(La crisi in Europa rinfocola le tendenze separatiste del Sudtirolo, a loro volta sostenute da determinati settori dell'establishment germanico...)
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58391
Der Zentralstaat als Minusgeschäft
03.08.2012
BOLZANO/ROM/BERLIN (Eigener Bericht) - Unter dem Druck der Eurokrise spitzt sich der von Berlin geförderte Autonomiekonflikt in der italienischen Provinz Bolzano/Alto Adige ("Südtirol") zu. Die italienische Regierung muss aufgrund des deutschen Spardiktats umfangreiche Kürzungen im Staatshaushalt vornehmen und dringt nun darauf, dass auch Südtirol sich angemessen beteiligt. Die Regierung der Provinz, die zu den wohlhabendsten Italiens gehört, sucht nach einem Ausweg; ein Regierungsmitglied fordert eine wirtschaftliche "Vollautonomie", um die Mittel-Umverteilung an Süditalien zu stoppen. Sezessionistenkreise preschen voran, verlangen ein Referendum über die vollständige Abspaltung Südtirols von Italien und schließen den Anschluss an Österreich nicht aus. Die Autonomiebestrebungen in Teilen der deutschsprachigen Minderheit Norditaliens werden seit Jahrzehnten aus der Bundesrepublik gefördert - teilweise von Vorfeldorganisationen der deutschen Außenpolitik, teilweise von Aktivisten der extremen Rechten. Für die 1960er Jahre wird außerdem von direkten Kontakten höchstrangiger bundesdeutscher Politiker zu Südtirol-Terroristen berichtet. Unter dem Krisendruck nähern sich die damaligen Bemühungen ihrem Ziel stärker denn je zuvor.
Eine Folge des Spardiktats
Ursache für die neuen Autonomie- und Sezessionsforderungen der deutschsprachigen Minderheit Norditaliens ist das von Berlin in der Eurokrise durchgesetzte Spardiktat, das Italien zu massiven Haushaltskürzungen zwingt. Von diesen ist auch die norditalienische Provinz Bolzano/Alto Adige ("Südtirol") betroffen, eine der wohlhabendsten Provinzen des Landes, die bereits seit mehreren Jahrzehnten außergewöhnlich umfangreiche Autonomierechte innehat. Bolzano ist nun aber nicht bereit, die von Rom geforderte Summe zur Etatsanierung beizutragen; diese übersteige die Mittel, die die italienische Regierung ihrerseits in Südtirol ausgebe, und verursache damit für die Provinz ein Minusgeschäft, heißt es zur Begründung. Die Provinzregierung sucht nun nach Möglichkeiten, die Forderungen Roms abzuwehren - und findet diese im Streben nach noch größerer Autonomie.
Wirtschaftlich nicht vergleichbar
Bereits im Januar ist der Südtiroler Wirtschaftslandesrat Thomas Widmann mit der Forderung nach einer "Vollautonomie" in Sachen Wirtschaft vorgeprescht. Widmann verlangte, Südtirol solle ökonomisch gänzlich von Rom unabhängig sein; nur noch die Außen- und die Verteidigungspolitik dürften von der Zentralregierung gestaltet werden. Bekomme Südtirol eine solche "Vollautonomie", dann sei man bereit, die Provinz mit einem einmaligen Beitrag zur Tilgung der Schulden Italiens gleichsam freizukaufen. Die "Vollautonomie" in Wirtschaftsfragen werde es ermöglichen, die im gesamtstaatlichen Vergleich recht kräftige Südtiroler Ökonomie von jeglicher Notwendigkeit zur Rücksichtnahme auf den schwächeren Süden zu befreien und ihr ein Wachstum zu verschaffen, das demjenigen Österreichs oder Deutschlands nahekomme. Auch könne man dann Unternehmen, die wegen der hohen Steuerbelastung ins Ausland abgewandert seien, nach Südtirol zurückholen. Das alles aber "geht nur, wenn wir uns selbst verwalten", erklärte Widmann bereits zu Jahresbeginn.[1] Anlässlich der jüngsten Herabstufung von 13 Banken und von 23 lokalen Körperschaften in Italien durch die Ratingagentur Moody's hat der Wirtschaftslandesrat seine Forderung jetzt bekräftigt. Im Falle Südtirols sei, äußert er, die Herabstufung "völlig ungerechtfertigt, weil unsere Wirklichkeit mit jener der anderen Regionen Italiens absolut nicht vergleichbar" sei.[2]
Los von Rom
