"Befreiter" Kosovo: Organhandel, Auftragsmorde, Apartheid
1) Teil des Westens geworden (german-foreign-policy.com)
2) KOMMENTARE:
- Hashim Thaci von Schweiz aufgepäppelt (K. Trümpy)
- Ein Verbrecher, aber unser Verbrecher (N. Mappes-Niediek)
- Thaci ein gemeiner Verbrecher? (W. Pirker)
- Kosovos Premier - Mafiaboss und Wahlbetrüger? (J. Paas)
- Korruption, Erpressung und Organhandel. Für EU und USA dürfte der Fall Thaci eigentlich nicht neu sein (A. Förster)
3) Thaci-Partei droht Sonderermittler Dick Marty (P. Mühlbauer)
4) FLASHBACK:
- Carla del Ponte verklagt (Vesna Peric Zomonjic und Cathrin Schütz, 3.4.08)- Stunde der Gangster (Werner Pirker, 5-6.4.2008)
Auslöser der Untersuchung, mit der die Parlamentarische Versammlung des Europarates vor zwei Jahren den Schweizer Abgeordneten Dick Marty beauftragt hat, war eine Buchveröffentlichung der ehemaligen Chefanklägerin für das Internationale Jugoslawien-Tribunal Carla del Ponte. Del Ponte beschrieb in ihrem Buch, wie sie schon Anfang 2001 über glaubhafte Hinweise in Kenntnis gesetzt worden war, denen zufolge im Sommer 1999 nach der Besetzung des Kosovo durch die NATO zwischen 100 und 300 Menschen aus der serbischen Provinz in den Norden Albaniens verschleppt worden seien. Dort hätten ihnen Ärzte Organe entnommen. Die Organe seien über einen Flughafen nahe der albanischen Hauptstadt Tirana ins Ausland geschmuggelt, die Opfer ermordet worden.[1] Del Ponte gibt an, damals Untersuchungen aufgenommen zu haben, allerdings stets auf eine Mauer des Schweigens gestoßen zu sein - und dies nicht nur bei den Behörden in Tirana und bei Albanern im Kosovo, sondern auch bei den westlichen Besatzern. Das trifft auch auf die Jahre 2002 bis 2003 zu, als der jetzige Sonderbeauftragte der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan, Michael Steiner, als Chef der UN-Verwaltung im Kosovo (UNMIK) firmierte.
Entscheidende Aufschlüsse für die Untersuchung brachte unter anderem ein Vorfall vom November 2008. Damals fiel auf dem Flughafen in der kosovarischen Hauptstadt Priština ein junger Mann aus der Türkei in Ohnmacht. Als Flughafenmitarbeiter ihn zu verarzten suchten, fanden sie auf seinem Unterleib eine frische, auffällige Narbe. Ermittler wurden eingeschaltet; am nächsten Tag entdeckte die Polizei nur wenige Kilometer entfernt eine "Klinik" mit dem Namen "Medicus", in der illegale Organentnahmen betrieben wurden. An diesem Dienstag hat in Priština der Prozess in dieser Sache begonnen. Unter den Personen, die von den Organentnahmen profitierten und sich in Priština neue Organe einsetzen ließen, sollen sich auch Deutsche befunden haben. Zu den Angeklagten gehören neben dem Arzt Yusuf Sonmez, den Beobachter als einen der berüchtigtsten Organhändler der Welt bezeichnen, vor allem bekannte Mediziner aus dem Kosovo, daneben ein hochrangiger Beamter aus dem kosovarischen Gesundheitsministerium.[2]
Besondere Brisanz erhält das Verfahren durch den Bericht, den Dick Marty an diesem Donnerstag einem Ausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vorstellen wird. Marty gibt an, über klare Hinweise zu verfügen, dass beide Fälle von Organhandel - der bereits von del Ponte beschriebene Fall vom Sommer 1999 und der Fall "Medicus" - miteinander zusammenhingen. Den Fall vom Sommer 1999 jedoch bringt Marty mit dem gegenwärtigen Premierminister des Kosovo, Hashim Thaçi, in Verbindung. Zum damaligen Zeitpunkt, berichtet er, stand ein Gefangenenlager der UÇK im albanischen Ort Fushë-Krujë unter der Kontrolle der "Drenica-Gruppe", einer die UÇK beherrschenden Clique, die als besonders brutal und in verschiedenen Geschäften der Organisierten Kriminalität höchst erfolgreich galt. Dieser Gruppe wurde schon damals unter anderem UÇK-Chef Thaçi zugerechnet. Die Gruppe habe in Fushë-Krujë die Organentnahmen und die anschließenden Morde organisiert und die Organe über den Flughafen der nahe gelegenen albanischen Hauptstadt Tirana abgewickelt, ergibt sich aus dem Marty-Bericht. Ihr gehöre auch der Arzt Dr. Shaip Muja an, der seit mehr als einem Jahrzehnt unter anderem in Organhändler-Netzwerke verstrickt sei. Muja ist heute enger Mitarbeiter von Premierminister Thaçi.[3]
Sowohl Thaçi als auch Muja kooperieren spätestens seit 1999 mit den NATO-Staaten. Muja war im Frühjahr 1999 als Chef der UÇK-Logistik in Tirana tätig; über ihn konnte man damals in deutschen Medien erfahren, in seinem "eleganten, dunklen Anzug" wirke er "ausgesprochen zivil", er wolle nichts anderes, als im Kosovo den "westlichen Werten" Geltung zu verschaffen und ein "Teil des Westens" zu werden.[4] Thaçi arbeitete nicht nur während des NATO-Angriffs auf Jugoslawien mit den westlichen Kriegsmächten eng zusammen, er bereitete auch seine politische Karriere mit einem Besuch in Berlin vor. Anfang 2006 hielt er sich zu Verhandlungen in der deutschen Hauptstadt auf, unter anderem im Auswärtigen Amt. Eingeladen hatte ihn die Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD). 2007 wurde er zum Premierminister des Kosovo gewählt. Erst letzten Sonntag fanden im Kosovo erneut Wahlen statt, die Thaçis Partei gewonnen haben will. Beobachter verweisen darauf, dass einzelne Wahllokale Wahlbeteiligungen von bis zu 149 Prozent verzeichneten. Treffen Martys Recherchen zu, handelt es sich bei solchen Merkwürdigkeiten jedoch um lächerliche Randerscheinungen.
Über Thaçi kann sich Berlin nicht im Unklaren sein. Bereits im Jahr 2005 wurden Auszüge aus einem Bericht des Bundesnachrichtendienstes bekannt, in dem es hieß, über "Key-Player" wie ihn bestünden "engste Verflechtungen zwischen Politik, Wirtschaft und international operierenden OK-Strukturen im Kosovo". Die "dahinter stehenden Netzwerke" hätten keinerlei "Interesse am Aufbau einer funktionierenden staatlichen Ordnung, durch die ihre florierenden Geschäfte beeinträchtigt werden können."[5] Zwei Jahre später bestätigte eine im Auftrag der Bundeswehr verfasste Analyse diesen Befund.[6] Dass ein "Key-Player", dessen "Netzwerken" kein "Interesse am Aufbau einer funktionierenden staatlichen Ordnung" nachgesagt wird, auch im Amt des Premierministers von der Bundesrepublik Deutschland unterstützt wird, entbehrt nicht eines gewissen Zynismus: Schließlich gehört Berlin zu den tonangebenden Mächten unter den westlichen Besatzern des Kosovo, die vorgeben, dort staatliche Strukturen aufbauen zu wollen. Zuletzt hat die Bundesregierung dem Kosovo vor zwei Jahren umfangreichere Hilfe versprochen; zugesagt wurden 100 Millionen Euro. Der Nutzen der Finanztransfers bleibt im Dunkel: Die Arbeitslosigkeit im Kosovo ist mit offiziell 45 Prozent die höchste in ganz Europa, fast zwei Fünftel der Bevölkerung leben laut Angaben der Weltbank bis heute in Armut. Selbst das Bundesentwicklungsministerium gibt an, im Kosovo sei "wirtschaftlicher Aufschwung (...) noch nicht zu verzeichnen".[7]
Weitere Informationen zur deutschen Kosovo-Politik finden Sie hier: Aufs engste verflochten, Politische Freundschaften, Heldenfigur, "Danke, Deutschland!", Unter deutscher Aufsicht, Organhandel,Willkür an der Macht, Nach NATO-Standards, Der Zauberlehrling, Die Mafia als Staat, Keine Kompromisse, Im dritten Anlauf (I), Die Mafia als Staat (II) und Eine Erfolgsgeschichte.
