From: "Klaus von Raussendorff"
Date: March 23, 2006 8:15:20 AM GMT+01:00
Subject: Gedenkfeier für Slobodan Milosevic (Berlin, Samstag, 25. März
06, 18 Uhr 30 in den Räumen der GBM)


Liebe Leute,

Die Schwachen kämpfen nicht.
Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde lang.
Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre.
Aber die Stärksten kämpfen ihr Leben lang.
Diese sind unentbehrlich.
(Bertolt Brecht)

Bis zum letzten Atemzug kämpfte Slobodan Miloševic für die Wahrheit
über die Zerstörung Jugoslawiens, geistig und moralisch ungebrochen.
Nur die mörderische NATO-Maschinerie in Den Haag konnte ihn brechen.
Sein Kampf bleibt Verpflichtung für alle, die für den Fortschritt und
den Frieden kämpfen. Die Aggressoren werden nicht die Geschichte
schreiben.

Die Deutsche Sektion des Internationalen Komitees für die Verteidigung
von Slobodan Milosevic (ICDSM) lädt ein zu einer

G e d e n k f e i e r f ü r S l o b o d a n M i l o s e v i c:

Sonnabend, 25. März 2006 um 18.30 Uhr
in der Gesellschaft für Bürgerrecht und Menschenwürde (GBM) in
Berlin-Lichtenberg, Weitlingstr. 89
Es sprechen u. a.
Klaus Hartmann, Prof. Dr. Wolfgang Richter, Cathrin Schütz, Ralph
Hartmann, Arnold Schölzel und Gordana Milanovic.


Hierzu dokumentiere ich:


KEIN RAUM FÜR MILOSEVIC-GEDENKEN?
ABSAGEN FÜR ZUNÄCHST ZUGESAGTE RÄUMLICHKEITEN VON
ROSA-LUXEMBURG-STIFTUNG UND »HAUS DER DEMOKRATIE«
http://www.jungewelt.de/2006/03-23/059.php
[ 1 ]

»EINE MENSCHENMENGE, SO WEIT DAS AUGE REICHT«
Trauerfeier in Belgrad:
Zehntausende Serben erwiesen Slobodan Milosevic die letzte Ehre.
Gespräch mit Cathrin Schütz,
(Mitarbeiterin des Rechtshilfeteams von Slobodan Milosevic in Den Haag)
junge Welt v. 20. März 06
http://www.jungewelt.de/2006/03-20/038.php
[ 2 ]

NICHT IN DIE KNIE GEZWUNGEN
Rede zum Gedenken an Slobodan Milosevic
Von Ralph Hartmann
(ehemaliger DDR-Botschafter in Belgrad)
junge Welt v. 20. März 06
http://www.jungewelt.de/2006/03-20/031.php
[ 3 ]

DER TOD VON MILOSEVIC: EIN POLITISCHER MORD,
FÜR DEN DAS OPFER VERANTWORTLICH GEMACHT WIRD
Von Sarah Flounders
(Co-Direktorin des International Action Center, New York)
[ 4 ]


B u c h e m p f e h l u n g :

„DIE ZERSTÖRUNG JUGOSLAWIENS -
SLOBODAN MILOSEVIC ANTWORTET SEINEN ANKLÄGERN"
( Zambon-Verlag 2006, ISBN 3-88975-135-0, 298 Seiten, 10,-- Euro )


Mit internationalistischen Grüßen
Klaus von Raussendorff

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*****************************************************************
[ 1 ]
Aus: junge Welt v. 23. März 06
http://www.jungewelt.de/2006/03-23/059.php

KEIN RAUM FÜR MILOSEVIC-GEDENKEN?
ABSAGEN FÜR ZUNÄCHST ZUGESAGTE RÄUMLICHKEITEN VON
ROSA-LUXEMBURG-STIFTUNG UND »HAUS DER DEMOKRATIE«

Die Deutsche Sektion des Internationalen Komitees für die Verteidigung
von Slobodan Milosevic lädt für Samstag zu einer Gedenkfeier in Berlin
ein. Die Wahl des Veranstaltungsortes gestaltete sich indes schwierig.
Der zugesagte Saal in den Räumen der Rosa-Luxemburg-Stiftung stand
plötzlich »an diesem Tag« doch nicht zur Verfügung. Auf die Frage,
welcher andere Tag in Frage käme, war die Aussagefähigkeit abrupt
erschöpft. Die Zusage des »Hauses der Demokratie und Menschenrechte«
galt nur, bis Vorstand und Stiftung des Hauses von der Sache Wind bekamen.

