(The original text, in english:
Dreaming of Diplomacy, Waiting for War. The Next Kosovo War
By DIANA JOHNSTONE
http://www.counterpunch.org/johnstone12122007.html
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/5797 )
Aus: Neues Deutschland v. 12. Januar 2008
http://www.neues-deutschland.de/artikel/122219.html?sstr=
KOSOVO: MIT KRIEG RECHNEN - VON DIPLOMATIE TRÄUMEN
Das Kosovo-Desaster ist ein anschauliches Beispiel für die von den
USA gewöhnlich praktizierte Ablehnung der Diplomatie zugunsten von Krieg
Von Diana Johnstone (10. Dezember, 2007)
Die Vereinigten Staaten und ihre europäischen Verbündeten haben
öffentlich erklärt, dass die Diplomatie bei der Lösung des Kosovo-
Problems versagt hat.
Wenn Diplomatie versagt, heißt das Krieg, insbesondere wenn es um
eine so gravierende Angelegenheit geht wie die einseitige
Unabhängigkeitserklärung eines Teils des Staatsgebietes eines anderen
Landes.
Aber der nächste Kosovo-Krieg gilt als ein so kleiner, geräuschloser,
unbedeutender Krieg, dass ihm niemand Beachtung schenken wird. Die
NATO besetzt gegenwärtig das potentielle Schlachtfeld mit mehr als
16.000 Mann, von Luftstreitkräften unterstützt, und ist in
Bereitschaft, um, wie es heißt, "Gewalt zu verhindern". Tatsächlich
könnte die gewaltige militärische Überlegenheit der NATO verhindern,
dass eventuelle Gewalt das Stadium eines "Krieges" erreicht. Die
Zuversicht, die von der eigenen militärischen Übermacht herkommt,
erlaubt es den Vereinigten Staaten und ihren NATO-Verbündeten, eine
Politik zu betreiben, die normaler Weise eine verlässliche Formel für
Krieg wäre.
Krieg entsteht, wenn gegnerische Parteien völlig widersprüchliche
Auffassungen von der Realität haben. Albaner und Serben haben gerade
von der Geschichte der umstrittenen Provinz Kosovo völlig
gegensätzliche Auffassungen. Die Rolle von Diplomatie bedingt, solche
widersprüchlichen Auffassungen von der Realität zu berücksichtigen.
Das heißt zu vermeiden, eine der streitenden Parteien in eine
erniedrigende Ecke zu drängen. Dazu gehört zu versuchen, gegenseitig
Respekt und Verständnis zu fördern, zumindest so viel, dass ein
Kompromiss akzeptiert werden kann.
Stattdessen haben sich die Vereinigten Staaten, und mit ihnen ihre
verantwortungslosen europäischen Verbündeten, von Anfang an der
extrem nationalistischen albanischen Sichtweise angeschlossen und
Serbien wie einen "Schurkenstaat" behandelt, der den normalen Schutz
des Völkerrechts nicht verdient. Washington inszenierte zwei Runden
absolut vorgetäuschter "Verhandlungen", deren Ergebnisse es im Namen
seiner albanischen Klienten von vorn herein diktierte. Die erste
Runde fand in Rambouillet statt und führte 1999 zur Bombardierung
Serbiens und der Besetzung des Kosovo. Die zweite Runde fand letztes
Jahr statt und könnte möglicherweise zu einem weiteren,
geräuschloseren aber längeren, unkalkulierbaren Konflikt führen.
Lange und kurze Scheinverhandlungen
Ende der 90er Jahre war die Clinton-Regierung nicht wirklich darum
bemüht, das Kosovo-Problem zu lösen. Sie wollte ihr eigenes NATO-
Problem lösen. Ihr NATO-Problem war folgendes: Was war der Sinn und
Zweck dieses Militärbündnisses, jetzt wo der kommunistische Block, zu
dessen Abschreckung es geschaffen wurde, nicht länger existierte? Um
die NATO zu erhalten, musste ein neuer Grund für ihre Existenz
gefunden werden. Dieser war die "humanitäre Intervention". Von nun an
würde die NATO bestehen, um unterdrückte Minderheiten in fremden
Ländern zu retten - speziell solche mit einigem geostrategischen oder
wirtschaftlichen Wert, versteht sich. Der tief verwurzelte Konflikt
zwischen dem serbischen Staat und der albanischen Sezessionsbewegung,
begleitet von gelegentlich ausbrechender Gewalt auf beiden Seiten,
lieferte das Experimentierfeld für diese neue Politik. Das Kosovo-
Problem wurde zu einer Krise erklärt, die internationale Einmischung
nötig machte, und dies nur wenige Wochen vor dem Treffen zum 50.
Jahrestag der NATO, wo diese von den USA vorgegebene Politik
offiziell angenommen wurde.
Um einen Kriegsgrund herbeizuführen, inszenierte die Clinton-
Regierung Scheinverhandlungen in dem französischen Schloss
Rambouillet. Plötzlich hievten die USA Hashim Thaqi, den Kopf der
bewaffneten "Kosovo Befreiungsarmee", in die Rolle des Leiters der
Kosovo-albanischen Delegation, wobei sie bekanntere albanische Führer
wie Ibrahim Rugova beiseite schoben. Nicht einmal ein unmittelbares
Zusammentreffen der serbischen und albanischen Delegationen wurde
zugelassen. Beiden wurde befohlen, einen umfassenden von den
Vereinigten Staaten ausgearbeiteten Plan anzunehmen, der die NATO-
Besetzung des Kosovo ermöglichte. Außenministerin Madeleine Albright
schüchterte Thaqi ein, bis er das Ultimatum widerwillig annahm, wobei
ihm insgeheim zugesichert wurde, dass er schließlich sein eigenes
"unabhängiges Kosova" bekommen würde. Die Serben hatten dem Prinzip
der Autonomie des Kosovo zugestimmt, und ihr Parlament hatte einen
Vorschlag formuliert, was allerdings in Rambouillet völlig ignoriert
wurde. Aber die serbische Delegation sträubte sich gegen das
Ultimatum, weil es einen Anhang einschloss, der die NATO-Besetzung
von ganz Serbien ermöglicht hätte. Diese Ablehnung war das Ergebnis,
auf das Albright aus war. Unter dem Vorwand, Serbien "habe es
abgelehnt zu verhandeln", konnte nun die NATO ihren siegreichen
kleinen "humanitären" Krieg führen.