Die Lage droht zu eskalieren. Der Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder zieht in Betracht, Österreich, das sich als Schutzmacht der deutschsprachigen Minderheit Italiens begreift, gegen die Forderungen der italienischen Regierung zu mobilisieren: "Wir werden die österreichische Bundesregierung informieren und notfalls Wien einschalten, sollte Rom nicht einlenken."[3] Noch weiter gehen traditionell deutsch-völkische Kräfte, die seit je die Abspaltung Südtirols von Italien ("Los von Rom") und gegebenenfalls seinen Anschluss an Österreich ("Wiedervereinigung Tirols") fordern. "Mit diesem Staat gibt es keine Zukunft für Südtirol", heißt es bei der Separatistenpartei "Süd-Tiroler Freiheit" [4]: Man müsse deshalb staatliche "Selbstbestimmung einfordern" [5]. Die "Süd-Tiroler Freiheit" gehört zur Organisation "European Free Alliance", die im Europaparlament mit Bündnis 90/Die Grünen in einer Fraktionsgemeinschaft kooperiert (german-foreign-policy.com berichtete [6]). Der Traditionsverband "Südtiroler Schützenbund" plädiert für ein Referendum über die Abspaltung Südtirols von Italien und den Anschluss des Gebiets an Österreich: "Wir Schützen treten ganz klar für die Wiedervereinigung mit Tirol ein", teilt der Schützen-Landeskommandant mit; ein Verbleib bei Italien sei für ihn "nicht mehr vorstellbar". Ihm zufolge werden ganz ähnliche Pläne hinter den Kulissen auch in der bisher dominierenden Polit-Organisation Südtirols diskutiert: "Ich weiß, dass auch in der Südtiroler Volkspartei schon hinter vorgehaltener Hand über eine Loslösung von Italien nachgedacht wird."[7]
Völkische Internationale
Die Südtiroler Volkspartei (SVP), die - in Abgrenzung zum offenen völkischen Separatismus - seit je als Partei des Verbleibs in Italien bei allerdings weitestreichender Südtiroler Autonomie galt, hält enge Beziehungen nach Deutschland. So kooperiert sie mit der bayerischen Regierungspartei CSU; ihr Personal ist in der "Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen" (FUEV) aktiv, die in Flensburg beheimatet ist, kräftig aus staatlichen deutschen Haushalten unterstützt wird und sich für ethnisch begründete Sonderrechte von Sprachminderheiten ("Volksgruppen") einsetzt.[8] Innerhalb der FUEV sind deutschsprachige Minderheiten aus ganz Europa und Zentralasien in einem eigenen Verband zusammengeschlossen; an dieser "Deutschtums"-Internationale, die politisch direkt an das Bundesinnenministerium angeschlossen ist (german-foreign-policy.com berichtete [9]), nehmen für die Autonome Provinz Südtirol Politiker der SVP teil. Dass mittlerweile sogar aus dieser Partei von offenen Sezessionsgelüsten berichtet wird, lässt klar erkennen, dass der "Deutschtums"-Avantgarde staatliche Grenzen auch im Westen Europas nicht mehr als unveränderlich gelten. Damit kommen Abspaltungspläne wieder ins Gespräch, die in den 1960er Jahren in Südtirol von Terroristen verfolgt wurden - mit Bombenanschlägen, unterstützt auch aus der Bundesrepublik.
Zünder aus Deutschland
Wie jüngere Recherchen bestätigen, handelte es sich bei dieser Unterstützung nicht nur um diverse Aktivitäten insbesondere aus dem Milieu ultrarechter Burschenschafter, von denen einige bis heute unbehelligt im deutschen Exil leben, obwohl sie in Italien wegen Sprengstoffverbrechen und Mord zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden sind. Zu den Kontaktpersonen der einstigen Südtirol-Terroristen gehörten laut einer aktuellen Buchpublikation etwa der Völkerrechtler Felix Ermacora, dessen Werke über ein angebliches Recht auf staatliche Selbstbestimmung für ethnisch-rassistisch definierte Blutsgemeinschaften in der völkischen deutschen Rechten bis heute eine spürbare Rolle spielen. "Eine wichtige Bezugsperson" für Bombenleger in Südtirol sei beispielsweise der CSU-Politiker Josef Ertl gewesen, seit 1961 Bundestagsabgeordneter, später Landwirtschaftsminister: Er habe "flüchtigen Tirolern mit Aufenthaltsgenehmigungen, Arbeit und Unterkunft" ausgeholfen. Der CSU-Politiker Franz Josef Strauß, zeitweise Bundesverteidigungsminister, hat demnach Terroristen in Südtirol nicht nur über Kontaktleute, sondern auch persönlich unterstützt. Er sei, heißt es, einmal "bei einer Probesprengung vorbeigekommen", die Südtirol-Terroristen zur Übung abhielten, und er habe sich erkundigt, "ob alles in Ordnung sei". Auf die Antwort, "die Zünder seien nicht gut", habe er "versprochen, bessere zu liefern".[10] Das Ergebnis: "Eine Serie zumindest kam tatsächlich aus Deutschland." Unter dem Druck der Krise droht die damalige Saat nun aufzugehen.
