Coca-Cola - Revolutionäre

1) Exportschlager Demokratie (Martin Hantke - jW 06.07.2007)

2) Die Coca-Cola - Revolutionäre (Harald Neuber - Telepolis 25.06.2005)


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junge Welt (Berlin)
06.07.2007 / Thema / Seite 10

Exportschlager Demokratie


Mit dem neuen »Europäischen Instrument für Demokratie und Menschenrechte« will die EU Regierungswechsel in strategisch wichtigen Ländern finanzieren. EU-Beamte entscheiden außerhalb parlamentarischer Kontrolle über Mittelvergabe

Von Martin Hantke


Die internationale Menschenrechtspolitik der Europäischen Union ist im wesentlichen durch drei Merkmale geprägt. Zum einen werden Verletzungen sozialer Menschenrechte systematisch ausgeblendet, zum zweiten werden Menschenrechtsverletzungen von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU nicht benannt, und zum dritten wird die Menschenrechtspolitik der EU nach dem Vorbild der USA zur Unterstützung imperialer Außenpolitik umgebaut mit der Maßgabe, den Sturz unliebsamer Regime weltweit mitzubefördern.

Dazu hat sich die EU ein eigenes Finanzierungsinstrument »für die weltweite Förderung der Demokratie und der Menschenrechte (Europäisches Instrument für Demokratie und Menschenrechte)« geschaffen (Amtsblatt der Europäischen Union L 386/1). Diese Verordnung (EG) Nr. 1889/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates hat mit dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29. Dezember 2006 unmittelbar Rechtskraft erlangt, so daß auch keine weiteren Beratungen der nationalstaatlichen Parlamente über eine Umsetzung in einzelstaatliches Recht erforderlich waren. Dieser Umstand hat sicherlich mit dazu beigetragen, daß die Installierung dieses Finanzinstruments ohne parlamentarische Debatte in den Mitgliedsstaaten und damit auch praktisch unter Ausschluß der Öffentlichkeit vor sich ging.


Vorbild aus den USA

Vorgesehen für das Instrument ist ein Finanzrahmen von 1,104 Milliarden Euro in der neuen Haushaltsperiode von 2007 bis 2013, so daß in etwa pro Jahr annähernd 160 Millionen Euro verausgabt werden können. Damit übertrifft der EU-Haushaltsansatz bei weitem den der US-amerikanischen Agentur »National Endowment for Democracy« (NED, Nationale Agentur für Demokratie) von rund 80 Millionen Dollar im Jahr, die offensichtlich bei der Konzeption des EU-Menschenrechtsinstruments Pate gestanden hat, sind doch die Parallelen bei Zielen und Adressaten des vorgesehenen Mitteleinsatzes unübersehbar. An den jeweiligen Regierungen vorbei können Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen, Parteien und Stiftungen finanziert werden, um so den Sturz unliebsamer Regierungen zu befördern.

Die US-Agentur NED wurde 1982 unter Präsident Ronald Reagan als antikommunistisches Instrument konzipiert (vgl. Ronald Reagan, Promoting Democracy and Peace, 8. Juni 1982: www.ned.org/about/reagan-060882.html) und 1983 gegründet. Sie ist offiziell eine Non-Profit-Organisation. Formal eine private Organisation, wird das NED aber zu 98 Prozent aus staatlichen Mitteln finanziert und ermöglicht so die Weitergabe von US-Haushaltsmitteln an Dritte überall auf der Welt. Neben Aktivitäten, die auf einen »Regime change«, also das aktive Herbeiführen eines Regimewechsels, gerichtet sind – besonders aktiv ist man in Venezuela, Belarus, der Ukraine und Rußland –, werden Destabilisierungsmaßnahmen gegen fortschrittliche Bewegungen gefördert, dabei in erster Linie gegen sozialistische Bewegungen. 2004 verdoppelte Präsident George W. Bush den Etat des NED mit dem Ziel einer Intensivierung der Arbeit zur Förderung von »freien Wahlen, Pressefreiheit, Freihandel und Gewerkschaftsfreiheit« im Mittleren Osten (George W. Bush, Remarks by the President at the 20th Anniversary of the National Endowment for Democracy, 6. November 2003: www.ned.org/events/anniversary/20thAniv-Bush.html). International bekannteste Vorstandsmitglieder des NED sind, neben demokratischen und republikanischen Mitgliedern des US-Senats, der US-Politologe Francis Fukuyama und Richard Holbrooke, ehemaliges Mitglied des US-Kabinetts. Fukuyama erklärt in seinem jüngsten Buch »Scheitert Amerika? Supermacht am Scheideweg«: »Der klügste Weg, die amerikanische Macht zum gegenwärtigen Zeitpunkt geltend zu machen, ist kein militärischer.« Holbrooke hatte sich im Vorfeld des Jugoslawien-Krieges einen Namen als UCK-Unterstützer gemacht und ist mittlerweile stellvertretender Vorsitzender von Perseus Consulting, einer der führenden Private Equity Funds, also Investmentfonds (vgl. www.cfr.org/bios/548/richard_c_holbrooke.html).


