, S. 7)
[ 1 ]
JURISTEN AUS MEHREN LÄNDERN GEGEN DIE BESTELLUNG EINES
ZWANGSVERTEIDIGERS FÜR SLOBODAN MILOSEVIC
Pressemitteilung des Internationalen Komitees für die Verteidigung von
Slobodan Miloševi? (ICDSM) - Deutsche Sektion - vom 29. Juli 2004
[ 2 ]
DIE BESTELLUNG EINES ZWANGSVERTEIDIGERS FÜR SLOBODAN MILOSEVIC BEDROHT
DIE KÜNFTIGE RECHTSENTWICKLUNG UND DAS LEBEN DES ANGEKLAGTEN
Petition von 50 Juristen aus 12 Ländern an die Vereinten Nationen vom
29. Juli 2004
[ 3 ]
J u r i s t e n k ö n n e n d i e P e t i t i o n w e i t e r h i n
u n t e r s c h r e i b e n .
Email bitte an: vorstand@...
Mit internationalistischen Grüßen
Klaus von Raussendorff
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Informationsdienst der Vereinigung für Internationale Solidarität (VIS)
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[ 1 ]
MILOSEVIC KÜNFTIG ZWANGSVERTEIDIGT?
Ein Versuch, die Strategie der Selbstverteidigung des Angeklagten zu
durchkreuzen
Von Cathrin Schütz
Die Situation des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan
Milosevic, angeklagt vor dem ad-hoc Tribunal für Kriegsverbrechen im
ehemaligen Jugoslawien (ICTY) in Den Haag, spitzt sich derzeit zu.
Heute sollte sich der Prozeß eigentlich in seiner zweiten Phase
befinden und der sich selbst
verteidigende Milosevic seine Argumente und Zeugen präsentieren. Nun
scheint unsicher, ob es dazu nach der Sommerpause am 31. August
überhaupt kommen wird. Nachdem schon die Anklagezeit zum Vorschein
brachte, daß es sich beiden Vorwürfen um teils wirre Konstruktionen
handelte, die oft mit bestochenen Zeugen gestützt werden sollte, weisen
nun alle Zeichen auf den Einsatz eines Zwangsverteidigers. Die
Möglichkeit, den studierten Juristen
Milosevic aus seinem Prozess abzudrängen, wurde von der
Staatsanwaltschaft unter Chefanklägerin Carla del Ponte schon lange
gefordert. Bisher hatten sich die Richter jedoch dagegen gestellt. Doch
just zum Zeitpunkt des Beginns der Verteidigung nahmen die Richter den
Vorschlag auf, in dem sie die lange bekannte Krankheit von Milosevic
plötzlich zum zentralen Thema machten. Ein Verteidiger soll den kranken
Angeklagten entlasten, so heißt es offiziell.
Doch warum wurde gerade jener Moment gewählt, um den Einsatz eines
Verteidigers ins Spiel zu bringen, an dem Milosevic seine vierstündige
Eröffnungsrede und seine ersten Zeugen präsentieren wollte? Warum
empfing das Tribunal just an jenem Tag, an dem dieser Plan in die
Diskussion gebracht wurde, hinter verschlossenen Türen Madeleine
Albright?
Sicher ist, daß sie wie andere Akteure der Clinton-Regierung von
Milosevics Zeugen massiv belastet werden kann. Neben den deutschen
Regierungen Kohl und Schröder liegt es besonders im Interesse der USA,
Milosevics Strategie einen Strich durch die Rechnung zu machen.
Albright war in ihrer Zeit als US-Außenministerin massiv in den
NATO-Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien und die Federführung
der an den US-Bedingungen gescheiterte Rambouillet-Konferenz
verstrickt. Schon als US-Botschafterin bei der UNO hatte sie im
Sicherheitsrat die Gründung des Haager ICTY erzwungen und zählte zu den
Anti-Serbischen Hardlinern während der 1990er.
Das ICTY fügt sich immer wieder dem politischen Druck seiner
Finanzgeber, zu denen neben Saudi-Arabien, internationalen
Großkonzernen und George Soros die NATO-Staaten zählen. Vor allem der
Prozeß gegen Milosevic hat die Auswirkungen immer wieder offen gezeigt.
So haben sich die Richter schon
unzählige Male über das geltende Prinzip der Gleichbehandlung von
Anklage und Verteidigung hinweggesetzt, zuletzt hatten sie die
Bedingungen für Milosevics Vorbereitungen seiner Verteidigung massiv
beschränkt.
Offensichtlich beunruhigt gewisse Kräfte dieser Tage die Tatsache, daß
es Milosevic trotz dem von den Richtern gesetzten Zeitdruck gelang,
seine Verteidigung vorzubereiten. Und so überlegen die
Verantwortlichen, wie man das Statut des ICTY wie auch geltendes
Völkerrecht und die Prinzipien des Angelsächsischen Rechts erneut
umgehen kann und dem Angeklagten das Recht auf Selbstverteidigung
absprechen kann. Sollte ein vom Tribunal eingesetzter Anwalt die
Verteidigung führen, kann als sicher gelten, daß eine
Beweisführung über die teils direkte Verwicklung der USA in die
blutigen Bürgerkriege wie etwa die Verwicklung in die „Operation
Storm“, die Vertreibung von 200.000 Serben aus der Krajina in Kroatien
ausbleiben wird. Vor allem liegt es im Interesse der US-Demokraten,
ihre Zusammenarbeit mit muslimisch-fundamentalistischen Kräften in
Bosnien und im serbischen Kosovo, die vor Ort teils von Osama Bin Laden
persönlich repräsentiert wurden, totzuschweigen.
Da der Schritt zum Zwangsverteidiger juristisch höchst fragwürdig ist,
arbeiten die Richter derzeit offensichtlich an Alternativen. So soll
die Anklage gegen Milosevic, die ihm Verbrechen in Kroatien, Bosnien
und dem Kosovo vorwirft, in ihre Einzelteile zerlegt werden. Während
die Anklage von einer Anklageschrift ausging und darauf basierend
Milosevic den „kriminellen Plan“ der Schaffung eines „Groß-Serbiens“
nachzuweisen versuchte, sollen künftig offenbar alle drei Anklagen
separiert werden, was den Charakter der Anklage mitten im Prozeß von
Grund auf verändern würde. Der Vorteil für die Drahtzieher des
Tribunals könnte darin begründet sein, daß die Trennung der Anklagen
deren Entpolitisierung zur Folge hätte. Milosevics These, wonach es nur
einen Krieg im ehemaligen Jugoslawien gab, den gegen Jugoslawien, ist
aufs engste mit der Balkanpolitik Deutschlands und der USA verbunden.
Danach haben externe Kräfte die Zerschlagung des Landes geplant und
durchgeführt. Derartige Zusammenhänge würden durch die Teilung der
Anklagen als unerheblich abgewiesen werden können.
Berichte wie der des deutschen Abgeordneten Willy Wimmer über eine im
Jahr 2000 vom US-Außenministerium mitveranstaltete Balkan-Konferenz in
Bratislava, auf der man „in aller Klarheit gesagt“ hätte, was der
Hintergrund der Jugoslawienpolitik der vergangenen Jahre war und ist:
„Kontrolle“ über die „Region“ durch die Revision der Ergebnisse des 2.
Weltkrieges, „als Eisenhower es unterließ, dort Bodentruppen zu
stationieren“, sind im Zeugenstand höchst unerwünscht und es scheint,
daß es derzeit darum geht, nichts unversucht zu lassen, um Milosevic
zum Schweigen zu bringen, um die eigene Politik weiter verschleiert zu
halten.
Der Artikel erschien leicht gekürzt in Neues Deutschland, 29. Juli
2004, S. 7
******************************************************************
[ 2 ]
Internationales Komitee für die Verteidigung von Slobodan Miloševi?