Von Werner Pirker
junge Welt, 16.12.2010, www.jungewelt.de
Organisiertes Verbrechen - Thaci mittendrin
Dass der einstige Rebellenführer Thaci Kontakte zum organisierten Verbrechen unterhält und diese auch nach seinem Eintritt in die hohe Politik und Diplomatie nie wirklich aufgegeben hat, steht für viele Beobachter im Kosovo völlig außer Frage - auch wenn er nach außen den freundlichen Staatsmann gibt, der sich für gute Beziehungen mit jedermann einsetzt.
Dick Marty, der Berichterstatter des Europarates, wirft der internationalen Gemeinschaft vor, im Wunsch nach der Schaffung von Stabilität im Kosovo die Augen vor dem kriminellen Hintergrund einiger Politiker zu verschließen - insbesondere offenbar beim Premierminister. Als im Kosovo noch serbische Gerichte das Sagen hatten, 1998, wurde Thaci wegen Terrorismus und der Beteiligung an mehreren Morden in Abwesenheit zu zehn Jahren Haft verurteilt. Aus serbischer Sicht ist er also auf jeden Fall ein Verbrecher.
Serbien und Kosovo vor schwierigen Verhandlungen
Was alle anderen Vorwürfe betrifft, mangelte es in der Vergangenheit noch stets an Zeugen und an Beweisen. Dennoch ist der Flurschaden für die aktuelle Politik schon jetzt groß: Serbien und Kosovo sollen schon bald Verhandlungen über technische Fragen beginnen. Dazu zählt auch das Schicksal der Vermissten. Wie soll das gehen, wenn der Premier auf der einen Seite angeklagt ist, für die Vermissten selbst verantwortlich zu sein.
Die Anschuldigungen kommen für Thaci außerdem zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt. Zwar ging seine Demokratische Partei PDK aus der Parlamentswahl am Sonntag wieder als stärkste politische Kraft hervor, aber die Manipulationen durch Doppelwähler und Stimmenkauf ausgerechnet in Thacis Heimatwahlkreis Skenderaj waren einfach zu offensichtlich. Jetzt steht er gleich doppelt in schlechtem Licht da - als mutmaßlicher Mafiaboss und Wahlbetrüger.
Für EU und USA dürfte der Fall Thaci eigentlich nicht neu sein
Allerdings ist wahrscheinlicher, dass Thaci eine Anwaltskanzlei mit besten Kontakten zu deutschen Politikern und zu Albanerclans beauftragt, als dass er Marty enden lässt wie die serbischen Kriegsgefangenen und Zivilisten, die man zum Zwecke des Organverkaufs wie Schlachtvieh tötete und ausnahm, was der ehemalige Staatsanwalt in seinem Bericht jetzt offiziell bestätigte.
Einer der Köpfe, die die Verbrechen zu verantworten haben, ist dem Berichtsentwurf nach der Ministerpräsident des Kosovo, der sich vor wenigen Tagen zum Sieger der am 12. Dezember abgehaltenen Parlamentswahl erklärte.
Dem offiziellen Wahlergebnis (6) nach siegte Thacis "Demokratische Partei" PDK mit etwa 36 Prozent der Stimmen. Die bisher mit ihr koalierende "Demokratische Liga" (LDK) kam danach auf knapp 24, die extremnationalistische Großalbanienpartei Vetëvendosje (7) auf über 12, die "Allianz für die Zukunft des Kosovo" (AAK) des in Den Haag als Kriegsverbrecher angeklagten (8) Ramush Haradinaj (9) auf ungefähr 11 und die vom Oligarchen Behgjet Pacolli geführte "Allianz für ein neues Kosovo" (AKR) auf sieben Prozent. Alle diese Parteien sind mehr oder weniger eng mit dem Organisierten Verbrechen verbunden, weshalb ein hochrangiger BND-Mitarbeiter 2008 (10) von "Organisierter Kriminalität als Staatsform" sprach.
Eine für das deutsche Verteidigungsministerium angefertigt und als "Verschlusssache" eingestufte Studie des Instituts für Europäische Politik (IEP) (11) kam bereits Anfang 2007 zu dem Schluss, dass das Kosovo "fest in der Hand der Organisierten Kriminalität" ist, die "weitgehende Kontrolle über den Regierungsapparat" hat. Dieser Studie zufolge gilt Thaci in Sicherheitskreisen als "noch wesentlich gefährlicher als Haradinaj", da der einstige UCK-Chef auf internationaler Ebene über weiter reichende kriminelle Netzwerke verfügt". Die Studie führt aus, wie "parallel zum öffentlichen Ordnungswesen" die "Dominanz des clanbasierten und auf den Grundprinzipien patriarchaler Altersautorität fußenden Herrschaftssystems" wuchs, während der NATO-Angriffe einen "exponentiellen Machtzuwachs erfuhr, und nach dem Zusammenbruch der jugoslawischen Ordnung zur alleinigen gesellschaftlichen Autorität im Kosovo avancierte." Anschließend kam es zur Herausbildung von clangesteuerten politkriminellen Netzwerken, die seither maßgeblich die ökonomischen Geschicke des Kosovo kontrollieren und konkurrierende legal aufwachsende Strukturen notfalls mit Waffengewalt eliminieren [...] Unter dem Deckmantel der Etablierung politischer Parteien verfestigten rivalisierende Clans [ihre] Machtstrukturen und konnten in Folge mehrerer Wahlen sowie aufgrund der politischen Anerkennung seitens internationaler Institutionen wie UNMIK und KFOR eine bislang unübertroffene Machtfülle erlangen.
Zu ähnlichen Einschätzungen kommt auch der gestern offiziell vorgestellte Berichtsentwurf, der sich unter anderem auf Augenzeugenberichte und polizeiliche Erkenntnisse aus fünf Ländern stützt. Eine relativ neue Erkenntnis aus den zweijährigen Ermittlungen des Sonderermittlers ist lediglich, dass der Organhandel bis heute andauert.
In der Schweiz, dem Heimatland Martys, überlegt (12) man nach der Veröffentlichung des Berichtsentwurfs, die diplomatische Anerkennung des Kosovo rückgängig zu machen. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sieht dagegen keinen Anlass zum Handeln. Auch strafrechtliche Ermittlungen, wie sie der Europarat fordert (13), plant man weder in Brüssel noch im Kosovo, dessen Justizsystem Norbert Mappes-Niediek 2002 wie folgt (14) beschrieb: "Wenn Kriminalität überhaupt bekämpft wird, dann von der jeweils gegnerischen Bande, die sich gerade die Kontrolle über die Staatsorgane gesichert hat".
