Begin forwarded message:

From: truth  @...
Date: November 8, 2006 3:51:21 PM GMT+01:00
Subject: Fwd: WG: Rückblick auf Milosevic-Prozess


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Y.&K.Truempy-Arzuaga [mailto:TrumpArzu  @...]
Gesendet: Dienstag, 7. November 2006 22:17
Betreff: Rückblick auf Milosevic-Prozess


Im Attachement ein Bericht von Cathrin Schütz über den Milosevic-Prozess.
Sie war bis zu seinem Tod persönliche Rechtsberaterin von ihm.
Neben einem Rückblick auf den Prozess beschreibt sie das Beziehungsnetz in der westlichen Medienlandschaft, welches eine wahrheitsgemässe Berichterstattung über den objektiv gescheiterten Prozesses verhindern konnte.
Der Artikel entstammt dem Buch "Der Milosevic-Prozess" von G.Civikov, Promedia 2006.

-- 

GEDANKEN ÜBER DAS ERBE DES MILOSEVIC-PROZESSES

von Cathrin Schütz

Slobodan Milosevic ist tot. Gestorben ist er am 11. März 2006 in seiner Zelle im Gefängnis im holländischen Scheveningen. Was bleibt vom Prozess gegen den ehemaligen jugoslawischen Präsidenten, vom Verfahren, das als „Jahrhundertprozess" begann und durch das Ableben Milosevics nicht zu Ende geführt werden kann? Wie wird der Prozess gegen Milosevic, der sich als Angeklagter vor dem Den Haager Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien selbst verteidigte, in die Geschichte eingehen?
Für einen oder zwei Tage füllten die Photos von den Menschenmengen, die Milosevic am 18. März 2006 in Belgrad die letzte Ehre erwiesen, die Seiten der Zeitungen in aller Welt. Bilder der Trauerfeier wurden über die großen Nachrichtenkanäle ausgestrahlt. Vor dem Parlament in Belgrad schwenkten Menschen Tausende Fahnen in Blau-Weiß-Rot. Kommentatoren von CNN, BBC und ihresgleichen berichteten über die „serbischen Hardline-Nationalisten", die sich versammelt hätten. Der rote Stern des sozialistischen Jugoslawien, der auf den meisten Flaggen der Milosevic-Anhänger wehte, schien sie nicht zu stören.
Journalisten, Vertreter bekannter Menschenrechtsorganisationen und Politiker verrieten in Meldungen dieser Tage viel über ihr Bild von Milosevic und davon, wie ihn - dank eben dieser Berichterstattung - die große Mehrheit der Öffentlichkeit außerhalb Serbiens in Erinnerung behalten soll.
Im Zweiten Deutschen Fernsehen etwa verkündeten die „Heute"-Nachrichten den Tod von Milosevic, der „als der maßgebliche Anstifter der Kriege in den 1990er Jahren auf dem Balkan gilt, bei denen Zehntausende Menschen bei so genannten ethnischen Säuberungen ums Leben kamen". Ähnlich klangen die Worte des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sah in der „Stimmung" rund um die Trauerfeierlichkeiten für den „Massenmörder" Milosevic „eine abschließende Verhöhnung seiner Opfer". Caroline Feischer vom Berliner Tagesspiegel mochte nicht ausschließen, dass sich der „Tyrann" selbst umgebracht hatte. Vor dem Tribunal sollte „er Rede und Antwort stehen müssen für die Gräueltaten von Sarajevo, Srebrenica, Vukovar, Foca, Keraterm, Gjakova und Hunderten anderer Orte, deren Einwohner den 'ethnischen Säuberungen' für Milosevics 'Groß-Serbien' zum Opfer fielen". Doch nun habe er sich „mit dem eigenen Tod seiner Verurteilung entzogen". „Es würde zu ihm passen", wusste Fetscher, Gift zu nehmen, um seinen Tod dem Tribunal anlasten zu können.
Kurz - Slobodan Milosevic, der „Massenmörder", „Diktator", „Schlächter" und „Tyrann", wurde nach seinem Tod als Hauptverantwortlicher an den Kriegen im zerbrechenden Jugoslawien dargestellt und damit unterschieden sich die Beschreibungen nicht im Geringsten von jenen der Jahre zuvor. Mit großem Bedauern wurde einhellig beklagt, dass Milosevic, der vor Gericht nur politische Tiraden lieferte, durch sein Ableben nun einem Schuldspruch (und nicht etwa einem Urteil!) entgehe.
Gerade jene, die jahrelang seine Anklage gefordert und sich im Juni 2001 angesichts seiner Auslieferung an das Tribunal vor Begeisterung förmlich überschlagen hatten, berichteten und beurteilten nun ganz so, als hätte es den Prozess nie gegeben. In diesem wurden nämlich viele Wahrheiten und noch mehr Lügen ans Licht gebracht.