(ICDSM) - Deutsche Sektion -
Sprecher: Klaus Hartmann, Schillstraße 7, D-63067 Offenbach am
MainTel.: 069 – 83 58 50;
e-mail: vorstand@...; www.free-slobo.de
P r e s s e m i t t e i l u n g v. 29. Juli 2004
JURISTEN AUS MEHREN LÄNDERN GEGEN DIE BESTELLUNG EINES
ZWANGSVERTEIDIGERS FÜR SLOBODAN MILOSEVIC
Juristen, Juraprofessoren und internationale Strafverteidiger sind
besorgt über die geplante Bestellung eines Zwangsverteidigers im
Prozess gegen den ehemaligen Staatspräsidenten von Jugoslawien,
Slobodan Milosevic, vor dem Haager Tribunal. In einem Schreiben an den
Generalsekretär der Vereinten Nationen, an den Sicherheitsrat und die
Generalversammlung sowie an das Haager Tribunal, das unter der
Verantwortung der Vereinten Nationen arbeitet, erklären die 50
Unterzeichner aus 12 Ländern: „Die vorgesehene Bestellung eines
Zwangsverteidigers stellt eine unerhörte Verletzung international
anerkannter Rechte vor Gericht dar und wird allein dazu dienen, die
lebensbedrohende Krankheit von Herrn Milosevic weiter zu
verschlimmern und das Verfahren weiter zu diskreditieren.“
Die Petition ist von den kanadischen internationalen Strafverteidigern,
Tiphaine Dickson und Christopher Black initiiert worden. Beide
engagieren sich im Internationalen Komitee für die Verteidigung von
Slobodan Milosevic (ICDSM). Zu den Unterzeichnern gehören Ramsey Clark
(USA), Sergei Baburin (Vizepräsident der russischen Duma),
JacquesVerges (Frankreich), Professor Norman Paech and Friedrich Wolf
(Deutschland), Jitendra Sharma (Indien) - Präsident der Internationalen
Vereinigung Demokratischer Juristen - und die
Professoren Avramov und Cavoski aus Belgrad. Die Sammlung von
Unterschriften hat erst in den letzten Tagen begonnen und soll
fortgesetzt werden.
Die Juristen weisen außerdem darauf hin, dass sich das Tribunal einer
ernsthaften Prüfung des Antrags verschließt, Präsident Milosevic mit
Rücksicht auf seinen angeschlagenen Gesundheitszustand zwecks
medizinischer Behandlung vorläufig zu entlassen. Stattdessen habe das
Tribunal die Rechte des Angeklagten in einer Weise verletzt, die zur
Verschlimmerung seiner Krankheit beiträgt. Milosevic leidet an
bösartigem Bluthochdruck.
Die Petition warnt vor der angekündigten „radikalen Reform“ des
Verfahrens, die voraussichtlich eine „Änderung der Regeln im laufenden
Verfahren und zu Lasten des Angeklagten“ bringen wird. „Die Ausnutzung
einer unsachgemäß behandelte Krankheit einer inhaftierten Person als
Entschuldigung, um sie in ihren Rechten zu beschneiden“ sei eine
„Perversion von Geist und Buchstaben des internationalen Rechts.“
Der volle Wortlaut der Petition unter: www.free-slobo.de
Medienvertreter wenden sich bitte für weitere Informationen und
Stellungnahmen an:
Tiphaine Dickson (Montreal) +1 450 263 7974
Christopher Black (Toronto) + 1 416 928 6611
Ramsey Clark (New York) +1 212 475 3232
Vladimir Krsljanin (Belgrade) +381 63 886 2301
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[ 3 ]
DIE BESTELLUNG EINES ZWANGSVERTEIDIGERS FÜR SLOBODAN MILOSEVIC BEDROHT
DIE KÜNFTIGE RECHTSENTWICKLUNG UND DAS LEBEN DES ANGEKLAGTEN
S.E. Herrn KOFI ANNAN, Generalsekretär der Vereinten Nationen
S.E. Herrn JULIAN ROBERT HUNTE, Präsident der 58. Tagung der
Generalversammlung der Vereinten Nationen
An die rumänische (russische) Präsidentschaft des Sicherheitsrats der
Vereinten Nationen
An die Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
In Kopie: An Internationales Straftribunal für das ehemalige Jugoslawien
Wir, die Unterzeichnenden, Juristen, Rechtswissenschaftler und
internationale Strafverteidiger, bringen hiermit unsere Warnung und
Besorgnis gegenüber den gegenwärtigen Bestrebungen des Internationalen
Straftribunals für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) zum Ausdruck, einen
Zwangsverteidiger für Slobodan Milosevic gegen den Willen des
Angeklagten zu bestellen.
Diese offensichtlich als Strafe vorgesehene Maßnahme verstößt gegen
internationales Recht, ist mit dem kontradiktorischen System der
Strafjustiz, das vom Sicherheitsrat in Resolution 808 übernommen wurde,
unvereinbar und verkennt die Verpflichtung des Gerichts, für eine
angemessene medizinische Versorgung und die vorläufige Entlassung des
Angeklagten Sorge zu tragen. Anstatt geeignete Maßnahmen zu treffen, um
Slobodan Milosevic wegen seiner seit Langem bestehenden
gesundheitlichen Probleme Erleichterung zu verschaffen, hat das ICTY
diese noch verschlimmert. Das ICTY hat sich über wiederholte Bitten um
eine vorläufige Entlassung hinweggesetzt, auf die jeder, für den die
Unschuldsvermutung gilt, einen Anspruch hat, hat der Verteidigung eine
unrealistisch kurze Vorbereitungszeit auferlegt und hat das Einbringen
einer Unmenge von Beweismaterial durch die Anklage gestattet, worunter
Vieles eines beweiserheblichen Wertes ermangelte, und damit Herrn
Milosevics Stresspegel, den hauptsächlichen Auslöser seiner Krankheit,
weiter erhöht. Die III. Kammer war davon durch Kardiologen, die sie
selbst bestellt hatte, in Kenntnis gesetzt worden. Dem Angeklagten
wurde eine Untersuchung durch Ärzte seiner Wahl verweigert, eine
weitere Verletzung seiner Rechte.
Nachdem das ICTY eben diese Zerrüttung des Gesundheitszustandes von
Präsident Milosevic herbeigeführt hat, vor der es gewarnt worden war,
versucht es nun, ihm gegen seinen Widerspruch einen Zwangsverteidiger
aufzuzwingen, anstatt ihm eine vorläufige Entlassung zu gewähren, damit
er die gebotene gründliche Behandlung erhält, eine vernünftige
Maßnahme, die in innerstaatlichem und internationalem Recht sowie der
entsprechenden
Rechtspraxis verankert ist. Die vorgesehene Bestellung eines
Zwangsverteidigers stellt eine unerhörte Verletzung international
anerkannter Rechte vor Gericht dar und wird allein dazu dienen, die
lebensbedrohende Krankheit von Herrn Milosevic weiter zu verschlimmern
und das Verfahren weiter zu diskreditieren.
Das Recht, sich gegen eine strafrechtliche Anklage selbst zu
verteidigen, ist von zentraler Bedeutung sowohl für das internationale
Recht als auch gerade für die Struktur des kontradiktorischen Systems.
Zu den grundlegenden minimalen Rechten, die dem Angeklagten nach dem
Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs ebenso wie nach
den Statuten der Internationalen Straftribunale für Ruanda und
Jugoslawien gewährt werden, gehört das Recht, sich in eigener Person zu
verteidigen. Die allgemeine Systematik all dieser Rechte hebt darauf
ab, dass die Rechte einem
Angeklagten, nicht einem Anwalt gewährt werden. Das gewährte Recht
besteht darin, sich selbst gegen die von der Anklage vorgebrachten
Tatvorwürfe zu verteidigen und subsidiär dazu den Beistand eines
Anwalts zu erhalten, wenn ein Angeklagter den Wunsch äußert, solchen
Beistand zu erhalten. Wenn jedoch ein Angeklagter wie Slobodan
Milosevic eindeutig Widerspruch gegen eine anwaltliche Vertretung
erhebt, geht sein Recht, sich selbst zu verteidigen, der Präferenz des
Gerichts oder der Anklage für die Bestellung eines Verteidigers vor.