Letztes Jahr erlebte die Welt das Schauspiel ziemlich langwieriger
Scheinverhandlungen. Über Wochen und Monate gab es in den
halboffiziellen Medien des Westens "Nachrichten", dass die
Verhandlungen zur Beilegung des Kosovo-Problems zu nichts führten.
Eine Neuigkeit war das nicht; denn die Verhandlungen wurden so
aufgezogen, dass sie unmöglich erfolgreich sein konnten.
"Die serbische und die albanische Seite können sich nicht einigen,"
erklärten die Pseudo-Diplomaten über ihre Pseudo-Diplomatie. Sie
meinten damit, dass, die serbische Seite nicht der albanischen
Forderung nach einem unabhängigen Kosovo zugestimmt hatte. Darin
bestand der einzige Vorschlag, der von den USA unterstützt wurde.
Wiederum lief dieser auf ein Ultimatum an die Serben hinaus. Die
Albaner wussten, sie hatten die Unterstützung der Vereinigten Staaten
und der NATO, die das Kosovo militärisch besetzt hielten. Sie hatten
keine Veranlassung, sich auf einen Tauschhandel einzulassen. Sie
brauchten nur abzuwarten, dass die Verhandlungen scheiterten, wobei
sie sicher sein konnten, dass ihnen das, was sie wollten, von den
Großmächten, welche die Besatzung stellten, gegeben würde
Russland setzt auf Diplomatie und internationales Recht
Für dieses Scheitern macht der Westen Wladimir Putin verantwortlich.
Servile Medien sind damit beschäftigt, den Status von Putin als
jüngster Klassen-Bösewicht der Welt aufzublasen, der getrieben von
der "Macht" nur den perversen Wunsch hat, die tugendsamen Amerikaner
zu ärgern. Da die Amerikaner die albanische Forderung nach
Unabhängigkeit unterstützen, unterstützen die Russen eben aus
schierem Widerspruchsgeist die serbische Position.
Das ist nicht ganz richtig. Die serbische Position sieht vor, dem
Kosovo eine sehr umfassende Autonomie zu geben, eine Selbstregierung,
knapp unterhalb einer formalen Unabhängigkeit. Die russische Position
besteht in der Bereitschaft, jedes Übereinkommen, dass zwischen den
beiden Seiten erzielt wird, zu unterstützen.
Die westlichen Medien weigern sich zu begreifen, was das heißt. Es
heißt, dass die Russen auf echten Verhandlungen bestehen, zwischen
den beiden Parteien, der serbischen Regierung und den Kosovo-
albanischen Separatisten. Sie sagen nicht, was das Ergebnis solcher
echter Verhandlungen sein sollte. Sie könnten in einer Art Kompromiss
bestehen, der eine Art Unabhängigkeit vorsieht. Der entscheidende
Punkt ist, dass ein solches Abkommen, das von beiden Seiten
vereinbart wird, nach internationalem Recht legal wäre. Eine von den
Kosovo-Albanern einseitig verkündete Unabhängigkeit ohne ein mit
Serbien ausgehandeltes Abkommen wäre eine klarer Verstoß gegen
internationales Recht. Der russische Außenminister Sergei Lawrow hat
wiederholt gewarnt, dass eine einseitige Unabhängigkeitserklärung
weitere zwischen-ethnische Gewalt in der Region auslösen und einen
gefährlichen Präzedenzfall für viele andere Länder mit ethnischen
Minderheiten darstellen könnte.
Auf der grundsätzlichen Ebene besteht der Meinungsunterschied nicht
zwischen den USA, die die Unabhängigkeit der Kosovo-Albaner
unterstützen, und einem Russland, das Serbien unterstützt. Er besteht
zwischen einem Russland, dass Diplomatie unterstützt, und den
Vereinigten Staaten, die Gewalt unterstützen.
Ein "NATO-Staat"
Aber wie viel "Unabhängigkeit" kann es realistischer Weise für das
Kosovo geben? Die europäischen Regierungen wissen insgeheim, dass das
Kosovo kein lebensfähiger unabhängiger Staat ist. Das hat sich in
acht Jahren internationales Protektorat herausgestellt. Kosovos
Wirtschaft ist nahezu vollständig von Geldüberweisungen kosovarischer
Emigranten an ihre Familien, von internationaler Hilfe
(einschließlich der aus Saudi Arabien für Moscheenbauvorhaben) und
vom florierenden Verbrechen (vor allem Drogen- und Sex-Handel) abhängig.
Derweil die offizielle internationale Schuldzuweisung an die Serben
eine Versöhnung zwischen Serben und Albanern unmöglich gemacht hat,
verbleiben NATO-Truppen im Zeichen der Europäischen Union
voraussichtlich weiterhin vor Ort, und zwar "um die Menschenrechte
von Minderheiten zu schützen." Was die Sicherheit angeht, bleibt das
"unabhängige" Kosovo weiterhin ein NATO-Satellit. Nach acht Jahren
der de-facto-Unabhängigkeit von Serbien wird die formelle
Unabhängigkeit von Serbien nichts bewirken, was den erbärmlichen
Zustand der Wirtschaft verbessern würde. Die zahlreichen arbeitslosen
jungen Albaner hoffen darauf, dass die Unabhängigkeit Jobs und
Wohlstand bringt. Aber man kann sich nur schwer vorstellen, dass
geschlossene Grenzen gegenüber einem feindlichen Serbien mehr für die
Wirtschaft des Kosovo tun werden als Jahrzehnte jugoslawischer
Sonderentwicklungsfonds. Es könnten sogar einige Einommensquellen
geringer sprudeln, insbesondere die ausländische Hilfe, wenn
"humanitäre" nicht-staatliche Organisationen woandershin umziehen.