Keine Kontrolle der Mittelvergabe

Dem nach dem Vorbild des NED gegründeten »Europäischen Instrument für Demokratie und Menschenrechte« (EIDH) zufolge soll »die Gemeinschaftshilfe im Rahmen dieser Verordnung darüber hinaus dank ihres globalen Charakters und ihrer Unabhängigkeit von der Zustimmung der Regierung von Drittstaaten und anderen staatlichen Behörden eine eigene und komplementäre Rolle spielen« (EIDH, Punkt 13). Dabei können Aktivitäten gefördert werden, die »weder geographisch gebunden noch krisenbezogen sind« und »Tätigkeiten sowohl innerhalb der Gemeinschaft als auch in einer Reihe von Drittländern beinhalten«. Die Finanzhilfe der EU soll insbesondere auf die »stärkere Achtung und Einhaltung der Menschenrechte und Grundfreiheiten« abzielen sowie die »Förderung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit« beinhalten. In einem Entwurf des Finanzinstruments war sogar explizit vorgesehen, daß die Zahlungen geheim erfolgen können. Offensichtlich um der Kritik zu entgehen, es werde ein Fonds eingerichtet, mittels dessen die EU-Kommission sich durch Drittstaaten geheim fördern lassen könnte, wurde in der jetzt vorliegenden Verordnung zwar auf eine ausdrückliche Formulierung verzichtet, nichtsdestotrotz ließ man sich ein rechtliches Schlupfloch für klandestine Zahlungen von Drittstaaten als zusätzliche Geldgeber offen. Die EU-Kommission wird in Artikel 12 Absatz 4 der Verordnung ermächtigt, »im Falle einer gemeinsamen Kofinanzierung« im Namen der geldspendenden Staaten »Mittel für die Durchführung gemeinsamer Maßnahmen entgegennehmen und verwalten« zu können. Damit wird es mit der EU verbündeten Staaten möglich, Maßnahmen mitzufinanzieren, ohne als Geldgeber offen in Erscheinung treten zu müssen. Die letztendliche Entscheidung, welche Organisation mit wie viel Geld bezuschußt wird, liegt allein bei der EU-Kommission mit einem Apparat von einigen hundert EU-Beamten.

