J. Elsaesser um Iran und Libanon

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http://www.jungewelt.de/2006/04-11/046.php?sstr=Milosevic

junge Welt (Berlin), 11.04.2006 / Interview / Seite 2

»Es gibt keinen Beweis für die syrische Spur«

Recherchen zum Mordfall Hariri und neue Erkenntnisse über
US-amerikanische oder israelische Drahtzieher. Ein Gespräch mit Jürgen
Cain Külbel

Jürgen Cain Külbel hat in der DDR Kriminalistik studiert und in diesem
Beruf 15 Jahre gearbeitet. Aktuell ist das Buch »Die Mordakte Hariri –
unterdrückte Spuren im Libanon« (Kai Homilius Verlag) von ihm erschienen

F: Ihr gerade erschienenes Buch handelt von einem einzelnen Mordfall
im Libanon. Was ist daran so wichtig?

Unbekannte Attentäter jagten am 14. Februar 2005 die Fahrzeugkolonne
des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri in
Beirut in die Luft. Das war der Auftakt zu einer großangelegten
Destabilisierung des gesamten Libanon – die sogenannte
Zedernrevolution – und zu weitergehenden Drohungen gegen den
Nachbarstaat Syrien seitens der USA und ihrer Verbündeten. Ein
Regime-Change in Damaskus steht seit langem auf der Agenda der
Neokonservativen in Washington.

F: Aber eine von der UNO eingesetzte Untersuchungskommission hat doch
nachgewiesen, daß die syrische Regierung den ihr mißliebigen Hariri
beseitigen ließ, oder?

Die Schuldzuweisung an Syrien kam von der Bush-Regierung, noch bevor
die Leiche kalt war. Und die UN-Untersuchungskommission hat das
tatsächlich bestätigt. Doch die Sache ist oberfaul. Es gibt keinen
Beweis für die syrische Spur. UN-Generalsekretär Kofi Annan konnte
Anfang 2005 gerade mal den eigenen Hintern und Posten retten; sein
Sohn war massiv in den Oil-For-Food-Skandal verwickelt, es ging um
korrupte Geschäfte mit irakischem Öl. Natürlich war Annan dadurch
erpreßbar geworden, und er spurte gegenüber den Amerikanern wie ein
unterwürfiger Dackel: Eifrig installierte er seine sonderbare
UN-Kommission in Beirut, um den Mord aufzuklären. Den Ermittlern
injizierte er ins Hirn, »der syrischen Spur« nachzugehen – und nur
dieser Spur. Pikant: Carla del Ponte, Chefanklägerin gegen Slobodan
Milosevic in Den Haag, schlug ihren Freund, den deutschen
Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis, als Chef der UN-Kommission vor. Mehlis
erledigte die Drecksarbeit – er war der geeignete Mann dafür – und
fabrizierte zwei schwammige Reporte, in denen gekaufte, erpreßte oder
mutmaßlich gefolterte Belastungszeugen gegen die Syrer zu Wort kamen.
Als diese Zeugen ihre Aussagen später zurückzogen, stand Mehlis
ziemlich blöd mit seinem Lügengebäude vor der Weltöffentlichkeit.
Geschadet hat es ihm nicht: Am 29. März erhielt Mehlis von
Bundespräsident Horst Köhler das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse »für
sein Wirken bei der Bekämpfung international agierender
terroristischer Gewalttäter«.

F: Was sind denn nun Ihre wichtigsten Erkenntnisse über den Mord?

Das Interessanteste: Die Störsender des Konvois von Hariri versagten
während des Attentates völlig. Ohne diesen Defekt hätte der Anschlag
nicht klappen können, denn ihre Elektronik ist eigentlich in der Lage,
Handyfernzündungen von Bomben zu verhindern. Der Defekt ist umso
bemerkenswerter, als die Geräte vor und während des Anschlages aktiv
waren, eines sogar noch danach. Lieferant dieser Technik war eine
israelische Firma. Diese Tatsache, die im Bericht der UN-Kommission
verschwiegen wird, konnte ich zweifelsfrei recherchieren: Ich sprach
mit einem der Inhaber der Lieferfirma – übrigens ein ehemaliger
Mitarbeiter des israelischen Militärgeheimdienstes.