Bitte lesen Sie auch unsere Doppelrezension zum Thema Südtirol-Terrorismus.
[1] Landesrat will Südtirol um 15 Milliarden "freikaufen"; diepresse.com 12.01.2012
[2] Auch Südtirol von Moody's herabgestuft; www.tt.com 18.07.2012
[3] "Notfalls muss ich Wien einschalten"; www.tt.com 18.07.2012
[4] "Südtiroler Freiheit": Mit diesem Staat gibt es keine Zukunft; www.stol.it 11.07.2012
[5] Autonomie war Zwischenlösung - Jetzt gemeinsam Selbstbestimmung einfordern! www.suedtiroler-freiheit.com 25.07.2012
[6] s. dazu Europa driftet (II)
[7] Schützen wollen Volk befragen; www.tt.com 28.07.2012
[8] s. dazu Hintergrundbericht: Die Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen und Tragsäulen der Zukunft (IV)
[9] s. dazu Beziehungen pflegen
[10] Hans Karl Peterlini: Feuernacht. Bozen 2011. S. dazu unsere Doppelrezension
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58390
Doppelrezension: Südtirol-Terrorismus
03.08.2012
Hans Karl Peterlini: Feuernacht
Südtirols Bombenjahre
Bozen 2011 (Edition Raetia)
512 Seiten
47 Euro
ISBN 978-88-7283-390-2
Herlinde Molling: So planten wir die Feuernacht
Protokolle, Skizzen und Strategiepapiere aus dem BAS-Archiv
Mit einer Einführung von Hans Karl Peterlini
324 Seiten
26 Euro
ISBN 978-88-7283-406-0
Dass der Südtirol-Terrorismus der 1960er Jahre von Aktivisten aus der Bundesrepublik unterstützt wurde, ist bekannt. Rechte Kräfte, die Südtirol von Italien abspalten und an Österreich anschließen wollten, sprengten damals Strommasten in die Luft, plazierten Bomben in italienischen Bahnhöfen und in Zügen und griffen italienische Repressionskräfte mit Maschinenpistolen an. Beteiligt waren nicht wenige Burschenschafter aus Österreich und aus der Bundesrepublik. Einer der bekanntesten damaligen Bombenleger ist Peter Kienesberger. Über ihn schreibt der Publizist Hans Karl Peterlini aus Südtirol, er habe sich zu Beginn der 1960er Jahre "zum Synonym für den entfesselten Terror" entwickelt: "Seine Spezialität" sei "der Kampfeinsatz im Hochgebirge" gewesen. Bald habe er sich zum Bomben-Experten gemausert, habe "als Könner im Basteln von Sprengfallen" gegolten. Italienische Gerichte verurteilten ihn schließlich für einen Anschlag, bei dem 1967 vier italienische Grenzer ums Leben kamen. Kienesberger lebt bis heute unbehelligt in der Bundesrepublik im Exil. Erst jüngst hat ein in Italien anhängiges Gerichtsverfahren bestätigt, dass sein Südtirol-Aktivismus ungebrochen ist: Ihm wird vorgeworfen, im Rahmen seiner Arbeit für eine gemeinnützige Stiftung alte Südtirol-Seilschaften auch weiterhin finanziell bedient zu haben.