Besonders pikant ist, welche Organisationen zukünftig mit EU-Geldern finanziert werden sollen. Zunächst ist festgelegt, daß »die Teilnahme an den Verfahren zur Vergabe von Aufträgen oder Zuschüssen, die auf Grundlage dieser Verordnung finanziert werden«, allen natürlichen und juristischen Personen weltweit offensteht (Artikel 14). Zur Umsetzung der »Jahresprogramme«, »Sondermaßnahmen und »Ad-Hoc-Maßnahmen« kommen für die finanzielle Hilfe der EU ganz allgemein »Organisationen der Zivilgesellschaft«, aber auch »politische Stiftungen« und ganz unspezifisch »Einrichtungen und Organisationen und deren lokale, nationale, regionale und internationale Verbundnetze« in Frage. Zusätzlich können »nationale, regionale und internationale parlamentarische Gremien« gefördert werden sowie »natürliche Personen, wenn dies für die Verwirklichung der Ziele dieser Verordnung erforderlich ist«. Kurz gesagt: Weltweit kann jede Organisation und jeder Mensch mit EU-Demokratiefördergeldern bezahlt werden. Um hier kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, ist in der Verordnung sogar noch einmal explizit festgehalten, daß über die aufgelisteten hinaus auch andere, nicht einzeln benannte Einrichtungen und Akteure »im Ausnahmefall und in ordnungsgemäß begründeten Fällen eine finanzielle Unterstützung erhalten«. Mit dieser Rechtsverordnung kann weltweit jeder, sofern ihre oder seine Aktivität auch nur im Entferntesten mit der Förderung von Demokratie und Menschenrechten in Verbindung zu bringen ist, von der EU Geld bekommen – sofern er mit den deren Zielen übereinstimmt. Gerade diese Generalermächtigung war im Europäischen Parlament noch heftig debattiert worden. Durchgesetzt haben sich allerdings dann diejenigen Akteure, die für die weitgehendsten Formulierungen eintraten. Anläßlich des vom EU-Parlament verliehenen »Sacharow-Preises für geistige Freiheit« an den belarussischen Oppositionellen Alexander Milinkiewitsch hatte der CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler denn auch »die heutige Entscheidung für das Förderinstrument für Demokratie und Menschenrechte« als »großartigen Erfolg für die europäische Menschenrechtspolitik« gefeiert (Pressemitteilung, 12.12.2006: www.michael-gahler.eu). Die grüne Europapolitikerin Angelika Beer hatte schon im Mai 2006 kategorisch erklärt: »Das Demokratie- und Menschenrechtsinstrument ist für uns nicht verhandelbar.«

Mit der Ausrichtung, Individuen fördern zu können, geht das EIDH sogar noch über sein US-amerikanisches Vorbild NED hinaus. Neben Beschaffungsaufträgen und Zuschußvereinbarungen kann die »Gemeinschaftshilfe« sogar in Form von Arbeitsaufträgen an Individuen gezahlt werden (Artikel 12 Absatz 2d). Das NED dagegen vergibt finanzielle Hilfe ausschließlich an Organisationen (vgl. www.ned.org/about/faq.html). Beiden Agenturen gemein ist jedoch eine angestrebte Kofinanzierung ihrer Programme durch private Organisationen und Stiftungen. Im EIDH heißt es dazu lapidar, daß dafür insbesondere folgende Partner in Frage kommen: »Gesellschaften, Unternehmen und andere private Einrichtungen und Wirtschaftsbeteiligte, Gewerkschaften, Gewerkschaftsverbände sowie sonstige nichtstaatliche Akteure«. Diesen privaten Akteuren kann die EU-Kommission in diesem Fall auch noch »hoheitliche Aufgaben, insbesondere Haushaltsaufgaben, übertragen« (Artikel 13 Absatz 5).

Eine parlamentarische Kontrolle der Mittelvergabe ist praktisch nicht möglich. Mit der Zustimmung zum Menschenrechtsinstrument entmächtigte sich das Europäische Parlament selbst. So verfolgt und überprüft die EU-Kommission »die Durchführung ihrer Programme und bewertet regelmäßig die Wirksamkeit, Kohärenz und Konsistenz der Programmierung«. Vorschläge des Europäischen Parlaments werden, so heißt es im Text, »gebührend berücksichtigt«, und »gegebenenfalls« will man sich auch »unabhängiger externer Bewertungen« bedienen, »um Empfehlungen künftiger Maßnahmen aussprechen zu können« (Artikel 16 Absatz 1). Im Klartext heißt dies, daß die EU-Kommission selbst entscheiden kann, ob, wann und von wem sie ihre Mittelvergabe kontrollieren lassen möchte. Das Europäische Parlament wird mit der Übermittlung von »Bewertungsberichten zur Kenntnisnahme« (Artikel 16 Absatz 2) abgefunden. Daneben wird jährlich von der EU-Kommission ein Jahresbericht erstellt, der dem EU-Parlament und dem EU-Rat zugeleitet wird. Auch über »Sondermaßnahmen« (Artikel 7) und »Ad-Hoc-Maßnahmen« (Artikel 9), die nicht in der Programmierung auftauchen, entscheidet allein die EU-Kommission. Bei Sondermaßnahmen unter drei Millionen Euro soll das Europäische Parlament »innerhalb von zehn Arbeitstagen nach der Beschlußfassung über die genehmigten Maßnahmen« unterrichtet werden, bei Ad-Hoc-Maßnahmen soll es »regelmäßig« im Nachhinein informiert werden.