All das erinnert an die Internationale Irak-Solidaritätskonferenz im
März 2005, die aufgrund von Raumkündigungen ebenfalls ständig umziehen
mußte. Klaus Hartmann, Sprecher des deutschen Milosevic-Komitees:
»Damals hatte der ›Staatsschutz‹ bei den Vermietern interveniert,
diesmal funktionieren vermeintliche ›Bürgerrechtler‹ und ›Linke‹
freiwillig als Staatsschutz de luxe. Mit antiserbischen
Kriegszwecklügen und Milosevic-Dämonisierung sei ganze Arbeit
geleistet worden. Aber wer der Gehirnwäsche nicht widersteht, für den
sind ›Demokratie‹ und ›Freiheit Andersdenkender‹ die falschen
Firmenschilder.«

Daß die Gedenkfeier doch noch in würdigem Rahmen stattfinden kann, ist
der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde zu
verdanken, die ihre Räume zur Verfügung stellt. Einen Tag, nachdem
sich die NATO Aggression zum siebenten Mal jährt, versammeln sich
jene, die die NATO-Version der Geschichte nicht akzeptieren. Es
sprechen u. a. Klaus Hartmann, Prof. Dr. Wolfgang Richter, Cathrin
Schütz, Ralph Hartmann, Arnold Schölzel und Gordana Milanovic. (jW)

Gedenkfeier für Slobodan Milosevic am 25. März, 18.30 Uhr, GBM,
Weitlingstr. 89, Berlin-Lichtenberg


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[ 2 ]

Aus: junge Welt v. 20. März 06
http://www.jungewelt.de/2006/03-20/038.php

»EINE MENSCHENMENGE, SO WEIT DAS AUGE REICHT«

Trauerfeier in Belgrad: Zehntausende Serben erwiesen Slobodan
Milosevic die letzte Ehre. Ein Gespräch mit Cathrin Schütz

* Cathrin Schütz gehörte zum Rechtshilfeteam von Slobodan Milosevic in
Den Haag

F: Als eine der wenigen Deutschen haben Sie am Samstag vor dem
Belgrader Parlament an der Trauerfeier für den jugoslawischen
Expräsidenten Slobodan Milosevic teilgenommen und auch der Beisetzung
in seinem Heimatort Pozarevac beigewohnt. Wie kamen Sie dazu?

Ich habe an den Trauerfeierlichkeiten als Mitglied des Den Haager
Rechtshilfeteams von Präsident Milosevic teilgenommen, dem ich seit
zwei Jahren angehörte. Die deutsche Sektion des Internationalen
Komitees zur Verteidigung von Milosevic (ICDSM) wurde durch Peter
Betscher vertreten. Zahlreiche weitere Personen aus Deutschland und
anderen Ländern befanden sich unter den Trauergästen, so auch der
Schriftsteller Peter Handke.

F: Wer gehörte neben Ihnen zur internationalen Delegation?

Das ICDSM wurde außerdem durch den ehemaligen US-Justizminister Ramsey
Clark, Velko Valkanov aus Bulgarien, Aldo Bernardini aus Italien, June
Kelly aus Irland und einem Mitglied des Politbüros der griechischen KP
repräsentiert. Rußland stellte eine Delegation, in der alle
Dumafraktionen vertreten waren, darunter Konstantin Satulin von der
Partei Putins, Sergej Baburin,Vizesprecher der Duma, der Vorsitzende
der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation, Gennadi
Sjuganow, und General i.R. Leonid Iwaschow.

