German-foreign-policy.com : KOSMET

1) Paketlösung (26.09.2006)

2) Sieger im Kalten Krieg (23.01.2007)

3) Selbstbestimmung (13.02.2007)


UND AUCH:

4) Serbien wehrt sich
Referendum am Wochenende über eine neue Verfassung wird die Zugehörigkeit des Kosovo zum Gesamtstaat bekräftigen. Von Jürgen Elsässer  (November 2006.)

5) IMI-Standpunkt 2006/070:
EU muss zu Kosovo-Abschiebungen Stellung beziehen 



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Paketlösung 

26.09.2006


BERLIN/MOSKAU/TBILISI/CHISINAU/BELGRAD (Eigener Bericht) - Deutsche Politikberater warnen vor der zum Jahresende angekündigten Abspaltung des Kosovo von Belgrad. Die EU und die USA seien "schlicht auf dem Weg zur Öffnung der Büchse der Pandora", urteilt Dr. Anneli Ute Gabanyi von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Wie Dr. Gabanyi behauptet, sei die Loslösung des Kosovo "der erste Fall einer Spaltung eines einheitlichen Staates" und könne daher Präzedenzfunktion für andere Sezessionsbewegungen gewinnen. Dies bezieht sich vor allem auf Transnistrien, eine Teilrepublik Moldawiens, die seit Jahren faktisch von Chisinau unabhängig ist und sich Russland anschließen möchte. Andere Abspaltungskandidaten sind die georgischen Teilrepubliken Abchasien und Südossetien, letzteres ebenfalls mit Anschlusswunsch an Russland. Moskau hat verlauten lassen, man behalte es sich vor, der Sezession des Kosovo im UN-Sicherheitsrat nur dann zuzustimmen, wenn zugleich die genannten drei Teilrepubliken ebenfalls die Eigenstaatlichkeit erhielten. Zudem werden in der russischen Hauptstadt Kriegsdrohungen gegen Georgien laut.

Russische Interessen

Nach den Vorstellungen Berlins, Brüssels und Washingtons soll das Kosovo noch in diesem Jahr von Serbien abgespalten werden. Damit käme die maßgeblich von Berlin forcierte Politik zum Abschluss, mit Krieg und Besatzungsmaßnahmen systematisch die Sezession der südserbischen Provinz durchzusetzen.[1] In der jüngsten Vergangenheit zeichnen sich jedoch Schwierigkeiten ab. Erst in der vergangenen Woche hat der scheidende Leiter des russischen Verbindungsbüros in Pristina, Sergej Basnikin, auf das Veto-Recht Russlands im UN-Sicherheitsrat hingewiesen: Man werde "aufmerksam prüfen", ob der künftige Status des Kosovo "im Einklang mit dem Völkerrecht sowie mit den Interessen der Russischen Föderation steht."[2] Zudem verweist der Kreml seit geraumer Zeit auf die Parallelen zwischen den Sezessionsbestrebungen des Kosovo, Transnistriens, Abchasiens und Südossetiens und verlangt Gleichbehandlung der vier Provinzen. Am gestrigen Montag hat der Leiter der Kaukasus-Abteilung des staatlichen Instituts für die Länder der GUS, Michail Alexandrow, schließlich verlauten lassen, Moskau könne "eine Paketlösung vorschlagen": "Entweder sollen neben dem Kosovo auch Abchasien, Südossetien und Transnistrien unabhängig werden - oder niemand."[3]

Humanitäre Katastrophe

Sollte Russland seine Ankündigung wahrmachen und eine Gleichbehandlung des Kosovo, Transnistriens, Abchasiens und Südossetiens verlangen, dann bekämen die Sezessionsbewegungen aller genannten Provinzen Auftrieb. In Transnistrien hat die Provinzregierung bereits am 17. September ein Referendum durchgeführt, bei dem sich mehr als 90 Prozent der Bevölkerung für die Eigenstaatlichkeit des Gebietes und für seinen Anschluss an Russland ausgesprochen haben. Der gesamten Region wird größere geostrategische Bedeutung zugeschrieben. "Insoweit könnte eine Zielsetzung Moskaus darin bestehen, dort (...) eine Enklave zu haben" [4] - eventuell nach dem Vorbild Kaliningrads, erklärt SWP-Expertin Gabanyi. Um Ansätze hierzu vereiteln zu können, hat Berlin vor fast einem Jahr deutsche Polizisten im Rahmen der EU-Mission EUBAM (EU Border Assistance Mission) an die transnistrisch-ukrainische Grenze geschickt. Sie tragen dazu bei, den transnistrischen Außenhandel zu kontrollieren; dies wird von der dortigen Regierung als "Blockade" und "humanitäre Katastrophe" verurteilt.[5]