Selbst Überweisungen aus dem Ausland könnten zurückgehen, falls
bestimmte europäische Regierungen sich entschließen, ihre albanischen
Gastarbeiter in ihr "befreites" Heimatland zurückzuschicken. Nur das
organisierte Verbrechen kann sicher sein zu florieren.
Letzten August, als die lange Runde der Scheinverhandlungen in Gang
kam, erklärte der serbische Minister für das Kosovo, Slobodan
Samardzic, dass ein mit US-Untestützung geschaffener Kosovo-Staat
"allein den Interessen der USA und den örtlichen Mafia-Clans dienen
würde." Samardzic gehört zu der jüngeren, pro-westlichen Generation,
welche die Feindseligkeit des Westens gegen Serbien Slobodan
Milosevic anlasted. Aber Milosevic ist seit Jahren weg, und die
westliche Politik bleibt unverändert.
Samardzic sagte ferner, die NATO plane, das Kosovo praktisch zu ihrem
eigenen Territorium zu machen, "einem Satelliten, einem
Militärbaracken-Staat auf fremdem Territorium". Die Hauptsitz der
Macht wäre der gewaltige US-Militärstützpunkt Camp Bondsteel, der
unmittelbar nach Besetzung des Territoriums durch die NATO im Juni
1999 gebaut wurde, ohne irgendjemanden um Erlaubnis zu fragen.
Als die jüngste Runde der Scheinverhandlungen zu Ende ging, erklärte
der serbische Ministerpräsident, Vojislav Kostunica, die Ereignisse
hätte bewiesen, dass 1999 der wirkliche Grund für die NATO-
Bombardierung Serbiens in dem Ziel bestand, das Kosovo als "NATO-
Marionettenstaat" zu erobern.
Und was bot man Serbien im Gegenzug für den Verlust seines
historischen Territoriums? Nur eine vage Andeutung, dass es, sofern
es sich anständig benimmt, eventuell die EU-Mitgliedschaft erwerben
könnte. Kurz, im Gegenzug für den Verlust der Souveränität über das
Kosovo könnte Serbien gestattet werden, noch mehr von seiner
Souveränität an die Europäische Union abzugeben. Aber selbst diese
Perspektive bleibt unklar.
Es ist durchaus möglich, dass Serbien wirtschaftlich besser fährt
ohne das Kosovo, das immer der ärmste und am wenigsten entwickelte
Teil Jugoslawiens gewesen ist, trotz massiver Entwicklungsfonds vom
Rest des Landes. Doch Serbiens Gründe, das Kosovo behalten zu wollen,
sind nicht wirtschaftlicher sondern moralischer Art. Der Westen hat
sich geweigert, dies zu berücksichtigen, indem er all diese Gründe
mit dem einzigen Argument vom Tisch wischte, dass Serbien wegen
Milosevics Unterdrückung der albanischen Separatisten an diesem
Territorium "sein Recht verloren habe". Doch realistisch betrachtet,
hat vielmehr die NATO durch Bombardierung Serbiens "ihr Recht
erhalten", über das Kosovo zu verfügen. Das westliche Argument läuft
darauf hinaus, dass Macht vor Recht geht oder vielmehr die überlegene
Macht vor dem Recht.
Serbiens Standpunkt
Die serbischen Gründe für die Ablehnung der Sezession des Kosovo sind
rechtlicher und moralischer Art:
1. - Völkerrecht. Selbst nachdem die NATO Serbiens Zustimmung zur
Besetzung des Kosovo herbeigebomt hatte, wurde die serbische
Souvernänität über die Provinz in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht
offiziel bekräftigt. Als der einseitige Krieg endete, nahm der
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Entschliessung 1244 an. Sie
enthält die "Bekräftigung des Bekenntnisses aller Mitgliedstaaten zur
Souveränität und territorialen Unversehrtheit der Bundesrepublik
Jugoslawien", deren Nachfolgestaat Serbien ist. Resolution 1244, die
nach wie vor die Grundlage des rechtlichen Status des Kosovo ist,
spricht auch von einer "substantiellen Autonomie und tatsächlichen
Selbstverwaltung des Kosovo" - der Serbien zugestimmt, die es
vorgeschlagen hat. Die Resolution spricht nicht von "Unabhängigkeit".
Was hat Serbien seit dem Fall von Milosevic getan, dass es eine
schlechtere Behandlung erfährt als 1999?
2. - Unmöglichkeit der Aufgabe der serbischen Minderheit angesichts
ihrer nahezu sicheren Verfolgung und Vertreibung. Ebenso unmöglich
ist es Serbien, seine historischen Denkmäler aufzugeben, die
kostbaren mittelalterlichen Klöster von Decani, Gracanica, Pec und
viele andere.
3. - Zutiefst schmerzliche Ungerechtigkeit und Erniedrigung infolge
der Art, wie die Großmächte die Amputation dieses am meisten in Ehren
gehaltenen Teils des historischen Stammlandes Serbiens betreiben. Die
Serben werden für etwas verantwortlich gemacht, was sie nie getan
haben, etwas, was auch Milosevic keineswegs getan hat: Versuchter
"Völkermord" oder zumindest "Vertreibung" der Albaner aus dem Kosovo.
Das ist nichts weiter als Propaganda aus der Zeit des Krieges, die
aber inzwischen anscheinend von den meisten Albanern geglaubt wird,
nachdem ihr die Großmächte Geltung verschafft haben. Die offizielle
Linie der Kriminalisierung Serbiens, die täglich von mehr oder
weniger ignoranten aber bestens indoktrinierten Leitartiklern und
Kommentatoren nachgebetet wird, fügt dem unerträglichen Unrecht noch
die Beleidigung hinzu. Manchmal ist Beleidigung schwerer zu ertragen
als Unrecht. Dieser letzte Grund, der möglicherweise stärkste von
allen, bleibt den Amerikanern und Europäern faktisch verschlossen, da
sie in vorsätzlicher Unkenntnis der Komplexitäten der Geschichte und
Kultur der Region die offizielle Linie von den unschuldige Albaner
verfolgenden bösen Serben völlig verinnerlicht haben.