Schiefes Demokratiebild

Wohin die Reise gehen kann, läßt sich in etwa an den bisherigen Schwerpunkten der Projekte im Jahr 2006 und dem von EU-Ratspräsidentschaft, EU-Rat und EU-Kommission gemeinsam erstellten Jahresbericht zur Menschenrechtslage 2006 ablesen. Während von EU- und NATO-Mitgliedsstaaten begangene Menschenrechtsverletzungen in Drittstaaten in den Länderberichten mit keinem Wort erwähnt werden, sind China, Rußland und Kuba lange Passagen des Berichts gewidmet. Hingegen kommt der EU- und NATO-Verbündete Saudi-Arabien im Jahresbericht mit einigen wenigen Zeilen weg, und für die arabische Halbinsel wird gar ein fast schon rosiges Bild der Menschenrechtslage gemalt. Die anderen »Musterdemokratien« am Golf werden erst gar nicht erwähnt. So frohlockt der Jahresbericht, daß »Menschenrechtsangelegenheiten in Saudi-Arabien immer mehr ins Bewußtsein der Öffentlichkeit gelangten«, allerdings gebe »die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien nach wie vor Anlaß zu ernster Besorgnis«. Das mußte man anscheinend denn doch konstatieren. Deshalb wurde 2006 vermutlich auch nicht ein einziges Menschenrechtsprojekt in den Golfstaaten gefördert. Hingegen stellt die EU in bezug auf Venezuela »mit Besorgnis fest, daß es Anzeichen einer autoritären Staatsführung« gebe, muß allerdings feststellen, daß »Venezuela alle wichtigen internationalen Übereinkommen ratifiziert und die grundlegenden Menschenrechte in seiner Verfassung verankert hat«. Dies rechtfertigt augenscheinlich, daß Venezuela neben der Ukraine und Rußland zu einem der Schwerpunkte der EU-Förderung für Menschenrechtsorganisationen im Jahr 2006 wurde.

Mit keinem Wort werden im Bericht völkerrechtswidrige Kriege und die Tötung von Zivilisten in Afghanistan und Irak erwähnt. Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen oder gar einen Verweis auf die Beteiligung von EU-Mitgliedsstaaten an denselben sucht man vergeblich, geschweige denn konkrete Maßnahmen, um hier Abhilfe zu leisten. Die Wörter »Hunger«, »Nahrung«, »Arbeit« und »Wohnung« sind im Bericht praktisch nicht existent. Vor diesem Hintergrund nimmt sich der einzige Verweis im Jahresbericht auf soziale Rechte doppelt zynisch aus: »Ende März 2006 nahm die Kommission eine Mitteilung mit folgendem Titel an: Umsetzung der Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung: ›Europa soll auf dem Gebiet der sozialen Verantwortung der Unternehmen führend werden.‹« Im Anschluß wird gleich klargestellt, was dies bedeutet, offenbar um möglichen Mißverständnisse vorzubeugen, dies impliziere rechtliche Regelungen in der EU: »Soziale Verantwortung der Unternehmen ist ein Konzept, wonach Unternehmen auf freiwilliger Basis bei ihrer Geschäftstätigkeit und in ihrer Interaktion mit ihren Aktionären soziale und ökonomische Belange berücksichtigen.« 

