Angesichts des politischen Drucks, den die Lega Nord über ihre Regionalinstitutionen in Oberitalien ausübt, trat am Dienstag der Chef der UniCredit zurück. Alessandro Profumo hatte UniCredit im vergangenen Jahrzehnt mit den italienischen Banken kommunaler oder regionaler Trägerschaft verschmolzen und damit erreicht, was Privatbanken in Deutschland anstreben, aber bisher nicht durchsetzen konnten: den Zugriff auf das Massengeschäft der Sparkassen. Den italienischen Sparkassenträgern wurde zugestanden, ihre örtlichen Interessen in Kontrollgremien der UniCredit zu wahren. Mit dem Kapital der Kleinanleger expandierte UniCredit weltweit. Das Unternehmen kaufte die Bank Austria (Wien) und stieg damit an führender Stelle in das lukrativeOsteuropageschäft ein. In Deutschland fusionierte UniCredit mit der die Hypo-Vereinsbank (München). Der deutsche Vorstandschef der Hypo wurde Aufsichtsratspräsident von UniCredit. Die Personalie bringt zum Ausdruck, dass deutsche Kapitalbeteiligungen (unter anderem Allianz und Daimler) bei UniCredit eine wesentliche Rolle spielen.
Sonderrechte
Seitdem die Lega Nord in Venetien den Regionalpräsidenten stellt und ihren landesweiten Einfluss kommunal unterfüttern kann, sind ihre Repräsentanten in den Kontrollgremien der früheren Sparkassenträger bei UniCredit aktiv. Ziel ist die von der Rassisten-Partei angestrebte Restrukturierung der Finanzströme, die dem italienischen Süden weitgehend entzogen werden sollen, um bevorzugt nach Oberitalien zu fließen. Die regionale Maskierung ("Venetien zuerst!") [1] möchte verdecken, dass es um politische und wirtschaftliche Sonderrechte der Eliten zwischen Mailand, Verona und Venedig geht.
Territorialer Bruch
Vorwand für Rücktrittsforderungen an den bisherigen Chef der UniCredit war der Vorwurf, er habe die Kapitalerhöhung eines libyschen Anteilseigners begünstigt und die übrigen Aktionäre nicht ausreichend unterrichtet. Die Anschuldigung hat mit tatsächlichen Einflussverschiebungen nichts zu tun, da die libysche Beteiligung lediglich um 0,5 Prozent gewachsen ist. Vielmehr geht es um nationalistische Stimmungsmache, die afrophobe Rassismen bedient - ganz nach Art der Lega Nord. Die tatsächlichen Ziele belegt ein Zitat des Lega Nord-Führers Bossi: "Wir greifen uns jetzt die großen Banken".[2] UniCredit-Chef Profumo stand diesen Absichten im Weg, weil er die lokalen Kontrollgremien der Bank zugunsten internationaler Beteiligungen zurückdrängen wollte. Mit dem Abgang Profumos ist die Lega Nord den materiellen Zielen ihrer Politik bedeutend näher gekommen: den oberitalienischen Speckgürtel von Rom wirtschaftlich unabhängig zu machen - selbst um das Risiko eines territorialen Bruchs mit der italienischen Einheit.
Raumbindung
Bossis rassistisch gefärbter und wirtschaftlich fundierter Separatismus wird um gleichgerichtete Bemühungen ergänzt, die jedoch nach Norden weisen. Auch nördlich von Mailand bestehen territoriale Begehrlichkeiten, die im Alto Adige ("Südtirol") beheimatet sind und einen Besitzwechsel in ausländische Hände anstreben. Das mehrsprachige Alto Adige, das in Bolzano (Bozen) unter Kontrolle deutschsprachiger Großunternehmen steht, gehört zu den Lieblingsobjekten germanozentrischer Ethnopolitik.[3] Neuen Niederschlag finden entsprechende Bemühungen in der Zeitschrift "Europa Regional" [4], die vom Berliner Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung finanziert wird.
Blutsmischung
Den Regionalisierungsautoren geht es um "Fragen der ethnischen Identität bzw. der ethnisch-emotionalen Bindung an den Raum" [5] im italienischen Alpengebiet. Gemeint ist die territoriale Abgrenzung nichtitalienischsprachiger Minderheiten Oberitaliens. Ihr "Schutz" sei in "Südtirol", dem Stammland der 300.000 "Deutschen", am besten gewahrt, befindet das Blatt. Gewarnt wird vor einer "ethnische(n) Vermischung (...) mit der italienischsprachigen Majorität". Zur Verwissenschaftlichung ihres rassistischen Blutsgebots ziehen die Autoren einschlägige Quellen heran. Dazu gehört der Wiener Verlag Braumüller, bei dem die NS-Elite der völkischen Ethnopolitik in der Nachkriegzeit Unterschlupf fand.[6] Selbst der frühere Nazi-Autor Heinz Kloss [7] ist in "Europa Regional", dem offiziösen Organ aktueller deutscher "Raum"-Politik, literarischer Gewährsmann.
Geputscht
Die in Deutschland und Österreich andauernden Versuche, Italien "ethnisch" zu destabiliseren, bedienen sich ähnlicher Mittel, wie sie die Lega Nord anwendet. Dabei verfolgt die rassistische Lega ein territoriales Ziel, das inneritalienisch und regional beschränkt ist, während germanozentrische Kräfte auf eine europäische Lösung unter deutscher Führung hinarbeiten. In Gestalt deutscher Anteilseigner (Daimler, Allianz) sind diese Kräfte bei UniCredit seit längerem aktiv. Sie sehen vor, die wirtschaftliche Einbindung Norditaliens in einen Alpen-/Adria-"Raum" zu komplettieren und das Territorium föderal zu verwalten, so dass der Einfluss Roms oberflächlich gewahrt, aber ökonomisch weitgehend außer Kraft gesetzt und nach Berlin verschoben werden kann. Beide Ansätze haben in dem jetzt gesäuberten Vorstand der UniCredit gegen einen dritten Weg geputscht, der unter Alessandro Profumo die transnationale Verteilung der Kapitalflüsse anstrebte.