F: Und die Hintermänner?

Es gibt einen Sumpf aus US-amerikanischen Neokonservativen,
rechtsradikalen Israelis und libanesischen Exilpolitikern, die schon
seit Jahren an einem Umsturz in Beirut arbeiten. Mit einigen von ihnen
konnte ich direkt sprechen. Als Höhepunkte meiner Recherche möchte ich
die Interviews mit dem Chef des »United States Committee for a Free
Lebanon (USCFL)«, dem in den USA lebenden Banker Ziad K. Abdelnour,
bezeichnen. Das Komitee hatte Hariri auf die Abschußliste gesetzt, und
Abdelnour arbeitet seit Jahren mit Leuten aus der US-Administration
und den berüchtigten Neokonservativen zusammen; er ist ein enger
Verbündeter von Richard Perle und dem Araberhasser Daniel Pipes.
Abdelnour spielt sozusagen gegen Syrien die Rolle, die Ahmed Chalabi
gegen den Irak gespielt hat: im Auftrag der USA Kriegsvorwände zu
erfinden.

Interview: Jürgen Elsässer


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Jürgen Elsässer
Gesendet: Montag, 17. April 2006 18:32
Betreff: Iran: Kriegsgefahr wächst

Unten folgt die Pressezusammenfassung meines Referats auf der jüngsten
Vortragsreise. Gerne bin ich zu weiteren Veranstaltungen bereit. Bitte
nehmen Sie rechtzeitig Kontakt auf: info @ juergen-elsaesser.de

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Backnanger Kreiszeitung, 11. April 2006. Autor: Peter Wark

"Deutschland wird den Krieg unterstützen"

Buchautor Jürgen Elsässer sieht Angriff gegen den Iran als
beschlossene Sache an - "Öl ist nicht die Hauptmotivation".


Backnang - Der Boden ist längst bereitet für einen Krieg unter Führung
der USA gegen den Iran - das befürchtet der Journalist und Buchautor
Jürgen Elsässer aus Berlin. Gezielt werde ein Bedrohungsszenario durch
den Iran aufgebaut, dabei gehe es in Wirklichkeit um wirtschaftliche
Interessen des Westens und eben vor allem der Amerikaner.

Die Friedensinitiative Backnang, der Arbeitskreis Politik im cje, die
Naturfreunde und die AWO hatten zum Diskussionsabend mit dem
streitbaren und umstrittenen Kolumnisten und Autor politischer
Sachbücher ("Wie der Dschihad nach Europa kam") geladen. Elsässer gilt
als ausgewiesener Linker, als einer, der sich in der Rolle des
Provokateurs gefällt. Er selbst sieht sich als Aufklärer, ist zugleich
profunder Kenner der Krisenherde. Das Thema hat gezogen - oder der
Referent: Der Fritz-Schweizer-Saal im Bürgerhaus jedenfalls war voll
besetzt mit Zuhörern aus fast allen Altersklassen.
Mit der gleichen Kriegsrhetorik und dem gleichen Szenario wie vor dem
Einmarsch im Irak würde die Welt jetzt auf einen neuen Konflikt
vorbereitet, sagt Elsässer - und niemand stehe dagegen auf. Nicht die
deutschen Politiker und nicht die Medien. Im Gegenteil, sie machten
sich alle zum Bestandteil dieser Kriegsallianz. Als Beleg führt
Elsässer an, dass bei allen Berichten immer nur dubiose Quellenangaben
gemacht würden. Er nennt das Beispiel, als der Spiegel einmal konkret
den Bundesnachrichtendienst als Quelle einer Meldung angegeben hat.
Umgehend habe der BND dementiert.

"Ich will keine Prognose wagen", sagt Elsässer eingangs, tut es dann
aber doch. Der Krieg gegen, den Iran wird wohl kommen. Dafür sprächen
fast alle Anzeichen. Das Muster, nach dem der iranische Präsident
Mahmud Achmadinedschad jetzt als Bedrohung für die Welt aufgebaut
werde, funktioniere ähnlich wie einst schon bei Milosevic und Saddam
Hussein. Elsässer: "Alle zwei Jahre wird ein neuer Hitler entdeckt".
Der Westen bringe erst "die Teufel hervor, die dann als Legitimation
für einen Krieg benutzt werden".