Venezuela ist ein klassisches Beispiel für das arbeitsteilige Vorgehen von USA und EU. Gravierendster Unterschied zu den USA war bisher, daß diese tendenziell die offen auf einen Regierungswechsel gerichteten Organisationen finanzierten, während die EU hier einer vorsichtigeren Praxis anhing. So wurde Súmate, eine der wichtigsten Organisationen, die hinter dem Abwahlreferendum gegen den Präsidenten Hugo Chávez vom 15. August 2004 standen, massiv vom NED gefördert. Súmate erhielt für die logistische Organisation der Sammelung der für die Abhaltung eines Referendums erforderlichen zweieinhalb Millionen Stimmen 54000 Dollar von der NED und weitere 85000 Dollar von der US Agency for International Development (USAID, US-Behörde für internationale Entwicklung). 2005 wurden noch einmal 107000 Dollar vom NED für Súmate bewilligt, u.a., »um Bürger über das Wahlgesetz aufzuklären« (vgl. www.ned.org/grants/05programs/grants-lac05.html). Im Putschjahr 2002 hatte das NED der rechten venezolanischen Opposition bereits fast 900000 Dollar überreicht (vgl. New York Times v. 16./17.3.2002). In der jetzigen Situation um die Auseinandersetzung wegen der Nichtverlängerung der terrestrischen Lizenz für den venezolanischen Privatfernsehsender RCTV, erfüllen auch von der EU geförderte Menschenrechtsorganisationen planmäßig ihre Funktion und prangern die Nichtverlängerung der Lizenz als Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit an. Erklärungen hingegen, die sich gegen private Monopole im Medienbereich und ihre negativen Auswirkungen auf die Presse- und Meinungsfreiheit richten, finden sich bei diesen Organisationen nicht, geschweige denn gar ein Hinweis auf die Medienlandschaft Venezuelas, die auch ohne RCTV von oppositionellen Medien dominiert wird. Das legt die Vermutung nahe, daß es nicht um Meinungsfreiheit, sondern einzig darum geht, die Regierung Hugo Chávez anzugreifen. Die Menschenrechtspolitik der EU dient auf diese Art und Weise dazu, die Regime-Change-Politik der USA zu flankieren. Mit der Generalermächtigung des neuen Menschenrechtsinstruments kann die EU nach dem Vorbild der USA zudem viel offener Organisationen aufbauen und fördern, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Regierung des jeweiligen Landes zu stürzen, auch in Venezuela.


Militärischer Eingriff einkalkuliert

Das Menschenrechtsinstrument ist erklärter Teil der »Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik« der EU. Dies machte die verantwortliche EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner in ihrer Rede »Europäische Politik mit Werten – Menschenrechte als integraler Bestandteil der Politik der Union« am 24. Mai 2007 vor dem Zentrum für Europäisches Recht und Politik in Graz überdeutlich: »Menschenrechte spielen heute eine immer wichtigere Rolle in allen Facetten der Außenpolitik.« Welche Entwicklung aber die radikale Aufstockung der Mittel um 50 Prozent gegenüber dem Vorläufer des Finanzinstruments auf 150 Millionen Euro im Jahr 2006 rechtfertigt, darüber schweigt sich die EU-Außenbeauftragte aus. Dagegen wird ganz offen eingestanden, daß mit diesem Instrument erstmals ohne jede Beteiligung der betroffenen Regierungen an die dortigen Staatsangehörigen herangetreten werden kann: »Die Umsetzung unserer Menschenrechtspolitik und solcher Projekte erfolgt durch Nichtregierungsorganisationen. Daher ist das Besondere an unserem neuen Instrument, daß wir direkt und autonom die Zivilgesellschaft und ihre Organisationen unterstützen können, die einen großen Erfahrungsschatz bei der Durchführung vor Ort besitzen«, so Ferrero-Waldner. Und warum man beim europäischen Werteexport auf die internationale Kooperation angewiesen ist, daran ließ die EU-Außenbeaufragte keinen Zweifel: »Wir können diese Werte aber nicht alleine auf der Welt promovieren (vorwärtsbringen – d. Red.), sonst würden sie ja auch oft als ›Neokolonialismus‹ von einigen abgelehnt. Es handelt sich um universelle Werte, die wir mit internationalen Partnern gemeinsam vorantreiben.«