"Schlimmer wäre nur ein Krieg"

Kontrollmaßnahmen hat Berlin auch für Georgien angekündigt, wo die schärfsten Spannungen drohen. Die "eingefrorenen ethnisch-territorialen Konflikte" im Kaukasus seien einer der Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, teilten Regierungsberater bereits im Mai mit.[6] Tbilisi strebt einen möglichst raschen NATO-Beitritt an und will sich auf dem nächsten Gipfel des westlichen Militärbündnisses Ende November darum bewerben. Das Verhältnis zwischen der georgischen Regierung und dem Kreml gilt als zerrüttet. Russland hat mit einem Verbot der Einfuhr georgischen Weins die Wirtschaft des südlichen Nachbarlandes stark geschwächt. "Die russisch-georgischen Beziehungen sind extrem angespannt", urteilt Michail Alexandrow, der Leiter der Kaukasus-Abteilung des staatlichen Instituts für die Länder der GUS: "Schlimmer geht es nicht, genauer: Schlimmer wäre nur ein Krieg". Alexandrow zufolge ist "eine starke zentralisierte Macht in Georgien für Russland viel schädlicher als eine Zergliederung dieses Landes in mehrere Mini-Republiken".[7]

Langfristig

Bei der "Zergliederung" Georgiens stünden Abchasien und Südossetien in der ersten Reihe. Abchasien strebt die Eigenstaatlichkeit an und ist stark an Russland orientiert. Deutschland engagiert sich dort seit den 1990er Jahren. Der UN-Truppe UNOMIG, die den Konflikt zwischen Georgien und seiner Teilrepublik Abchasien entschärfen soll, gehören seit 1994 Bundeswehrsoldaten an. Der deutsche Diplomat Dieter Boden, UNOMIG-Leiter von 1999 bis 2002, ist Urheber einer Vermittlungsvorschlags ("Boden-Papier"), der über mehrere Jahre hin als Verhandlungsgrundlage für die Rettung der staatlichen Einheit Georgiens im Spiel war.[8] Die zweite sezessionistische Teilrepublik, Südossetien, strebt nicht nur die Eigenstaatlichkeit, sondern unmittelbar den Anschluss an die südrussische Teilregion Nordossetien an. Tbilisi bereitet sich seit geraumer Zeit auf militärische Auseinandersetzungen vor; als mögliches Ziel gilt der Einmarsch zentralstaatlicher Truppen in den beiden Sezessionsgebieten. In Südossetien kommt es seit mehr als einem Jahr regelmäßig zu Gefechten zwischen Sezessionisten und Regierungstruppen. Im Grenzgebiet zu Abchasien besetzten Einheiten aus Tbilisi Ende Juli eine strategisch wichtige Schlucht. Sie gilt als mögliche Aufmarschbasis für einen Einmarsch in der Teilrepublik.

Große Probleme

Vor größeren Unruhen im Falle einer vierfachen Sezession in Südosteuropa und im Kaukasus warnt die Mitarbeiterin der SWP-Forschungsgruppe EU-Außenbeziehungen, Dr. Anneli Ute Gabanyi. "Es kann sein, dass Europa und der Westen allgemein unangenehme Überraschungen - nicht nur im Kosovo - erleben werden", vermutet die SWP-Expertin. Sie ist überzeugt, dass "große Probleme" bevorstehen, "wenn diese Politik im Kosovo fortgesetzt wird."[9] Tatsächlich forcieren gerade deutsche Politiker bis heute die Sezession der südserbischen Provinz an maßgeblicher Stelle, etwa der im Kosovo stationierte deutsche UNMIK-Leiter Joachim Rücker.[10] Nicht nur deutsches UN-Verwaltungspersonal, auch deutsche Militärs werden beschuldigt, die ethnische Segregation im Kosovo maßgeblich befördert und damit die mutmaßlich bevorstehende Sezession begünstigt zu haben.[11] Wird sie durchgesetzt, dann stehen womöglich bewaffnete Eskalationen in mehreren Gebieten Südosteuropas und vor allem im Kaukasus bevor.