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Links
(1) http://www.dickmarty.ch/
(2) http://www.coe.int/T/D/Kommunikation_und_politische_Forschung/Presse_und_Online_Info/Presseinfos/2006/20060607-329-PV-Marty.asp
(3) http://assembly.coe.int/ASP/APFeaturesManager/defaultArtSiteView.asp?ID=964
(4) mms://coenews.coe.int/vod/20101216_01_w.wmv
(5) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27883/1.html
(6) http://www.kqz-ks.org/SKQZ-WEB/al/zgjedhjetekosoves/materiale/rezultatet/rezultatetfinaleperkuvendtekosoves.pdf
(7) http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/?artikelID=20060705
(8) http://www.icty.org/cases/party/698/4
(9) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24748/1.html
(10) http://www.welt.de/politik/article2803781/Der-BND-in-den-Untiefen-des-Kosovo.html
(11) http://www.iep-berlin.de/
(12) http://www.tagesschau.sf.tv/Nachrichten/Archiv/2010/12/15/Schweiz/Schweizer-Politiker-stellen-Anerkennung-des-Kosovo-in-Frage
(13) https://wcd.coe.int/wcd/ViewDoc.jsp?Ref=PR971%282010%29&Language=lanGerman&Ver=original&Site=DC&BackColorInternet=F5CA75&BackColorIntranet=F5CA75&BackColorLogged=A9BACE
(14) http://www.zeit.de/2002/46/Der_Geschmack_von_Freiheit_und_Anarchie
Telepolis Artikel-URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33867/1.html
Copyright © Heise Zeitschriften Verlag
Von Vesna Peric Zomonjic (IPS), Belgrad und Cathrin Schütz
- "Heikle Aussagen" von Carla del Ponte (K.Trümpy, ICDSM Schweiz, 8.4.2008)
Siehe auch: "Mafia-Vorwürfe gegen Hashim Thaci"
=== 1 ===
Teil des Westens geworden
16.12.2010
Organhandel
Medicus
Die "Drenica-Gruppe"
Westliche Werte
"Kein Interesse an staatlicher Ordnung"
Hashim Thaci von Schweiz aufgepäppelt
15 Dezember 2010
Hashim Thaci wurde in der 90er-Jahren in der Schweiz von Serben-Hassern und sonstigen Ignoranten hingebungsvoll aufgepäppelt. Heute wurde nun bekannt, dass Thaci, vor einer Woche als Präsident des Kosovo wiedergewählt, in schwerste Verbrechen und mafiöse Machenschaften verwickelt war und dies weiterhin ist. Jedem einigermassen Wissbegierigen (Internet!) ist dies längst bekannt.
Im Sommer 1999, nach dem Ende der NATO-Aggression gegen Serbien-Montenegro, wurde Thaci von Joseph Deiss, unserem damaligen Aussenminister, feierlich empfangen. Heute ist Deiss Präsidenten der UNO-Generalversammlung. Jean Ziegler, sonst ein fortschrittlicher Geselle, nimmt bezüglich Jugoslawien eine eindeutig NATO nahe Position ein. Von 2000 bis 2008 war er UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. Heute sitzt er im Beratenden Ausschuss des UN-Menschenrechtsrats. Beide Politiker haben anscheinend den Wink aus den USA verstanden und sich entsprechend eingerichtet. Eine weitere Politikerin, die in diesem Sinne den USA sehr verständnisvoll gegenüber steht, ist unsere aktuell amtierende Aussenministerin Micheline Calmy-Rey. Als Vertreterin der neutralen Schweiz legte sie sich besonders vehement für die Abspaltung des Kosovo von Serbien ins Zeug. Mit welchem Posten sie später belohnt wird, weiss man noch nicht. Nicht vergessen sollte man Carla del Ponte, ihres Zeichens willige Vollstreckerin der NATO-Befehle am sogenannten Jugoslawien-Tribunal in Den Haag. Heute schiebt sie in Argentinien als Botschafterin eine ruhige Kugel.
Eine ehrbare Ausnahme und Retter der Ehre der Schweiz ist Dick Marty. Seine zukünftige Karriere, er ist seit 1998 Abgeordneter des Europarats, sehe ich weniger rosig. 2005 wurde Marty beauftragt, die Untersuchungen zu den vermuteten geheimen Gefangenentransporten und Gefangenenlagern in Europa zu leiten. Im Bericht des Tessiner FDP-Ständerats Dick Marty zuhanden des Europarats werden nun die Vorwürfe gegen Thaci publik gemacht.
Kaspar Trümpy, ICDSM Schweiz
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http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2010/1216/meinung/0096/index.html
Ein Verbrecher, aber unser Verbrecher
Norbert Mappes-Niediek
Was für ein Zufall: Kaum ist die Wahl im Kosovo vorbei, da holt die Vergangenheit den Sieger Hashim Thaci ein: Er soll in den Handel mit Organen gefangener Serben verwickelt gewesen sein. Ein paar Tage eher, und dieser Vorwurf hätte das politische Ende für den Mann samt seiner Leute bedeutet. Nun aber darf er weiter als Premier regieren. Die jetzt erhobenen Anschuldigungen des Europarat-Sonderberichterstatters Dick Marty müssen Thaci keineswegs den Kopf kosten. Eine kriminalistische Untersuchung ersetzt der Bericht nicht.
Über Thaci kursieren seit mehr als zehn Jahren die schlimmsten Gerüchte. Ein Bericht des BND präsentiert ihn als "Kopf der Mafia". In zehn Jahren hat niemand die Vorwürfe gegen Thaci gründlich untersucht, weder die Uno noch Brüssel, obwohl die juristischen Mittel gegeben waren.
Hinter dem Timing stehen die heimlichen Herren im Kosovo: die westlichen Botschafter. Sie wollen die fragwürdigen Figuren an der Staatsspitze zwar nicht loswerden, aber in Schach halten. Gefällige, erpressbare Figuren heranzuzüchten, ist allemal leichter, als funktionierende Institutionen aufzubauen. Für das Kosovo und ganz Südosteuropa sollte eigentlich ein demokratisches Muster zur Anwendung kommen. Dessen Risiken aber scheuen die Westmächte im Kosovo. Aber erst wenn die Bandenchefs den internationalen Rückhalt verlieren, haben die Kosovaren wirklich die Chance, ihre Quälgeister loszuwerden.
Norbert Mappes-Niediek
Was für ein Zufall: Kaum ist die Wahl im Kosovo vorbei, da holt die Vergangenheit den Sieger Hashim Thaci ein: Er soll in den Handel mit Organen gefangener Serben verwickelt gewesen sein. Ein paar Tage eher, und dieser Vorwurf hätte das politische Ende für den Mann samt seiner Leute bedeutet. Nun aber darf er weiter als Premier regieren. Die jetzt erhobenen Anschuldigungen des Europarat-Sonderberichterstatters Dick Marty müssen Thaci keineswegs den Kopf kosten. Eine kriminalistische Untersuchung ersetzt der Bericht nicht.
Über Thaci kursieren seit mehr als zehn Jahren die schlimmsten Gerüchte. Ein Bericht des BND präsentiert ihn als "Kopf der Mafia". In zehn Jahren hat niemand die Vorwürfe gegen Thaci gründlich untersucht, weder die Uno noch Brüssel, obwohl die juristischen Mittel gegeben waren.
Hinter dem Timing stehen die heimlichen Herren im Kosovo: die westlichen Botschafter. Sie wollen die fragwürdigen Figuren an der Staatsspitze zwar nicht loswerden, aber in Schach halten. Gefällige, erpressbare Figuren heranzuzüchten, ist allemal leichter, als funktionierende Institutionen aufzubauen. Für das Kosovo und ganz Südosteuropa sollte eigentlich ein demokratisches Muster zur Anwendung kommen. Dessen Risiken aber scheuen die Westmächte im Kosovo. Aber erst wenn die Bandenchefs den internationalen Rückhalt verlieren, haben die Kosovaren wirklich die Chance, ihre Quälgeister loszuwerden.
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Mafiastaat
Thaci ein gemeiner Verbrecher?
Von Werner Pirker
junge Welt, 16.12.2010, www.jungewelt.de
Die selbsternannte Republik Kosovo ist ein Mafiastaat. Das wissen nicht nur die Gegner dieses illegalen Gebildes, sondern auch dessen Befürworter. Daß die organisierte Kriminalität die Staatsmacht am Amselfeld ausübt, ist eine kaum noch bestrittene Tatsache. Daß die aus den UCK-Strukturen hervorgegangenen Gangsterbanden vor keinem noch so scheußlichen Verbrechen zurückschrecken, hat sich ebenfalls schon herumgesprochen. Daß auch der Organhandel in den Geschäftsbereich der Unabhängigkeitspaten fällt, war schon seit langem vermutet worden. Nun hat der Schweizer Europaratsabgeordnete Dick Marty einen Bericht vorgelegt, in dem der kosovo-albanische Premier Hashim Thaci und weitere frühere UCK-Feldkommandeure beschuldigt werden, am Handel mit Organen serbischer Gefangener sowie an Auftragsmorden und anderen Verbrechen beteiligt gewesen zu sein.