Den Staaten, die keine Einsicht in die neue Menschenrechtspolitik der EU zeigen, wird dann gleich mit militärischer Intervention gedroht. Die in der UN-Charta geschützte Souveränität der Staaten hat für die EU-Repräsentantin ihre Gültigkeit verloren: »Einen neuen Ansatz auf internationaler Ebene gibt es durch das Konzept der ›Responsibility to Protect‹ (Verantwortung zum Schutz – d. Red.), eines der wichtigsten Ergebnisse des UN-Gipfels von 2005. Was heißt das? Souveränität wird erstmals als konkrete Verantwortung von Staaten definiert, ihre Bürger vor schweren Menschenrechtsverletzungen zu schützen. Wenn ein Staat aber außerstande oder unwillig ist, seine Bürger davor zu beschützen, dann liegt eine Verantwortung auch bei der internationalen Staatengemeinschaft. Primär geht es da um den Einsatz friedlicher Mittel, eine humanitäre militärische Intervention kann immer nur ›last resort‹ (letzter Ausweg – d. Red.) sein.« Hinter den Menschenrechtsinterventionen lauert also immer die militärische Drohung der EU. Die Verknüpfung des Menschenrechtsinstruments mit der Sicherheits- und Militärpolitik spricht in diesem Zusammenhang Bände. Ferrero-Waldner will zudem die neuen finanziellen Möglichkeiten auch zur Begleitung von EU-Krisenmanagement, sprich EU-Kriegen, nutzen. Um diese Möglichkeiten effektiv umsetzen zu können, soll die gesamte Entscheidungskompetenz, wie im EU-Verfassungsvertrag vorgesehen, gebündelt werden. Dazu braucht Ferrero-Waldner unbedingt die Installation des Postens eines EU-Außenministers – im neuen Reformvertrag soll er wieder Außenbeauftragter heißen –, der die bisherigen Kompetenzen von EU-Kommission und EU-Rat bei sich vereint, um den Druck auf Staaten, die Menschrechte verletzen, zu verstärken: »Für uns kann aus solchen Fällen nur der Schluß gezogen werden, daß wir die Europäische Union als ganzes stärken müssen, um den Druck auf Staaten, die Menschenrechte verletzen, zu erhöhen. Dies verlangt aber auch eine Stärkung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und somit auch eine Erleichterung der Entscheidungsfindung. Zudem würde ein EU-Außenminister mit einem Standbein im Rat und einem in der Kommission mehr Kohärenz und Effektivität in die Menschenrechtspolitik bringen, wie er im Verfassungsvertrag grundsätzlich vorgesehen wäre.«

Mit dem »Finanzierungsinstrument für Demokratie und Menschenrechte« beschreitet die EU den Weg einer imperialen Menschenrechtspolitik. Es ist ein Programm, das nicht nur dazu angelegt ist, international Spannungen zu verschärfen, sondern auch einen offenen Angriff auf die UN-Charta darstellt. Das EU-Menschenrechtsprogramm ist jedenfalls nicht dazu angehalten »freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln« (UN-Charta Artikel 1 Absatz 2).


* Martin Hantke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Büro Tobias Pflüger (MdEP) in Strasbourg und Mitglied des EU-kritischen Netzwerks europeanwatch


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TELEPOLIS
 

Die Coca-Cola - Revolutionäre


Harald Neuber 25.06.2005


Von Osteuropa bis Asien organisieren sich junge Politaktivisten, um für Demokratie zu kämpfen. Aber wer profitiert von ihrem Einsatz?


