Der Text erschien in der Mai-Ausgabe von "konkret" in stark gek�rzter
Form.

LEBENDIGE VERGANGENHEIT
ZUR KONTINUIT�T DER DEUTSCHEN GROSSALBANIEN-POLITIK
Von Matthias K�ntzel


Tosender Beifall f�r den Kanzler. Zu Tausenden str�mten die
Kosovo-Albaner im
Juli 1999 in Prizren zusammen, um Gerhard Schr�der mit
"Deutschland
Deutschland"-Rufen zu feiern. "Es ist schon beeindruckend und hat
mich
tief
ber�hrt", bekannte er sp�ter, "als ich in Prizren auf der einen
Seite
deutsche Panzer
und deutsche Soldaten mit Maschinenpistolen gesehen habe,und auf
der
anderen
Seite konnte ich miterleben, wie mit ungew�hnlich euphorischem
Jubel ein

deutscher Bundeskanzler begr��t worden ist. Ich finde, dass das
vor dem
Hintergrund der spezifisch deutschenGeschichte in dieser Region
eigentlich jeden
ber�hren muss." Welche Geschichte hatte Schr�der hier eigentlich
gemeint? Im
September 1943 etablierte die Wehrmacht in Prizren unter dem
Beifall der
Kosovo-Albaner eine "Zweite Prizren-Liga", deren einziger Zweck
die T�tung und
Vertreibung der Serben zur Schaffung des "ethnisch
reinen"Gro�albaniens
war. Im
Februar 1944 wurde die albanische SS-Division"Skanderbeg" in
Prizren
stationiert. Im Oktober 1944 startete die deutsche SS von hier
aus ihren
letzten
Versuch, den Sieg der Allierten doch noch aufzuhalten. Damals wie
heute
steht
diese Stadt im Zentrum der deutschen Gro�albanien-Politik. Damals
wie
heute
werden hier Deutsche umjubelt, w�hrend alle Nicht-Albaner um ihr
Leben
f�rchten.
Seit dem M�rz 2001 spitzt die Situation sich weiter zu: In
Verbindung
mit
der UCK-Offensive gegen Tetovo hat Deutschland erstmals
�ffentlich die
Gro�albanien-Idee protegiert. Der Blick auf die Geschichte aber
offenbart, dass
sich die Anfl�ge einer neuen deutschen Gro�albanien-Politik
unvermeidlich in
jenen Spuren bewegen, die der Nationalsozialismus geschaffen hat.
Gleichzeitig
macht er den instrumentellen Charakter der deutschen
Vergangenheitspolitik
offenbar: Je beherzter die Bundesregierung an die Elemente der
nationalsozialistischen Kosovo-Politik ankn�pft, desto weniger
ist die
�ffentliche
Meinung an Kenntnissen dar�ber interessiert.

Vom italienischen...

Als Antwort auf den deutschen Einmarsch in Prag wurde Albanien am
7.April 1939
von italienischen Truppen besetzt. Dies Land war das mit Abstand
�rmste
und
r�ckst�ndigste Europas. Zwei Drittel seiner Einwohner war
tribalistisch
organisiert und der Blutrache treu geblieben. Die miserable
Infrastruktur verst�rkte
die Isolation der von Familienclans regierten Regionen. Von
albanischem