Wenn diese gänzlich legitimen serbischen Sorgen berücksichtigt
würden, könnte geduldige Diplomatie aller Wahrscheinlichkeit nach
eine Kompromissregelung erzielen, die sich von den Ausgangspositionen
beider Seiten unterscheiden aber zusammen mit internationalen
Garantien und Anreizen zumindest einen Teil der Forderungen beider
Seiten befriedigen würde.
Träume vom Was-wäre-wenn..
Selbst nachdem das Desaster der NATO-Bombardierung und der Besetzung
des Kosovo die Lage weitaus verschlimmert hat, weil es die
Feindschaft zwischen den albanischen und serbischen Gemeinschaften
zum Überkochen brachte, wäre Diplomatie noch in der Lage, eine
konstruktive Rolle zu spielen. Dies würde einfach nur ein wenig guten
Willen und konstruktive Fantasie erfordern - Eigenschaften, welche
die gegenwärtigen Führer der USA nicht einmal anstreben, da sie sich
lieber auf die eiserne Faus verlassen.
Man stelle sich vor, die Vereinigten Staaten hätten es nicht
geschafft, die friedenstiftenden Funktionen von internationalen
Organisationen wie OSZE und UNO zu untergraben. Man denke sich eine
echte "internationale Gemeinschaft", die diplomatischen Anstrengungen
für eine Kompromisslösung für das Kosovo ernsthafte Rückendeckung
geben könnte. Anstelle der Bildung einer "Troika" aus USA, der
Europäischen Gemeinschaft und Russland sei angenommen, dass Indien,
China und Brasilien eine Gruppe von Diplomaten ernennen würden, zum
Beispiel ehemalige Botschafter in Jugoslawien vor dem Zerfall
(darunter vielleicht die beiden ehemaligen Botschafter Ost- und
Westdeutschlands, der ehemalige kanadische Botschafter James Bissett
und der ehemalige britische Botschafter Ivor Roberts sowie ehemalige
Botschafter nicht-europäischer Länder), um einen Beitrag zu
unbefristeten Verhandlungen zwischen Serben und Albanern zu leisten.
Dabei gäbe es keine Vorbedingungen außer einer: die Verhandlungen
dauerten solange, bis die beiden Parteien einer Kompromisslösung
zugestimmt hätten.
Meine persönliche Meinung ist, dass echte, geduldige Verhandlungen zu
einer Art von umfassendem Abkommen führen könnten, in welchem
Grenzveränderungen und Gebietsaufteilungen ebenso einbezogen wären
wie auch eine Art von Union zwischen dem sezessionistischen
albanischen Teil des Kosovo und Albanien selbst. Für eine Lösung gibt
es überwältigende Argumente, die lange bevor das Kosovo-Problem
1989-99 zu einem bewaffneten Konflikt eskalierte, von Dobrica Cosic,
einem herausragenden Romanautor und ehemaligen Präsidenten
Jugoslawiens, höchst überzeugend dargelegt wurden.
Zwar lehnen beide Seiten, die albanische wie auch die serbische, mehr
oder minder heftig eine Gebietsaufteilung ab. Die Albaner fordern
hatnäckig das ganze Kosovo innerhalb seiner gegenwärtigen Grenzen.
Diese Forderung wird von den Vereinigten Staaten unterstützt, die
auch darauf bestehen, dass es keine Union zwischen Kosovo und
Albanien gibt. Dies ist der Punkt, an dem ein Kompromiss
ausgearbeitet werden könnte. Serbiens Position war, Autonomie in
einem Umfang rechtlich zu verankern, dass dies faktisch einer totalen
inneren Unabhängigkeit gleichkommen würde. Als Verhandlungsposition
kann man das verstehen, aber man kann sich schwer vorstellen, wieso
dies Serbien selbst begünstigen würde. Serbien ginge das Risiko ein,
die finanzielle Last für ein Territorium zu tragen, über welches es
keine Kontrolle ausübern könnte.
Auf der anderen Seite machen die Unabhängigkeitserwartungen der
Albaner und vor allem ihr Hass gegen Serbien eine Rückkehr zu
serbischer Herrschaft in der Praxis unmöglich. Darüberhinaus hat
Serbien eine der geringsten Geburtenraten in Europa, während die
Kosovo-Albaner die höchste haben. Nachdem die Serben den Albanern in
Kosovo zahlenmäßig unterlagen, könnten sie schließlich auch in
Serbien von der Zahl der Albaner übertroffen werden.
Das Gemeinwohl der Serben wie der Albaner wäre am besten durch ein
umfassendes Abkommen zur Beendigung der Feindseligkeiten zwischen den
beiden Bevölkerungsgruppen gewährleistet, was unbestreitbar in acht
Jahren UN/NATO-Protektorat nicht zustande gebracht wurde. Ein solches
Abkommen sollte einen Gebietsausgleich beinhalten, ferner
Wirtschafts- und Kulturvereinbarungen zwischen den betroffenen
Parteien. Die Nachbarländer sollten in die Verhandlungen gleichfalls
einbezogen werden. Vereinbarungen sollten aufgrund der praktischen
Gegebenheiten getroffen werden, nicht auf Basis einer Zuweisung von
"Schuld" und "Unschuld".
Schließlich muss es dazu kommen, dass sich die Identitäten von
bestimmten Gebieten und bestimmten Ereignissen loslösen. Künftige
Generationen von Serben und Albanern müssen in der Lage sein, ihr
Leben frei von den Belastungen früherer Ressentiments und ererbter
Rachegefühle zu führen.
Aber leider ist dies nur ein Traum..
Übersetzung aus dem Englischen: Klaus von Raussendorff
* Diana Johnstone ist Verfasserin des Buches "Fools' Crusade:
Yugoslavia, NATO and Western Delusions", das 2002 bei PlutoPress/
Monthly Review Press erschien. Sie ist unter diana.josto@... zu
erreichen.