Sie heißen Otpor, Pora, Kmara oder Yokh – in ganz Osteuropa haben sich neue politische Jugendorganisationen den Kampf für Demokratie auf die Fahnen geschrieben. Anfang Juni trafen sich diese Aktivisten erstmals in der albanischen Hauptstadt Tirana, um ihre Erfahrungen aus der politischen Arbeit auszutauschen. Eingeladen hatte die albanische Bewegung MJAFT (1) (Genug). Ian Traynor, ein Mitarbeiter der britischen Tageszeitung The Guardian, verfolgte das Ereignis und lieferte einen ersten umfassenden Bericht (2) über eine Politbewegung, deren Finanzquellen mindestens ebenso unklar ist wie ihre Ziele.


The activists danced, drank and then got up in the morning for earnest arguments about "knowledge proliferation", "flash mobs", Foucault, the value of logos and corporate branding, political marketing, the meaning of politics and how to maximise subversive impact.
Ian Traynor im Guardian

Ursprung in Serbien

Den Anfang (3) machte Otpor (4) (Widerstand). 1998 von einer Handvoll Studenten in Belgrad gegründet, entwickelte sich die Gruppe binnen kürzester Zeit zur Massenorganisation. Den Höhepunkt erreichte Otpor im Oktober 2000 mit dem Sturz des Machthabers Slobodan Milosevic ( Ein revolutionärer Nachtmittag in Belgrad (5)), damals hatte die Organisation nach eigenen Angaben 17.000 Mitglieder und war eine der wichtigsten Gruppen der serbischen Opposition.

Dieser Erfolg kam nicht aus heiterem Himmel. Politische Gegner warfen Otpor schon damals vor, aus dem Westen enorme Geldsummen erhalten zu haben. Tatsächlich ist inzwischen bewiesen, dass die ehemalige Studentengruppe mit ausländischer Unterstützung systematisch aufgebaut wurde. Einen entscheidenden Anteil daran hatte der US-amerikanische Multimillionär George Soros und seine Organisation Open Society (6).

Erstaunlich offen berichtete (7) Radio Free Europa/Radio Liberty Mitte April über die politischen Interessen hinter dieser Finanzierung. Als sich Ende der neunziger Jahre die Oppositionsbewegung gegen Slobodan Milosevic gebildet hatte, wollten westliche Akteure eine direkte Finanzierung dieser Gruppen vermeiden, ohne die Kontrolle über das Geschehen aufzugeben. In der damals marginalen Studentengruppe Otpor fand man das ideale Instrument.

Nach Angaben der Buchautoren Peter Ackermann und Jack Duvall finanzierte die US-Entwicklungsbehörde USAID den Löwenanteil des politischen Merchendisings; T-Shirts, Sticker und Poster. Allein im Jahr 2000 flossen den offiziellen Angaben zufolge 282.000 US-Dollar an Otpor, schreiben Ackermann und Duvall in Ihren Buch "A Force More Powerful: A Century of Nonviolent Conflict". Noch einmal 74.735 US-Dollar erhielt das International Republican Institute (8) von USAID, um die Otpor-Zentrale in Belgrad aufzubauen. Im Oktober jenes Jahres wurde Milosevic gestürzt. Seither ist die Organisation aus dem Straßenbild Serbiens verschwunden – um nun in anderen "Revolutionen" in Georgien, in der Ukraine oder zuletzt in Kirgisien in Erscheinung zu treten.


Regierungen zunehmend argwöhnisch

Die Verbindungen oppositioneller Jugendorganisationen zu westlichen Geldgebern ist den Regierungen dieser Länder nicht entgangen. Noch im September 2003, zwei Monate vor seinem Sturz, protestierte der damalige georgische Präsident Eduard Schewadnadse gegen die "ausländische Finanzierung" von oppositionellen Gruppen. Auch dabei fiel der Name der Soros-Organisation Open Society. Nach dem Regierungswechsel in Tbilissi ( Samtene Revolution in Georgien (9)) berichtete die Tageszeitung Novye izvestia, dass die politische Jugendorganisation Kmara fünf Millionen US-Dollar von Open Society erhalten habe. Soros persönlich dementierte die Anschuldigungen, und die Sache konnte nie abschließend geklärt werden.