Nationalbewu�tsein konnte unter diesen Umst�nden keine Rede sein.
1941
�berfiel
und besiegte Deutschland Jugoslawien. Nach mehrt�gigen
deutsch-italienischen
Verhandlungen teilte man das bis dahin jugoslawische Kosovo in
drei
Besatzungszonen auf: Bulgarien bekam den �stlichen, an Mazedonien
grenzenden
Gebietsabschnitt zugesprochen. Deutschland sicherte sich die
rohstoffreiche
Gegend um Mitrovica im Norden der Provinz, w�hrend der gr��te
Teil des
Kosovo
unter italienische Kontrolle gelangte und am 12. August 1941 mit
dem
italienisch
beherrschten Kern-Albanien als "Gro�albanien" fusioniert wurde.
Das
Verh�ltnis
zwischen italienischen Besatzern und Kosovo-Albaner war von
Anfang an
gespannt.
So ging der Terror kosovo-albanischer Milizen gegen die Serben
den
faschistischen
Besatzungsbeh�rden oft zu weit: Wiederholt er�ffneten die
italienischen
Streitkr�fte das Feuer, um Kosovo-Albaner von Massakern an Serben
abzuhalten.
Gezielt wurden italienische Truppen in den St�dten stationiert,
um die
Gewalt in
Schranken zu halten. Nicht nur aus diesem Grund "haben die
Albaner die
Italiener
niemals respektiert. Den Albanern missfiel die gesamte
italienische
Weltanschauung und sie mochten nicht, was sie als schwache und
nicht-maskuline
Form der Selbstdarstellung und des Verhaltens bei den Italienern
wahr
genommen
haben. Viele Albaner glaubten, dass die Italiener L�gner und
Heuchler
seien." Deutsche Besatzer und Kosovo-Albaner verstanden sich
dagegen
besser.
So gew�hrte die Nazi-Generalit�t in der deutschen Zone den
Kosovo-Albanern ein
weitaus h�heres Ma� an Autonomie als in der italienischen. Damit
kn�pfte
die
Wehrmacht an die Tradition der �stereichischen Kosovo-Besetzung
im I.
Weltkrieg
an. 1916 wie 1941 wurden den Kosovo-Albanern autonome
Verwaltungen
einger�umt und die Benutzung des Albanischen als Amtssprache
erlaubt.
Und nicht
nur 1941 bis 1944,sondern auch schon 1916 bis 1918 "wurden mit
dem Ziel,
die
serbische Pr�senz in der Region zu unterminieren, mehr als 300
albanischsprachige
Schulen er�ffnet." Diese antiserbisch orientierte "Schul"politik
hat
den
spezifischen Nationalismus der Kosovo-Albaner erst hervorgebracht
oder gepr�gt.

...zum deutschen Gro�albanien

Nach dem Sturz Mussolinis im September 1943 besetzten deutsche
Truppen
die
gro�albanische Region, um mit einem Minimum an
Wehrmachtsverb�nden
die Landung des Kriegsgegners an der albanischen K�ste zu
verhindern. Vor

dem Einmarsch der deutschen Truppen wurde das Land mit
Flugbl�ttern
�bersch�ttet, in welchen Nazi-Deutschland sich als Schutzmacht
Albaniens
im
Kampf gegen seine Feinde - hier Italien und die Anglo-Amerikaner,
dort
Ru�land
und die Serben - empfahl. Der Versuch, eine deutschfreundliche
Marionettenregierung in Tirana zu etablieren, schlug angesichts
des
absehbaren
alliierten Sieges zun�chst fehl. Nun wurde das Kosovo der
ma�gebliche
Hebel der
deutschen Albanienpolitik. "Dort wohnen die rassisch besten und
politisch
entschlossensten, soldatisch geeignetsten Elemente des
albanischen
Volkes",
schw�rmte Neubacher im September 1943 in einem Telegramm nach
Berlin. "Es

besteht die M�glichkeit,", so Neubacher weiter,die "kossowarische
Miliz
... in
Tirana antreten zu lassen, welche die Freiheitsbewegung in
Schwung
bringen soll.
"Und schon wurden die Kosovo-Albaner mit akuell anmutenden
Argumentationsmustern umbuhlt: "Die Deutschen erweckten den
Eindruck",schreibt
der amerikanische Historiker B.J. Fischer, "dass erst jetzt, mit
ihrer
Ankunft, eine
wirkliche Vereinigung des Kosovo mit Albanien erreicht w�rde. ...
Die
Deutschen
vers�umten es nicht, die Albaner daraufhin zu weisen, dass die
Alliierten
in Sachen
Kosovo auff�llig schweigsam gewesen sind - ein Hinweis auf deren
Absicht, es
erneut den Jugoslawen zur�ckzugeben - und dass die Alliierten
weder eine

albanische Exilregierung noch ein albanisches Exilkomitee
anerkannt und
damit die
Frage der Existenz eines albanischen Staates in der
Nachkriegswelt in
der
Schwebe gelassen haben." Die so eingesetzte Kosovo-Karte zog:
Noch im
September 1943 wurde ein haupts�chlich aus Kosovo-Albanern
bestehendes
Nationalkomitee installiert und in Tirana die "Unabh�ngigkeit"
Albaniens
erkl�rt.
Deutschland freilich blieb das einzige Land, dass das
"unabh�ngige"
Gro�albanien
diplomatisch anerkannte. Mit dem "laschen Besatzungsregime"
gegen�ber den