[2] Russland weist auf sein Veto-Recht in der Kosovo-Frage hin; DW-Radio Serbisch 21.09.2006
[3] "Gudok": Für russisch-georgische Beziehungen schlimmer wäre nur ein Krieg; RIA Novosti 25.09.2006
[4] "Verhandlungen über Lösung des Transnistrien-Konfliktes werden schwieriger"; DW-Radio Rumänisch 19.09.2006
[5] EU hilft an der Grenze zu Transnistrien; Deutsche Welle 17.09.2006
[6] s. dazu Unsicheres Terrain
[7] "Gudok": Für russisch-georgische Beziehungen schlimmer wäre nur ein Krieg; RIA Novosti 25.09.2006
[8] s. dazu Unsicheres Terrain
[9] "Verhandlungen über Lösung des Transnistrien-Konfliktes werden schwieriger"; DW-Radio Rumänisch 19.09.2006
[10] zu Rücker lesen Sie auch Neuer Vasall, Imperiale Vollendung und Die Herren des Rechts



=== 2 ===


Sieger im Kalten Krieg 

23.01.2007


BELGRAD/ATHEN/MADRID/BERLIN (Eigener Bericht) - Griechenland bemüht sich um ein Defensivbündnis gegen die deutsche Südosteuropa-Politik. Anlass ist die bevorstehende Abtrennung des Kosovo, die maßgeblich von Berlin betrieben wird. Wie es in Athen heißt, wolle man mit den neuen EU-Mitgliedern Bulgarien und Rumänien eng kooperieren, um Maßnahmen gegen die weitere Zerstörung souveräner Staaten in der Region zu treffen. Griechenland und Rumänien sind von Separatisten bedroht, die sich auf Leitnormen der deutschen Außenpolitik berufen und von deren Vorfeldorganisationen gestützt werden. Wenige Tage vor einem Treffen der sogenannten Kosovo-Kontaktgruppe (26. Januar), auf dem Berlin nach langjähriger Vorarbeit die endgültige Abtrennung der südserbischen Provinz beschließen will, kündigt sich heftiger Streit an. Als sicher gilt, dass die EU in Zukunft die Kontrolle über das Protektorat übernehmen wird. Russland stellt sein Veto gegen die Sezession in Aussicht, worauf mehrere westliche Staaten mit der einseitigen Anerkennung eines selbsternannten Kosovo-Staates drohen. Der russische Präsident warnt vor einer zunehmenden "Verachtung grundlegender Prinzipien des Völkerrechts" und vor einem daraus resultierenden neuen Wettrüsten der Großmächte.

Defensivbündnis

Wie es in Athen heißt, denkt die griechische Regierung darüber nach, in Südosteuropa ein informelles Bündnis unter dem Titel "Bogen der Stabilität" ins Leben zu rufen.[1] Einbezogen werden sollen die neuen EU-Mitglieder Bulgarien und Rumänien. Ziel ist es, eine weitere Destabilisierung der Region mittels völkischer Politikkonzepte zu verhindern und der Schwächung und Zerschlagung weiterer Staaten durch Separatisten einen Riegel vorzuschieben. Damit widersetzt sich Griechenland Leitnormen der Berliner Außenpolitik, die seit je Sezessionsbewegungen in den Ländern Südosteuropas unterstützt und zu diesem Zweck zahlreiche Vorfeldorganisationen unterhält.[2] Die Zerschlagung Jugoslawiens, eingeleitet Ende 1991 durch die deutsche Anerkennung der Sezession zweier Teilrepubliken, gilt als Modellfall für die Zerstörung bestehender Nationalstaaten durch völkische Separatisten. Die bevorstehende Abtrennung des Kosovo gibt weiteren Sezessionsbewegungen Auftrieb. Sowohl Athen als auch Bukarest sehen ihr Territorium durch Anhänger von Blutstheorien bedroht, die ihre Abstammung den territorialen Verhältnissen überordnen. Sie fordern den Anschluss ihrer Wohngebiete an ein fiktives "Großalbanien" (Teile Griechenlands) und an ein fiktives "Großungarn" (Teile Rumäniens), weil dort ihre ethnischen Blutsverwandten leben.