F: Nahmen auch Vertreter der serbischen Regierung an der Trauerfeier teil?

Nein, diese versuchte im Gegenteil, den Organisatoren der
Sozialistischen Partei und Milosevics Verteidigungskomitees »Sloboda«
Steine in den Weg zu legen, nachdem sie ein Staatsbegräbnis abgelehnt
hatte. 15 serbische Generale, die von der neuen Regierung vorzeitig in
den Ruhestand entlassen wurden, weil sie 1999 im Krieg gegen die NATO
teilnahmen, erschienen daraufhin in Paradeuniform, um zu salutieren.
Von ehemaligen Mitgliedern des Militärorchesters wurde »Lenins
Begräbnismarsch« gespielt. Die Führung der Radikalen Partei, stärkste
Partei Serbiens, die sich in der Opposition befindet, nahm geschlossen
teil. Sie verlas einen Brief ihres in Den Haag inhaftierten
Vorsitzenden Voijslav Seselj, der seinen politischen Kontrahenten
Milosevic würdigte.

F: In den deutschsprachigen Nachrichten war am Wochenende von 50 000
bis 100 000 Trauergästen in Belgrad die Rede.

Es kursieren unterschiedlichste Zahlen. Ein Belgrader Sender sprach
von 500 000. Der Blick vom Podium war jedenfalls beeindruckend, soweit
das Auge reichte, waren der Platz vor dem Parlament und alle
Nebenstraßen mit Menschen gefüllt. Ohne Zweifel handelt es sich um die
größte Versammlung seit dem Sturz Milosevics am 5. Oktober 2000.
Einige Beobachter schätzten, daß die Zahl der damals vom Westen
mitfinanzierten und organisierten Oppositionsbewegung sogar
übertroffen wurde.

F: In hiesigen Medien wurde fast durchgängig behauptet, daß ganz
überwiegend Rentner um Milosevic trauerten.

Als ich nach meiner Ankunft in Belgrad am Freitag um Mitternacht das
»Museum des 25. Mai« in Dedinje, einem Außenbezirk von Belgrad,
erreichte, wo der Leichnam Milosevics seit Donnerstag aufgebahrt war,
befanden sich trotz nächtlicher Kälte und Regen noch immer Tausende
Wartende aller Altersgruppen in der Schlange. Die Wartezeit, Milosevic
die letzte Ehre zu erweisen, betrug noch immer bis zu sechs Stunden.
Auch Ramsey Clark zeigte sich sichtlich gerührt und meinte, er habe so
etwas seit dem Tod von John F. Kennedy nicht erlebt.

F: Es liegt in der Natur der Sache, daß Beerdigungen eine traurige
Atmosphäre ausstrahlen. War auch Resignation unter den Trauergästen zu
spüren?

Von Resignation war am Samstag keine Spur. Die Stimmung der Menschen
war von tiefer Trauer und Wut bestimmt. Ich persönlich empfand es als
besonders tragisch, daß die engsten Familienmitglieder an der
Beisetzung nicht teilnehmen konnten, weil sie in Serbien aus
fadenscheinigen Gründen noch immer rechtlich verfolgt werden. Am Grab
wurden daher lediglich Briefe mit den letzten Worte von Witwe Mira
Markovic und Sohn Marko verlesen – ein bedrückendes Erlebnis.

F: Den bisher vorliegenden Untersuchungen zufolge hätte das Haager
Tribunal den Tod Milosevics durch eine adäquate medizinische
Behandlung verhindern können. Werden rechtliche Schritte gegen die
verantwortlichen Richter und Chefanklägerin Carla del Ponte erwogen?

Das ICDSM zieht solche Schritte in Erwägung. Zunächst will man von
UN-Generalsekretär Kofi Annan die Aufhebung der Immunität der
verantwortlichen Personen des Haagers Tribunals verlangen.