Dreaming of Diplomacy, Waiting for War. The Next Kosovo War
By DIANA JOHNSTONE
http://www.counterpunch.org/johnstone12122007.html
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/5797 )
Aus: Neues Deutschland v. 12. Januar 2008
http://www.neues-deutschland.de/artikel/122219.html?sstr=
KOSOVO: MIT KRIEG RECHNEN - VON DIPLOMATIE TRÄUMEN
Das Kosovo-Desaster ist ein anschauliches Beispiel für die von den
USA gewöhnlich praktizierte Ablehnung der Diplomatie zugunsten von Krieg
Von Diana Johnstone (10. Dezember, 2007)
Die Vereinigten Staaten und ihre europäischen Verbündeten haben
öffentlich erklärt, dass die Diplomatie bei der Lösung des Kosovo-
Problems versagt hat.
Wenn Diplomatie versagt, heißt das Krieg, insbesondere wenn es um
eine so gravierende Angelegenheit geht wie die einseitige
Unabhängigkeitserklärung eines Teils des Staatsgebietes eines anderen
Landes.
Aber der nächste Kosovo-Krieg gilt als ein so kleiner, geräuschloser,
unbedeutender Krieg, dass ihm niemand Beachtung schenken wird. Die
NATO besetzt gegenwärtig das potentielle Schlachtfeld mit mehr als
16.000 Mann, von Luftstreitkräften unterstützt, und ist in
Bereitschaft, um, wie es heißt, "Gewalt zu verhindern". Tatsächlich
könnte die gewaltige militärische Überlegenheit der NATO verhindern,
dass eventuelle Gewalt das Stadium eines "Krieges" erreicht. Die
Zuversicht, die von der eigenen militärischen Übermacht herkommt,
erlaubt es den Vereinigten Staaten und ihren NATO-Verbündeten, eine
Politik zu betreiben, die normaler Weise eine verlässliche Formel für
Krieg wäre.
Krieg entsteht, wenn gegnerische Parteien völlig widersprüchliche
Auffassungen von der Realität haben. Albaner und Serben haben gerade
von der Geschichte der umstrittenen Provinz Kosovo völlig
gegensätzliche Auffassungen. Die Rolle von Diplomatie bedingt, solche
widersprüchlichen Auffassungen von der Realität zu berücksichtigen.
Das heißt zu vermeiden, eine der streitenden Parteien in eine
erniedrigende Ecke zu drängen. Dazu gehört zu versuchen, gegenseitig
Respekt und Verständnis zu fördern, zumindest so viel, dass ein
Kompromiss akzeptiert werden kann.
Stattdessen haben sich die Vereinigten Staaten, und mit ihnen ihre
verantwortungslosen europäischen Verbündeten, von Anfang an der
extrem nationalistischen albanischen Sichtweise angeschlossen und
Serbien wie einen "Schurkenstaat" behandelt, der den normalen Schutz
des Völkerrechts nicht verdient. Washington inszenierte zwei Runden
absolut vorgetäuschter "Verhandlungen", deren Ergebnisse es im Namen
seiner albanischen Klienten von vorn herein diktierte. Die erste
Runde fand in Rambouillet statt und führte 1999 zur Bombardierung
Serbiens und der Besetzung des Kosovo. Die zweite Runde fand letztes
Jahr statt und könnte möglicherweise zu einem weiteren,
geräuschloseren aber längeren, unkalkulierbaren Konflikt führen.
Lange und kurze Scheinverhandlungen
Ende der 90er Jahre war die Clinton-Regierung nicht wirklich darum
bemüht, das Kosovo-Problem zu lösen. Sie wollte ihr eigenes NATO-
Problem lösen. Ihr NATO-Problem war folgendes: Was war der Sinn und
Zweck dieses Militärbündnisses, jetzt wo der kommunistische Block, zu
dessen Abschreckung es geschaffen wurde, nicht länger existierte? Um
die NATO zu erhalten, musste ein neuer Grund für ihre Existenz
gefunden werden. Dieser war die "humanitäre Intervention". Von nun an
würde die NATO bestehen, um unterdrückte Minderheiten in fremden
Ländern zu retten - speziell solche mit einigem geostrategischen oder
wirtschaftlichen Wert, versteht sich. Der tief verwurzelte Konflikt
zwischen dem serbischen Staat und der albanischen Sezessionsbewegung,
begleitet von gelegentlich ausbrechender Gewalt auf beiden Seiten,
lieferte das Experimentierfeld für diese neue Politik. Das Kosovo-
Problem wurde zu einer Krise erklärt, die internationale Einmischung
nötig machte, und dies nur wenige Wochen vor dem Treffen zum 50.
Jahrestag der NATO, wo diese von den USA vorgegebene Politik
offiziell angenommen wurde.
Um einen Kriegsgrund herbeizuführen, inszenierte die Clinton-
Regierung Scheinverhandlungen in dem französischen Schloss
Rambouillet. Plötzlich hievten die USA Hashim Thaqi, den Kopf der
bewaffneten "Kosovo Befreiungsarmee", in die Rolle des Leiters der
Kosovo-albanischen Delegation, wobei sie bekanntere albanische Führer
wie Ibrahim Rugova beiseite schoben. Nicht einmal ein unmittelbares
Zusammentreffen der serbischen und albanischen Delegationen wurde
zugelassen. Beiden wurde befohlen, einen umfassenden von den
Vereinigten Staaten ausgearbeiteten Plan anzunehmen, der die NATO-
Besetzung des Kosovo ermöglichte. Außenministerin Madeleine Albright
schüchterte Thaqi ein, bis er das Ultimatum widerwillig annahm, wobei
ihm insgeheim zugesichert wurde, dass er schließlich sein eigenes
"unabhängiges Kosova" bekommen würde. Die Serben hatten dem Prinzip
der Autonomie des Kosovo zugestimmt, und ihr Parlament hatte einen
Vorschlag formuliert, was allerdings in Rambouillet völlig ignoriert
wurde. Aber die serbische Delegation sträubte sich gegen das
Ultimatum, weil es einen Anhang einschloss, der die NATO-Besetzung
von ganz Serbien ermöglicht hätte. Diese Ablehnung war das Ergebnis,
auf das Albright aus war. Unter dem Vorwand, Serbien "habe es
abgelehnt zu verhandeln", konnte nun die NATO ihren siegreichen
kleinen "humanitären" Krieg führen.