Seit 1990 immer wieder

Der Versuch, gemeinsam mit Bukarest und Sofia gegen die Neuordnung Südosteuropas nach völkischen Kriterien anzutreten, bringt Athen nicht zum ersten Mal mit der deutschen Außenpolitik in Konflikt. Die Botschaft Griechenlands in Bonn hatte bereits 1996 in einer öffentlichen Stellungnahme vor den blutigen Folgen einer weiteren Zerlegung Südosteuropas gewarnt. Die Neuordnung der Region dürfe "nicht soweit gehen, daß es zu furchtbaren Kriegen und damit zu Hunderttausenden von Menschenopfern" kommt, hieß es in einer Stellungnahme drei Jahre vor dem Überfall auf Jugoslawien und der damit beginnenden gewaltsamen Abspaltung des Kosovo.[3] Die Intervention des griechischen Botschaftssprechers richtete sich gegen den damaligen Gründungsdirektor des "Europäischen Zentrums für Minderheitenfragen" (EZM), einer Vorfeldorganisation der deutschen Außenpolitik. Die deutsche Einflussarbeit in Südosteuropa ziele auf eine "Revidierung der seit über 70 beziehungsweise 80 Jahren bestehenden Staatsgrenzen".[4]

"Keine Lösung"

Widerstand gegen die deutschen Versuche leisten neben Griechenland und Rumänien auch die Slowakei, Zypern und Spanien. Während die Slowakei wie Rumänien Sezessionsbestrebungen einer ungarischsprachigen Minderheit fürchtet, will Zypern alle Schritte vermeiden, die die Eigenstaatlichkeit des nördlichen Inselteils stärken könnten. Spanien schließlich sieht sich ebenfalls von separatistischen Kräften bedroht ("Baskenland", "Catalunya") und besteht darauf, dass die Abspaltung von Landesteilen nur mit Zustimmung der jeweiligen Zentralregierung geschehen darf.[5] Diese Position hat der Madrider Staatssekretär für die Beziehungen zur EU jetzt ausdrücklich bestätigt. Es sei "keine Lösung für den Balkan", "einem Gebiet eines souveränen Landes" von außen das "Recht auf Selbstbestimmung" zu erteilen, heißt es in einem ausführlichen Hintergrundtext in der größten spanischen Tageszeitung El País, die den regierenden Sozialdemokraten nahesteht.[6] "Wir dürfen die Irrtümer der Vergangenheit nicht wiederholen", verlautet aus Kreisen der konservativen Opposition über die bevorstehende Fortführung der Aufspaltung Südosteuropas.[7]

Drohender Konflikt

Zwar gilt der Widerstand innerhalb der EU in Berlin als überwindbar; wie es heißt, kann etwa Athen nicht unberücksichtigt lassen, dass die Bundesrepublik der wichtigste Außenhandelspartner Griechenlands ist. Dennoch machen Warnungen vor einer Spaltung in der Südosteuropa-Politik die Runde. Hintergrund sind Ankündigungen aus Washington, denen zufolge die USA bei einem russischen Veto im UN-Sicherheitsrat die einseitige Anerkennung eines kosovarischen Staates in Betracht ziehen. Auch EU-Mitglieder könnten veranlasst sein, sich dieser Position anzuschließen, und damit in einen eskalierenden Konflikt mit Sezessionsgegnern wie Spanien und Griechenland geraten, warnte bereits im Dezember der FDP-Außenpolitiker Rainer Stinner.[8] Eine Lähmung der Südosteuropa-Politik gilt als hinderlich, zumal die Übernahme des kosovarischen Protektorats durch die EU kurz bevorsteht. Wie aus Kreisen um den Kosovo-Beauftragten der UNO verlautet, wird die EU in Zukunft die Kontrolle über die Sezessionsregierung erhalten, Gesetze annullieren können und wichtige Wirtschaftsposten besetzen. Auch die Besatzungstruppen sollen im Land verbleiben.