Interview: Rüdiger Göbel

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[ 3 ]

Aus: junge Welt v. 20. März 06
http://www.jungewelt.de/2006/03-20/031.php

NICHT IN DIE KNIE GEZWUNGEN
Rede in Berlin zum Gedenken an Slobodan Milosevic
Von Ralph Hartmann

* Auf einer Trauerfeier für Slobodan Milosevic in Berlin sprach am
vergangenen Mittwoch der ehemalige DDR-Botschafter in Belgrad, Ralph
Hartmann:

»Sie werden mich nicht brechen können. Ich werde sie
auseinandernehmen«, das sind die letzten überlieferten Worte von
Slobodan Milosevic. Geäußert hat er sie am Freitag, den 10. März, in
einem Telefongespräch mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der
Sozialistischen Partei Serbiens (SPS), Milorad Vucelic. Milosevic,
Vorsitzender der SPS, hatte seinen Stellvertreter in Belgrad
angerufen, um über einige Parteifragen zu sprechen. Zum Prozeß vor dem
sogenannten Haager Jugoslawien-Tribunal bemerkte er nur noch, daß er
mit Momir Bulatovic, ehemaliger Ministerpräsident von Montenegro, den
er als nächsten und besonders wichtigen Zeugen der Verteidigung im
Gerichtssaal befragen wollte, eine Dokumentation vorbereitet habe und
dem Tribunal den bisher »schwersten Schlag« versetzen werde.

Dazu ist es nicht mehr gekommen. In der darauffolgenden Nacht ist der
langjährige Präsident Serbiens und Jugoslawiens in seiner Einzelzelle
verstorben. Bei seinen Freunden und Unterstützern wurde die
Todesnachricht mit Bestürzung und Trauer aufgenommen, seine Gegner in
Den Haag und in den NATO-Metropolen reagierten nach ersten
heuchlerischen Betroffenheitserklärungen mit den eingeübten
Haßgesängen auf den »Belgrader Unhold«. Sie haben ihm nie verziehen,
daß unter seiner Führung die rote Fahne in Europa am längsten wehte,
daß er konsequent für den Erhalt der multinationalen jugoslawischen
Föderation eintrat und der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds
und der NATO die Stirn bot. Das war und ist die Hauptquelle ihres
Hasses. Mit Inbrunst wiederholten ihre publizistischen Sprachrohre die
im Verlauf des Prozesses vom angeklagten Expräsidenten längst
überzeugend widerlegten Lügen über den »skrupellosen großserbischen
Nationalisten«, der für »systematische ethnische Vertreibungen«,
»Massaker« in Kroatien, Bosnien, Kosovo und »Massenvergewaltigungen«
verantwortlich gewesen sei. (...) Nicht wenige Kommentatoren wiesen
empört den in Belgrad und anderswo erhobenen Vorwurf zurück, Milosevic
sei in Den Haag ermordet worden. Aber wenn es kein Mord war, was war
es dann?

Man kann einen Menschen erschlagen, erschießen, ertränken, erwürgen,
aber man kann ihn auch langsam, mit subtileren Mitteln zu Tode
bringen. Im Falle des Haager Angeklagten ist das geschehen. Auf Geheiß
der NATO wurde Milosevic, der ausgerechnet während des
verbrecherischen Terrorkrieges der NATO gegen sein Land vom
völkerrechtswidrig installierten Haager Jugoslawien-Tribunal der
Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt worden war, von der
Belgrader Djindjic-Regierung am 1. April 2001 verhaftet, in einen
Isolationsraum des Belgrader Zentralgefängnisses gesperrt, nach 89
Tagen nach Den Haag verschleppt und dort vier Jahre und neun Monate in
Einzelhaft gehalten. Während der ersten Phase des Prozesses wurde der
sich selbst verteidigende NATO-Gefangene an 250 Verhandlungstagen mit
300 Zeugen der Chefanklägerin Carla del Ponte, darunter makabrerweise
die für die barbarische Kriegsführung gegen Jugoslawien
verantwortlichen NATO-Generäle Wesley Clark und Klaus Naumann,
konfrontiert, mit einer Million DIN-A4-Seiten »Beweismaterialien« und
unzähligen Tonbändern und Videos überschüttet. Das Tribunal
schikanierte ihn, wo es nur konnte, seine Erholungsphasen und die
Vorbereitungszeit auf seine Verteidigung wurden extrem verkürzt,
britische Verteidiger sollten ihm aufgezwungen werden, seine Frau Mira
und seine nächsten Angehörigen durften ihn jahrelang nicht besuchen,
was den psychischen Druck auf ihn erhöhte.