Wie vom Supreme Court der USA mit Bezug auf das Sechste Amendment der
Bill of Rights, das eine auffallende Ähnlichkeit mit Artikel 21 des
ICTY-Statuts hat, festgestellt:
“Es spricht von ‚Hilfe’ eines Anwalts, und ein Helfer, wie
sachverständig auch immer, bleibt ein Helfer. Aus Wortlaut und Geist
des Sechsten Amendments ergibt sich die Auffassung, dass ein Anwalt wie
die anderen vom Amendment garantierten Instrumente der Verteidigung
eine Hilfe für einen damit einverstandenen Angeklagten sein soll - kein
Organ des Staates, das zwischen einem nicht einverstandenen Angeklagten
und seinem Recht auf persönliche Verteidigung eingeschaltet ist. Einem
Angeklagten gegen seinen wohlerwogenen Wunsch einen Anwalt
aufzuzwingen, verletzt damit die Logik des Amendments. In einem solchen
Falle ist der Anwalt kein Helfer sondern ein Rechtspfleger; und das
Recht, eine Verteidigung aufzubauen, ist seines personalen Charakters
beraubt, den das Amendment betont.“
Faretta v.California, 422 U.S. 806 (1975)
Das Statut des ICTY (wie auch die Statute des Internationalen
Straftribunals für Ruanda und des Internationalen Strafgerichtshofs)
garantiert “Verteidigungsinstrumente” wie das Recht, durch einen Anwalt
vertreten zu werden oder das Recht auf kostenlose Gewährung eines
Anwalts, wenn der
Angeklagte mittellos ist. Der Wesensgehalt des Rechts, sich selbst zu
vertreten, wird zunichte gemacht, wenn das Recht auf anwaltliche
Vertretung zu einer Verpflichtung wird. Wie im Fall Farretta (siehe
oben) festgestellt:
“Ein unerwünschter Anwalt ‘vertritt’ den Angeklagten nur mittels einer
unerheblichen und unannehmbaren juristischen Fiktion. Wenn der
Angeklagte nicht in eine solche Vertretung einwilligt, ist die
dargestellte Verteidigung nicht die Verteidigung, die ihm durch die
Verfassung garantiert wird, denn in einem sehr realen Sinne ist es
nicht seine Verteidigung.“
(Ebenda)
So wäre auch die Verteidigung von Slobodan Milosevic nicht die
Verteidigung, die ihm nach internationalem Recht garantiert ist, hätte
er einen Anwalt, der ihm gegen seinen Willen aufgezwungen worden ist.
Die allgemeine Struktur des ICTY ist die eines kontradiktorischen
Systems der Strafjustiz. Andere juristische Einflüsse haben in die
Verfahrens- und Beweisregeln Eingang gefunden, aber die Natur des
Verfahrens mit einem Ankläger und einem Angeklagten, die als Parteien
Beweismaterial vor einem Spruchkörper darlegen, dessen Funktion die
eines Schiedsrichters ist, ist unbezweifelbar kontradiktorisch. Im
kontradiktorischen System hat die Geschichte deutlich gezeigt, dass die
zwangsweise Bestellung eines Anwalts für einen nicht einwilligenden
Angeklagten die Praxis politischer Gerichte ist und in einem
demokratischen Rechtssystems keinen Platz hat, umso weniger vor einer
Institution, welche präjudizierende Wirkung für eine wirklich legitime
internationale Strafjustiz entfaltet, deren Schaffung die Frucht des
Kampfes von einem halben Jahrhundert ist.
“In der langen Geschichte der britischen Strafjustiz gab es nur ein
Tribunal, welches die zwangsweise Bestellung eines Anwalts für einen
nicht einwilligenden Angeklagten in einem Strafverfahren praktizierte.
Dieses Tribunal war die Sternkammer. Diese sonderbare Einrichtung, die
im späten 16ten und frühen 17ten Jahrhundert gedieh, hatte einen
gemischt exekutiven und judikatorischen Charakter und wich in
bezeichnender Weise von den Traditionen des Common Law ab. Aus diesen
Gründen und weil sie auf die Behandlung von ‚politischen’ Vergehen
spezialisiert war, galt die
Sternkammer Jahrhunderte lang als Symbol für die Missachtung
grundlegender individueller Rechte.“ Faretta (ebenda)
Kürzlich hat das ICTY den Ankläger, und zwar nur den Ankläger,
aufgefordert, eine Stellungnahme hinsichtlich einer Bestellung eines
Zwangsverteidigers bei Fehlen von Anweisungen oder Zusammenarbeit
seitens Herrn Milosevic
abzugeben. Die Kammer hat sich wiederholt auf ihre Verpflichtung
bezogen, ein faires Verfahren durchzuführen, und hat, als sie im April
2003 das Recht auf Selbstvertretung anerkannte, die Auffassung
vertreten, dass sie „in der Tat verpflichtet ist zu gewährleisten, dass
ein Verfahren fair und zügig ist; außerdem erhält diese Verpflichtung,
wo die Gesundheit des Angeklagten auf dem Spiel steht, eine besondere
Bedeutung.“ Artikel 21 des Statuts des ICTY bestimmt, dass die Kammer
dieser Verpflichtung „unter voller
Berücksichtigung der Rechte des Angeklagten“ genügen muss. Doch da der
Angeklagte wesentliches und peinliches Beweismaterial vorzulegen hat,
ist Zweckdienlichkeit zum offenbar überragenden Gesichtspunkt der
Kammer geworden.
Die Bestellung eines Anwalts, selbst eines “Stand-by-Anwalts”, wie
anscheinend gegenwärtig vom ICTY vorgesehen, wird keine der den Prozess
belastenden Schwierigkeiten beheben: Slobodan Milosevics bösartiger
Bluthochdruck wird dadurch nicht behandelt, geschweige denn geheilt;
der Angeklagte erhält dadurch weder Zeit noch die erforderlichen
Bedingungen für die Vorbereitung seiner Sachdarstellung; das krasse
Ungleichgewicht zwischen den Ressourcen des Anklägers und der
Verteidigung wird dadurch nicht
ausgeglichen, ein Ausgleich, der nach dem Prinzip der Waffengleichheit
erforderliche ist, welches das Gericht anzuerkennen bekundet. Wird ein
Zwangsverteidiger bestellt, wird Slobodan Milosevics Grundrecht, sich
selbst zu verteidigen, verletzt, und er wird nur 150 Tage zur Verfügung
haben, um die Sicht seiner Verteidigung darzulegen, nur halb so viel
Zeit, wie der Anklage eingeräumt wurde.
Es ist gegenwärtig unklar, welche Rolle ein Zwangsverteidiger spielen
würde. Worin diese auch bestehen mag, sicher ist, dass kein Nutzen aus
dem Verfolg dieser beispiellosen Maßnahme zu ziehen sein wird. Das
Statut des ICTY sieht das Mindestrecht der Anwesenheit im eigenen
Verfahren vor. Wenn Slobodan Milosevic aufgrund seines
Gesundheitszustandes dem Verfahren nicht beiwohnen kann, und er nicht
auf sein Anwesenheitsrecht verzichtet, hat das ICTY nicht die
Kompetenz, in seiner Abwesenheit zu verhandeln. Vertagungen werden
weiter Platz greifen, so lange keine Maßnahmen getroffen werden, Herrn
Milosevics bösartigen Bluthochdruck zu behandeln, ein Umstand, mit dem
nicht durch weitere Verletzung seiner Rechte, die Drohung seines
Ausschlusses aus dem Verfahren oder die Übertragung seiner Verteidigung
an einen völlig Fremden umgegangen werden kann.