Verallgemeinerbar

Bei ihrem Versuch, den russischen Präsidenten zu einem Einschwenken auf die deutsche Sezessionspolitik zu bewegen, scheiterte Bundeskanzlerin Merkel am vergangenen Sonntag. Putin besteht auf einer Lösung des Konflikts, die verallgemeinerbaren Grundsätzen folgt und weltweit tragfähig sein soll. Damit deutet Moskau Konsequenzen an: Sollte der Westen Serbien, dem traditionellen Verbündeten Russlands in Südosteuropa, einen Teil seines Territoriums entreißen, behält sich Russland ähnliche Maßnahmen in Georgien und Moldawien vor und würde die dortigen Sezessionsbewegungen ermutigen. Georgien und Moldawien sind prowestlich orientierte Staaten.

Wettrüsten

In Worten, die in der deutschen Presse als "emotional" bezeichnet und nicht näher wiedergegeben werden, ordnete der russische Präsident die Abspaltung des Kosovo in aktuelle Tendenzen ein. Wie Putin urteilt, besteht "das Problem der heutigen internationalen Beziehungen darin (...), dass wir es immer mehr mit Verachtung grundlegender Prinzipien des Völkerrechts zu tun haben".[9] Dieser Rechtsnihilismus ist Putin zufolge "sehr gefährlich": Er nehme der internationalen Machtpolitik den Rest ihrer normativen Ummäntelung, führe "dazu, dass sich kleinere Staaten unsicher fühlen", und "stiftet auch zum Wettrüsten großer Staaten an". "Diejenigen, die sich als Sieger im Kalten Krieg fühlen", wollten jetzt "nach eigenem Motto die Welt aufteilen", erklärte der russische Präsident. Es könne nicht im allgemeinen Interesse sein, "dass die internationale Stabilität unterminiert wird".




[1] Greece pursues Balkan 'arc of stability'; Washington Times 15.01.2007
[3] Andreas Papadatos (Griechische Botschaft Bonn): Albanische Minderheiten; Frankfurter Allgemeine Zeitung 30.08.2006, zitiert nach: Walter von Goldendach/Hans-Rüdiger Minow: Von Krieg zu Krieg. Die deutsche Außenpolitik und die ethnische Parzellierung Europas, München 1999
[5] s. dazu Abmontiert
[6] Kosovo, el limbo de Europa; El País 22.01.2007
[7] Un diputado del PP y observador de la OSCE destaca la 'transparencia' de los comicios serbios; Terra Espana 22.01.2007
[8] Ein Plan B für das Kosovo; Frankfurter Allgemeine Zeitung 18.12.2006
[9] Gespräch der Bundeskanzlerin mit dem Präsidenten der Russischen Föderation am Sonntag, dem 21. Januar 2007, in Sotschi; Mitschrift Pressekonferenz


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Selbstbestimmung 

13.02.2007


BELGRAD/PRISTINA/TIRANA/BERLIN (Eigener Bericht) - Serbien soll seine Südprovinz Kosovo aufgeben und sich der fördernden Kontrolle der ehemaligen Kriegsgegner unterstellen. So lautet das Angebot, das die deutsche Ratspräsidentschaft der Belgrader Regierung am gestrigen Montag unterbreitet hat. Als Lohn für den Verzicht auf den Kosovo werden Gespräche über ein "Assoziierungsabkommen" mit der EU offeriert. Die territoriale Selbstamputation, die Berlin namens der EU erwartet, würde die Verfassung Serbiens brechen und einen folgenschweren Präzedenzfall schaffen: die erzwungene Sezession von Staatsteilen unter Berufung auf das "Selbstbestimmungsrecht" gewalttätiger Minderheiten. Entsprechende Theorien verbreiten Vorfeldorganisationen der Berliner Außenpolitik seit Jahren und zielen auf die Zerstückelung der deutschen Nachbarnationen. Die Offerte der Berliner Ratspräsidentschaft erfolgt nach Demonstrationen gewalttätiger kosovarischer Sezessionisten, die am vergangenen Wochenende zwei Menschenleben forderten. Angestiftet werden die Unruhen von einer terroristischen Organisation, die den Verzicht auf humanitäre Standards im Kosovo fordert und eine Außenstelle in Deutschland unterhält. Ihr Anführer gehörte während der Vorbereitung auf den Jugoslawien-Krieg 1999 zu den Verhandlungspartnern des ehemaligen deutschen Außenministers Klaus Kinkel und kooperierte dabei mit der von Deutschland unterstützten Untergrundarmee UCK. Deren Anführer regieren heute in Pristina. Die aktuellen Gewalttaten sind eine Folge des damals von Berlin forcierten Machtwechsels, der mutmaßlichen Kriegsverbrechern und Kriminellen entscheidenden Einfluss im Kosovo gesichert hat.