Doch die Schikanen des Tribunals konnten ihn nicht in die Knie
zwingen. Vor Gericht widerlegte er souverän und mit beeindruckender
Sachkenntnis Punkt für Punkt die Lügen der Anklage und ihrer Zeugen,
prangerte die bürgerkriegsschürende Einmischungspolitik der NATO, vor
allem Deutschlands, die Unterstützung für die Terroristen und
Separatisten in Kosovo und den verbrecherischen Überfall des
Kriegspaktes auf sein Land an. Selbst NATO-Beobachter kamen zu der
Einschätzung, daß Milosevic vor den Schranken des Gerichtes vom
Angeklagten zum Ankläger geworden war. Frau del Ponte und mit ihr das
Tribunal sowie seine Hintermänner standen vor einer Niederlage.
Auch in den USA erhoben sich einflußreiche Stimmen, das Haager
»Frankenstein-Monster« zu begraben und die Chefanklägerin in die Wüste
zu schicken. In dieser Situation schreckten die Gegner Milosevics auch
nicht davor zurück, die so schon angeschlagene Gesundheit des
Angeklagten zu untergraben.

Bereits 2002 hatte ein vom Gericht bestellter niederländische
Kardiologe nach einer Untersuchung des Angeklagten extremen
Bluthochdruck mit sekundärem Organschaden, Erweiterung der linken
Herzkammer, diagnostiziert. Aus seinem Bericht ging eindeutig hervor,
daß der Druck des Verfahrens zu extremer Erschöpfung, zu Gehirnschlag,
Herzinfarkt und Tod führen kann.

Das Tribunal sah das anders und lehnte eine Behandlung durch seine
Belgrader Ärzte ab, es untersagte ihm sogar, die von diesen verordnete
Medizin einzunehmen. Wie skrupellos es vorging, zeigte erst unlängst
die Ablehnung des Antrages des NATO-Gefangenen, sich wegen seiner
akuten Leiden am weltbekannten Moskauer Bakuljew-Zentrum von
russischen Herzspezialisten behandeln zu lassen. (...)

Noch kurz vor seinem Tod hatte er seinem Rechtsberater Zdenko
Tomanovic gesagt, daß man ihn vergiften wolle, worüber der Berater
umgehend das holländische Justizministerium, die Polizei und die
russische Botschaft mit einem handschriftlichen Brief Milosevics an
Außenminister Lawrow informierte. Die Obduktion bestätigte diesen
Verdacht. Der Versuch des Tribunals und dessen propagandistischen
Hilfstruppen, ausgerechnet dem standhaften Milosevic zu unterstellen,
sich selbst vergiftet zu haben, um das Risiko eines Herzinfarktes zu
erhöhen, ist an Dummheit und Infamie nicht zu überbieten. Er rundet
allerdings das Bild ab, das das Haager Tribunal und der von den
Aggressoren veranlaßte schändliche Prozeß gegen den Präsidenten des
von ihnen angegriffenen Landes von Anbeginn an geboten hat.

Slobodan Milosevic hat mit seinen letzten Worten: »Sie werden mich
nicht brechen« Recht behalten. Sie haben ihn nicht gebrochen, zu Tode
gebracht haben sie ihn.