Peterlini, einer der besten Kenner der Thematik, fasst in "Feuernacht" zahlreiche Ergebnisse seiner Recherchen zum Südtirol-Terrorismus zusammen. Er liefert dabei auch Erkenntnisse, die bis in die Bundesrepublik führen - über die Kreise ultrarechter Burschenschafter und ihres unmittelbaren, an den Anschlägen in Norditalien beteiligten Umfeldes hinaus. Felix Ermacora etwa, erklärt Peterlini, habe wichtige Fäden gezogen. Als Völkerrechtler sei er "Mitglied der meisten österreichischen Experten- und Verhandlungsdelegationen" in Sachen Südtirol gewesen; dank dieser Tätigkeit habe er die Bombenleger-Szene stets über den Stand staatlicher Verhandlungen über das Gebiet auf dem Laufenden halten können. "Ermacora hätte am liebsten mitgesprengt, wenn wir ihn gelassen hätten, aber er war als Diplomat viel wichtiger", zitiert Peterlini einen der damals Beteiligten. Ermacora ist in der völkischen Rechten in Deutschland nicht unbekannt; er hat Gutachten für die "Vertriebenen"-Verbände verfasst und Papiere für die in Flensburg ansässige "Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen" (FUEV) angefertigt. Anhänger eines angeblichen Rechts auf "Selbstbestimmung" für ethnisch-rassistisch definierte Blutsgemeinschaften berufen sich bis heute auf ihn.
Kontakte in die Südtiroler Terror-Szene hatte auch Josef Ertl, "zunächst Abgeordneter im Kreistag München-Land, 1961 in den Bundestag gewählt", später bundesdeutscher Landwirtschaftsminister. "Er hilft flüchtigen Tirolern mit Aufenthaltsgenehmigungen, Arbeit und Unterkunft aus", berichtet Peterlini. In Ertls Münchener Umfeld war das "Kulturwerk für Südtirol" tätig, das sich offiziell "an der Finanzierung deutscher Kindergärten und Kulturstätten" beteiligte; "das Spendengeld", schreibt Peterlini vielsagend, sei tatsächlich jedoch höchst "unterschiedliche Wege" gegangen. Man habe es häufig "für die Kriegskasse" der Terror-Szene verwendet. Ertl ist nicht der einzige Bundesminister gewesen, der Kontakte zu den Südtirol-Attentätern unterhielt. Ein enger Freund des CSU-Politikers und zeitweiligen Bundesverteidigungsministers Franz Josef Strauß, der Münchener Opel-Generalvertreter Josef Kuttendrein, habe die Bombenleger "finanziell stark unterstützt" und mindestens einen Sprengkurs in Oberbayern organisiert, berichtet Peterlini. Strauß sei "einmal bei einer Probesprengung vorbeigekommen" und habe sich erkundigt, "ob alles in Ordnung sei". Auf die Antwort, "die Zünder seien nicht gut, habe Strauß versprochen, bessere zu liefern". "Eine Serie zumindest kam tatsächlich aus Deutschland."
Einige Erkenntnisse liefert auch die Dokumentensammlung, die Herlinde Molling letztes Jahr bei Edition Raetia veröffentlicht hat. Molling gehörte selbst der Terror-Szene an; so manches Detail, das sie schildert, liefert näheren Einblick in die Entwicklung der damaligen Geschehnisse. Das gilt unter anderem für einen gewissen Hans Steinacher, der um 1960 in Südtirol aktiv war. Steinacher war in der Weimarer Republik und während der NS-Zeit ein maßgeblicher deutscher "Volkstums"-Aktivist und in der Führung des "Vereins für das Deutschtum im Ausland" tätig. Nach 1945 beriet er Bonner Regierungsstellen bei der Wiederaufnahme der alten "Volkstums"-Politik; im Jahr 1960 tauchte er in Südtirol auf. Vollkommen freiwillig hat sich der Mann mit besten Verbindungen in die Bundesrepublik offenbar nicht von dort zurückgezogen. In dem von Molling publizierten Band findet sich ein Dokument, laut dem Steinacher "in der Form bei der italienischen Polizei denunziert worden" sei, dass er als "militärische(r) Berater" der Terror-Szene fungiere. "Dr. St. erklärte sich unter diesen Umständen außerstande, seine Tätigkeit in ST fortzusetzen", heißt es in dem Papier, dessen Autor "Innsbruck", also österreichische Kreise, als Urheber der Denunziation vermutet. Wer da genau welche Fäden zog, bleibt offen. Dokumentiert ist damit jedoch einmal mehr, dass bereits damals der Bundesrepublik Kanäle nach Südtirol - auch wenn sie gelegentlich sabotiert wurden - offenstanden.