Wie es nach einem Treffen der EU-Außenminister heißt, das am gestrigen Montag unter deutschem Vorsitz stattfand, bieten die ehemaligen Kriegsaggressoren Belgrad eine Wiederaufnahme der Verhandlungen über ein sogenanntes Assoziierungsabkommen an. Voraussetzung ist, dass die serbische Regierung sämtliche Forderungen des UN-Tribunals in Den Haag erfüllt und ehemalige hochrangige Offiziere ihrer Streitkräfte an die Sieger ausliefert. Zudem soll Serbien dem Sezessionsplan des im Namen der UNO auftretenden ehemaligen finnischen Staatspräsidenten, Martti Ahtisaari, Folge leisten und unter Bruch seiner eigenen Verfassung auf seine Südprovinz Kosovo verzichten. Um den Eindruck einer völligen Kapitulation Belgrads zu vermeiden, wird die beabsichtigte Sezession des Kosovo als "Teilunabhängigkeit" ausgegeben, obwohl die Kosovo-Staatsgründung mit fast sämtlichen Insignien einer souveränen Macht einhergehen soll. Das "Assoziierungsabkommen", über das danach mit Belgrad weiter verhandelt werden kann, bindet Serbien unumkehrbar an die Europäische Union und entfernt es weiter von seinem bisherigen Verbündeten Russland, der nach wie vor seine Zustimmung zur Sezession des Kosovo verweigert.[1]

Anlass

Die Offerte der EU-Außenminister war bereits im Vorfeld der Gespräche bekannt geworden und stachelte kosovarische Terroristen auf, die gegen kosmetische Einschränkungen der beabsichtigten "Selbstbestimmung" Sturm laufen. Sie wollen ihren neuen EU-Staat ohne Brüsseler Kontrollen etablieren und dabei weitere Grenzübergriffe offenhalten - gegen die südosteuropäischen Anrainer unter anderem in Griechenland. Zeitgerecht angesetzte Demonstrationen, die am Vorabend des EU-Außenministertreffens Eindruck machen sollten, forderten am vergangenen Wochenende zwei Menschenleben. Angestiftet wurden die Proteste von einer Organisation mit dem Namen "Vetëvendosje" (Selbstbestimmung), die seit mehreren Jahren für eine Vereinigung des Kosovo mit Albanien und für den Anschluss von Teilen Mazedoniens, Montenegros und Griechenlands kämpft. Als Modell für die aktuellen Unruhen gelten die kosovarischen Aufstände vom März 2004, bei denen mindestens 18 Menschen ums Leben kamen und mehrere Kirchen und Klöster der serbischen Orthodoxie verwüstet wurden - mit Erfolg: Über die damaligen Aufstandsplanungen waren zwar Kritikern zufolge deutsche Geheimdienst- und Militärkreise bereits im Vorhinein informiert; die Unruhen wurden jedoch von den Besatzungstruppen nicht verhindert und lieferten der Berliner Außenpolitik den Anlass, auf eine baldige Sezession der südserbischen Provinz zu drängen.[2]

Herumgereicht

Die Organisation Vetëvendosje, die von Experten als terroristisch eingestuft wird, verlangt den sofortigen Abbruch der Sezessionsverhandlungen und die unmittelbare Gründung eines Staates Kosovo. "Schlagt die Serben" und "Freiheit, keine Standards" lauten ihre zentralen Parolen, berichtet ein langjähriger Beobachter [3]; mit "Standards" ist auch der von der UNO verlangte Schutz von Minderheiten vor mörderischen Pogromen gemeint. Vetëvendosje bewegt sich im Umfeld von Veteranen der Vereinigung "Balli Kombëtar", einer früheren Terrororganisation des großalbanischen Nationalismus, die zu Beginn der 1940er Jahre mit NS-Deutschland kollaborierte. Vetëvendosje-Chef Albin Kurti verfügt über Kontakte nach Deutschland; er nutzte sie, um seine einflussreiche Position in der kosovarischen Sezessionsbewegung zu sichern. Als Repräsentant der Untergrundarmee UCK wurde er während der Vorbereitung des Jugoslawien-Krieges "in der ganzen westlichen Welt als 'charismatischer Studentenführer' herumgereicht", berichtet ein damaliger deutscher Regierungsberater.[4] Zu Kurtis Kontaktpersonen gehörte auch der frühere Außenminister Klaus Kinkel.