(gekürzt)

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[ 4 ]

DER TOD VON MILOŠEVIC: EIN POLITISCHER MORD, FÜR DEN DAS OPFER
VERANTWORTLICH GEMACHT WIRD

Von Sarah Flounders
(Co-Direktorin des International Action Center, New York)

Im Sommer 2004 begegnete ich dem ehemaligen jugoslawischen Präsidenten
Slobodan Milosevic im Gefängnis von Scheveningen, als ich als Zeugin
seiner Verteidigung zugelassen worden war. Bevor ich hinein gelangen
konnte, hatte ich vier völlig separate Kontrollposten zu passieren und
konnte nichts anderes als Papiere mit hinein nehmen. Jede
Sicherheitsstufe war strenger als die vorherige.

Niemand der mit Präsident Milosevic in den letzten vier Jahren
zusammen getroffen ist, kann glauben, er hätte riskiert, sich selbst
zu töten, anstatt sein Verfahren zu Ende zu führen. Und niemand, der
einmal im Den Haager Gefängnis in Scheveningen war, kann die abwegigen
Behauptungen glauben, dass er irgendwie in der Lage war, regelmäßig
nicht verordnete Medikamenten herein zu schmuggeln. Da würde man schon
eher jene Kräfte verdächtigen, die verzweifelt versuchen, ihre eigenen
Verbrechen zu vertuschen.

Meine Rolle als Zeugin beruhte auf meiner Reise nach Jugoslawien im
Frühjahr 1999 während des 78-tägigen US/NATO-Bombardements. Ich
besuchte zerbombte Schulen, Krankenhäuser, Heizwerkanlagen und Märkte
und berichtete über die Schäden der Zivilbevölkerung. Außerdem hatte
ich seit 1993 über die Rolle geschrieben, welche die USA bei der
Strangulierung und gewaltsamen Zerstückelung Jugoslawiens hinter der
Szene spielten.

Selbst nachdem mein Name als Zeugin der Verteidigung akzeptiert worden
war, war es auch dann noch eine komplizierte und langwierige Prozedur,
diesen Besuch abzustatten. Obgleich alles am Tage des Besuches
genehmigt worden war, vergingen immer noch vier Stunden, um durch die
Kontrollposten in die Spezialeinheit im Innern des Gefängnisses zu
kommen, wo die Angeklagten des Internationalen Straftribunals für das
ehemalige Jugoslawien (ICTY) völlig abgetrennt von den übrigen
Gefangenen unter strenger Bewachung gehalten wurden.

Das Gefängnis Scheveningen ist eine Hochsicherheitseinrichtung.
Milosevic und die anderen angeklagten Gefangenen sind in einem
speziellen Gefängnistrakt innerhalb der Haftanstalt untergebracht.
Diese Abteilung erstreckt sich über vier Stockwerke mit jeweils 12
Zellen. Sie wird von besonderen UN-Wärtern beaufsichtigt. Überall sind
Kameras. Jeder Augenblick der Gefangenen wird beobachtet und
kontrolliert. Als der Präsident in seine Zelle verbracht wurde, blieb
das Licht zuerst 24 Stunden am Tag an, und jede Bewegung wurde verfolgt.


Woher kam das Rifampicin?

Inzwischen behaupten die niederländischen Behörden, dass Milosevic ein
seltenes, schwer zu beschaffendes Antibiotikum nahm, das zur
Behandlung von Lepra und Tuberkulose eingesetzt wird und das die
einzigartige Fähigkeit hat, die Wirkung der Medikamente, die er zur
Kontrolle seines Bluthochdrucks nahm, herabzusetzen. Wie ist dieses
Medikament namens Rifampicin in Milosevics Körper gelangt? Er befand
sich als Gefangener in einem Hochsicherheitsgefängnis unter dreifachem
Verschluss in einem Spezialtrakt innerhalb einer Haftanstalt, die
früher von den Nazis benutzt wurde, um holländische Widerstandskämpfer
zu inhaftieren.