Welch eine Republik da heranwächst, war bereits unmittelbar nach dem NATO-Bombenkrieg gegen Jugoslawien zu erkennen gewesen, als die UCK den Abzug der serbischen Sicherheitskräfte dazu nutzte, wüste Pogrome gegen Serben und andere ethnische Minderheiten zu entfesseln. Zehntausende wurden drangsaliert und vertrieben, viele ermordet. Das Albanisierungsprogramm beinhaltete auch die Zerstörung unzähliger serbischer Kulturdenkmäler. Die KFOR-Truppen, die ihre Aufgabe wohl in der Verhinderung eines »serbischen Völkermordes an den Albanern« sahen, beobachteten dann auch entsprechend entspannt das mörderische Treiben der albanischen Mehrheitsbevölkerung gegen die Minderheiten.
Hashim Thaci, der brutale Boß des Drenica-Clans, und nicht der urbane Schöngeist Ibrahim Rugova war in Rambouillet von der antiserbischen Kriegsallianz zum Chefalbaner ausersehen worden. Vom bewaffneten Dorflumpen zum Staatsmann. Ein Bandit ist Thaci indes immer geblieben.
Daß sich im zurückgebliebensten Winkel des Balkans der Kampf um die Neuverteilung des Eigentums auf wenig zivilisierte Weise abspielen würde, war vorhersehbar. Auch daß die Clanstrukturen sich zu Ma fiastrukturen auswachsen würde. Hashim Thaci wird von Marty, einem früheren Staatsanwalt, als Chef einer »kleinen, aber unvorstellbar mächtigen Gruppe von UCK-Mitgliedern« bezeichnet, die seit 1998 die organisierte Kriminalität unter ihre Kontrolle gebracht habe. Die Hauptantriebskraft des bewaffneten Sezessionskampfes der Kosovo-Albaner war somit die kriminelle Energie. Es ging um die Aneignung des verselbständigten Gesellschaftseigentums. Hinter schwülstiger nationalistischer Romantik verbirgt sich nackter, in jeder Hinsicht krimineller Eigennutz. Das war der Grund, warum Thaci und Kumpane zu keiner anderen Lösung als der vollständigen Unabhängigkeit von Serbien bereit waren, obwohl der Kosovo-Bevölkerung von Belgrad ein äußerst großzügiges Autonomieangebot gemacht wurde. Das wiederum war der Grund, warum die Aggressionsgemeinschaft auf die Thacis setzte. Mit denen aber immer weniger Staat zu machen ist.
Welch eine Republik da heranwächst, war bereits unmittelbar nach dem NATO-Bombenkrieg gegen Jugoslawien zu erkennen gewesen, als die UCK den Abzug der serbischen Sicherheitskräfte dazu nutzte, wüste Pogrome gegen Serben und andere ethnische Minderheiten zu entfesseln. Zehntausende wurden drangsaliert und vertrieben, viele ermordet. Das Albanisierungsprogramm beinhaltete auch die Zerstörung unzähliger serbischer Kulturdenkmäler. Die KFOR-Truppen, die ihre Aufgabe wohl in der Verhinderung eines »serbischen Völkermordes an den Albanern« sahen, beobachteten dann auch entsprechend entspannt das mörderische Treiben der albanischen Mehrheitsbevölkerung gegen die Minderheiten.
Hashim Thaci, der brutale Boß des Drenica-Clans, und nicht der urbane Schöngeist Ibrahim Rugova war in Rambouillet von der antiserbischen Kriegsallianz zum Chefalbaner ausersehen worden. Vom bewaffneten Dorflumpen zum Staatsmann. Ein Bandit ist Thaci indes immer geblieben.
Daß sich im zurückgebliebensten Winkel des Balkans der Kampf um die Neuverteilung des Eigentums auf wenig zivilisierte Weise abspielen würde, war vorhersehbar. Auch daß die Clanstrukturen sich zu Ma fiastrukturen auswachsen würde. Hashim Thaci wird von Marty, einem früheren Staatsanwalt, als Chef einer »kleinen, aber unvorstellbar mächtigen Gruppe von UCK-Mitgliedern« bezeichnet, die seit 1998 die organisierte Kriminalität unter ihre Kontrolle gebracht habe. Die Hauptantriebskraft des bewaffneten Sezessionskampfes der Kosovo-Albaner war somit die kriminelle Energie. Es ging um die Aneignung des verselbständigten Gesellschaftseigentums. Hinter schwülstiger nationalistischer Romantik verbirgt sich nackter, in jeder Hinsicht krimineller Eigennutz. Das war der Grund, warum Thaci und Kumpane zu keiner anderen Lösung als der vollständigen Unabhängigkeit von Serbien bereit waren, obwohl der Kosovo-Bevölkerung von Belgrad ein äußerst großzügiges Autonomieangebot gemacht wurde. Das wiederum war der Grund, warum die Aggressionsgemeinschaft auf die Thacis setzte. Mit denen aber immer weniger Staat zu machen ist.
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Marty-Bericht im Rechtsausschuss des Europarats
Kosovos Premier - Mafiaboss und Wahlbetrüger?
Organhandel, Auftragsmorde, Folter - für all diese Verbrechen soll der jüngst gewählte kosovarische Ministerpräsident Thaci verantwortlich sein, als er Ende der 90er-Jahre die Rebellenarmee UCK anführte. Der Europaratsabgeordnete Marty erhebt in seinem Bericht schwerste Vorwürfe, mit denen sich heute der Rechtsausschuss des Europarats befasst.
Von Jörg Paas, BR-Hörfunkstudio Wien
Ein schlichtes Wohngebäude mit gelbem Anstrich irgendwo in Nordalbanien, in Medienberichten gelegentlich das "Gelbe Haus" genannt: Hier soll es vor mehr als zehn Jahren zu unvorstellbaren Gräueltaten der kosovarischen Rebellenarmee UCK gekommen sein. Gefangene wurden angeblich getötet, den Leichen Organe entnommen und diese dann auf dem Schwarzmarkt verkauft. Verantwortlich für all dies soll, wie der Schweizer Europaratsabgeordnete Dick Marty schreibt, der damalige Rebellenführer und heutige Premier des Kosovo, Hashim Thaci, sein.
Organhandel, Auftragsmorde, Folter - für all diese Verbrechen soll der jüngst gewählte kosovarische Ministerpräsident Thaci verantwortlich sein, als er Ende der 90er-Jahre die Rebellenarmee UCK anführte. Der Europaratsabgeordnete Marty erhebt in seinem Bericht schwerste Vorwürfe, mit denen sich heute der Rechtsausschuss des Europarats befasst.
Von Jörg Paas, BR-Hörfunkstudio Wien
Ein schlichtes Wohngebäude mit gelbem Anstrich irgendwo in Nordalbanien, in Medienberichten gelegentlich das "Gelbe Haus" genannt: Hier soll es vor mehr als zehn Jahren zu unvorstellbaren Gräueltaten der kosovarischen Rebellenarmee UCK gekommen sein. Gefangene wurden angeblich getötet, den Leichen Organe entnommen und diese dann auf dem Schwarzmarkt verkauft. Verantwortlich für all dies soll, wie der Schweizer Europaratsabgeordnete Dick Marty schreibt, der damalige Rebellenführer und heutige Premier des Kosovo, Hashim Thaci, sein.
"Glauben Sie nicht solche Dummheiten!"
Die Anschuldigungen sind nicht neu - weder was den Sachverhalt noch was die Person betrifft. Immer wieder taucht das "Gelbe Haus" in den Medien auf, Politiker werden danach gefragt. Im März zum Beispiel der damalige französische Außenminister Bernard Kouchner. Zur fraglichen Zeit Ende der 90er-Jahre war er Sondergesandter der Vereinten Nationen im Kosovo. "Herr Minister, was wissen Sie über das 'Gelbe Haus' und über Organhandel?" Seine Antwort - lautes Gelächter: "Was? Organhandel? Sind Sie krank, Monsieur? Glauben Sie nicht solche Dummheiten!"
