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15.09.2001

Volksaufstand der Jugoslawen

Vor 60 Jahren: Hitler gab der Wehrmacht freie Hand. Von Martin
Seckendorf


Nachdem die deutsche Wehrmacht am 6. April 1941 ohne Kriegserklärung
in Jugoslawien eingefallen war, wurde Jugoslawien in zehn Teile
zerschlagen. Das damals größte Balkanland sollte, wie Hitler am 27.
März 1941 erklärte, »als Staatengebilde ... mit unerbittlicher Härte«
für immer vernichtet werden.

Die deutschen Okkupanten und ihre Vasallen aus Bulgarien, Italien und
Ungarn gingen sofort daran, die Teilgebiete bevölkerungspolitisch »neu
zu ordnen«. Gewaltige Deportationswellen und große Mordaktionen
setzten ein. Von den »ethnischen Säuberungen« waren vor allem Slowenen
und Serben betroffen. Ihnen drohte, wie die Nazis ganz offen
verkündeten, der »Volkstod«. Am 9. April 1941 erklärte das
Reichsinnenministerium alle 755 000 Slowenen in ihrem Heimatgebiet zu
Staatsfeinden, die zu »verschwinden« hätten. Ähnlich erging es den
Serben, besonders in Kroatien sowie in den von Ungarn und Bulgarien
besetzten Gebieten. In einem Bericht deutscher Behörden vom 17.
Februar 1942 an die Regierung in Berlin heißt es, daß bis zum Herbst
1941 in Kroatien »etwa 300 000 Serben, insbesondere wehrlose Greise,
Frauen und Kinder in der bestialischsten Weise ... mit den
sadistischsten Methoden zu Tode gequält« worden seien. Hunderttausende
Serben wurden ohne alle Habe und Nahrungsmittel in das unter deutscher
Militärverwaltung stehende »altserbische Gebiet« getrieben. Hinzu
kamen Hungersnöte als Folge einer mit dem Einmarsch deutscher Truppen
in großem Umfang einsetzenden ökonomischen Ausbeutung.

Gegen Widerstand ging die Wehrmacht vom ersten Tag des Überfalls an
mit ungeheurer Brutalität vor. Als zwei SS- Leute erschossen wurden -
noch vor der Kapitulation der königlich-jugoslawischen Armee -
begannen die berüchtigten Vergeltungsaktionen. In Pancewo, nordöstlich
von Belgrad, wurden 18 »Kommunisten und Serben« erhängt und 18 weitere
an der Friedhofsmauer erschossen. Die Leichen blieben drei Tage
liegen.

Die etwa 8 000 Mitglieder zählende Kommunistische Partei Jugoslawiens
unter Führung von Josip Broz, genannt Tito, hatte sich am 10. April
1941 darauf verständigt, einen Aufstand vorzubereiten. Waffen wurden
gesammelt, militärische Einheiten aufgestellt und auf allen
Parteiebenen Militärkomitees gebildet. Seit dem 4. Juli 1941 rief die
Partei alle Jugoslawen zum bewaffneten Aufstand gegen die Okkupanten
und ihre jugoslawischen Helfer auf. Sie verwies darauf, daß der
Aufstand ein Akt der Notwehr ist, um der durch Ausbeutung, Terror und
»ethnische Säuberungen« entstandenen existentiellen Bedrohung der
Völker Jugoslawiens zu begegnen.

Der Zeitpunkt war klug gewählt, die militärpolitische Lage für den
Aufstand günstig: Im Juni 1941 wurde die kampfstarke 2. deutsche Armee
aus Jugoslawien zum Überfall auf die Sowjetunion abgezogen. An ihre
Stelle traten vier Divisionen, die nur die Hälfte der
Mannschaftsstärke einer normalen Division hatten, wenig motorisiert
waren und kaum über Panzer verfügten. Ein Reserve-Polizei-Bataillon
und bewaffnete Einheiten der deutschen Minderheit kamen hinzu. Der
Aufbau militärischer Formationen der Kollaborateure hatte gerade
begonnen. Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion förderte nicht nur
bei Kommunisten aller Nationalitäten, sondern auch in breiten Kreisen
der slawischen Völker Jugoslawiens die Bereitschaft zum Widerstand.