Serben war es nach Beendigung der italienischen Phase vorbei. Von
nun an
lie�
man den Massakern der kosovo-albanischen Milizen an Serben freien
Lauf.
Noch
im September 1943 wurde mit tatkr�ftiger deutscher Unterst�tzung
eine
"ZweitePrizren-Liga" gebildet, deren erkl�rtes Ziel "ein ethnisch
reines

Gro�albanien" war. Die blutige Vertreibung der Serben, die die
�ber 12.000 Mitglieder z�hlende Liga nun ins Werk setzte, fand
unter
deutscher
Aufsicht und deutscher Anleitung statt. Neben der "Zweiten
Prizren-Liga"
rekrutierte die Wehrmacht ein 600-700 Mann starkes Bataillon, das
ausschlie�lich
aus deutschfreundlichen Kosovo-Albaner bestand und als
Eliteeinheit nach
Tirana
geschickt wurde. Ende 1943 wurden weitere 1.200 kosovoalbanische
Gendarmen
von Mitrovica nach Tirana entsandt. Im Februar 1944 gab Adolf
Hitler,
der "f�r
die letzte romantische Ecke Europas sehr viel �brig hatte" den
Befehl,
aus "diesem
Bergvolk stolzer Waffentr�ger" (Neubacher) einen eigenst�ndigen
SS-Verband,
die"SS-Division Skanderbeg", zu etablieren. Diese 6.500-k�pfige
Division
wurde
aus den albanischen Einheiten der 13.SS-Bosniaken-Gebirgsdivision
sowie
aus
albanischen Milizen zusammmengestellt. Ihr Standort war
Prizren,ihr
haupts�chliches Operationsgebiet das Kosovo, ihr erkl�rter
Auftrag
der"Schutz"
des "ethnisch reinrassigen" Albaniens. "Schutz" bedeutete: Wer
nicht
dazugeh�rte,
wurde get�tet oder Greueln ausgesetzt und verjagt. "Die Einheiten
dieser

Division", schreibt Fischer," erwarben sich schnell eine h�chst
unvorteilhafte
Reputation, da sie, besonders in den serbischen Gebieten, das
Vergewaltigen,
Pl�ndern und Ermorden dem K�mpfen vorzogen." Die au�erordentliche
Brutalit�t
der "Skanderbeg-Division" ist vielfach belegt. So t�tete sie am
28.
Juli 1944 im
Dorf Veliko 380 Ortsans�ssige (darunter 120 Kinder) und steckte
300
H�user in
Brand. Im April 1944 deportierte sie 300 Juden. Zwischen dem
28.Mai und
5. Juli
"hob die SS-Division auf albanischem Gebiet weitere 510 Juden,
Kommunisten,
Partisanen und verd�chtige Personen' aus", berichtet Raul
Hilberg. "249
von ihnen
wurden abtransportiert." Auch die Roma der Region Kosovo, die bis
September
1943, mit gelben Armbinden gezeichnet, Zwangsarbeit leisten
mussten,
wurden
nach �bernahme des Kosovo durch die Deutschen deportiert und in
Konzentrationslager in Jugoslawien, aber auch nach Buchenwald und
Mauthausen
verschleppt. Entgegen der sp�ter in Tirana gepflegten Legende war
das
Kosovo
auch f�r Titos Partisanen die mit Abstand unerfreulichste Region.
"Die
Bewegung
im Kosovo ist sehr schwach, fast tot", hei�t es in einem
Lagebericht der
KP
Jugoslawiens vom August 1943. Unter der Herrschaft der Deutschen
verschlimmert sich die Situation. In einem Bericht an das ZK der
KP
Jugoslawiens
von Anfang 1944 erkl�rte die kleine und isolierte kommunistische
Gruppe
dieser
Provinz, dass hier die albanischen Massen die
nationalsozialistischen
Besatzer als
ihre Befreier und die Deutschen als ihre gr��ten Freunde
betrachteten:
Selbst Ende
1944, als die s�dalbanischen Partisanen die Wehrmacht schon in
die Flucht