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58391
Der Zentralstaat als Minusgeschäft
03.08.2012
BOLZANO/ROM/BERLIN (Eigener Bericht) - Unter dem Druck der Eurokrise spitzt sich der von Berlin geförderte Autonomiekonflikt in der italienischen Provinz Bolzano/Alto Adige ("Südtirol") zu. Die italienische Regierung muss aufgrund des deutschen Spardiktats umfangreiche Kürzungen im Staatshaushalt vornehmen und dringt nun darauf, dass auch Südtirol sich angemessen beteiligt. Die Regierung der Provinz, die zu den wohlhabendsten Italiens gehört, sucht nach einem Ausweg; ein Regierungsmitglied fordert eine wirtschaftliche "Vollautonomie", um die Mittel-Umverteilung an Süditalien zu stoppen. Sezessionistenkreise preschen voran, verlangen ein Referendum über die vollständige Abspaltung Südtirols von Italien und schließen den Anschluss an Österreich nicht aus. Die Autonomiebestrebungen in Teilen der deutschsprachigen Minderheit Norditaliens werden seit Jahrzehnten aus der Bundesrepublik gefördert - teilweise von Vorfeldorganisationen der deutschen Außenpolitik, teilweise von Aktivisten der extremen Rechten. Für die 1960er Jahre wird außerdem von direkten Kontakten höchstrangiger bundesdeutscher Politiker zu Südtirol-Terroristen berichtet. Unter dem Krisendruck nähern sich die damaligen Bemühungen ihrem Ziel stärker denn je zuvor.
Eine Folge des Spardiktats
Ursache für die neuen Autonomie- und Sezessionsforderungen der deutschsprachigen Minderheit Norditaliens ist das von Berlin in der Eurokrise durchgesetzte Spardiktat, das Italien zu massiven Haushaltskürzungen zwingt. Von diesen ist auch die norditalienische Provinz Bolzano/Alto Adige ("Südtirol") betroffen, eine der wohlhabendsten Provinzen des Landes, die bereits seit mehreren Jahrzehnten außergewöhnlich umfangreiche Autonomierechte innehat. Bolzano ist nun aber nicht bereit, die von Rom geforderte Summe zur Etatsanierung beizutragen; diese übersteige die Mittel, die die italienische Regierung ihrerseits in Südtirol ausgebe, und verursache damit für die Provinz ein Minusgeschäft, heißt es zur Begründung. Die Provinzregierung sucht nun nach Möglichkeiten, die Forderungen Roms abzuwehren - und findet diese im Streben nach noch größerer Autonomie.
Wirtschaftlich nicht vergleichbar
Bereits im Januar ist der Südtiroler Wirtschaftslandesrat Thomas Widmann mit der Forderung nach einer "Vollautonomie" in Sachen Wirtschaft vorgeprescht. Widmann verlangte, Südtirol solle ökonomisch gänzlich von Rom unabhängig sein; nur noch die Außen- und die Verteidigungspolitik dürften von der Zentralregierung gestaltet werden. Bekomme Südtirol eine solche "Vollautonomie", dann sei man bereit, die Provinz mit einem einmaligen Beitrag zur Tilgung der Schulden Italiens gleichsam freizukaufen. Die "Vollautonomie" in Wirtschaftsfragen werde es ermöglichen, die im gesamtstaatlichen Vergleich recht kräftige Südtiroler Ökonomie von jeglicher Notwendigkeit zur Rücksichtnahme auf den schwächeren Süden zu befreien und ihr ein Wachstum zu verschaffen, das demjenigen Österreichs oder Deutschlands nahekomme. Auch könne man dann Unternehmen, die wegen der hohen Steuerbelastung ins Ausland abgewandert seien, nach Südtirol zurückholen. Das alles aber "geht nur, wenn wir uns selbst verwalten", erklärte Widmann bereits zu Jahresbeginn.[1] Anlässlich der jüngsten Herabstufung von 13 Banken und von 23 lokalen Körperschaften in Italien durch die Ratingagentur Moody's hat der Wirtschaftslandesrat seine Forderung jetzt bekräftigt. Im Falle Südtirols sei, äußert er, die Herabstufung "völlig ungerechtfertigt, weil unsere Wirklichkeit mit jener der anderen Regionen Italiens absolut nicht vergleichbar" sei.[2]
Los von Rom