Das ICTY bestimmte drei Anwälte, als amicus curiae zu fungieren, deren
erklärte Rolle darin besteht, unter anderem ein faires Verfahren zu
gewährleisten. Es ist zweifelhaft, dass ein Zwangsverteidiger, selbst
ein „Stand-by-Anwalt“, irgendeine zusätzliche Hilfe leisten könnte,
ohne Präsident Milosevics Verteidigung zu hijacken oder ihn einfach zum
Schweigen zu bringen. Ferner ist jede Bezugnahme auf ein Präjudiz
hinsichtlich der Bestellung eines „Stand-by-Anwaltes“ unangebracht. Im
Fall von Dr. Seselj wurde ein „Stand-by-Anwalt“ vor Eröffnung des
Verfahrens bestellt und um eine „Unterbrechung“ der Verhandlungen zu
verhindern.
Präsident Slobodan Milosevic erkennt das ICTY nicht an. Er beteuert
seine Unschuld und kritisiert beharrlich das ICTY und die NATO. Er ist
unschuldig bis zum Beweis des Gegenteils, und er hat jedes Recht, die
Legitimität dieser Institution zu bestreiten. Durch die Bestellung
eines Zwangsverteidigers würde das ICTY nicht nur sein Recht auf
Selbstvertretung verletzen, sondern auch sein Recht, einschlägiges
Beweismaterial zu präsentieren, welches die während eines Jahrzehnts
wiederholten Verletzungen der Souveränität Jugoslawiens beweisen. Diese
Verletzungen führten zum
rechtswidrigen Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien und zu den
Bombardierungen des Landes, auf deren Höhepunkt die Anklage gegen
Slobodan Milosevic vom ICTY bestätigt wurde, und dies in der
offenkundigen Absicht, das jugoslawische Volk einer Stimme für
Friedensverhandlungen zu berauben und die Fortsetzung dieses
Angriffskrieges zu rechtfertigen.
Der Prozess gegen Slobodan Milosevic vor dem ICTY ist bis zum 31.
August 2004 vertagt worden. Die Anklage hat 295 Zeugen an ebenso vielen
Verhandlungstagen präsentiert, die alle vom Angeklagten selbst im
Kreuzverhör befragt wurden, da er das ICTY nicht als ein Gremium der
Rechtsprechung anerkennt und seine Nicht-Anerkennung dadurch
signalisiert, dass er sich weigert, einen Anwalt zu beauftragen.
Slobodan Milosevic hat ein Studium der Rechte absolviert, wurde drei
Mal in die höchsten Staatsämter von Serbien und Jugoslawien gewählt und
hat der Darstellung der Anklage in jeder Hinsicht gekonnt
widersprochen. Außer Frage steht seine mentale Fitness und seine
Fähigkeit, auf sein Recht auf anwaltliche Vertretung zu verzichten. Das
ICTY mag über die Kritik von Präsident Milosevic nicht erfreut sein.
Nichtsdestoweniger überwiegt der öffentliche Nutzen einer Respektierung
seines Rechts auf Selbstvertretung bei weitem die Unannehmlichkeiten,
die sich daraus für das ICTY ergeben mögen. Die Gerechtigkeit
erfordert, dass Slobodan Milosevic die Möglichkeit erhält darzulegen,
dass die Einrichtung des Sicherheitsrates, die ihn gefangen hält, eine
politische Waffe gegen die Souveränität und das Selbstbestimmungsrecht
des serbischen Volkes und aller Völker Jugoslawiens ist.
Nelson Mandela hat sich in den unrühmlichen Rivonia-Prozessen in den
60er Jahren selbst vertreten. Mandela hat eine politische Verteidigung
gegen die Apartheid aufgebaut, doch selbst die südafrikanische Justiz
hat ihm keinen Anwalt aufgezwungen, um ihn zum Schweigen zu bringen.
Das ICTY schickt sich an, die Zukunft des internationalen Rechts zu
bedrohen, indem es etwas tut, was nicht einmal Richter der
Apartheid-Ära zu tun gewagt hatten - einen Angeklagten mundtot zu
machen und ihn in seiner Fähigkeit zu
beeinträchtigen, sich zum Sachverhalt des Verfahrens einzulassen. Ein
Sachverhalt, der, so stellen wir fest, durch die Anklage, nicht durch
Slobodan Milosevic, mit Zustimmung der Kammer zu einem unhandlichen,
undurchschaubaren und unerklärlich in die Länge gezogenen Verfahren
gemacht wurde. Tatsächlich haben die meisten Beobachter des Prozesses
festgestellt, dass die Anklage es nicht geschafft hat, zwingende
Beweise zur Erhärtung irgendeines ihrer Anklagepunkte zu erbringen;
anstatt die Verhandlungen vorläufig einzustellen, gestattete das ICTY
der Anklage, weitere Zeugen zu präsentieren, offenkundig aus
Verzweiflung, damit irgend etwas haften bleiben möge.
Das Recht, sich persönlich zu verteidigen, ist ein Herzstück des
Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte. Die
Vereinten Nationen sollten diese fortgesetzten Verstöße gegen
internationales Recht, die im Namen der Zweckdienlichkeit erfolgen,
nicht dulden. Die Ausnutzung einer unsachgemäß behandelte Krankheit
einer inhaftierten Person als Entschuldigung, um sie in ihren Rechten
zu beschneiden und zu einer „radikalen Reform“ des Verfahrens
überzugehen - wie sie die Kammer nun in Erwägung zieht durch Änderung
der Regeln im laufenden Verfahren und zu Lasten des Angeklagten - ist
eine Perversion von Geist und Buchstaben des internationalen Rechts.
Als Juristen sind wir zutiefst besorgt, dass die geplante Bestellung
eines Zwangsverteidigers einen unwiderruflichen Präzedenzfall darstellt
und potentiell jegliche angeklagte Person des Rechts beraubt, in
Zukunft eine aussagekräftige Verteidigung vorzunehmen. Im Falle von
Slobodan Milosevic
wird diese Maßnahme nur seinen Bluthochdruck erhöhen und sein Leben in
Gefahr bringen.
Das ICTY und der Sicherheitsrat werden die Verantwortung für die auf
tragische Weise voraussagbaren Folgen ihres Handelns zu tragen haben.
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Unterzeichner in Deutschland (Stand: 30. Juli 2004):
Prof. Dr. Erich Buchholz, Rechtsanwalt, Berlin;
Armin Fiand, Rechtsanwalt, Hamburg;
Dr. Heinrich Hannover, Rechtsanwalt, Worpswede;
Prof. Dr. Norman Paech, Universität für Wirtschaft und Politik, Hamburg;
H.E. Schmitt-Lermann, Rechtsanwalt, München;
Dr. Heinz Jürgen Schneider, Rechtsanwalt, Hamburg;
Dr. Friedrich Wolff, Rechtsanwalt, Berlin;
und international:
Tiphaine Dickson, Lawyer, Montreal, Quebec, Canada
Christopher Black, Lawyer, Toronto, Canada
Professor Smilja Avramov (Former President, International Law
Association), Belgrade, Serbia and Montenegro
Sergei Baburin, Doctor of Law (Vice-President, State Duma of the
Federal Assembly of the Russian Federation), Moscow, Russian Federation
Professor Aldo Bernardini, International Law, University of Teramo,
Italy
Professor Panayotis G. Charitos, International Law, Rhode, Greece
Ramsey Clark, Former US Attorney General, New York, USA
Jeff Frazier, Lawyer, Houston, Texas, USA
Professor Yuri Ilyin, Lawyer, Moscow, Russian Federation
Viktor Ilyuchin, State Counselor of Justice of II Order, (Deputy
President, Commission for Security of the State Duma), Moscow, Russian
Federation
Professor Mikhail Kuznecov, Lawyer, (President, Tribunal for NATO
Crimes in Yugoslavia), Moscow, Russian Federation
Professor Claudio Moffa, Ordinario, University of Teramo, Italy
E. Olof, Lawyer, Zeist, Netherlands
Jennie Lusk, J.D., Lawyer, Alberqueque, New Mexico, USA
Dmitrij Potockij, Lawyer, Moscow, Russian Federation
Professor Enyo Savov, International Law, Sofia, Bulgaria
Jitendra Sharma, Senior Advocate, Supreme Court of India (President,
International Association of Democratic Lawyers)
David K. Sergi, Lawyer, San Marcos, Texas, USA
Dr Taras Shamba, Moscow, Russian Federation
Sergei Shtin, Lawyer, Moscow, Russian Federation
N.M.P. Steijnen, Lawyer, Zeist, Netherlands
L.P.H. Stibru, Lawyer, Zeist, Netherlands
Professor Velko Valkanov, (President, Bulgarian Committee for Human
Rights), Sofia, Bulgaria
Professor Ivan Yatsenko (Vice-President, European Peace Forum), Moscow,
Russian Federation
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Ein Versuch, die Strategie der Selbstverteidigung des Angeklagten zu
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Die Situation des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan
Milosevic, angeklagt vor dem ad-hoc Tribunal für Kriegsverbrechen im
ehemaligen Jugoslawien (ICTY) in Den Haag, spitzt sich derzeit zu.