Schon bald nach Prozessbeginn zeigte sich, dass jene, die Milosevic in Den Haag sehen wollten, damit eine ganz bestimmte Erwartung hegten: einen möglichst aller Verbrechen schuldig befundenen Milosevic. Obwohl sie, wie kritische Beobachter des Prozesses schnell erkennen konnten, im Jugoslawien-Tribunal, das NATO-Sprecher Jamie Shea als „Freundin der NATO" bezeichnete, den richtigen Ort für die von ihnen gewünschte Aburteilung sehen konnten, machte Milosevic ihnen einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Statt sich von der Fülle der Anklagepunkte erschlagen zu lassen oder hinter den Türen einen Kompromiß zu suchen, der ihm, dem bereits damals Kranken, vielleicht einen Ausweg aus der Haft geboten hätte, überraschte Milosevic mit der Entscheidung, sich selbst zu verteidigen und die Anklage Punkt für Punkt auseinander zu nehmen. Er konnte durch Kreuzverhöre viele Aussagen von Zeugen der Anklage entkräften. In seinem Eröffnungsplädoyer und später zu Beginn seiner Verteidigung begegnete Milosevic der Anklage, die ihn als kaltblütigen, höchst berechnenden Drahtzieher und Hauptverantwortlichen für mehr oder weniger alles darstellt, was im ehemaligen Jugoslawien seit Ende der 1980er Jahre geschehen ist, indem er die Ereignisse in ein anderes Licht rückte und sie um die Dimension ergänzte, die die Anklagebehörde gänzlich ausblendete: die zentrale Rolle der westlichen Staaten, allen voran Deutschlands und der USA, die die ethnischen Konflikte schürten, sezessionistische Elemente militärisch unterstützten und auch auf diplomatischer Ebene den Zerfall Jugoslawiens herbeiführten. Milosevic argumentierte dies dezidiert und hartnäckig, zuerst alleine und dann mit den von ihm geladenen Zeugen. Schon bevor die Verteidigung begonnen hatte, waren auf diese Weise die Fundamente der Anklage in sich zusammengefallen.
In den westeuropäischen Medien wurde über den Prozess nur zu Beginn berichtet und dann gelegentlich und einseitig. Z.B. wenn es darum ging, Milosevics Krankheitsausfälle als „Verzögerungstaktik" anzuprangern. Inhaltlich herrschte Schweigen, mit dem Beginn der Verteidigung von Milosevic mehr denn je. Bald schien es, als interessierten sich gerade jene, die am lautesten die Auslieferung Milosevics an das Tribunal gefordert hatten, für den Verlauf des Prozesses am allerwenigsten.
Kaum einem Zeitungsleser dürfte entgangen sein, wie selten über den Prozess gegen den jugoslawischen Ex-Präsidenten berichtet wurde, der einst als Medienspektakel begann, als die Eröffnung auf den großen Nachrichtenkanälen live gesendet wurde, zumindest was die stundenlangen Ausführungen der Ankläger betraf. Als Milosevic in seinem Eröffnungsplädoyer tags darauf auf die Anschuldigungen antwortete, stellten die großen Medienhäuser wie CNN und BBC die Übertragung abrupt und für immer ein. In Anbetracht des dort Gesagten kann dies kaum verwundern. Hätte die Presse vorurteilslos über die Zeugenaussagen berichtet, hätte sie ein scharfes Urteil über ihre eigene Zunft fällen müssen, die im Einklang mit westlichen Politikern Milosevic schon lange vorverurteilt hatte für alles, was auf dem Balkan passierte oder - wie deutlich wurde, auch von ihnen - erfunden wurde. Als der Prozess genügend Zündstoff barg, um Politik und Medien schwer zu schädigen, wurde er ausgeblendet. Nur als das Verfahren just zu Beginn der Verteidigung mit dem Einsatz von Pflichtverteidigern für Milosevic, ungeachtet seines Protests und des Statuts des Tribunals, eine entscheidende Zäsur erfuhr, wurde es noch einmal laut um den Prozess. Unterstützend begleitete die Presse den Schritt, Milosevic endgültig an die Leine zu nehmen - wie es der ehemalige US-Sonderbeauftragte für Kriegsverbrechen, David Scheffer, einer der gefragtesten Experten, lange schon forderte. Als die Zeugen der Verteidigung später in Ablehnung dieses Schrittes scharenweise ihre Aussage verweigerten, sahen die Medien jedoch keinen Anlass, über diesen in der Justizgeschichte einzigartigen Zeugenboykott zu berichten.