Klarer war der Fall jedoch in der Ukraine, wo die Jugendorganisation Pora (10) eine führende Rolle in der "orangenen Revolution" innehatte. Vor dem Aufflammen der Oppositionsbewegung hatte der National Endowment for Democracy 240.000 US-Dollar freigegeben, "um die ukrainische Jugend zu einer stärkeren politischen Teilhabe" zu bewegen ( US-Werbeagentur will mit einer Website eine entscheidende Rolle in der "orangenen Revolution" gespielt haben (11)).

Das geschieht mit einfachen Werbemitteln und Logos, die auf den Wiedererkennungswert setzen. Otpor etwa hat eine geballte Faust zum Symbol, die im Jahr 2000 überall in Belgrad zu sehen war. Auch das Internet wird genutzt, um sich auszutauschen. Ivan Marovic, ein Veteran des Otpor, entwickelte zusammen mit US-Aktivisten zuletzt ein Computerspiel unter dem Namen "A Force More Powerful". Ziel darin ist es, unliebsame Regime zu stürze. Über die eigene Arbeit sagt Marovic: "Die Bewegung muss eine Marketingabteilung haben. (Die Marke) Coca Cola dient uns da als Vorbild."


Debatte um US-Finanzierung

Bei dem Treffen der Gruppen in Tirana Anfang des Monats wurde diese Finanzierung kritisiert. So halten Aktivisten aus Staaten wie Usbekistan ( Der Fall Usbekistan (12)) und Aserbaidschan weit weniger von den USA als ihre vermeintlichen Mitstreiter aus Serbien und der Ukraine. Immerhin stützen westliche Regierungen die Regime in Taschkent und Baku ( Die längste Schlange der Welt (13)), selbst wenn diese Massaker an der Opposition begehen ( Der Fall Usbekistan (14)). "Auch nach 13-jähriger Diktatur wollen die USA eben keine Revolution in Aserbaidschan", bestätigte Razi Nurullayev, ein Studentenaktivist aus Baku, dem Guardian.

Nurullayev, der die Organisation Yokh (Nein) gegründet hat, wandte sich nach eigenen Angaben an den US-Botschafter in Aserbaidschan – um danach nie wieder etwas von ihm zu hören. Das mag der Vorsicht im Westen geschuldet sein, denn eine direkte Unterstützung der Oppositionsbewegungen nach dem serbischen Vorbild ist in Anbetracht aufmerksamer Sicherheitsorgane kaum mehr möglich. Diese Rolle übernimmt nun Otpor unter dem Deckmantel der "zivilgesellschaftlichen Kooperation". Schließlich trafen sich führende Aktivisten dieser Gruppe vor der "orangenen Revolution" auch mit Vertretern der Opposition in der Ukraine.

Die Arbeit wird ihnen nicht ausgehen. In Usbekistan soll demnächst eine neue Gruppe mit dem Namen Bolga (Hammer) gegründet werden. Und auch in Belarus formiert sich die Opposition gegen Staatschef Alexander Lukaschenko. Sollte dieser bei den kommenden Präsidentschaftswahlen 2006 wiedergewählt werden, droht das größte Oppositionsbündnis Europäische Koalition Freies Belarus bereits jetzt mit einer "blauen Revolution", benannt nach ihrem Symbol: einer blauen Kornblume.


Links

(1) http://www.mjaft.org/en/index1.htm
(2) http://www.guardian.co.uk/international/story/0,,1499871,00.html
(3) http://www.pbs.org/weta/dictator/otpor
(4) http://www.otpor.com/
(5) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/8/8908/1.html
(6) http://www.soros.org
(7) http://www.rferl.org/featuresarticle/2005/04/47268268-9e3d-414a-928d-435ff4de8af2.html
(8) http://www.iri.org
(9) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/16/16152/1.html
(10) http://pora.org.ua/en/
(11) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19459/1.html
(12) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/20/20318/1.html
(13) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/20/20199/1.html
(14) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/20/20318/1.html

Telepolis Artikel-URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/20/20387/1.html

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