getrieben und Albanien befreit hatten, blieb speziell das Kosovo
noch im
Lager der
Achsenm�chte verankert. Keineswegs zuf�llig unternahm gerade hier
die SS
ihren
letzten Versuch, den unvermeidlichen Sieg der Allierten noch
aufzuhalten.
Nachdem
ihnen der Boden in Tirana zu hei� geworden war, setzten sich die
beiden
zur�ckgebliebenen Statthalter Deutschlands im Oktober 1944 nach
Prizren
ab und
unterst�tzten die Errichtung einer antikommunistischen Regierung
im
Kosovo unter
F�hrung ihres langj�hrigen Freundes, des Kollaborateurs Xhafer
Deva, und
f�hrten
ihr gro�e Mengen an Waffen, Munition, Lebensmittelvorr�ten und
vermutlich auch
Agenten zu. Die Deva-Truppen sollen um die Jahreswende 1944/45
�ber mehr
als
6000 Soldaten verf�gt haben, ihr �rtliches Zentrum war die
Drenica-Region. Der
Widerstand der Deva-Truppen gegen Titos Partisanenarmee dauerte
von
November
1944 bis Mai 1945 und konnte erst nach dem Einsatz einer
30.000-k�pfigen

Partisanenarmee zerschlagen werden. Die Gro�albanien-Idee blieb
jedoch
virulent
und lebte Anfang der 80erJahre im Kosovo wieder auf.

Das Pogrom als Programm

Seit Titos Verfassungs�nderung von 1974 konnte von einer
Diskrimierung
der Kosovo-Albaner keine Rede sein. Im Gegenteil: Diese genossen
s�mtliche Rechte und kontrollierten das gesamte "albanisierte"
Kosovo.
Dennoch
stand f�r die Nationalisten auch in dieser Situation die
Vertreibung und

Drangsalierung aller Nicht-Albaner ganz oben auf der
Tagesordnung. Das
Ziel
dieser Bewegung ist "ein ,ethnisch reines', das hei�t von Serben
und
anderen
Slawen ,ges�ubertes Gebiet', in dem nur Albaner siedeln",
berichtete
1986 Die
Welt. "Das Ziel der radikalen Nationalisten ist...ein ,ethnisches
Albanien, das
West-Mazedonien, S�d-Montenegro, Teile des s�dlichen Serbiens,
Kosovo
und
Albanien umfasst", notierte 1987 die New York Times. Die Flucht
der
Slawen vor
der andauernden Gewalt verwandelt das Kosovo in eben das, was die
Nationalisten unter den ethnischen Albanern seit Jahren ...
fordern - in
eine
,ethnisch reine' Region. "Mit der deutschen Einheit von 1990 kam
auch
die
traditionelle Schutzmacht der Gro�albanien-Idee wieder ins Spiel.
Noch
im selben
Jahr erkl�rten die Kosovo-Nationalisten ihre Provinz f�r
unabh�ngig.
Ibrahim
Rugova wurde zum "Pr�sidenten" und Bujar Bukoshi zum
"Regierungschef"
eines "unabh�ngigen Kosova" ernannt. Beide machten aus ihrer
weitreichenden
Zielsetzung keinen Hehl. "Ich pers�nlich strebe eine Vereinigung
mit
Albanien
an",erkl�rte1991 Rugova. "Die beste L�sung w�re allerdings, alle
Albaner
k�nnten
in einem Staat zusammenleben, auch die Albaner in Mazedonien
m��ten
daran
beteiligt werden." Bujar Bukoshi, der seine "Exilregierung" nicht
zuf�llig in
Deutschland installierte, stand dem nicht nach: "Wir werden alles
tun,
damit die
freie Republik Kosovo und Albanien eines Tages eins werden",
zitierte
ihn die taz
und f�gte hinzu: "Schon lernen die Kinder in den Privatschulen,
wie sie
sich bei
einem ,Vertreibungskrieg' zu verhalten haben." In der Tat: Dieses
Privatschulprogramm der Kosovo-Albaner -von Deutschland aus
geleitete,
von
albanischen Migranten finanzierte und von der Bundesregierung
politisch
unterst�tze - setzte mit seinen "grotesk nationalistisch und
antiserbisch" (W.
Oschlies) ausgerichteten Materialien eben jene "Bildungsarbeit"
fort, die
1944 in
den deutschen Besatzungszonen abgebrochen worden war. Die ersten
Sprengs�tze
f�r ein neues Gro�albanien gingen Februar 1996 hoch: Als erste
�ffentlichen Aktion
attackierte die UCK f�nf serbische Fl�chtlingslager zeitgleich
mit
Bombenanschl�gen. So begann, wie ein UCK-Sprecher sp�ter
erkl�rte, "der
Krieg
f�r die Befreiung der Kosovo-Territorien, die von Serben,
Makedonern und
Montenegrinern okkupiert sind." Es ist kein Zufall, dass schon
diese
erste Aktion
die Handschrift der alten SS-Division "Skanderbeg" trug. Viele
F�hrungskader der
UCK, so etwa ihr Gr�nder Adem Jashari, wurden als die Kinder oder
Enkel
von
Angeh�rigen der alten SS-Division Skanderbeg rekrutiert. Gern
prahlt auch
die
rechtsextreme albanische Organisation "Balli Kombetar"(Nationale
Front),
die
1944 zu den wichtigsten St�tzen der Nazi-Herrschaft z�hlte, mit
ihrem
Einfluss in
der UCK. Mit einigen Gebr�uchen kn�pfte die UCK auch unmittelbar
an ihre