Der Aufstand breitete sich wie ein Flächenbrand über das ganze Land
aus. Im September kontrollierten die Partisanen fast zwei Drittel
Jugoslawiens. Große befreite Gebiete entstanden vor allem in Serbien.
Von besonderem Gewicht war die Befreiung der beiden Städte Uzice und
Cazak mit bedeutenden Waffenfabriken. Allein die Fabrik in Uzice
lieferte in den zwei Monaten ihrer Produktion für die Partisanen mehr
als 21 000 Gewehre. Im September 1941 war die deutsche Herrschaft nur
noch auf wenige Städte beschränkt.

Der Erfolg der Partisanen erklärt sich aus ihrem multinationalen
Konzept. Die Kommunistische Partei wandte sich an alle Jugoslawen,
unabhängig von Religion, Nationalität und politischer Überzeugung. Sie
propagierte für die Zeit nach dem Sieg die Vision eines neuen
Jugoslawien. Alle Völker sollten in einer multiethnischen, föderalen
Republik gleichberechtigt sein. Die Monarchie als Symbol und
Instrument des zerstörerischen großserbischen Chauvinismus sollte
abgeschafft werden. Die schreiend ungerechten sozialen Zustände, die
die nationale Zwietracht begünstigten, wollte man verändern.

Als der Masseneinfluß der Kommunisten unübersehbar wurde, beteiligten
sich die bürgerlich-nationalistischen Kräfte, organisiert in den
traditionellen Wehrscharen (Cetniks), zusammen mit Resten der
königlichen Armee am Aufstand. Unter ihrem Führer Mihailovic kam es
vereinzelt zu gemeinsamen Aktionen mit den Tito-Partisanen. Die Führer
der Mihailovic-Bewegung wollten das alte Jugoslawien wieder
herstellen, in dem der König und großserbisch orientierte Kräfte
herrschten. Die meisten Cetnik-Führer waren Antikommunisten.
Spätestens seit August 1941 gingen sie den Weg des Verrats und
kämpften gegen die Partisanen - häufig mit deutschen Waffen und unter
deutscher Führung. Viele einfache Cetniks und Unterführer gingen
daraufhin auf die Seite Titos über. Die Kollaboration der
Mihailovic-Cetniks mit den Deutschen entschied die großen Schlachten
des November 1941 und ermöglichte die Wiederaufrichtung der deutschen
Herrschaft in Serbien bis 1945.

Die Deutschen reagierten auf die Unruhen zunächst mit verschärftem
Polizeiterror. Bis Ende August wurden über 1 000 Menschen erschossen.
Im September 1941 wurde der Führung in Berlin bewußt, daß, wollte sie
die Herrschaft auf dem Balkan behalten, Jugoslawien ein zweites Mal
militärisch erobert werden mußte. Wie bei der ersten Eroberung im
April erging - nun am 16. September - eine Grundsatzweisung Hitlers.
(Weisung Nr. 31a.) Kampfstarke Divisionen und Luftstreitkräfte wurden
herangeführt. Die Wehrmacht erhielt die gesamte politische und
militärische Gewalt. Da die Partisanen auch mit den Verstärkungen
nicht zu besiegen waren, wurde ein Vernichtungskrieg gegen die
Zivilbevölkerung befohlen. Richtschnur war, für jeden im Kampf mit den
Partisanen gefallenen Deutschen 100 Zivilisten und für jeden
verwundeten Deutschen 50 Zivilisten zu töten. Um die Abschreckung zu
erhöhen, sollte die Hinrichtung auf besonders grausame Weise erfolgen.
In den Kampfanweisungen wurde gefordert, abschreckende Beispiele zu
schaffen, die »die gesamte Bevölkerung auf das schwerste treffen«.
Grauenvolle Massenmorde folgten.