Die Anschuldigungen sind nicht neu - weder was den Sachverhalt noch was die Person betrifft. Immer wieder taucht das "Gelbe Haus" in den Medien auf, Politiker werden danach gefragt. Im März zum Beispiel der damalige französische Außenminister Bernard Kouchner. Zur fraglichen Zeit Ende der 90er-Jahre war er Sondergesandter der Vereinten Nationen im Kosovo. "Herr Minister, was wissen Sie über das 'Gelbe Haus' und über Organhandel?" Seine Antwort - lautes Gelächter: "Was? Organhandel? Sind Sie krank, Monsieur? Glauben Sie nicht solche Dummheiten!"
Tatsächlich ist schwer vorstellbar, dass ausgerechnet im unterentwickelten Norden Albaniens medizinisch höchst aufwendige Organentnahmen stattgefunden haben könnten. Aber wer weiß? Im Kosovo sind die Lebensbedingungen kaum besser, und dort ist vor kurzem eine private Klinik unter dem Vorwurf des Organhandels geschlossen worden.
Organisiertes Verbrechen - Thaci mittendrin
Dass der einstige Rebellenführer Thaci Kontakte zum organisierten Verbrechen unterhält und diese auch nach seinem Eintritt in die hohe Politik und Diplomatie nie wirklich aufgegeben hat, steht für viele Beobachter im Kosovo völlig außer Frage - auch wenn er nach außen den freundlichen Staatsmann gibt, der sich für gute Beziehungen mit jedermann einsetzt.
Dick Marty, der Berichterstatter des Europarates, wirft der internationalen Gemeinschaft vor, im Wunsch nach der Schaffung von Stabilität im Kosovo die Augen vor dem kriminellen Hintergrund einiger Politiker zu verschließen - insbesondere offenbar beim Premierminister. Als im Kosovo noch serbische Gerichte das Sagen hatten, 1998, wurde Thaci wegen Terrorismus und der Beteiligung an mehreren Morden in Abwesenheit zu zehn Jahren Haft verurteilt. Aus serbischer Sicht ist er also auf jeden Fall ein Verbrecher.
Serbien und Kosovo vor schwierigen Verhandlungen
Was alle anderen Vorwürfe betrifft, mangelte es in der Vergangenheit noch stets an Zeugen und an Beweisen. Dennoch ist der Flurschaden für die aktuelle Politik schon jetzt groß: Serbien und Kosovo sollen schon bald Verhandlungen über technische Fragen beginnen. Dazu zählt auch das Schicksal der Vermissten. Wie soll das gehen, wenn der Premier auf der einen Seite angeklagt ist, für die Vermissten selbst verantwortlich zu sein.
Die Anschuldigungen kommen für Thaci außerdem zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt. Zwar ging seine Demokratische Partei PDK aus der Parlamentswahl am Sonntag wieder als stärkste politische Kraft hervor, aber die Manipulationen durch Doppelwähler und Stimmenkauf ausgerechnet in Thacis Heimatwahlkreis Skenderaj waren einfach zu offensichtlich. Jetzt steht er gleich doppelt in schlechtem Licht da - als mutmaßlicher Mafiaboss und Wahlbetrüger.
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Korruption, Erpressung und Organhandel
Für EU und USA dürfte der Fall Thaci eigentlich nicht neu sein
Andreas Förster
BERLIN. Ist der wiedergewählte kosovarische Ministerpräsident Hashim Thaci
Kopf einer Mafia-Bande, die an Morden, illegalem Organhandel und anderen
schweren Verbrechen beteiligt ist? Auf entsprechende Vorwürfe, die in einem
jetzt vorgelegten Bericht des Europarats zusammengefasst sind, haben
EU-Politiker und die US-Regierung verwundert reagiert. Dabei müssten sie
angesichts der seit Jahren von westlichen Geheimdiensten und Denkfabriken
angefertigten Berichte über die Verquickung von Politik und Organisierter
Kriminalität im Kosovo doch bestens im Bilde sein.
Der Schweizer Jurist Dick Marty hatte in der vergangenen Woche einen im
Auftrag des Europarats verfassten Bericht veröffentlicht, in dem er Thaci
und andere Führer der kosovarischen Befreiungsarmee UCK beschuldigt, in den
Jahren 1998 bis 2000 am Handel mit Organen serbischer Gefangener beteiligt
gewesen zu sein. Am Samstag kündigte Serbien an, Thaci wegen der Vorwürfe
nicht anklagen zu wollen. Er selbst weist die Anschuldigungen zurück.
Nichts wirklich Neues: Schon ein im Jahr 2007 vom Institut für europäische
Politik (IEP) verfasster Report über die Sicherheitslage im westlichen
Balkan etwa kommt zu dem Schluss, dass besonders im Kosovo engste
Verbindungen zwischen führenden politischen Entscheidungsträgern und den
dominierenden kriminellen Clans der Provinz existieren, die nahezu alle
wesentlichen gesellschaftlichen Schlüsselpositionen besetzt halten.
Ausdrücklich erwähnt wird hier neben zwei anderen Spitzenpolitikern auch
Thaci, der "auf internationaler Ebene über weit reichende kriminelle
Netzwerke verfügt".
Das in Berlin ansässige und von der Europäischen Kommission mitfinanzierte
IEP hatte für seinen von der Bundeswehr in Auftrag gegebenen Bericht 70
deutsche und internationale Balkan-Experten, EU-Beamte, Angehörige von
Polizei, Nachrichtendiensten und Streitkräften sowie politische
Entscheidungsträger befragt. Aus deren Aussagen ergibt sich im IEP-Bericht
ein niederschmetterndes Bild der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und
politischen Situation des Kosovo: Das multiethnische Gesellschaftsmodell sei
gescheitert, es herrsche ein "enorme Armutsdimension", der Justizbereich
gelte als hoch korrupt. Eine nachhaltige Wirtschaftsbelebung des zerrütteten
Landes sei unrealistisch, weil ausländische Investoren abgeschreckt werden
von "der grassierenden Korruption, der teilweise offenen
Schutzgelderpressung sowie der breiten Übernahme staatlicher
Kontrollfunktionen seitens krimineller Akteure", heißt es im IEP-Bericht.
Hinzu käme, das international verflochtene Gruppen der Organisierten
Kriminalität (OK) vom Kosovo aus ihre Aktivitäten in ganz Westeuropa
steuern.
Die Studie zitiert eine Untersuchung des Europarats, wonach
"kosovo-albanische OK-Elemente ... die überwiegend in den Bereichen
Drogenschmuggel, Menschenhandel und Geldwäsche aktiv (sind), eine
'ernsthafte Bedrohung für die EU' darstellen". Nach seriösen Schätzungen
belaufe sich der Umsatz der kosovarischen OK-Gruppen auf 1,5 Millionen Euro
pro Tag, was aufs Jahr gerechnet einem Viertel des durch internationale
Gebertransfers künstlich hochgehaltenen Bruttosozialproduktes des Landes
entspreche. Unter den Augen der internationalen Gemeinschaft hätten sich so
aus früheren UCK-Strukturen Multi-Millionen-Euro-Organisationen entwickeln
können, die sowohl über Guerilla-Erfahrung als auch über
Geheimdienstexpertise verfügen, so das bittere Fazit.
BERLIN. Ist der wiedergewählte kosovarische Ministerpräsident Hashim Thaci
Kopf einer Mafia-Bande, die an Morden, illegalem Organhandel und anderen
schweren Verbrechen beteiligt ist? Auf entsprechende Vorwürfe, die in einem
jetzt vorgelegten Bericht des Europarats zusammengefasst sind, haben
EU-Politiker und die US-Regierung verwundert reagiert. Dabei müssten sie
angesichts der seit Jahren von westlichen Geheimdiensten und Denkfabriken
angefertigten Berichte über die Verquickung von Politik und Organisierter
Kriminalität im Kosovo doch bestens im Bilde sein.
Der Schweizer Jurist Dick Marty hatte in der vergangenen Woche einen im
Auftrag des Europarats verfassten Bericht veröffentlicht, in dem er Thaci
und andere Führer der kosovarischen Befreiungsarmee UCK beschuldigt, in den
Jahren 1998 bis 2000 am Handel mit Organen serbischer Gefangener beteiligt
gewesen zu sein. Am Samstag kündigte Serbien an, Thaci wegen der Vorwürfe
nicht anklagen zu wollen. Er selbst weist die Anschuldigungen zurück.