Nazi-Vorl�ufer an. So werden bis heute zumindest die
mazedonischen
UCK-Mitglieder in Anlehnung an das 1941 in Prizren stationierte
faschistische
Schwarzhemden-Bataillon in eine schwarze Kluft gesteckt. Und auch
ihr
urspr�nglicher Gru� - geballte Faust an die Stirn - enstammt der
faschistischen
Tradition. Erst nachdem dies bei historisch versierten
Beobachtern
Irritationen
ausl�ste, wurde der milit�rische Gru� dem in der Nato �blichen
angepasst. Der
wichtigste Kontinuit�tsbezug zwischen der SS-Division Skanderbeg
und der
UCK
liegt in der Tatsache begr�ndet, dass es beiden nicht um
irgendeine Form

albanischer Eigenstaatlichkeit, sondern stets um eine "ethnisch
reine"
Eigenstaatlichkeit gegangen ist, die alles, was vom v�lkischen
Homogenit�tsideal
abweicht oder an die ehemalige serbische Herrschaft erinnert,
zerst�ren
und
ausrotten will. Ihr Freiheits-Begriff ist am
nationalsozialistischen
"frei von"
orientiert: Frei von Juden, frei von Roma, frei von T�rken und
mazedonischen
Slawen. Dieses Verst�ndnis von "Befreiung" hatte die UCK von
Anbeginn in
den
von ihre kontrollierten Gebieten vorgef�hrt. "In den solcherma�en
befreiten D�rfern
verbot die UCK alle politischen Parteien und ging gewaltsam gegen
die
Minorit�ten der Serben, Roma und Goranen (islamische Makedonier)
vor."
Mit
diesem v�lkisch-faschistoiden Gesellschaftsmodell ist das wohl
wichtigste
Merkmal des Projekts "Gro�albanien" benannt.

Schutzzone f�r die UCK

Seit Beginn des Nato-Protektorats im Kosovo wurden alte
Erinnerungen
andas
Gro�albanien der Jahre 1943/44 wach.Als die deutschen Truppen in
Prizren

einmarschierten, wurden sie wie alte Wehrmachtsfreundebegr��t.
"Sicher
hatten es
die Deutschen von der ersten Stunde an leichter als die �brigen
Kfor-Truppen",
berichtete der Spiegel. "Deren Parteinahme zu Zeiten Hitlers f�r
die
Unabh�ngigkeit der Albaner haben die heute noch lebenden
Jahrg�nge
absichtsvoll
zu einer geschichtlich beglaubigten Bruderschaft verewigt und an
ihre
Enkel
weitergereicht. ... Wie anno 1943... preisen besonders die
UCK-Hierarchen
den
,historisch belegten Pakt'." In einem "Leitfaden f�r
Bundeswehrkontingente im
Kosovo" hat die Bundesregierung diese Verbr�derungen
thematisiert. "Es
ist nicht
auszuschlie�en", hei�t es darin, "dass Sie von Verwandten oder
Freunden
ehemaliger Angeh�riger der SS-Division ,Skanderbeg' ... auf diese
geschichtlichen
Bez�ge angesprochen werden." Dies habe jedoch mit einer
Heroisierung der