Die Lage droht zu eskalieren. Der Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder zieht in Betracht, Österreich, das sich als Schutzmacht der deutschsprachigen Minderheit Italiens begreift, gegen die Forderungen der italienischen Regierung zu mobilisieren: "Wir werden die österreichische Bundesregierung informieren und notfalls Wien einschalten, sollte Rom nicht einlenken."[3] Noch weiter gehen traditionell deutsch-völkische Kräfte, die seit je die Abspaltung Südtirols von Italien ("Los von Rom") und gegebenenfalls seinen Anschluss an Österreich ("Wiedervereinigung Tirols") fordern. "Mit diesem Staat gibt es keine Zukunft für Südtirol", heißt es bei der Separatistenpartei "Süd-Tiroler Freiheit" [4]: Man müsse deshalb staatliche "Selbstbestimmung einfordern" [5]. Die "Süd-Tiroler Freiheit" gehört zur Organisation "European Free Alliance", die im Europaparlament mit Bündnis 90/Die Grünen in einer Fraktionsgemeinschaft kooperiert (german-foreign-policy.com berichtete [6]). Der Traditionsverband "Südtiroler Schützenbund" plädiert für ein Referendum über die Abspaltung Südtirols von Italien und den Anschluss des Gebiets an Österreich: "Wir Schützen treten ganz klar für die Wiedervereinigung mit Tirol ein", teilt der Schützen-Landeskommandant mit; ein Verbleib bei Italien sei für ihn "nicht mehr vorstellbar". Ihm zufolge werden ganz ähnliche Pläne hinter den Kulissen auch in der bisher dominierenden Polit-Organisation Südtirols diskutiert: "Ich weiß, dass auch in der Südtiroler Volkspartei schon hinter vorgehaltener Hand über eine Loslösung von Italien nachgedacht wird."[7]
Völkische Internationale
Die Südtiroler Volkspartei (SVP), die - in Abgrenzung zum offenen völkischen Separatismus - seit je als Partei des Verbleibs in Italien bei allerdings weitestreichender Südtiroler Autonomie galt, hält enge Beziehungen nach Deutschland. So kooperiert sie mit der bayerischen Regierungspartei CSU; ihr Personal ist in der "Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen" (FUEV) aktiv, die in Flensburg beheimatet ist, kräftig aus staatlichen deutschen Haushalten unterstützt wird und sich für ethnisch begründete Sonderrechte von Sprachminderheiten ("Volksgruppen") einsetzt.[8] Innerhalb der FUEV sind deutschsprachige Minderheiten aus ganz Europa und Zentralasien in einem eigenen Verband zusammengeschlossen; an dieser "Deutschtums"-Internationale, die politisch direkt an das Bundesinnenministerium angeschlossen ist (german-foreign-policy.com berichtete [9]), nehmen für die Autonome Provinz Südtirol Politiker der SVP teil. Dass mittlerweile sogar aus dieser Partei von offenen Sezessionsgelüsten berichtet wird, lässt klar erkennen, dass der "Deutschtums"-Avantgarde staatliche Grenzen auch im Westen Europas nicht mehr als unveränderlich gelten. Damit kommen Abspaltungspläne wieder ins Gespräch, die in den 1960er Jahren in Südtirol von Terroristen verfolgt wurden - mit Bombenanschlägen, unterstützt auch aus der Bundesrepublik.
Zünder aus Deutschland
Wie jüngere Recherchen bestätigen, handelte es sich bei dieser Unterstützung nicht nur um diverse Aktivitäten insbesondere aus dem Milieu ultrarechter Burschenschafter, von denen einige bis heute unbehelligt im deutschen Exil leben, obwohl sie in Italien wegen Sprengstoffverbrechen und Mord zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden sind. Zu den Kontaktpersonen der einstigen Südtirol-Terroristen gehörten laut einer aktuellen Buchpublikation etwa der Völkerrechtler Felix Ermacora, dessen Werke über ein angebliches Recht auf staatliche Selbstbestimmung für ethnisch-rassistisch definierte Blutsgemeinschaften in der völkischen deutschen Rechten bis heute eine spürbare Rolle spielen. "Eine wichtige Bezugsperson" für Bombenleger in Südtirol sei beispielsweise der CSU-Politiker Josef Ertl gewesen, seit 1961 Bundestagsabgeordneter, später Landwirtschaftsminister: Er habe "flüchtigen Tirolern mit Aufenthaltsgenehmigungen, Arbeit und Unterkunft" ausgeholfen. Der CSU-Politiker Franz Josef Strauß, zeitweise Bundesverteidigungsminister, hat demnach Terroristen in Südtirol nicht nur über Kontaktleute, sondern auch persönlich unterstützt. Er sei, heißt es, einmal "bei einer Probesprengung vorbeigekommen", die Südtirol-Terroristen zur Übung abhielten, und er habe sich erkundigt, "ob alles in Ordnung sei". Auf die Antwort, "die Zünder seien nicht gut", habe er "versprochen, bessere zu liefern".[10] Das Ergebnis: "Eine Serie zumindest kam tatsächlich aus Deutschland." Unter dem Druck der Krise droht die damalige Saat nun aufzugehen.