Nichts wirklich Neues: Schon ein im Jahr 2007 vom Institut für europäische
Politik (IEP) verfasster Report über die Sicherheitslage im westlichen
Balkan etwa kommt zu dem Schluss, dass besonders im Kosovo engste
Verbindungen zwischen führenden politischen Entscheidungsträgern und den
dominierenden kriminellen Clans der Provinz existieren, die nahezu alle
wesentlichen gesellschaftlichen Schlüsselpositionen besetzt halten.
Ausdrücklich erwähnt wird hier neben zwei anderen Spitzenpolitikern auch
Thaci, der "auf internationaler Ebene über weit reichende kriminelle
Netzwerke verfügt".
Das in Berlin ansässige und von der Europäischen Kommission mitfinanzierte
IEP hatte für seinen von der Bundeswehr in Auftrag gegebenen Bericht 70
deutsche und internationale Balkan-Experten, EU-Beamte, Angehörige von
Polizei, Nachrichtendiensten und Streitkräften sowie politische
Entscheidungsträger befragt. Aus deren Aussagen ergibt sich im IEP-Bericht
ein niederschmetterndes Bild der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und
politischen Situation des Kosovo: Das multiethnische Gesellschaftsmodell sei
gescheitert, es herrsche ein "enorme Armutsdimension", der Justizbereich
gelte als hoch korrupt. Eine nachhaltige Wirtschaftsbelebung des zerrütteten
Landes sei unrealistisch, weil ausländische Investoren abgeschreckt werden
von "der grassierenden Korruption, der teilweise offenen
Schutzgelderpressung sowie der breiten Übernahme staatlicher
Kontrollfunktionen seitens krimineller Akteure", heißt es im IEP-Bericht.
Hinzu käme, das international verflochtene Gruppen der Organisierten
Kriminalität (OK) vom Kosovo aus ihre Aktivitäten in ganz Westeuropa
steuern.
Die Studie zitiert eine Untersuchung des Europarats, wonach
"kosovo-albanische OK-Elemente ... die überwiegend in den Bereichen
Drogenschmuggel, Menschenhandel und Geldwäsche aktiv (sind), eine
'ernsthafte Bedrohung für die EU' darstellen". Nach seriösen Schätzungen
belaufe sich der Umsatz der kosovarischen OK-Gruppen auf 1,5 Millionen Euro
pro Tag, was aufs Jahr gerechnet einem Viertel des durch internationale
Gebertransfers künstlich hochgehaltenen Bruttosozialproduktes des Landes
entspreche. Unter den Augen der internationalen Gemeinschaft hätten sich so
aus früheren UCK-Strukturen Multi-Millionen-Euro-Organisationen entwickeln
können, die sowohl über Guerilla-Erfahrung als auch über
Geheimdienstexpertise verfügen, so das bittere Fazit.
=== 3 ===
Thaci-Partei droht Sonderermittler Dick Marty
Peter Mühlbauer 17.12.2010
Trotz der durch den Europarats-Bericht gefestigten Erkenntnisse zu Menschenschlachtungen, Organhandel und der Kontrolle des Kosovo durch das Organisierte Verbrechen weigert sich die EU-Außenbeauftragte, strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten
Das, was der Europarats-Sonderbeauftragte Dick Marty (1), der 2006 (2) mit einem bemerkenswerten Befund zu CIA-Geheimgefängnissen Aufsehen erregte hatte, gestern in einem Berichtsentwurf (3) zum Organhandel im Kosovo vorstellte (4), ist größtenteils nicht neu (5): Whistleblower, NGOs und kritische Medien berichteten seit Langem davon, dass in dem Gebiet mit völkerrechtlich umstrittenen Status das Organisierte Verbrechen herrscht. Neu ist, dass diese Erkenntnis nun auch von offizieller Stelle so formuliert wurde, dass sich die Partei des Ministerpräsidenten Hashim Thaci bemüßigt fühlte, zu drohen, man werde "alle möglichen und notwendigen Schritte" gegen die "Verleumdung" einleiten.
Peter Mühlbauer 17.12.2010
Trotz der durch den Europarats-Bericht gefestigten Erkenntnisse zu Menschenschlachtungen, Organhandel und der Kontrolle des Kosovo durch das Organisierte Verbrechen weigert sich die EU-Außenbeauftragte, strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten
Das, was der Europarats-Sonderbeauftragte Dick Marty (1), der 2006 (2) mit einem bemerkenswerten Befund zu CIA-Geheimgefängnissen Aufsehen erregte hatte, gestern in einem Berichtsentwurf (3) zum Organhandel im Kosovo vorstellte (4), ist größtenteils nicht neu (5): Whistleblower, NGOs und kritische Medien berichteten seit Langem davon, dass in dem Gebiet mit völkerrechtlich umstrittenen Status das Organisierte Verbrechen herrscht. Neu ist, dass diese Erkenntnis nun auch von offizieller Stelle so formuliert wurde, dass sich die Partei des Ministerpräsidenten Hashim Thaci bemüßigt fühlte, zu drohen, man werde "alle möglichen und notwendigen Schritte" gegen die "Verleumdung" einleiten.
Allerdings ist wahrscheinlicher, dass Thaci eine Anwaltskanzlei mit besten Kontakten zu deutschen Politikern und zu Albanerclans beauftragt, als dass er Marty enden lässt wie die serbischen Kriegsgefangenen und Zivilisten, die man zum Zwecke des Organverkaufs wie Schlachtvieh tötete und ausnahm, was der ehemalige Staatsanwalt in seinem Bericht jetzt offiziell bestätigte.
Einer der Köpfe, die die Verbrechen zu verantworten haben, ist dem Berichtsentwurf nach der Ministerpräsident des Kosovo, der sich vor wenigen Tagen zum Sieger der am 12. Dezember abgehaltenen Parlamentswahl erklärte.
Dem offiziellen Wahlergebnis (6) nach siegte Thacis "Demokratische Partei" PDK mit etwa 36 Prozent der Stimmen. Die bisher mit ihr koalierende "Demokratische Liga" (LDK) kam danach auf knapp 24, die extremnationalistische Großalbanienpartei Vetëvendosje (7) auf über 12, die "Allianz für die Zukunft des Kosovo" (AAK) des in Den Haag als Kriegsverbrecher angeklagten (8) Ramush Haradinaj (9) auf ungefähr 11 und die vom Oligarchen Behgjet Pacolli geführte "Allianz für ein neues Kosovo" (AKR) auf sieben Prozent. Alle diese Parteien sind mehr oder weniger eng mit dem Organisierten Verbrechen verbunden, weshalb ein hochrangiger BND-Mitarbeiter 2008 (10) von "Organisierter Kriminalität als Staatsform" sprach.
Eine für das deutsche Verteidigungsministerium angefertigt und als "Verschlusssache" eingestufte Studie des Instituts für Europäische Politik (IEP) (11) kam bereits Anfang 2007 zu dem Schluss, dass das Kosovo "fest in der Hand der Organisierten Kriminalität" ist, die "weitgehende Kontrolle über den Regierungsapparat" hat. Dieser Studie zufolge gilt Thaci in Sicherheitskreisen als "noch wesentlich gefährlicher als Haradinaj", da der einstige UCK-Chef auf internationaler Ebene über weiter reichende kriminelle Netzwerke verfügt". Die Studie führt aus, wie "parallel zum öffentlichen Ordnungswesen" die "Dominanz des clanbasierten und auf den Grundprinzipien patriarchaler Altersautorität fußenden Herrschaftssystems" wuchs, während der NATO-Angriffe einen "exponentiellen Machtzuwachs erfuhr, und nach dem Zusammenbruch der jugoslawischen Ordnung zur alleinigen gesellschaftlichen Autorität im Kosovo avancierte." Anschließend kam es zur Herausbildung von clangesteuerten politkriminellen Netzwerken, die seither maßgeblich die ökonomischen Geschicke des Kosovo kontrollieren und konkurrierende legal aufwachsende Strukturen notfalls mit Waffengewalt eliminieren [...] Unter dem Deckmantel der Etablierung politischer Parteien verfestigten rivalisierende Clans [ihre] Machtstrukturen und konnten in Folge mehrerer Wahlen sowie aufgrund der politischen Anerkennung seitens internationaler Institutionen wie UNMIK und KFOR eine bislang unübertroffene Machtfülle erlangen.