Nazi-Herrschaft nicht unbedingt zu tun. Genauso gut k�nne,um
"Verbundenheit"
auszudr�cken, ein deutscher Fu�baller genannt werden.
"Verbundenheit mit
Deutschland wird in diesem Leitfaden mit "nazifreundlich"
gleichgesetzt
und der
Begeisterung f�r die Taten der Wehrmacht Normalit�t attestiert.
Ihre
Verbundenheit
mit der Wehrmacht demonstriert tagt�glich aber auch die
Bundeswehr. In
pr�ziser Nachahmung eines seit 1941 vom deutschen Sender "Radio
Belgrad"
gepflegten Rituals wird in Prizren als t�glicher Ausklang des
deutschen
Soldatensenders der Wehrmachtsschlager "Lili Marleen"
ausgestrahlt; eine

Provokation, die sich die Bundesregierung nur dort erlauben kann,
wo
einstmals ein
Zentrum der Nazi-Kollaboration gewesen war. Und doch hat diese
Musikauswahl
einen tieferen, wenn auch unbeabsichtigten Sinn: Zeitgleich zur
Ausstrahlung der
alten Melodie wurde in Prizren an die "S�uberungen" der fr�heren
albanischen
SS-Division angekn�pft. In keiner anderen Besatzungszone des
Kosovo
erhielt die
UCK eine gr��ere Pogromfreiheit als in der deutschen. "In Prizren
haben
es die
deutschen Soldaten den albanischen K�mpfern der
Kosovo-Befreiungsarmee
�berlassen, das in der Stadt geltende Recht zu bestimmen, und
damit die
serbischen
Familien ihrem Schicksal �berlassen",kritisierte der in Paris
erscheinende Figaro.
"Die UCK habe erkl�rt, Prizren stehe vollst�ndig unter ihrer
Kontrolle",
best�tigte
auch die FAZ. Selbst das geistliche Oberhaupt der Serben im
Kosovo,
Bischof
Artemije, hatte vergeblich Sicherheitsgarantien vom deutschen
Kfor-Kontingent in
Prizren erbeten.

"Ethnische Reinheit" - deutsches Ideal.

10.000 Serben aus Prizren wurden fast vollz�hlig erschlagen oder
vertrieben, die
Roma aus dem Kosovo systematisch verfolgt und die letzte j�dische
Gemeinde von
Pristina unter Gewaltandrohung verjagt. Und doch scheint dies f�r
die
deutschePolitik in erster Linie eine Erfolgsbilanz zu sein. "Im
Kosovo
sei die
Kriminalit�t nun geringer als in Moskau", frohlockte zum Beispiel
Rudolf

Scharping und auch der ehemalige deutsche Kfor-Kommandant Klaus
Reinhardt
strotzt nur so vor Zufriedenheit: "Heute geht es in Prizren und
Pristina
wie in
anderen westlichen St�dten zu: Die Discos sind voll, die Leute
sitzen
auf den
Boulevards und freuen sich, dass sie in Frieden leben k�nnen."
Frieden,
so die
Logik, sei eingekehrt, weil die "Fremdv�lkischen" endlich wieder
verjagt
worden
sind. "Nur in den Zonen", schr�nkt Reinhard ein, "wo die
verschiedenen
ethnischen
Gruppen aufeinandersto�en, sind die Spannunge noch gro�." Anders
formuliert:
Nur in Zonen und L�ndern mit "ethnischer Reinheit" sind
Gefahrenpotentiale
eliminiert. Das Kosovo als v�lkisches Musterland? Schon haben
Bundeswehr-Offiziere ihrer Auffassung Ausdruckverliehen, dass
"die
westliche
Vorstellung nach einem friedlichen Zusammenleben der
unterschiedlichen
Bev�lkerungsgruppen in multiethnischen Staatsgebilden ... nichts
als
eine Fiktion"
ist?