Als das Rifampicin am 12. Januar diesen Jahres in Milosevics Blut
gefunden wurde, hielt das ICTY den Bericht über die Blutprobe geheim,
selbst vor Milosevic und seinen Ärzten, die darüber Beschwerde
führten, dass etwas bedrohlich Falsches die Gesundheit des Angeklagten
angriff. Derweil Milosevic, sein Verteidigungskomitee und die ihn
unterstützenden Anwälte Auskunft über seine Gesundheit verlangten,
saßen die ICTY-Beamten auf diesem Bericht. Warum haben die für
Milosevics Gesundheit verantwortlichen ICTY-Beamten, wenn sie denn
wirklich geglaubten, er schmuggele schädliche Arzneimittel in das
Gefängnis, diesen Bericht nicht viel eher veröffentlicht?


Verzögerungen schaden Milosevic

Ebenso abwegig sind die Behauptungen, dass Milosevic seine Krankheit
vorgespielt hat, um sein Verfahren zu verzögern. Tatsächlich
verzögerte die Anklagevertretung das Verfahren, ersten indem sie
zusätzliche Anklagepunkte zu Kroatien und Bosnien einführte, als man
merkte, dass man aufgrund der ursprünglichen Anklagepunkte zu Kosovo
keine Beweisgrundlage für Kriegsverbrechen hatte, sodann indem man man
Hunderte von Zeugen aufbot und von Februar 2002 bis Februar 2004 zur
Darstellung des Sachverhalts, wie die Anklage ihn sah, 500.000
Druckseiten an Dokumenten produzierte.

Jedes Mal, wenn Milosevic zu krank war, um im Gerichtssaal weiter zu
machen, beantragte die Anklage, ihm Zwangsverteidiger aufzuzwingen und
ihm das Recht eines Gefangenen zu nehmen, seine Verteidigung selbst zu
führen. Milosevic war entschlossen, den Prozess als Plattform zu
benutzen, um nicht nur sich selbst sondern die Bevölkerung von
Jugoslawien zu verteidigen und die USA, Deutschland und die
NATO-Mächte für ihre Rolle bei der verbrecherischen Zerstörung seines
Landes anzuklagen. Er begrüßte den Prozess als die einzige Plattform,
wo er die historischen Zusammenhänge darstellen konnte. In seinen
Ausführungen vor dem Gericht erläuterte er ständig, warum er,
ungeachtet seiner schlechten Gesundheit, entschlossen war, weiter zu
machen.

Ich begegnete Milosevic in dem Sonderraum, dem einzigen Platz, wo das
ICTY ihm erlaubt, zu arbeiten oder über die Gerichtsunterlagen zu
verfügen, um seine Verteidigung vorzubereiten. Wenn sein Bluthochdruck
stieg und er nicht in der Lage war, mit der Gerichtsverhandlung
fortzufahren, wurde er auch vom Zugang zu seinem Verteidigungsmaterial
ausgeschlossen.

Das ICTY hat Milosevic beschuldigt, er habe sich insgeheim selbst mit
Medikamenten behandelt und vermieden, die verordneten Arzneimittel zu
nehmen. Auf diese Anschuldigung antwortete Milosevic selbst am 1.
September 2004 im Gerichtssaal: „Sie kennen wahrscheinlich die Praxis
in Ihrer eigenen Haftanstalt nicht. Ich nehme meine Mittel in
Gegenwart der Wärter ein. Sie werden mir ausgehändigt. Ich nehme sie
in Gegenwarte des Wärters, und der Wärter trägt in ein Buch ein, wann
genau ich diese Mittel eingenommen habe."

Trotz des Risikos eines lebensbedrohlichen Herzanfalls, über das
wiederholt in Auseinandersetzung mit den Anklägern gesprochen wurde,
weigerten sich die Beamten des Tribunals sogar, regelmäßige Kontrollen
des Gesundheitszustandes des Präsidenten zu veranlassen. Monate lang
lehnten sie den Zugang von Spezialisten ab, die bereit waren nach
Scheveningen zu kommen und verzögerten damit die Behandlung.