Zu ähnlichen Einschätzungen kommt auch der gestern offiziell vorgestellte Berichtsentwurf, der sich unter anderem auf Augenzeugenberichte und polizeiliche Erkenntnisse aus fünf Ländern stützt. Eine relativ neue Erkenntnis aus den zweijährigen Ermittlungen des Sonderermittlers ist lediglich, dass der Organhandel bis heute andauert.
In der Schweiz, dem Heimatland Martys, überlegt (12) man nach der Veröffentlichung des Berichtsentwurfs, die diplomatische Anerkennung des Kosovo rückgängig zu machen. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sieht dagegen keinen Anlass zum Handeln. Auch strafrechtliche Ermittlungen, wie sie der Europarat fordert (13), plant man weder in Brüssel noch im Kosovo, dessen Justizsystem Norbert Mappes-Niediek 2002 wie folgt (14) beschrieb: "Wenn Kriminalität überhaupt bekämpft wird, dann von der jeweils gegnerischen Bande, die sich gerade die Kontrolle über die Staatsorgane gesichert hat".
_____
Links
(1) http://www.dickmarty.ch/
(2) http://www.coe.int/T/D/Kommunikation_und_politische_Forschung/Presse_und_Online_Info/Presseinfos/2006/20060607-329-PV-Marty.asp
(3) http://assembly.coe.int/ASP/APFeaturesManager/defaultArtSiteView.asp?ID=964
(4) mms://coenews.coe.int/vod/20101216_01_w.wmv
(5) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27883/1.html
(6) http://www.kqz-ks.org/SKQZ-WEB/al/zgjedhjetekosoves/materiale/rezultatet/rezultatetfinaleperkuvendtekosoves.pdf
(7) http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/?artikelID=20060705
(8) http://www.icty.org/cases/party/698/4
(9) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24748/1.html
(10) http://www.welt.de/politik/article2803781/Der-BND-in-den-Untiefen-des-Kosovo.html
(11) http://www.iep-berlin.de/
(12) http://www.tagesschau.sf.tv/Nachrichten/Archiv/2010/12/15/Schweiz/Schweizer-Politiker-stellen-Anerkennung-des-Kosovo-in-Frage
(13) https://wcd.coe.int/wcd/ViewDoc.jsp?Ref=PR971%282010%29&Language=lanGerman&Ver=original&Site=DC&BackColorInternet=F5CA75&BackColorIntranet=F5CA75&BackColorLogged=A9BACE
(14) http://www.zeit.de/2002/46/Der_Geschmack_von_Freiheit_und_Anarchie
Telepolis Artikel-URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33867/1.html
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=== 4: FLASHBACK ===
Carla del Ponte verklagt
Von Vesna Peric Zomonjic (IPS), Belgrad und Cathrin Schütz
Junge Welt, 3.4.08
Die Geschichte klingt ungeheuerlich und empört seit Tagen die serbische Öffentlichkeit. Sie handelt von 300 jungen Serben und Roma, die im Sommer 1999, kurz nach dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien, mutmaßlich von der Terrororganisation UCK (Kosovo-Befreiungsarmee) aus dem Kosovo entführt und nach Burrell in Albanien verschleppt wurden. Dort wurden die jungen Männer ermordet, ihre Körper regelrecht ausgeweidet und die Organe über Händler nach Westeuropa verkauft.
»Wir prüfen die Angaben und leiten eine offizielle Untersuchung ein«, erklärte nun der für Kriegsverbrechen zuständige serbische Staatsanwalt Wladimir Vukcevic. Er reagierte damit auf Veröffentlichungen der unabhängigen serbischen Nachrichtenagentur Beta. Diese hatte entsprechende Passagen aus dem auf italienisch publizierten Buch »Die Jagd: Ich und die Kriegsverbrecher« zitiert und damit für einen öffentlichen Aufschrei gesorgt.
Die Buchautorin heißt Carla del Ponte, ehemals Chefanklägerin des Tribunals über Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) und jetzige Botschafterin der Schweiz in Argentinien. Sie berichtet davon, wie sie und ihr Team beim ICTY 2001 Informationen über den Tod der rund 300 Serben und Roma erhielten und ihnen auch nachgingen. Die Rede sei davon gewesen, daß man den Entführten in einem gelben Haus außerhalb der Ortschaft Burrell Organe entnommen habe. Das beschriebene, inzwischen weiß getünchte Haus sei 2003 ausfindig gemacht und untersucht worden. Entdeckt habe man Blutspuren und diverse benutzte medizinische Utensilien, darunter Mull, eine Spritze, zwei Infusionsbeutel und leere Flaschen, die einst unter anderem Mittel zur Muskelrelaxation enthalten hätten. »Wir beschlossen, daß die Beweise nicht ausreichen. Ohne Leichname oder andere belastbare Hinweise, die zu Verdächtigen hätten führen können, gab es für die Anklage keine Möglichkeit zu weiteren Untersuchungen«, schreibt Del Ponte.
Es sind diese Sätze, die Simo Spasic wütend machen. Spasic, Sprecher einer serbischen Vermißtenorganisation, erhob nun schwere Vorwürfe gegen Del Ponte. Er habe sie und ihr Team 2001 mehrfach getroffen und Beweise für die Verschleppung junger Kosovo-Serben und deren Ermordung in kosovo-albanischen Lagern vorgelegt. 2004 habe ihm das Büro der Chefanklägerin mitgeteilt, daß all die Menschen, nach denen er suche, tot seien. »So einfach war das«, kritisierte Spasic und kündigte eine Klage gegen Del Ponte an. Viele der Familien in seiner Organisation seien schockiert, weil Del Ponte erst heute mit ihrem Bericht über die Folter und Ermordung von Serben und den Organhandel an die Öffentlichkeit gegangen sei.
Del Ponte selbst nahm dazu jüngst in einem Interview der italienischen Tageszeitung La Stampa Stellung. Die Verfolgung von Kriegsverbrechen sei in der »modernen Welt« eine politische Angelegenheit, so Del Ponte. Deswegen sei es auch »kein Zufall«, daß das Buch erst herauskommt, nachdem der Kosovo seine Unabhängigkeit proklamiert hat.
In der Tat führt die Spur des Verbrechens in die kosovarische Hauptstadt Pristina. Dort regiert mit Hashim Thaci einer der ehemaligen UCK-Führer als Premierminister das seit Anfang März unabhängige Kosovo. Von ihm wird laut der Belgrader Zeitung The Press gesagt, daß er in der Vergangenheit höchstpersönlich kriminelle Geschäfte kontrolliert habe. Laut der russischen Zeitung Prawda »verdiente er Millionen von Dollar durch den Organhandel«.
»Wir prüfen die Angaben und leiten eine offizielle Untersuchung ein«, erklärte nun der für Kriegsverbrechen zuständige serbische Staatsanwalt Wladimir Vukcevic. Er reagierte damit auf Veröffentlichungen der unabhängigen serbischen Nachrichtenagentur Beta. Diese hatte entsprechende Passagen aus dem auf italienisch publizierten Buch »Die Jagd: Ich und die Kriegsverbrecher« zitiert und damit für einen öffentlichen Aufschrei gesorgt.
Die Buchautorin heißt Carla del Ponte, ehemals Chefanklägerin des Tribunals über Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) und jetzige Botschafterin der Schweiz in Argentinien. Sie berichtet davon, wie sie und ihr Team beim ICTY 2001 Informationen über den Tod der rund 300 Serben und Roma erhielten und ihnen auch nachgingen. Die Rede sei davon gewesen, daß man den Entführten in einem gelben Haus außerhalb der Ortschaft Burrell Organe entnommen habe. Das beschriebene, inzwischen weiß getünchte Haus sei 2003 ausfindig gemacht und untersucht worden. Entdeckt habe man Blutspuren und diverse benutzte medizinische Utensilien, darunter Mull, eine Spritze, zwei Infusionsbeutel und leere Flaschen, die einst unter anderem Mittel zur Muskelrelaxation enthalten hätten. »Wir beschlossen, daß die Beweise nicht ausreichen. Ohne Leichname oder andere belastbare Hinweise, die zu Verdächtigen hätten führen können, gab es für die Anklage keine Möglichkeit zu weiteren Untersuchungen«, schreibt Del Ponte.