Bitte lesen Sie auch unsere Doppelrezension zum Thema Südtirol-Terrorismus.
[1] Landesrat will Südtirol um 15 Milliarden "freikaufen"; diepresse.com 12.01.2012
[2] Auch Südtirol von Moody's herabgestuft; www.tt.com 18.07.2012
[3] "Notfalls muss ich Wien einschalten"; www.tt.com 18.07.2012
[4] "Südtiroler Freiheit": Mit diesem Staat gibt es keine Zukunft; www.stol.it 11.07.2012
[5] Autonomie war Zwischenlösung - Jetzt gemeinsam Selbstbestimmung einfordern! www.suedtiroler-freiheit.com 25.07.2012
[6] s. dazu Europa driftet (II)
[7] Schützen wollen Volk befragen; www.tt.com 28.07.2012
[8] s. dazu Hintergrundbericht: Die Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen und Tragsäulen der Zukunft (IV)
[9] s. dazu Beziehungen pflegen
[10] Hans Karl Peterlini: Feuernacht. Bozen 2011. S. dazu unsere Doppelrezension
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58390
Doppelrezension: Südtirol-Terrorismus
03.08.2012
Hans Karl Peterlini: Feuernacht
Südtirols Bombenjahre
Bozen 2011 (Edition Raetia)
512 Seiten
47 Euro
ISBN 978-88-7283-390-2
Herlinde Molling: So planten wir die Feuernacht
Protokolle, Skizzen und Strategiepapiere aus dem BAS-Archiv
Mit einer Einführung von Hans Karl Peterlini
324 Seiten
26 Euro
ISBN 978-88-7283-406-0
Dass der Südtirol-Terrorismus der 1960er Jahre von Aktivisten aus der Bundesrepublik unterstützt wurde, ist bekannt. Rechte Kräfte, die Südtirol von Italien abspalten und an Österreich anschließen wollten, sprengten damals Strommasten in die Luft, plazierten Bomben in italienischen Bahnhöfen und in Zügen und griffen italienische Repressionskräfte mit Maschinenpistolen an. Beteiligt waren nicht wenige Burschenschafter aus Österreich und aus der Bundesrepublik. Einer der bekanntesten damaligen Bombenleger ist Peter Kienesberger. Über ihn schreibt der Publizist Hans Karl Peterlini aus Südtirol, er habe sich zu Beginn der 1960er Jahre "zum Synonym für den entfesselten Terror" entwickelt: "Seine Spezialität" sei "der Kampfeinsatz im Hochgebirge" gewesen. Bald habe er sich zum Bomben-Experten gemausert, habe "als Könner im Basteln von Sprengfallen" gegolten. Italienische Gerichte verurteilten ihn schließlich für einen Anschlag, bei dem 1967 vier italienische Grenzer ums Leben kamen. Kienesberger lebt bis heute unbehelligt in der Bundesrepublik im Exil. Erst jüngst hat ein in Italien anhängiges Gerichtsverfahren bestätigt, dass sein Südtirol-Aktivismus ungebrochen ist: Ihm wird vorgeworfen, im Rahmen seiner Arbeit für eine gemeinnützige Stiftung alte Südtirol-Seilschaften auch weiterhin finanziell bedient zu haben.