Eines der furchtbarsten Verbrechen verübte die Wehrmacht in
Kragujevac. Nach einem Bericht der 704. Infanteriedivision vom 27.
Oktober wurden 2846 »Kommunisten, Juden und Serben«, darunter die
komplette Oberstufe des Gymnasiums samt Lehrer, erschossen. In der
Stadt dauerte die Hinrichtung mit Maschinengewehren sieben Stunden; in
den Dörfern benutzte man Strick und »Handwaffe«. Bis zum Jahresende
1941 fielen dem Vernichtungskrieg der Wehrmacht allein in Serbien
mindesten 50 000 Zivilisten, darunter alle männlichen Roma und Juden,
zum Opfer.

Der Vernichtungsfeldzug in Serbien brachte den Deutschen nur
vorübergehend Entlastung. In anderen Gebieten, vor allem in Kroatien
und Montenegro, erhielt die Befreiungsbewegung neuen Zulauf. Die
Volksbefreiungsarmee, wie sich die Tito-Partisanen bald nannten, wurde
zur größten europäischen Partisanenarmee im Zweiten Weltkrieg.

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Chirac kein Kriegsverbrecher mehr

BELGRAD, 12. September 2001. Der Fahndungsbrief der
Polizei in Serbien nach Jacques Chirac und den Chefs
anderer NATO-Staaten wurde außer Kraft gesetzt, sagte
gestern der Polizeisprecher Sreten Lukic. Somit steht
einem Besuch Chiracs in Jugoslawien am 14. und 15.
September nichts mehr im Wege.

Am 21. September 2000 wurden 14 Staats- und
Regierungschefs der NATO-Länder wegen Verbrechen gegen
die Menschlichkeit und das internationale Recht vom
Kreisgericht in Belgrad schuldig gesprochen.

TANJUG

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Milosevics Frau wirft Westen Blutbad auf dem Balkan vor

London (Reuters)
Freitag 7. September 2001, 06:18 Uhr
http://de.news.yahoo.com/010907/71/1xjnm.html

London (Reuters) - Die Ehefrau des wegen Kriegsverbrechen
angeklagten jugoslawischen Ex-Präsidenten Slobodan
Milosevic hat dem Westen ein Blutbad auf dem Balkan
vorgeworfen. "Das Blutbad auf dem Balkan war das Ergebnis
einer Politik, die von außerhalb Jugoslawiens mit dem Ziel
betrieben wurde, Jugoslawien zu zerstören und auszulöschen",
sagte Mira Markovic am Freitag in einem Interview des
britischen Rundfunksenders BBC. Ihr Mann sei dafür nicht
verantwortlich. Milosevic muss sich vor dem
UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wegen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Kosovo-Krieg 1999 verantworten.

"Jugoslawien hat aufgehört zu existieren", sagte
Markovic weiter. "Es verschwand in einem
Blutbad. Den Verdienst für diese Ereignisse
in Jugoslawien haben die Zentren der
politischen und wirtschaftlichen Macht
vor allem im Westen, die das Land zerstören
wollten." Ihren Mann nannte Markovic "die
Verkörperung des Kampfes um Wahrheit,
Gerechtigkeit und Freiheit für alle".
Die BBC will das vorab aufgezeichnete Gespräch mit
Markovic am Montagabend ausstrahlen.

Das UNO-Tribunal wirft Milosevic vor, für den Tod
von mehr als 900 Albanern und die Vertreibung von mehr als 740.000
Zivilisten
in der mehrheitlich von Albanern bewohnten südserbischen Provinz Kosovo
verantwortlich zu sein. Die Chefanklägerin des Tribunals, Carla del
Ponte, hat angekündigt, Milosevic auch wegen Völkermordes im
Bosnien-Krieg 1992 bis 1995 anklagen zu wollen. Der Prozess gegen
Milosevic soll im kommenden Jahr beginnen. Das Tribunal war 1993 von den
Vereinten Nationen (UNO) zur juristischen Aufarbeitung der Kriege
geschaffen worden, die nach dem Zerfall Jugoslawiens geführt wurden.