Heute sollte sich der Prozeß eigentlich in seiner zweiten Phase
befinden und der sich selbst
verteidigende Milosevic seine Argumente und Zeugen präsentieren. Nun
scheint unsicher, ob es dazu nach der Sommerpause am 31. August
überhaupt kommen wird. Nachdem schon die Anklagezeit zum Vorschein
brachte, daß es sich beiden Vorwürfen um teils wirre Konstruktionen
handelte, die oft mit bestochenen Zeugen gestützt werden sollte, weisen
nun alle Zeichen auf den Einsatz eines Zwangsverteidigers. Die
Möglichkeit, den studierten Juristen
Milosevic aus seinem Prozess abzudrängen, wurde von der
Staatsanwaltschaft unter Chefanklägerin Carla del Ponte schon lange
gefordert. Bisher hatten sich die Richter jedoch dagegen gestellt. Doch
just zum Zeitpunkt des Beginns der Verteidigung nahmen die Richter den
Vorschlag auf, in dem sie die lange bekannte Krankheit von Milosevic
plötzlich zum zentralen Thema machten. Ein Verteidiger soll den kranken
Angeklagten entlasten, so heißt es offiziell.
Doch warum wurde gerade jener Moment gewählt, um den Einsatz eines
Verteidigers ins Spiel zu bringen, an dem Milosevic seine vierstündige
Eröffnungsrede und seine ersten Zeugen präsentieren wollte? Warum
empfing das Tribunal just an jenem Tag, an dem dieser Plan in die
Diskussion gebracht wurde, hinter verschlossenen Türen Madeleine
Albright?
Sicher ist, daß sie wie andere Akteure der Clinton-Regierung von
Milosevics Zeugen massiv belastet werden kann. Neben den deutschen
Regierungen Kohl und Schröder liegt es besonders im Interesse der USA,
Milosevics Strategie einen Strich durch die Rechnung zu machen.
Albright war in ihrer Zeit als US-Außenministerin massiv in den
NATO-Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien und die Federführung
der an den US-Bedingungen gescheiterte Rambouillet-Konferenz
verstrickt. Schon als US-Botschafterin bei der UNO hatte sie im
Sicherheitsrat die Gründung des Haager ICTY erzwungen und zählte zu den
Anti-Serbischen Hardlinern während der 1990er.
Das ICTY fügt sich immer wieder dem politischen Druck seiner
Finanzgeber, zu denen neben Saudi-Arabien, internationalen
Großkonzernen und George Soros die NATO-Staaten zählen. Vor allem der
Prozeß gegen Milosevic hat die Auswirkungen immer wieder offen gezeigt.
So haben sich die Richter schon
unzählige Male über das geltende Prinzip der Gleichbehandlung von
Anklage und Verteidigung hinweggesetzt, zuletzt hatten sie die
Bedingungen für Milosevics Vorbereitungen seiner Verteidigung massiv
beschränkt.
Offensichtlich beunruhigt gewisse Kräfte dieser Tage die Tatsache, daß
es Milosevic trotz dem von den Richtern gesetzten Zeitdruck gelang,
seine Verteidigung vorzubereiten. Und so überlegen die
Verantwortlichen, wie man das Statut des ICTY wie auch geltendes
Völkerrecht und die Prinzipien des Angelsächsischen Rechts erneut
umgehen kann und dem Angeklagten das Recht auf Selbstverteidigung
absprechen kann. Sollte ein vom Tribunal eingesetzter Anwalt die
Verteidigung führen, kann als sicher gelten, daß eine
Beweisführung über die teils direkte Verwicklung der USA in die
blutigen Bürgerkriege wie etwa die Verwicklung in die „Operation
Storm“, die Vertreibung von 200.000 Serben aus der Krajina in Kroatien
ausbleiben wird. Vor allem liegt es im Interesse der US-Demokraten,
ihre Zusammenarbeit mit muslimisch-fundamentalistischen Kräften in
Bosnien und im serbischen Kosovo, die vor Ort teils von Osama Bin Laden
persönlich repräsentiert wurden, totzuschweigen.
Da der Schritt zum Zwangsverteidiger juristisch höchst fragwürdig ist,
arbeiten die Richter derzeit offensichtlich an Alternativen. So soll
die Anklage gegen Milosevic, die ihm Verbrechen in Kroatien, Bosnien
und dem Kosovo vorwirft, in ihre Einzelteile zerlegt werden. Während
die Anklage von einer Anklageschrift ausging und darauf basierend
Milosevic den „kriminellen Plan“ der Schaffung eines „Groß-Serbiens“
nachzuweisen versuchte, sollen künftig offenbar alle drei Anklagen
separiert werden, was den Charakter der Anklage mitten im Prozeß von
Grund auf verändern würde. Der Vorteil für die Drahtzieher des
Tribunals könnte darin begründet sein, daß die Trennung der Anklagen
deren Entpolitisierung zur Folge hätte. Milosevics These, wonach es nur
einen Krieg im ehemaligen Jugoslawien gab, den gegen Jugoslawien, ist
aufs engste mit der Balkanpolitik Deutschlands und der USA verbunden.
Danach haben externe Kräfte die Zerschlagung des Landes geplant und
durchgeführt. Derartige Zusammenhänge würden durch die Teilung der
Anklagen als unerheblich abgewiesen werden können.
Berichte wie der des deutschen Abgeordneten Willy Wimmer über eine im
Jahr 2000 vom US-Außenministerium mitveranstaltete Balkan-Konferenz in
Bratislava, auf der man „in aller Klarheit gesagt“ hätte, was der
Hintergrund der Jugoslawienpolitik der vergangenen Jahre war und ist:
„Kontrolle“ über die „Region“ durch die Revision der Ergebnisse des 2.
Weltkrieges, „als Eisenhower es unterließ, dort Bodentruppen zu
stationieren“, sind im Zeugenstand höchst unerwünscht und es scheint,
daß es derzeit darum geht, nichts unversucht zu lassen, um Milosevic
zum Schweigen zu bringen, um die eigene Politik weiter verschleiert zu
halten.
Der Artikel erschien leicht gekürzt in Neues Deutschland, 29. Juli
2004, S. 7
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[ 2 ]
Internationales Komitee für die Verteidigung von Slobodan Miloševi?