Peterlini, einer der besten Kenner der Thematik, fasst in "Feuernacht" zahlreiche Ergebnisse seiner Recherchen zum Südtirol-Terrorismus zusammen. Er liefert dabei auch Erkenntnisse, die bis in die Bundesrepublik führen - über die Kreise ultrarechter Burschenschafter und ihres unmittelbaren, an den Anschlägen in Norditalien beteiligten Umfeldes hinaus. Felix Ermacora etwa, erklärt Peterlini, habe wichtige Fäden gezogen. Als Völkerrechtler sei er "Mitglied der meisten österreichischen Experten- und Verhandlungsdelegationen" in Sachen Südtirol gewesen; dank dieser Tätigkeit habe er die Bombenleger-Szene stets über den Stand staatlicher Verhandlungen über das Gebiet auf dem Laufenden halten können. "Ermacora hätte am liebsten mitgesprengt, wenn wir ihn gelassen hätten, aber er war als Diplomat viel wichtiger", zitiert Peterlini einen der damals Beteiligten. Ermacora ist in der völkischen Rechten in Deutschland nicht unbekannt; er hat Gutachten für die "Vertriebenen"-Verbände verfasst und Papiere für die in Flensburg ansässige "Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen" (FUEV) angefertigt. Anhänger eines angeblichen Rechts auf "Selbstbestimmung" für ethnisch-rassistisch definierte Blutsgemeinschaften berufen sich bis heute auf ihn.
Kontakte in die Südtiroler Terror-Szene hatte auch Josef Ertl, "zunächst Abgeordneter im Kreistag München-Land, 1961 in den Bundestag gewählt", später bundesdeutscher Landwirtschaftsminister. "Er hilft flüchtigen Tirolern mit Aufenthaltsgenehmigungen, Arbeit und Unterkunft aus", berichtet Peterlini. In Ertls Münchener Umfeld war das "Kulturwerk für Südtirol" tätig, das sich offiziell "an der Finanzierung deutscher Kindergärten und Kulturstätten" beteiligte; "das Spendengeld", schreibt Peterlini vielsagend, sei tatsächlich jedoch höchst "unterschiedliche Wege" gegangen. Man habe es häufig "für die Kriegskasse" der Terror-Szene verwendet. Ertl ist nicht der einzige Bundesminister gewesen, der Kontakte zu den Südtirol-Attentätern unterhielt. Ein enger Freund des CSU-Politikers und zeitweiligen Bundesverteidigungsministers Franz Josef Strauß, der Münchener Opel-Generalvertreter Josef Kuttendrein, habe die Bombenleger "finanziell stark unterstützt" und mindestens einen Sprengkurs in Oberbayern organisiert, berichtet Peterlini. Strauß sei "einmal bei einer Probesprengung vorbeigekommen" und habe sich erkundigt, "ob alles in Ordnung sei". Auf die Antwort, "die Zünder seien nicht gut, habe Strauß versprochen, bessere zu liefern". "Eine Serie zumindest kam tatsächlich aus Deutschland."
Einige Erkenntnisse liefert auch die Dokumentensammlung, die Herlinde Molling letztes Jahr bei Edition Raetia veröffentlicht hat. Molling gehörte selbst der Terror-Szene an; so manches Detail, das sie schildert, liefert näheren Einblick in die Entwicklung der damaligen Geschehnisse. Das gilt unter anderem für einen gewissen Hans Steinacher, der um 1960 in Südtirol aktiv war. Steinacher war in der Weimarer Republik und während der NS-Zeit ein maßgeblicher deutscher "Volkstums"-Aktivist und in der Führung des "Vereins für das Deutschtum im Ausland" tätig. Nach 1945 beriet er Bonner Regierungsstellen bei der Wiederaufnahme der alten "Volkstums"-Politik; im Jahr 1960 tauchte er in Südtirol auf. Vollkommen freiwillig hat sich der Mann mit besten Verbindungen in die Bundesrepublik offenbar nicht von dort zurückgezogen. In dem von Molling publizierten Band findet sich ein Dokument, laut dem Steinacher "in der Form bei der italienischen Polizei denunziert worden" sei, dass er als "militärische(r) Berater" der Terror-Szene fungiere. "Dr. St. erklärte sich unter diesen Umständen außerstande, seine Tätigkeit in ST fortzusetzen", heißt es in dem Papier, dessen Autor "Innsbruck", also österreichische Kreise, als Urheber der Denunziation vermutet. Wer da genau welche Fäden zog, bleibt offen. Dokumentiert ist damit jedoch einmal mehr, dass bereits damals der Bundesrepublik Kanäle nach Südtirol - auch wenn sie gelegentlich sabotiert wurden - offenstanden.