Macht und Wahn

Wie in der Vergangenheit, so hat sich Deutschland auch in der
Gegenwart
als
Schutzmacht des v�lkischen albanischen Nationalismus profiliert
-mit Verve, mit
Kompetenz und mit einem hochmotivierten Apparat. F�r diese
Politik wurde
Gerhard Schr�der in Prizren mit "ungew�hnlich euphorischem Jubel"
bedacht.
Soweit ist alles klar. Warum aber war Schr�der, als er sich in
Prizren
feiern lie�,
so "tiefber�hrt"? Warum ging er davon aus, da� dieser Jubel "vor
dem Hintergrund
der spezifisch deutschen Geschichte" eigentlich jeden ber�hren
m�sse?
Die Erkl�rung liegt auf der Hand: Der Bundeskanzler hat den
Beifall
der Kosovo-Albaner nicht als einen Jubel �ber die Kontinuit�t der
deutschen Albanien-Politik wahrgenommen, sondern in diesen
Beifall das
genaue
Gegenteil hinein phantasiert: die Best�tigung einer
vermeintlichen
Diskontinuit�t
und die Belobigung eines "geschichtsgel�uterten" Deutschlands. Im
narzisstischen
Hochgef�hl realisierte Schr�der die Wirklichkeit und tat so, als
h�tten
nicht die
Verteidiger der Kollaboration Deutschland hochleben lassen,
sondern die
Nachfahren von Titos Partisanenarmee. Die Ber�hrtheit des
Kanzlers macht
den
Wahn manifest: Eine spezifische psychologische Disposition formt
sich
ihre eigene
Wirklichkeit. F�r diese Disposition ist Auschwitz - also das
Schuld- und

Entlastungsmotiv -zentral. Der Einsatz der Bundeswehr, rief
der Kanzler den in
Prizren stationierten Soldaten zu, trage dazu bei, "historische
Schuld
und
historisches Verbrechen, die im deutschen Namen begangen wurden,
durch
ein
anderes Bild Deutschlands zu ersetzen." Der logische Defekt in
Schr�ders

Formulierung - k�nnen Bilder Verbrechen "ersetzen"? -
korrespondiert mit
dem
psycho-logischen des deutschen Kollektivs: Nach dem Modell der
Festplatte, die
man l�scht und mit einem neuen Programm �berschreibt, stehen
Schr�der
und Co.
unter dem Zwang, die Nazi-Verbrechen l�schen und mit einem "Stolz
auf
Deutschland" - Progamm �berschreiben zu wollen. Zwar kollidiert
diese
Disposition mit der politischen Realit�t: die Kontinuit�tslinien
zwischen
aktueller
und nationalsozialistischer Kosovo-Politik liegen offen zutage.
Die
Wirklichkeit
wird vom gesellschaftlichen Bewu�tsein jedoch nur soweit
anerkannt, wie
sie
mit der sozialpsychologischen Bedarfslage harmoniert. Zwar haben
sich
die Deutschen angeblich so intensiv mit ihrer Vergangenheit
befasst, wie
niemand
sonst. Doch die Verbrechen der kosovo-albanischen SS werden wie
selbstverst�ndlich ignoriert, erinnern sie doch an die Gegenwart.
Zwar
erfreut sich
das Thema "Vertreibung" einer allgemeinen Popularit�t. Doch die
Vertreibung der
Juden von Pristina, die u.a. das britische Parlament
besch�ftigte, wird
hierzulande
tabuisert, erinnert sie doch an die Vergangenheit. Das gro�e
pluralistische
Geschwafel, das im Gestus der absoluten Aufgekl�rtheit die
deutschen
Gazetten
und Kan�le f�llt, weicht abrupt einem durchg�ngigen Schweigen,
sofern
der Bedarf
nach Entlastung zu Schaden kommen k�nnte und der
nationalsozialistische
Hintergrund der aktuellen deutschen Gro�albanienpl�ne kenntlich
zu
werden droht.