Mit dem „Institute for War and Peace Reporting" (IWPR) und der „Coalition for International Justice" (CIJ) stachen jedoch zwei Organisationen mit einer Art exklusiver Prozessberichterstattung hervor. Beide Einrichtungen berichteten mit beständiger Regelmäßigkeit über das Verfahren und ihre Archive stellen wohl die umfangreichsten Quellen der sonst raren Prozess-Informationen dar. Das in London ansässige IWPR gibt selbst an, mit seiner Berichterstattung über das Tribunal seit dessen Entstehung 1993 eine einzigartige Rolle einzunehmen. Die Berichte dieser Organisationen, die während des Verfahrens gegen Milosevic Büros in Den Haag unterhielten, im Fall der CIJ sogar im Foyer des Tribunals, zeichnen sich indes durch Einseitigkeit und Parteilichkeit zugunsten der Anklagebehörde aus. Zwischen dem IWPR und der CIJ ist eine enge Kooperation festzustellen. Neben gelegentlichen Artikeln, die sie direkt für das IWPR verfasste, kam Judith Armatta als Prozessberichterstatterin der CIJ auch in den Meldungen des IWPR häufig zu Wort. Dabei kommentierte sie mehr, als sie berichtete. So befürwortete sie etwa stark die Einsetzung der von Milosevic abgelehnten Pflichtverteidiger, nicht zuletzt, um ihm keine „politische Plattform" zu bieten.
Während sich die CIJ, die mit Milosevics Tod im März 2006 offenbar ihre Existenzberechtigung verlor, noch im selben Monat auflöste, kommentierten ihre Beobachter Judith Armatta und Edgar Chen das vorzeitige Ende des Prozesses in der Chicago Tribüne vom 17. März 2006 und lobten noch einmal in bekannter Weise Erfolge und Fairness des Prozesses.
Wie auf ihrer Homepage erklärt, bestand die Hauptaufgabe der CIJ in der „Unterstützung" des Kriegsverbrecher-Tribunals für das ehemalige Jugoslawien. Ihre ab 1995 erfolgten direkten Hilfeleistungen für das Tribunal wurden von der ehemaligen Präsidentin des Tribunals, Gabrielle Kirk McDonald, besonders gewürdigt. Die Prozessberichterstattung, ein Schwerpunkt der Unterstützung des Tribunals, richtete sich im Einklang mit dem Selbstverständnis der CIJ an politische Entscheidungsträger in Washington und anderen Hauptstädten, an Medien und die Öffentlichkeit. Mit anderen Worten: Armatta und Kollegen verstanden sich als Lobbyisten für das Tribunal.
Neben Vertretern der CIJ zählt Richard Dicker von „Human Rights Watch" (HRW) zu den vielfach vom IWPR zitierten „unabhängigen Stimmen", die sich zum Milosevic-Prozess äußerten. Wer hinter dieser bekannten Organisation steht, dürfte aber weitgehend unbekannt sein. Zu ihren leitenden Persönlichkeiten zählen Lloyd Axworthy, kanadischer Außenminister während des NATO-Angriffs auf Jugoslawien, Patricia M. Wald, ehemals Richterin beim Jugoslawien-Tribunal in Den Haag, Ri-
chard Goldstone, einer der Vorgänger von Carla del Ponte im Amt des Chefanklägers am Jugoslawien-Tribunal, sowie der Multimillionär George Soros, der gleich mehrere Nichtregierungsorganisationen (NGOs) finanziert, die sich in Jugoslawien besonders aktiv hervorgetan haben. Einige seiner NGOs, zu deren Sponsoren das US-Außenministerium direkt zählt, finanzierten ihrerseits wiederum direkt und über andere Organisationen die Arbeit des Den Haager Jugoslawien-Tribunals.