(ICDSM) - Deutsche Sektion -
Sprecher: Klaus Hartmann, Schillstraße 7, D-63067 Offenbach am
MainTel.: 069 – 83 58 50;
e-mail: vorstand@...; www.free-slobo.de
P r e s s e m i t t e i l u n g v. 29. Juli 2004
JURISTEN AUS MEHREN LÄNDERN GEGEN DIE BESTELLUNG EINES
ZWANGSVERTEIDIGERS FÜR SLOBODAN MILOSEVIC
Juristen, Juraprofessoren und internationale Strafverteidiger sind
besorgt über die geplante Bestellung eines Zwangsverteidigers im
Prozess gegen den ehemaligen Staatspräsidenten von Jugoslawien,
Slobodan Milosevic, vor dem Haager Tribunal. In einem Schreiben an den
Generalsekretär der Vereinten Nationen, an den Sicherheitsrat und die
Generalversammlung sowie an das Haager Tribunal, das unter der
Verantwortung der Vereinten Nationen arbeitet, erklären die 50
Unterzeichner aus 12 Ländern: „Die vorgesehene Bestellung eines
Zwangsverteidigers stellt eine unerhörte Verletzung international
anerkannter Rechte vor Gericht dar und wird allein dazu dienen, die
lebensbedrohende Krankheit von Herrn Milosevic weiter zu
verschlimmern und das Verfahren weiter zu diskreditieren.“
Die Petition ist von den kanadischen internationalen Strafverteidigern,
Tiphaine Dickson und Christopher Black initiiert worden. Beide
engagieren sich im Internationalen Komitee für die Verteidigung von
Slobodan Milosevic (ICDSM). Zu den Unterzeichnern gehören Ramsey Clark
(USA), Sergei Baburin (Vizepräsident der russischen Duma),
JacquesVerges (Frankreich), Professor Norman Paech and Friedrich Wolf
(Deutschland), Jitendra Sharma (Indien) - Präsident der Internationalen
Vereinigung Demokratischer Juristen - und die
Professoren Avramov und Cavoski aus Belgrad. Die Sammlung von
Unterschriften hat erst in den letzten Tagen begonnen und soll
fortgesetzt werden.
Die Juristen weisen außerdem darauf hin, dass sich das Tribunal einer
ernsthaften Prüfung des Antrags verschließt, Präsident Milosevic mit
Rücksicht auf seinen angeschlagenen Gesundheitszustand zwecks
medizinischer Behandlung vorläufig zu entlassen. Stattdessen habe das
Tribunal die Rechte des Angeklagten in einer Weise verletzt, die zur
Verschlimmerung seiner Krankheit beiträgt. Milosevic leidet an
bösartigem Bluthochdruck.
Die Petition warnt vor der angekündigten „radikalen Reform“ des
Verfahrens, die voraussichtlich eine „Änderung der Regeln im laufenden
Verfahren und zu Lasten des Angeklagten“ bringen wird. „Die Ausnutzung
einer unsachgemäß behandelte Krankheit einer inhaftierten Person als
Entschuldigung, um sie in ihren Rechten zu beschneiden“ sei eine
„Perversion von Geist und Buchstaben des internationalen Rechts.“
Der volle Wortlaut der Petition unter: www.free-slobo.de
Medienvertreter wenden sich bitte für weitere Informationen und
Stellungnahmen an:
Tiphaine Dickson (Montreal) +1 450 263 7974
Christopher Black (Toronto) + 1 416 928 6611
Ramsey Clark (New York) +1 212 475 3232
Vladimir Krsljanin (Belgrade) +381 63 886 2301
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[ 3 ]
DIE BESTELLUNG EINES ZWANGSVERTEIDIGERS FÜR SLOBODAN MILOSEVIC BEDROHT
DIE KÜNFTIGE RECHTSENTWICKLUNG UND DAS LEBEN DES ANGEKLAGTEN
S.E. Herrn KOFI ANNAN, Generalsekretär der Vereinten Nationen
S.E. Herrn JULIAN ROBERT HUNTE, Präsident der 58. Tagung der
Generalversammlung der Vereinten Nationen
An die rumänische (russische) Präsidentschaft des Sicherheitsrats der
Vereinten Nationen
An die Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
In Kopie: An Internationales Straftribunal für das ehemalige Jugoslawien
Wir, die Unterzeichnenden, Juristen, Rechtswissenschaftler und
internationale Strafverteidiger, bringen hiermit unsere Warnung und
Besorgnis gegenüber den gegenwärtigen Bestrebungen des Internationalen
Straftribunals für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) zum Ausdruck, einen
Zwangsverteidiger für Slobodan Milosevic gegen den Willen des
Angeklagten zu bestellen.
Diese offensichtlich als Strafe vorgesehene Maßnahme verstößt gegen
internationales Recht, ist mit dem kontradiktorischen System der
Strafjustiz, das vom Sicherheitsrat in Resolution 808 übernommen wurde,
unvereinbar und verkennt die Verpflichtung des Gerichts, für eine
angemessene medizinische Versorgung und die vorläufige Entlassung des
Angeklagten Sorge zu tragen. Anstatt geeignete Maßnahmen zu treffen, um
Slobodan Milosevic wegen seiner seit Langem bestehenden
gesundheitlichen Probleme Erleichterung zu verschaffen, hat das ICTY
diese noch verschlimmert. Das ICTY hat sich über wiederholte Bitten um
eine vorläufige Entlassung hinweggesetzt, auf die jeder, für den die
Unschuldsvermutung gilt, einen Anspruch hat, hat der Verteidigung eine
unrealistisch kurze Vorbereitungszeit auferlegt und hat das Einbringen
einer Unmenge von Beweismaterial durch die Anklage gestattet, worunter
Vieles eines beweiserheblichen Wertes ermangelte, und damit Herrn
Milosevics Stresspegel, den hauptsächlichen Auslöser seiner Krankheit,
weiter erhöht. Die III. Kammer war davon durch Kardiologen, die sie
selbst bestellt hatte, in Kenntnis gesetzt worden. Dem Angeklagten
wurde eine Untersuchung durch Ärzte seiner Wahl verweigert, eine
weitere Verletzung seiner Rechte.
Nachdem das ICTY eben diese Zerrüttung des Gesundheitszustandes von
Präsident Milosevic herbeigeführt hat, vor der es gewarnt worden war,
versucht es nun, ihm gegen seinen Widerspruch einen Zwangsverteidiger
aufzuzwingen, anstatt ihm eine vorläufige Entlassung zu gewähren, damit
er die gebotene gründliche Behandlung erhält, eine vernünftige
Maßnahme, die in innerstaatlichem und internationalem Recht sowie der
entsprechenden
Rechtspraxis verankert ist. Die vorgesehene Bestellung eines
Zwangsverteidigers stellt eine unerhörte Verletzung international
anerkannter Rechte vor Gericht dar und wird allein dazu dienen, die
lebensbedrohende Krankheit von Herrn Milosevic weiter zu verschlimmern
und das Verfahren weiter zu diskreditieren.
Das Recht, sich gegen eine strafrechtliche Anklage selbst zu
verteidigen, ist von zentraler Bedeutung sowohl für das internationale
Recht als auch gerade für die Struktur des kontradiktorischen Systems.
Zu den grundlegenden minimalen Rechten, die dem Angeklagten nach dem
Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs ebenso wie nach
den Statuten der Internationalen Straftribunale für Ruanda und
Jugoslawien gewährt werden, gehört das Recht, sich in eigener Person zu
verteidigen. Die allgemeine Systematik all dieser Rechte hebt darauf
ab, dass die Rechte einem
Angeklagten, nicht einem Anwalt gewährt werden. Das gewährte Recht
besteht darin, sich selbst gegen die von der Anklage vorgebrachten
Tatvorwürfe zu verteidigen und subsidiär dazu den Beistand eines
Anwalts zu erhalten, wenn ein Angeklagter den Wunsch äußert, solchen
Beistand zu erhalten. Wenn jedoch ein Angeklagter wie Slobodan
Milosevic eindeutig Widerspruch gegen eine anwaltliche Vertretung
erhebt, geht sein Recht, sich selbst zu verteidigen, der Präferenz des
Gerichts oder der Anklage für die Bestellung eines Verteidigers vor.