Letztes Jahr erlebte die Welt das Schauspiel ziemlich langwieriger
Scheinverhandlungen. Über Wochen und Monate gab es in den
halboffiziellen Medien des Westens "Nachrichten", dass die
Verhandlungen zur Beilegung des Kosovo-Problems zu nichts führten.
Eine Neuigkeit war das nicht; denn die Verhandlungen wurden so
aufgezogen, dass sie unmöglich erfolgreich sein konnten.
"Die serbische und die albanische Seite können sich nicht einigen,"
erklärten die Pseudo-Diplomaten über ihre Pseudo-Diplomatie. Sie
meinten damit, dass, die serbische Seite nicht der albanischen
Forderung nach einem unabhängigen Kosovo zugestimmt hatte. Darin
bestand der einzige Vorschlag, der von den USA unterstützt wurde.
Wiederum lief dieser auf ein Ultimatum an die Serben hinaus. Die
Albaner wussten, sie hatten die Unterstützung der Vereinigten Staaten
und der NATO, die das Kosovo militärisch besetzt hielten. Sie hatten
keine Veranlassung, sich auf einen Tauschhandel einzulassen. Sie
brauchten nur abzuwarten, dass die Verhandlungen scheiterten, wobei
sie sicher sein konnten, dass ihnen das, was sie wollten, von den
Großmächten, welche die Besatzung stellten, gegeben würde
Russland setzt auf Diplomatie und internationales Recht
Für dieses Scheitern macht der Westen Wladimir Putin verantwortlich.
Servile Medien sind damit beschäftigt, den Status von Putin als
jüngster Klassen-Bösewicht der Welt aufzublasen, der getrieben von
der "Macht" nur den perversen Wunsch hat, die tugendsamen Amerikaner
zu ärgern. Da die Amerikaner die albanische Forderung nach
Unabhängigkeit unterstützen, unterstützen die Russen eben aus
schierem Widerspruchsgeist die serbische Position.
Das ist nicht ganz richtig. Die serbische Position sieht vor, dem
Kosovo eine sehr umfassende Autonomie zu geben, eine Selbstregierung,
knapp unterhalb einer formalen Unabhängigkeit. Die russische Position
besteht in der Bereitschaft, jedes Übereinkommen, dass zwischen den
beiden Seiten erzielt wird, zu unterstützen.
Die westlichen Medien weigern sich zu begreifen, was das heißt. Es
heißt, dass die Russen auf echten Verhandlungen bestehen, zwischen
den beiden Parteien, der serbischen Regierung und den Kosovo-
albanischen Separatisten. Sie sagen nicht, was das Ergebnis solcher
echter Verhandlungen sein sollte. Sie könnten in einer Art Kompromiss
bestehen, der eine Art Unabhängigkeit vorsieht. Der entscheidende
Punkt ist, dass ein solches Abkommen, das von beiden Seiten
vereinbart wird, nach internationalem Recht legal wäre. Eine von den
Kosovo-Albanern einseitig verkündete Unabhängigkeit ohne ein mit
Serbien ausgehandeltes Abkommen wäre eine klarer Verstoß gegen
internationales Recht. Der russische Außenminister Sergei Lawrow hat
wiederholt gewarnt, dass eine einseitige Unabhängigkeitserklärung
weitere zwischen-ethnische Gewalt in der Region auslösen und einen
gefährlichen Präzedenzfall für viele andere Länder mit ethnischen
Minderheiten darstellen könnte.
Auf der grundsätzlichen Ebene besteht der Meinungsunterschied nicht
zwischen den USA, die die Unabhängigkeit der Kosovo-Albaner
unterstützen, und einem Russland, das Serbien unterstützt. Er besteht
zwischen einem Russland, dass Diplomatie unterstützt, und den
Vereinigten Staaten, die Gewalt unterstützen.
Ein "NATO-Staat"
Aber wie viel "Unabhängigkeit" kann es realistischer Weise für das
Kosovo geben? Die europäischen Regierungen wissen insgeheim, dass das
Kosovo kein lebensfähiger unabhängiger Staat ist. Das hat sich in
acht Jahren internationales Protektorat herausgestellt. Kosovos
Wirtschaft ist nahezu vollständig von Geldüberweisungen kosovarischer
Emigranten an ihre Familien, von internationaler Hilfe
(einschließlich der aus Saudi Arabien für Moscheenbauvorhaben) und
vom florierenden Verbrechen (vor allem Drogen- und Sex-Handel) abhängig.
Derweil die offizielle internationale Schuldzuweisung an die Serben
eine Versöhnung zwischen Serben und Albanern unmöglich gemacht hat,
verbleiben NATO-Truppen im Zeichen der Europäischen Union
voraussichtlich weiterhin vor Ort, und zwar "um die Menschenrechte
von Minderheiten zu schützen." Was die Sicherheit angeht, bleibt das
"unabhängige" Kosovo weiterhin ein NATO-Satellit. Nach acht Jahren
der de-facto-Unabhängigkeit von Serbien wird die formelle
Unabhängigkeit von Serbien nichts bewirken, was den erbärmlichen
Zustand der Wirtschaft verbessern würde. Die zahlreichen arbeitslosen
jungen Albaner hoffen darauf, dass die Unabhängigkeit Jobs und
Wohlstand bringt. Aber man kann sich nur schwer vorstellen, dass
geschlossene Grenzen gegenüber einem feindlichen Serbien mehr für die
Wirtschaft des Kosovo tun werden als Jahrzehnte jugoslawischer
Sonderentwicklungsfonds. Es könnten sogar einige Einommensquellen
geringer sprudeln, insbesondere die ausländische Hilfe, wenn
"humanitäre" nicht-staatliche Organisationen woandershin umziehen.