Schlüssiger und glaubwürdiger als die Erklärung des ICTY war die des
Präsidenten. In einem Brief an die russische Botschaft zwei Tage vor
seinem Tode schreibt Milosevic, dass er seit mehr als vier Jahren
keine Antibiotika genommen habe. Er fragt, warum der medizinische
Bericht über die Entdeckung von Rifampicin fast zwei Monate lang vor
ihm geheim gehalten wurde. Er schreibt, er glaube, dass „aktive
Schritte unternommen werden, um seine Gesundheit zu zerstören."
Warnend weist er darauf hin, dass er sich sicher ist, er werde
vergiftet und sein Leben sei in Gefahr.


Ein politisches Tribunal

Die Art, wie das ICTY mit dem Tod von Präsident Milosevic umgeht,
gleicht der Art der Behandlung des gesamten Verfahren durch das ICTY:
Es ist der Versuch, das Opfer für das Verbrechen verantwortlich zu machen.

Das ICTY ist kein wirkliches internationals Gericht mit der
Zuständigkeit, über angeklagte Kriegsverbrecher ein Urteil zu fällen.
Es ist ein politisches Gericht, das 1993 vom UN-Sicherheitsrat auf
Druck der US-Außenministerin Madelin Albright in Verletzung der
UN-Charta eingerichtet wurde. Seine Zuständigkeit ist darauf
beschränkt, über Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien zu urteilen,
und die überwiegende Mehrheit der Gefangenen sind Serben. Es ist ein
Propagandaapparat und ein Haftlager für politische Gefangene, als
neutrales Gericht getarnt. Es verfolgt das Ziel, die Opfer selbst für
die Verbrechen verantwortlich zu machen, die gegen sie begangen
wurden, und die imperialistischen Mächte freizusprechen, die die
Sozialistische Föderation Jugoslawien überfielen, bombardierten und
privatisierten.

Als Milosevic mit mir über das Verfahren sprach, war er es, der mit
seinem historischen Wissen und seiner trotz Krankheit starken Energie
meine Ermüdung durch die reisebedingte Zeitverschiebung und infolge
des vierstündigen Eingangshürdenlaufs überwand und es uns beiden
möglich machte, das Gespräch voller Zuversicht angesichts der nächsten
Schritte des Tribunals zu beenden.

Nun soll die Welt glauben gemacht werden, dass Milosevic für seinen
eigenen Tod verantwortlich ist. Dabei geht es um ein so unglaublich
kompliziertes Szenario, eine so ausgetüftelte Selbstmordgeschichte,
die so unwahrscheinlich ist wie die gegen ihn erhobenen Anklagen. Die
käuflichen und bezahlten Großmedien akzeptieren und propagieren die
Geschichte seines Todes in derselben unterwürfigen Art, wie sie die
Existenz dieses illegalen Gerichts und die Rechtfertigung für die
Zerstörung Jugoslawiens akzeptiert haben.

Milosevic ist jetzt von uns gegangen. Aber die Summe seiner
Gegendarstellung gegen die in zwei Jahren vorgetragene Darlegungen der
Ankläger und seine zur Eröffnung seiner Verteidigung gehaltene Rede
und die von ihm eingeführten Zeugenaussagen leben fort. Er hinterließ
eine fulminante Anklage gegen die Intervention der USA und der
uropäischen Großmächte auf dem Balkan in einem historischen Dokument,
welches das Format eines großen „J'accuse" hat. Seine Rede, die eine
umfangreiche Dokumentation und viele faktische Details enthält, ist
auf Serbisch, Griechisch, Französisch, Russisch, Englisch und Deutsch
(und Italienisch, n.d.CNJ) erschienen. Wenn die billige
Kriegspropaganda längst verrauscht ist, wird „DIE ZERSTÖRUNG
JUGOSLAWIENS - SLOBODAN MILOSEVIC ANTWORTET SEINEN ANKLÄGERN" noch
lange Bestand haben.

Übersetzung aus dem Englischen: Klaus von Raussendorff


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