Wie vom Supreme Court der USA mit Bezug auf das Sechste Amendment der
Bill of Rights, das eine auffallende Ähnlichkeit mit Artikel 21 des
ICTY-Statuts hat, festgestellt:
“Es spricht von ‚Hilfe’ eines Anwalts, und ein Helfer, wie
sachverständig auch immer, bleibt ein Helfer. Aus Wortlaut und Geist
des Sechsten Amendments ergibt sich die Auffassung, dass ein Anwalt wie
die anderen vom Amendment garantierten Instrumente der Verteidigung
eine Hilfe für einen damit einverstandenen Angeklagten sein soll - kein
Organ des Staates, das zwischen einem nicht einverstandenen Angeklagten
und seinem Recht auf persönliche Verteidigung eingeschaltet ist. Einem
Angeklagten gegen seinen wohlerwogenen Wunsch einen Anwalt
aufzuzwingen, verletzt damit die Logik des Amendments. In einem solchen
Falle ist der Anwalt kein Helfer sondern ein Rechtspfleger; und das
Recht, eine Verteidigung aufzubauen, ist seines personalen Charakters
beraubt, den das Amendment betont.“
Faretta v.California, 422 U.S. 806 (1975)
Das Statut des ICTY (wie auch die Statute des Internationalen
Straftribunals für Ruanda und des Internationalen Strafgerichtshofs)
garantiert “Verteidigungsinstrumente” wie das Recht, durch einen Anwalt
vertreten zu werden oder das Recht auf kostenlose Gewährung eines
Anwalts, wenn der
Angeklagte mittellos ist. Der Wesensgehalt des Rechts, sich selbst zu
vertreten, wird zunichte gemacht, wenn das Recht auf anwaltliche
Vertretung zu einer Verpflichtung wird. Wie im Fall Farretta (siehe
oben) festgestellt:
“Ein unerwünschter Anwalt ‘vertritt’ den Angeklagten nur mittels einer
unerheblichen und unannehmbaren juristischen Fiktion. Wenn der
Angeklagte nicht in eine solche Vertretung einwilligt, ist die
dargestellte Verteidigung nicht die Verteidigung, die ihm durch die
Verfassung garantiert wird, denn in einem sehr realen Sinne ist es
nicht seine Verteidigung.“
(Ebenda)
So wäre auch die Verteidigung von Slobodan Milosevic nicht die
Verteidigung, die ihm nach internationalem Recht garantiert ist, hätte
er einen Anwalt, der ihm gegen seinen Willen aufgezwungen worden ist.
Die allgemeine Struktur des ICTY ist die eines kontradiktorischen
Systems der Strafjustiz. Andere juristische Einflüsse haben in die
Verfahrens- und Beweisregeln Eingang gefunden, aber die Natur des
Verfahrens mit einem Ankläger und einem Angeklagten, die als Parteien
Beweismaterial vor einem Spruchkörper darlegen, dessen Funktion die
eines Schiedsrichters ist, ist unbezweifelbar kontradiktorisch. Im
kontradiktorischen System hat die Geschichte deutlich gezeigt, dass die
zwangsweise Bestellung eines Anwalts für einen nicht einwilligenden
Angeklagten die Praxis politischer Gerichte ist und in einem
demokratischen Rechtssystems keinen Platz hat, umso weniger vor einer
Institution, welche präjudizierende Wirkung für eine wirklich legitime
internationale Strafjustiz entfaltet, deren Schaffung die Frucht des
Kampfes von einem halben Jahrhundert ist.
“In der langen Geschichte der britischen Strafjustiz gab es nur ein
Tribunal, welches die zwangsweise Bestellung eines Anwalts für einen
nicht einwilligenden Angeklagten in einem Strafverfahren praktizierte.
Dieses Tribunal war die Sternkammer. Diese sonderbare Einrichtung, die
im späten 16ten und frühen 17ten Jahrhundert gedieh, hatte einen
gemischt exekutiven und judikatorischen Charakter und wich in
bezeichnender Weise von den Traditionen des Common Law ab. Aus diesen
Gründen und weil sie auf die Behandlung von ‚politischen’ Vergehen
spezialisiert war, galt die
Sternkammer Jahrhunderte lang als Symbol für die Missachtung
grundlegender individueller Rechte.“ Faretta (ebenda)
Kürzlich hat das ICTY den Ankläger, und zwar nur den Ankläger,
aufgefordert, eine Stellungnahme hinsichtlich einer Bestellung eines
Zwangsverteidigers bei Fehlen von Anweisungen oder Zusammenarbeit
seitens Herrn Milosevic
abzugeben. Die Kammer hat sich wiederholt auf ihre Verpflichtung
bezogen, ein faires Verfahren durchzuführen, und hat, als sie im April
2003 das Recht auf Selbstvertretung anerkannte, die Auffassung
vertreten, dass sie „in der Tat verpflichtet ist zu gewährleisten, dass
ein Verfahren fair und zügig ist; außerdem erhält diese Verpflichtung,
wo die Gesundheit des Angeklagten auf dem Spiel steht, eine besondere
Bedeutung.“ Artikel 21 des Statuts des ICTY bestimmt, dass die Kammer
dieser Verpflichtung „unter voller
Berücksichtigung der Rechte des Angeklagten“ genügen muss. Doch da der
Angeklagte wesentliches und peinliches Beweismaterial vorzulegen hat,
ist Zweckdienlichkeit zum offenbar überragenden Gesichtspunkt der
Kammer geworden.
Die Bestellung eines Anwalts, selbst eines “Stand-by-Anwalts”, wie
anscheinend gegenwärtig vom ICTY vorgesehen, wird keine der den Prozess
belastenden Schwierigkeiten beheben: Slobodan Milosevics bösartiger
Bluthochdruck wird dadurch nicht behandelt, geschweige denn geheilt;
der Angeklagte erhält dadurch weder Zeit noch die erforderlichen
Bedingungen für die Vorbereitung seiner Sachdarstellung; das krasse
Ungleichgewicht zwischen den Ressourcen des Anklägers und der
Verteidigung wird dadurch nicht
ausgeglichen, ein Ausgleich, der nach dem Prinzip der Waffengleichheit
erforderliche ist, welches das Gericht anzuerkennen bekundet. Wird ein
Zwangsverteidiger bestellt, wird Slobodan Milosevics Grundrecht, sich
selbst zu verteidigen, verletzt, und er wird nur 150 Tage zur Verfügung
haben, um die Sicht seiner Verteidigung darzulegen, nur halb so viel
Zeit, wie der Anklage eingeräumt wurde.
Es ist gegenwärtig unklar, welche Rolle ein Zwangsverteidiger spielen
würde. Worin diese auch bestehen mag, sicher ist, dass kein Nutzen aus
dem Verfolg dieser beispiellosen Maßnahme zu ziehen sein wird. Das
Statut des ICTY sieht das Mindestrecht der Anwesenheit im eigenen
Verfahren vor. Wenn Slobodan Milosevic aufgrund seines
Gesundheitszustandes dem Verfahren nicht beiwohnen kann, und er nicht
auf sein Anwesenheitsrecht verzichtet, hat das ICTY nicht die
Kompetenz, in seiner Abwesenheit zu verhandeln. Vertagungen werden
weiter Platz greifen, so lange keine Maßnahmen getroffen werden, Herrn
Milosevics bösartigen Bluthochdruck zu behandeln, ein Umstand, mit dem
nicht durch weitere Verletzung seiner Rechte, die Drohung seines
Ausschlusses aus dem Verfahren oder die Übertragung seiner Verteidigung
an einen völlig Fremden umgegangen werden kann.
Das ICTY bestimmte drei Anwälte, als amicus curiae zu fungieren, deren
erklärte Rolle darin besteht, unter anderem ein faires Verfahren zu
gewährleisten. Es ist zweifelhaft, dass ein Zwangsverteidiger, selbst
ein „Stand-by-Anwalt“, irgendeine zusätzliche Hilfe leisten könnte,
ohne Präsident Milosevics Verteidigung zu hijacken oder ihn einfach zum
Schweigen zu bringen. Ferner ist jede Bezugnahme auf ein Präjudiz
hinsichtlich der Bestellung eines „Stand-by-Anwaltes“ unangebracht. Im
Fall von Dr. Seselj wurde ein „Stand-by-Anwalt“ vor Eröffnung des
Verfahrens bestellt und um eine „Unterbrechung“ der Verhandlungen zu
verhindern.