Vorstöße

Kurtis Deutschland-Kontakte konnten im Dunstkreis der langjährigen Unterstützung gedeihen, die das deutsche Geheimdienstmilieu der UCK zukommen ließ. Entsprechende "Vorstöße in den albanischen Raum" begannen bereits Ende der 1980er Jahre. Nach Auskunft des Geheimdienstexperten Erich Schmidt-Eenboom leitete der damalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher diese Kontaktsuche an.[5] Ziel war es, den Zusammenbruch der Warschauer Pakt-Staaten zu nutzen und rasch an den Grenzen des damaligen Jugoslawien Fuß zu fassen. Neben Waffenlieferungen erhielt Tirana ab 1991 auch Spionagegerät - zu einem Zeitpunkt, als der albanische Geheimdienst mit dem Aufbau der frisch gegründeten UCK begann. Teile der deutschen Lieferungen fand man später im Kosovo. Presseberichten zufolge ging der Bundesnachrichtendienst 1996 zur direkten Ausrüstung der UCK über, die damals mit Bombenanschlägen auf fünf serbische Flüchtlingslager ihre erste große Offensive startete. Die Geheimdienstverbindungen dauern offenbar bis heute an. Wie die Belgrader Presse vor einem Jahr meldete, hatten damals der BND sowie der deutsche Inlandsgeheimdienst mit der Ausbildung von Spionage- und Staatsschutzorganisationen im Kosovo begonnen.[6]

Das gesamte Spektrum

Auf den Geheimdienstkontakten der Vorkriegs- und der Kriegszeit beruhen auch die engen politischen Verbindungen nach Berlin, die die herrschenden Clans in Pristina bis heute unterhalten. Ehemalige UCK-Zöglinge der deutschen Außenpolitik stellen zwei der vier bisherigen "Ministerpräsidenten" des Kosovo. Agim Ceku, im Jahr 1999 als UCK-"Generalstabschef" für den Bodenkrieg im Rahmen des NATO-Überfalls zuständig, leitet seit dem vergangenen Jahr die Regierungsgeschäfte in dem Protektorat. Er wird schwerer Kriegsverbrechen beschuldigt und ist zweimal auf Intervention des Westens ohne Gerichtsbeschluss aus Untersuchungshaft freigekommen. Ramush Haradinaj, Cekus Vorvorgänger im Amt, überführte nach Kriegsende die UCK-Strukturen in das paramilitärische "Kosovo-Schutzkorps". Über Haradinaj urteilte der BND vor zwei Jahren auf der Basis seiner intimen Kenntnisse der südserbischen Provinz: "Die im Raum Decani auf Familienclan basierende Struktur um Ramush Haradinaj befasst sich mit dem gesamten Spektrum krimineller, politischer und militärischer Aktivitäten, die die Sicherheitsverhältnisse im gesamten Kosovo erheblich beeinflussen. Die Gruppe zählt ca. 100 Mitglieder und betätigt sich im Drogen- und Waffenschmuggel und im illegalen Handel mit zollpflichtigen Waren. Außerdem kontrolliert sie kommunale Regierungsorgane."[7]

Verachtet

Die Aussicht, dass auf Drängen Berlins derartigen Herrschaftsstrukturen ein eigener Staat überantwortet werden soll, veranlasste den ehemaligen Kosovo-Ombudsmann der Vereinten Nationen, Marek Antoni Nowicki, zu scharfer Kritik. "Die Gesellschaft wird von einem engmaschigen Netz großer albanischer Familien dominiert, die die Region auf klanhafte Weise regieren", berichtete Nowicki im vergangenen Jahr: "In diesem Teil der Welt ist Zusammenarbeit mit Polizei und Justiz nie geschät

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