Selbst Überweisungen aus dem Ausland könnten zurückgehen, falls
bestimmte europäische Regierungen sich entschließen, ihre albanischen
Gastarbeiter in ihr "befreites" Heimatland zurückzuschicken. Nur das
organisierte Verbrechen kann sicher sein zu florieren.
Letzten August, als die lange Runde der Scheinverhandlungen in Gang
kam, erklärte der serbische Minister für das Kosovo, Slobodan
Samardzic, dass ein mit US-Untestützung geschaffener Kosovo-Staat
"allein den Interessen der USA und den örtlichen Mafia-Clans dienen
würde." Samardzic gehört zu der jüngeren, pro-westlichen Generation,
welche die Feindseligkeit des Westens gegen Serbien Slobodan
Milosevic anlasted. Aber Milosevic ist seit Jahren weg, und die
westliche Politik bleibt unverändert.
Samardzic sagte ferner, die NATO plane, das Kosovo praktisch zu ihrem
eigenen Territorium zu machen, "einem Satelliten, einem
Militärbaracken-Staat auf fremdem Territorium". Die Hauptsitz der
Macht wäre der gewaltige US-Militärstützpunkt Camp Bondsteel, der
unmittelbar nach Besetzung des Territoriums durch die NATO im Juni
1999 gebaut wurde, ohne irgendjemanden um Erlaubnis zu fragen.
Als die jüngste Runde der Scheinverhandlungen zu Ende ging, erklärte
der serbische Ministerpräsident, Vojislav Kostunica, die Ereignisse
hätte bewiesen, dass 1999 der wirkliche Grund für die NATO-
Bombardierung Serbiens in dem Ziel bestand, das Kosovo als "NATO-
Marionettenstaat" zu erobern.
Und was bot man Serbien im Gegenzug für den Verlust seines
historischen Territoriums? Nur eine vage Andeutung, dass es, sofern
es sich anständig benimmt, eventuell die EU-Mitgliedschaft erwerben
könnte. Kurz, im Gegenzug für den Verlust der Souveränität über das
Kosovo könnte Serbien gestattet werden, noch mehr von seiner
Souveränität an die Europäische Union abzugeben. Aber selbst diese
Perspektive bleibt unklar.
Es ist durchaus möglich, dass Serbien wirtschaftlich besser fährt
ohne das Kosovo, das immer der ärmste und am wenigsten entwickelte
Teil Jugoslawiens gewesen ist, trotz massiver Entwicklungsfonds vom
Rest des Landes. Doch Serbiens Gründe, das Kosovo behalten zu wollen,
sind nicht wirtschaftlicher sondern moralischer Art. Der Westen hat
sich geweigert, dies zu berücksichtigen, indem er all diese Gründe
mit dem einzigen Argument vom Tisch wischte, dass Serbien wegen
Milosevics Unterdrückung der albanischen Separatisten an diesem
Territorium "sein Recht verloren habe". Doch realistisch betrachtet,
hat vielmehr die NATO durch Bombardierung Serbiens "ihr Recht
erhalten", über das Kosovo zu verfügen. Das westliche Argument läuft
darauf hinaus, dass Macht vor Recht geht oder vielmehr die überlegene
Macht vor dem Recht.
Serbiens Standpunkt
Die serbischen Gründe für die Ablehnung der Sezession des Kosovo sind
rechtlicher und moralischer Art:
1. - Völkerrecht. Selbst nachdem die NATO Serbiens Zustimmung zur
Besetzung des Kosovo herbeigebomt hatte, wurde die serbische
Souvernänität über die Provinz in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht
offiziel bekräftigt. Als der einseitige Krieg endete, nahm der
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Entschliessung 1244 an. Sie
enthält die "Bekräftigung des Bekenntnisses aller Mitgliedstaaten zur
Souveränität und territorialen Unversehrtheit der Bundesrepublik
Jugoslawien", deren Nachfolgestaat Serbien ist. Resolution 1244, die
nach wie vor die Grundlage des rechtlichen Status des Kosovo ist,
spricht auch von einer "substantiellen Autonomie und tatsächlichen
Selbstverwaltung des Kosovo" - der Serbien zugestimmt, die es
vorgeschlagen hat. Die Resolution spricht nicht von "Unabhängigkeit".
Was hat Serbien seit dem Fall von Milosevic getan, dass es eine
schlechtere Behandlung erfährt als 1999?
2. - Unmöglichkeit der Aufgabe der serbischen Minderheit angesichts
ihrer nahezu sicheren Verfolgung und Vertreibung. Ebenso unmöglich
ist es Serbien, seine historischen Denkmäler aufzugeben, die
kostbaren mittelalterlichen Klöster von Decani, Gracanica, Pec und
viele andere.
3. - Zutiefst schmerzliche Ungerechtigkeit und Erniedrigung infolge
der Art, wie die Großmächte die Amputation dieses am meisten in Ehren
gehaltenen Teils des historischen Stammlandes Serbiens betreiben. Die
Serben werden für etwas verantwortlich gemacht, was sie nie getan
haben, etwas, was auch Milosevic keineswegs getan hat: Versuchter
"Völkermord" oder zumindest "Vertreibung" der Albaner aus dem Kosovo.
Das ist nichts weiter als Propaganda aus der Zeit des Krieges, die
aber inzwischen anscheinend von den meisten Albanern geglaubt wird,
nachdem ihr die Großmächte Geltung verschafft haben. Die offizielle
Linie der Kriminalisierung Serbiens, die täglich von mehr oder
weniger ignoranten aber bestens indoktrinierten Leitartiklern und
Kommentatoren nachgebetet wird, fügt dem unerträglichen Unrecht noch
die Beleidigung hinzu. Manchmal ist Beleidigung schwerer zu ertragen
als Unrecht. Dieser letzte Grund, der möglicherweise stärkste von
allen, bleibt den Amerikanern und Europäern faktisch verschlossen, da
sie in vorsätzlicher Unkenntnis der Komplexitäten der Geschichte und
Kultur der Region die offizielle Linie von den unschuldige Albaner
verfolgenden bösen Serben völlig verinnerlicht haben.