Es sind diese Sätze, die Simo Spasic wütend machen. Spasic, Sprecher einer serbischen Vermißtenorganisation, erhob nun schwere Vorwürfe gegen Del Ponte. Er habe sie und ihr Team 2001 mehrfach getroffen und Beweise für die Verschleppung junger Kosovo-Serben und deren Ermordung in kosovo-albanischen Lagern vorgelegt. 2004 habe ihm das Büro der Chefanklägerin mitgeteilt, daß all die Menschen, nach denen er suche, tot seien. »So einfach war das«, kritisierte Spasic und kündigte eine Klage gegen Del Ponte an. Viele der Familien in seiner Organisation seien schockiert, weil Del Ponte erst heute mit ihrem Bericht über die Folter und Ermordung von Serben und den Organhandel an die Öffentlichkeit gegangen sei.
Del Ponte selbst nahm dazu jüngst in einem Interview der italienischen Tageszeitung La Stampa Stellung. Die Verfolgung von Kriegsverbrechen sei in der »modernen Welt« eine politische Angelegenheit, so Del Ponte. Deswegen sei es auch »kein Zufall«, daß das Buch erst herauskommt, nachdem der Kosovo seine Unabhängigkeit proklamiert hat.
In der Tat führt die Spur des Verbrechens in die kosovarische Hauptstadt Pristina. Dort regiert mit Hashim Thaci einer der ehemaligen UCK-Führer als Premierminister das seit Anfang März unabhängige Kosovo. Von ihm wird laut der Belgrader Zeitung The Press gesagt, daß er in der Vergangenheit höchstpersönlich kriminelle Geschäfte kontrolliert habe. Laut der russischen Zeitung Prawda »verdiente er Millionen von Dollar durch den Organhandel«.
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DEN HAAG IM »BEWEISNOTSTAND«
Stunde der Gangster
Von Werner Pirker
Im Triumphzug ist Ramush Haradinaj, der in Den Haag wegen Kriegsverbrechen angeklagt war und »mangels an Beweisen« freigesprochen wurde, in das Kosovo zurückgekehrt. Ein anderes Urteil war bei diesem Tribunal, das seine Parteilichkeit längst hinreichend unter Beweis gestellt hat, auch nicht zu erwarten gewesen. Am albanischen Opfermythos darf nicht gerüttelt werden. Lediglich einem einzigen Mitglied der Terrorgruppe UCK wurden bisher seine Kriegsverbrechen mit sechs Jahren Haft in Rechnung gestellt.
Eine Verurteilung Haradinajs, des geheimen Herrschers über die kriminelle Freihandelszone Kosovo und deren ehemaligen »Ministerpräsidenten«, aber hätte den Staat von Washingtons und Brüssels Gnaden in seiner Gangsterstruktur bloßgestellt. Aus dem gleichen Grund, aus dem Slobodan Milosevic vom Haager Tribunal in den Tod getrieben werden mußte, um die Wahrheit über die kriminelle Verschwörung gegen Jugoslawien nicht ans Licht kommen zu lassen, werden UCK-Banditen freigesprochen: Die verbrecherischen Voraussetzungen der albanischen Staatsgründung auf serbischem Boden sollen nicht ins öffentliche Bewußtsein dringen.
Dabei wissen es die Verantwortlichen im Westen längst ganz genau, welche Schlange sie an ihrer Brust genährt haben. In einem internen UN-KFOR-Bericht wird die Gruppe Haradinaj als die mächtigste kriminelle Organisation im Kosovo bewertet. Ihr werden Drogen- und Waffenschmuggel sowie Menschenhandel vorgeworfen. Die albanische Bevölkerung in der vom Haradinaj-Clan beherrschten Region schwanke zwischen Heldenverehrung und ständiger Angst vor Repressalien, wird vermerkt. Das ließe sich vor allem daraus erklären, daß die UCK in ihrem »Unabhängigkeitskampf« mehr Albaner als Serben umgebracht hat.
Das alles sah das Haager Tribunal als nicht erwiesen an. So wie Signora del Ponte die Ermordung von 300 jungen Roma und Serben, deren Eingeweide dem internationalen Organmarkt zugeführt wurden, trotz deutlicher Spurenhinweise nicht zur Kenntnis nehmen wollte. Die Schweizerin und ihr Apparat, die selbst den absurdesten Hinweisen auf serbische Verbrechen nachgingen und sie der antiserbischen Propaganda zukommen ließen, zeigten nicht nur an der Aufklärung dieses Verbrechens keinerlei Interesse, sondern waren auch um dessen Vertuschung bemüht. Del Ponte machte die serbischen Vorwürfe in ihren Memoiren bekannt, die erst erschienen sind, als die Organhändler einen Staat ihr eigen nennen durften. Zu ihnen gesellt sich nun auch Ramush Haradinaj. Eine wirklich friedliche Zukunft dürfte dem Kosovo damit nicht beschieden sein.
Während fast die gesamte politische und militärische Führung Serbiens aus der Zeit des NATO-Krieges gegen Jugoslawien in Den Haag einsitzt, werden geschäftsstörende Maßnahmen gegen albanische Politgangster schnellstens wieder aufgehoben. Und den Serben wird ein Hang zu narzißtischer Kränkung vorgehalten, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen.
junge Welt, 5./6. April 2008
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-------- Original-Nachricht --------
Datum: Tue, 8 Apr 2008 00:24:14 +0200
Von: "Y.&K.Truempy"
Betreff: "Heikle Aussagen" von Carla del Ponte
Wenn es um den Kosovo geht, werden Informationen selektiv weitergegeben:
A.) 7. April 2008, 20:44, NZZ Online
Del Ponte darf nicht an Buchpräsentation teilnehmen
Heikle Aussagen der früheren Chefanklägerin
Das eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) lässt die frühere Chefanklägerin des Uno-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, Carla Del Ponte, nicht für ihr umstrittenes Buch werben. Es gebe darin Aussagen, die von einer Vertreterin der Schweizerischen Regierung nicht gemacht werden könnten, teilte das EDA am Montag mit.
B.) Der Tagesanzeiger und Radio DRS werden schon konkreter:
Die Veröffentlichung von Ausschnitten aus dem Buch hatte in der serbischen Presse für Aufregung gesorgt. Dabei ging es unter anderem um den von Del Ponte geäusserten Verdacht, wonach die Kosovo-Befreiungsarmee UCK Serben verschleppt und ihnen Organe entnommen haben soll. Hashim Thaci habe davon gewusst.
C.) Leser der jungen Welt (auch auf diesem Kanal) wissen noch mehr:
Hashim Thaci habe dabei Millionen verdient
Unsere famose Aussenministerin Micheline Calmy-Rey (Kosenamen: la vache qui rit) hat unsere hyper-kinetische Carla del Ponte (neuerdings Botschafterin in Argentinien) panikartig zurückgepfiffen, da der von der Schweiz gehätschelte Hashis Thaci betroffen ist. Zukünftige Interviews müssten mit dem EDA einzeln abgesprochen werden.
Der vorauszusehende (Kronzeuge wurde in Montenegro von Kosovo-Mafia umgelegt, usw.) und jetzt tatsächlich erfolgte Freispruch des UCK-Kommandanten und ehemalige Kosovo-Premierminister Ramush Haradinaj am Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hat bei Del Ponte offensichtlich letzte Reflexe eines übrig gebliebenen Gerechtigkeitssinns aktiviert (natürlich erst dann, wenn schon alles gelaufen ist..) Nachzulesen in: "La caccia. Io e i criminali di guerra" (Die Jagd - Ich und die Kriegsverbrecher)
K.Trümpy, ICDSM Schweiz