In einem seiner Prozessberichte titelte das IWPR: „Zeuge für Eintreten für die serbische 'Sache' gescholten". Gemeint ist der Historiker Slavenko Terzic, Kosovo-Experte der Verteidigung von Milosevic, den Ankläger Geoffrey Nice beschuldigte, Fakten unter den Tisch fallen zu lassen, um dem Interesse der Serben zu dienen. Der Hintergrund: Terzic hatte eine bestimmte Analyse einer in Brüssel ansässigen NGO nicht in seine Expertise miteinbezogen. Da diese den Ergebnissen der Terzic-Studie widersprach, beschuldigte Nice den Zeugen der Manipulation. Terzic seinerseits kritisierte die Kernaussage des Reports, wonach die Errichtung eines Groß-Albanien sehr geringe Unterstützung durch separatistische Kräfte erfuhr.
Der von Nice zum Angriff auf den Zeugen eingebrachte Bericht „Pan-Albanianism - How Big a Threat to Balkan Stability?" wurde von der „International Crisis Group" (ICG) um George Soros herausgegeben. Die Arbeit, der der Belgrader Wissenschaftler widersprach, stammt also von jener NGO, die den ehemaligen NATO-Oberbefehlshaber für Europa zur Zeit des NATO-Angriffs auf die Bundesrepublik Jugoslawien, General Wesley Clark, sowie Carla del Pontes Vorgängerin Louise Arbour zum Kreis ihres Vorstandes zählt. Zu den Organisationen, die durch die „Coalition for International Justice" (CIJ) finanziell unterstützt werden, zählt - um den Kreis wieder zu schließen - auch das „Institute for War and Peace Reporting" (IWPR), das zu seinen Spendern auch die Außenministerien der USA und zahlreicher europäischer Staaten zählt.
Auch die Berichterstattung der Medien im gesamten ehemaligen Jugoslawien wurde durch diese NGOs unterstützt, „gefördert". Das heißt, dass Trainingsmaßnahmen für Journalisten und Juristen aus dem ehemaligen Jugoslawien, die von der CIJ nach Den Haag eingeladen wurden, um ihnen Prozessbeobachtung und Kontakte zu Mitarbeitern des Tribunals anzubieten, auch von dieser Organisation bezahlt wurden. Eine weitere Finanzierung der Medienberichterstattung lief über die US-Organisation „International Research and Exchanges Board" (IREX). Während IREX darüber hinaus auch zu den Finanzgebern des IWPR zählt, erhält IREX selbst die Mittel wiederum von Soros' „Open Society Institute" und von CNN. Unter den größten Spendengebern von IREX - und damit indirekt auch der Journalisten, die über den Prozess informierten - finden sich außerdem das US-Außenministerium und die NATO.
So kann es nicht verwundern, dass man medialerseits nichts über die Niederlagen der Milosevic-Ankläger lesen konnte.
Untereinander debattieren und spekulieren die Vertreter der genannten Organisationen nun, was passiert wäre, wäre Milosevic nicht vor der Urteilsfindung gestorben. Dass der Anklagepunkt des Völkermordes wohl nicht zu halten gewesen wäre, haben auch jene längst eingestanden, deren Ziel die „Unterstützung des Tribunals" war. Und sie haben sich dafür schon lange eine Erklärung zurechtgelegt: die Definition von Völkermord sei nicht weit genug gefasst.