Präsident Slobodan Milosevic erkennt das ICTY nicht an. Er beteuert
seine Unschuld und kritisiert beharrlich das ICTY und die NATO. Er ist
unschuldig bis zum Beweis des Gegenteils, und er hat jedes Recht, die
Legitimität dieser Institution zu bestreiten. Durch die Bestellung
eines Zwangsverteidigers würde das ICTY nicht nur sein Recht auf
Selbstvertretung verletzen, sondern auch sein Recht, einschlägiges
Beweismaterial zu präsentieren, welches die während eines Jahrzehnts
wiederholten Verletzungen der Souveränität Jugoslawiens beweisen. Diese
Verletzungen führten zum
rechtswidrigen Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien und zu den
Bombardierungen des Landes, auf deren Höhepunkt die Anklage gegen
Slobodan Milosevic vom ICTY bestätigt wurde, und dies in der
offenkundigen Absicht, das jugoslawische Volk einer Stimme für
Friedensverhandlungen zu berauben und die Fortsetzung dieses
Angriffskrieges zu rechtfertigen.
Der Prozess gegen Slobodan Milosevic vor dem ICTY ist bis zum 31.
August 2004 vertagt worden. Die Anklage hat 295 Zeugen an ebenso vielen
Verhandlungstagen präsentiert, die alle vom Angeklagten selbst im
Kreuzverhör befragt wurden, da er das ICTY nicht als ein Gremium der
Rechtsprechung anerkennt und seine Nicht-Anerkennung dadurch
signalisiert, dass er sich weigert, einen Anwalt zu beauftragen.
Slobodan Milosevic hat ein Studium der Rechte absolviert, wurde drei
Mal in die höchsten Staatsämter von Serbien und Jugoslawien gewählt und
hat der Darstellung der Anklage in jeder Hinsicht gekonnt
widersprochen. Außer Frage steht seine mentale Fitness und seine
Fähigkeit, auf sein Recht auf anwaltliche Vertretung zu verzichten. Das
ICTY mag über die Kritik von Präsident Milosevic nicht erfreut sein.
Nichtsdestoweniger überwiegt der öffentliche Nutzen einer Respektierung
seines Rechts auf Selbstvertretung bei weitem die Unannehmlichkeiten,
die sich daraus für das ICTY ergeben mögen. Die Gerechtigkeit
erfordert, dass Slobodan Milosevic die Möglichkeit erhält darzulegen,
dass die Einrichtung des Sicherheitsrates, die ihn gefangen hält, eine
politische Waffe gegen die Souveränität und das Selbstbestimmungsrecht
des serbischen Volkes und aller Völker Jugoslawiens ist.
Nelson Mandela hat sich in den unrühmlichen Rivonia-Prozessen in den
60er Jahren selbst vertreten. Mandela hat eine politische Verteidigung
gegen die Apartheid aufgebaut, doch selbst die südafrikanische Justiz
hat ihm keinen Anwalt aufgezwungen, um ihn zum Schweigen zu bringen.
Das ICTY schickt sich an, die Zukunft des internationalen Rechts zu
bedrohen, indem es etwas tut, was nicht einmal Richter der
Apartheid-Ära zu tun gewagt hatten - einen Angeklagten mundtot zu
machen und ihn in seiner Fähigkeit zu
beeinträchtigen, sich zum Sachverhalt des Verfahrens einzulassen. Ein
Sachverhalt, der, so stellen wir fest, durch die Anklage, nicht durch
Slobodan Milosevic, mit Zustimmung der Kammer zu einem unhandlichen,
undurchschaubaren und unerklärlich in die Länge gezogenen Verfahren
gemacht wurde. Tatsächlich haben die meisten Beobachter des Prozesses
festgestellt, dass die Anklage es nicht geschafft hat, zwingende
Beweise zur Erhärtung irgendeines ihrer Anklagepunkte zu erbringen;
anstatt die Verhandlungen vorläufig einzustellen, gestattete das ICTY
der Anklage, weitere Zeugen zu präsentieren, offenkundig aus
Verzweiflung, damit irgend etwas haften bleiben möge.
Das Recht, sich persönlich zu verteidigen, ist ein Herzstück des
Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte. Die
Vereinten Nationen sollten diese fortgesetzten Verstöße gegen
internationales Recht, die im Namen der Zweckdienlichkeit erfolgen,
nicht dulden. Die Ausnutzung einer unsachgemäß behandelte Krankheit
einer inhaftierten Person als Entschuldigung, um sie in ihren Rechten
zu beschneiden und zu einer „radikalen Reform“ des Verfahrens
überzugehen - wie sie die Kammer nun in Erwägung zieht durch Änderung
der Regeln im laufenden Verfahren und zu Lasten des Angeklagten - ist
eine Perversion von Geist und Buchstaben des internationalen Rechts.
Als Juristen sind wir zutiefst besorgt, dass die geplante Bestellung
eines Zwangsverteidigers einen unwiderruflichen Präzedenzfall darstellt
und potentiell jegliche angeklagte Person des Rechts beraubt, in
Zukunft eine aussagekräftige Verteidigung vorzunehmen. Im Falle von
Slobodan Milosevic
wird diese Maßnahme nur seinen Bluthochdruck erhöhen und sein Leben in
Gefahr bringen.
Das ICTY und der Sicherheitsrat werden die Verantwortung für die auf
tragische Weise voraussagbaren Folgen ihres Handelns zu tragen haben.
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Unterzeichner in Deutschland (Stand: 30. Juli 2004):
Prof. Dr. Erich Buchholz, Rechtsanwalt, Berlin;
Armin Fiand, Rechtsanwalt, Hamburg;
Dr. Heinrich Hannover, Rechtsanwalt, Worpswede;
Prof. Dr. Norman Paech, Universität für Wirtschaft und Politik, Hamburg;
H.E. Schmitt-Lermann, Rechtsanwalt, München;
Dr. Heinz Jürgen Schneider, Rechtsanwalt, Hamburg;
Dr. Friedrich Wolff, Rechtsanwalt, Berlin;
und international:
Tiphaine Dickson, Lawyer, Montreal, Quebec, Canada
Christopher Black, Lawyer, Toronto, Canada
Professor Smilja Avramov (Former President, International Law
Association), Belgrade, Serbia and Montenegro
Sergei Baburin, Doctor of Law (Vice-President, State Duma of the
Federal Assembly of the Russian Federation), Moscow, Russian Federation
Professor Aldo Bernardini, International Law, University of Teramo,
Italy
Professor Panayotis G. Charitos, International Law, Rhode, Greece
Ramsey Clark, Former US Attorney General, New York, USA
Jeff Frazier, Lawyer, Houston, Texas, USA
Professor Yuri Ilyin, Lawyer, Moscow, Russian Federation
Viktor Ilyuchin, State Counselor of Justice of II Order, (Deputy
President, Commission for Security of the State Duma), Moscow, Russian
Federation
Professor Mikhail Kuznecov, Lawyer, (President, Tribunal for NATO
Crimes in Yugoslavia), Moscow, Russian Federation
Professor Claudio Moffa, Ordinario, University of Teramo, Italy
E. Olof, Lawyer, Zeist, Netherlands
Jennie Lusk, J.D., Lawyer, Alberqueque, New Mexico, USA
Dmitrij Potockij, Lawyer, Moscow, Russian Federation
Professor Enyo Savov, International Law, Sofia, Bulgaria
Jitendra Sharma, Senior Advocate, Supreme Court of India (President,
International Association of Democratic Lawyers)
David K. Sergi, Lawyer, San Marcos, Texas, USA
Dr Taras Shamba, Moscow, Russian Federation
Sergei Shtin, Lawyer, Moscow, Russian Federation
N.M.P. Steijnen, Lawyer, Zeist, Netherlands
L.P.H. Stibru, Lawyer, Zeist, Netherlands
Professor Velko Valkanov, (President, Bulgarian Committee for Human
Rights), Sofia, Bulgaria
Professor Ivan Yatsenko (Vice-President, European Peace Forum), Moscow,
Russian Federation
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E N D E