Die berüchtigte Achmadinedschad-Rede vom Oktober, in der er gesagt
haben soll, dass Israel von der Landkarte getilgt werden müsse, sei
bewusst falsch interpretiert worden. Sie sei keine Vernichtungsdrohung
gegen Israel gewesen, sondern eine Geschichts-Betrachtung. Auf
hölzernen Beinen steht nach Elsässers Einschätzung auch die
Argumentation, der Iran arbeitet an Atomwaffen. Die internationale
Energiebehörde bestätige, dass Persien kein militärisches Atomprogramm
betreibe. Der Iran komme allen Verpflichtungen aus dem
Atomwaffensperrvertrag nach.

Wenn der Krieg kommt, davon gibt sich der ehemalige Grundschullehrer
Elsässer überzeugt, dann wird Deutschland ihn unterstützen. Mit dem
Vergleich Achmadinedschads mit Hitler habe Kanzlerin Angela Merkel
sich ohne Not erpressbar gemacht. Beim dem Konflikt gehe es keineswegs
in erster Linie ums Öl. "Das Öl ist höchstens Mittel zum Zweck", sagt
der Journalist. Die Dinge seien viel komplexer. Schließlich könnten
die USA weit länger ohne Öl aus dem Nahen Osten auskommen als
beispielsweise die großen Konkurrenten auf den Weltmärkten, Japan und
China. Es gehe den Amerikanern also eher darum, diese von den
Ölvorkommen fern zu halten.

Was sich abspielt sei nicht weniger als eine" Weltwährungsschlacht. "
Man stelle sich vor, der Iran würde seine Ölgeschäfte nicht mehr in
Dollar, sondern in Euro ab rechnen. Diese Flucht aus dem Dollar
könnten die USA nicht hinnehmen. Unter ökonomischen Gesichtspunkten
seien sie längst pleite. Alleine ihre militärische Superüberlegenheit
"verschafft Bonität an den internationalen Kapitalmärkten", die
jederzeit mit vorglehaltener Maschinenpistole eingefordert werden
könne. Und die deutsche Wirtschaft - die nicht wirklich an einem Krieg
gegen den Iran interessiert sein könne - hänge mit ihrer
Exportabhängigkeit auf fatale Weise in der Sache drin.

Hier schlägt Elsässer einen weiten Bogen, regt die Abkoppelung der
deutschen Wirtschaft vom Export in den Dollar-Raum an, spricht einer
stärkeren Konzentration auf die Binnenwirtschaft das Wort und fordert
deutliche Lohnerhöhungen und "eine vernünftige Sozialpolitik", damit
die Waren im Inland, auch gekauft werden könnten.

Der nächste Krieg schon lange beschlossene Sache? Am Ende dann doch
noch Worte des Referenten, die hoffen lassen, dass es nicht
zwangsläufig so weit kommen muss.. "Leute wie ich neigen dazu, zu
dramatisieren". Und: "Ich vertraue noch immer ein bisschen auf den
gesunden Menschenverstand". Das war am Freitagabend. Am Samstag dann
veröffentlichte Spiegel online einen Bericht, wonach die USA mit den
Planungen massiver Bombenangriffe gegen Ira:h sehr weit
fortgeschritten seien und dabei auch den Einsatz von atomaren so
genannten Bunker-Buster-Bomben plane. Widerstand dagegen rege sich
ausgerechnet bei den Militärs, wo ranghohe Offiziere bereits mit dem
Rücktritt gedroht hätten. Wie hatte Elsässer am Abend zuvor gesagt:
"Die vernünftigsten Leute in den USA sind noch die Militärs".

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Aktuelles Buch:
Jürgen Elsässer, "Wie der Dschihad nach Europa kam. Gotteskrieger und
Geheimdienste auf dem Balkan" (np-buch März 2005; erscheint 2006 auf
Französisch, Serbisch und Türkisch)

Weitere Infos: www.juergen-elsaesser.de