Wenn diese gänzlich legitimen serbischen Sorgen berücksichtigt
würden, könnte geduldige Diplomatie aller Wahrscheinlichkeit nach
eine Kompromissregelung erzielen, die sich von den Ausgangspositionen
beider Seiten unterscheiden aber zusammen mit internationalen
Garantien und Anreizen zumindest einen Teil der Forderungen beider
Seiten befriedigen würde.
Träume vom Was-wäre-wenn..
Selbst nachdem das Desaster der NATO-Bombardierung und der Besetzung
des Kosovo die Lage weitaus verschlimmert hat, weil es die
Feindschaft zwischen den albanischen und serbischen Gemeinschaften
zum Überkochen brachte, wäre Diplomatie noch in der Lage, eine
konstruktive Rolle zu spielen. Dies würde einfach nur ein wenig guten
Willen und konstruktive Fantasie erfordern - Eigenschaften, welche
die gegenwärtigen Führer der USA nicht einmal anstreben, da sie sich
lieber auf die eiserne Faus verlassen.
Man stelle sich vor, die Vereinigten Staaten hätten es nicht
geschafft, die friedenstiftenden Funktionen von internationalen
Organisationen wie OSZE und UNO zu untergraben. Man denke sich eine
echte "internationale Gemeinschaft", die diplomatischen Anstrengungen
für eine Kompromisslösung für das Kosovo ernsthafte Rückendeckung
geben könnte. Anstelle der Bildung einer "Troika" aus USA, der
Europäischen Gemeinschaft und Russland sei angenommen, dass Indien,
China und Brasilien eine Gruppe von Diplomaten ernennen würden, zum
Beispiel ehemalige Botschafter in Jugoslawien vor dem Zerfall
(darunter vielleicht die beiden ehemaligen Botschafter Ost- und
Westdeutschlands, der ehemalige kanadische Botschafter James Bissett
und der ehemalige britische Botschafter Ivor Roberts sowie ehemalige
Botschafter nicht-europäischer Länder), um einen Beitrag zu
unbefristeten Verhandlungen zwischen Serben und Albanern zu leisten.
Dabei gäbe es keine Vorbedingungen außer einer: die Verhandlungen
dauerten solange, bis die beiden Parteien einer Kompromisslösung
zugestimmt hätten.
Meine persönliche Meinung ist, dass echte, geduldige Verhandlungen zu
einer Art von umfassendem Abkommen führen könnten, in welchem
Grenzveränderungen und Gebietsaufteilungen ebenso einbezogen wären
wie auch eine Art von Union zwischen dem sezessionistischen
albanischen Teil des Kosovo und Albanien selbst. Für eine Lösung gibt
es überwältigende Argumente, die lange bevor das Kosovo-Problem
1989-99 zu einem bewaffneten Konflikt eskalierte, von Dobrica Cosic,
einem herausragenden Romanautor und ehemaligen Präsidenten
Jugoslawiens, höchst überzeugend dargelegt wurden.
Zwar lehnen beide Seiten, die albanische wie auch die serbische, mehr
oder minder heftig eine Gebietsaufteilung ab. Die Albaner fordern
hatnäckig das ganze Kosovo innerhalb seiner gegenwärtigen Grenzen.
Diese Forderung wird von den Vereinigten Staaten unterstützt, die
auch darauf bestehen, dass es keine Union zwischen Kosovo und
Albanien gibt. Dies ist der Punkt, an dem ein Kompromiss
ausgearbeitet werden könnte. Serbiens Position war, Autonomie in
einem Umfang rechtlich zu verankern, dass dies faktisch einer totalen
inneren Unabhängigkeit gleichkommen würde. Als Verhandlungsposition
kann man das verstehen, aber man kann sich schwer vorstellen, wieso
dies Serbien selbst begünstigen würde. Serbien ginge das Risiko ein,
die finanzielle Last für ein Territorium zu tragen, über welches es
keine Kontrolle ausübern könnte.
Auf der anderen Seite machen die Unabhängigkeitserwartungen der
Albaner und vor allem ihr Hass gegen Serbien eine Rückkehr zu
serbischer Herrschaft in der Praxis unmöglich. Darüberhinaus hat
Serbien eine der geringsten Geburtenraten in Europa, während die
Kosovo-Albaner die höchste haben. Nachdem die Serben den Albanern in
Kosovo zahlenmäßig unterlagen, könnten sie schließlich auch in
Serbien von der Zahl der Albaner übertroffen werden.
Das Gemeinwohl der Serben wie der Albaner wäre am besten durch ein
umfassendes Abkommen zur Beendigung der Feindseligkeiten zwischen den
beiden Bevölkerungsgruppen gewährleistet, was unbestreitbar in acht
Jahren UN/NATO-Protektorat nicht zustande gebracht wurde. Ein solches
Abkommen sollte einen Gebietsausgleich beinhalten, ferner
Wirtschafts- und Kulturvereinbarungen zwischen den betroffenen
Parteien. Die Nachbarländer sollten in die Verhandlungen gleichfalls
einbezogen werden. Vereinbarungen sollten aufgrund der praktischen
Gegebenheiten getroffen werden, nicht auf Basis einer Zuweisung von
"Schuld" und "Unschuld".
Schließlich muss es dazu kommen, dass sich die Identitäten von
bestimmten Gebieten und bestimmten Ereignissen loslösen. Künftige
Generationen von Serben und Albanern müssen in der Lage sein, ihr
Leben frei von den Belastungen früherer Ressentiments und ererbter
Rachegefühle zu führen.
Aber leider ist dies nur ein Traum..
Übersetzung aus dem Englischen: Klaus von Raussendorff
* Diana Johnstone ist Verfasserin des Buches "Fools' Crusade:
Yugoslavia, NATO and Western Delusions", das 2002 bei PlutoPress/
Monthly Review Press erschien. Sie ist unter diana.josto@... zu
erreichen.