aus: KONKRET, September 2001


Jürgen Elsässer (J.Elsasser@...)

Genua und Skopje

Was tun gegen den Imperialismus, der jetzt
Globalisierung genannt wird? Eine
kleine Polemik zur Generallinie





Noch vor zwanzig Jahren hätte man das für
Science-fiction oder
kommunistische Propaganda gehalten, eine
Mischung aus Faßbinders "Mord im 31. Stock" und
Schnitzlers Schwarzem Kanal - doch plötzlich
ist der Trash Wirklichkeit
geworden: Auf Luxusjachten tagen die
Herren der Welt, eingeladen von einem
Medientycoon, angeführt von einem texanischen
Killer, angefeuert von einer deutschen
Bulldogge. Die Stadt unter Kriegsrecht,
die Demokratie suspendiert, die
Bevölkerung wie wilde Tiere mit meterhohen
Käfigen ausgesperrt. Die Soldateska
hetzt die Demonstranten durch die Straßen,
knochenbrechend, schießend, mordend.
Genua 2001 war, wenigstens für zwei Nächte,
Santiago de Chile 1973 - die
Schreie, die Folter, die Verschwundenen.
Wie schnell das gehen kann.

Daß die 300.000 Demonstranten in Genua
den 800.000 Ravern auf der Berliner
Love-Parade die Schau gestohlen haben,
daß sie also hinter der Maske der
infantilen Spaßgesellschaft wieder die
alte Fratze des Kapitalismus sichtbar
gemacht haben, ist ihr bleibendes Verdienst.
Doch es könnte noch mehr daraus
werden, sollte das "Spiegel"-Gespräch mit
drei deutschen Protagonisten der
Bewegung repräsentativ sein - mindestens
zwei davon machen nämlich einen ganz
vernünftigen Eindruck. Eine gerade 30jährige
Frau wirbt für eine Gruppe mit dem
sympathischen Namen "Linksruck" - nur
Rifondazione Comunista klingt noch schöner
- und läßt es sich nicht nehmen, für
"Marx und Engels, Rosa Luxemburg und
Clara Zetkin, Lenin und auch Trotzki"
einzutreten. Und ein Koordinator des
deutschen Ablegers von Attac berichtet
Bemerkenswertes über seine Politisierung:
"Ich selbst komme aus der Umweltbewegung,
und da habe ich erlebt, wie wir in
den entscheidenden Punkten nichts erreicht
haben. Der Himmel über dem
Ruhrgebiet ist zwar wieder blau, aber
der Regenwald wird abgeholzt. Am Ende
entscheidet über alles die Wirtschaft."

Am Ende entscheidet über alles die Wirtschaft
- da hat jemand die einfache
Wahrheit wieder freigelegt, die in den
letzten 30 Jahren von der Neuen Linken
verschüttet worden ist: Es gibt einen
Hauptwiderspruch, und wenn wir den
nicht anpacken, können wir die ganzen
anderen schönen Projekte, die wir sonst
noch auf dem Zettel haben, abschreiben,
egal ob es um Frauenemanzipation,
Ökologie oder sexuelle Befreiung geht.
Der Einwand ist geschenkt, daß es sich bei
Attac (und möglicherweise auch bei Linksruck)
nicht um eine revolutionäre,
sondern um eine reformistische Organisation
handelt. Es geht hier nämlich nicht
um Politikformen oder um das Staatsverständnis,
sondern um die Rehabilitierung eines basalen
philosophischen Prinzips, ohne das keine
Revolution, und mag sie ansonsten noch so radikal
proklamiert werden, vorstellbar ist: Das Sein
bestimmt das Bewußtsein beziehungsweise: It's the
economy, stupid!

Triple depression

Kein Wunder, daß die Schiffbrüchigen der
Neuen Linken mit der ungewohnten
Politisierung wenig anfangen können und
Konfusion in die Bewegung tragen.
Verbissen und verschwurbelt verteidigt
der "Gipfelsturm" - eine überregionale
Genua-Mobilisierungszeitung der autonomen
Szene - das eigene Brett vor dem Kopf:
"Ende der siebziger Jahre formte sich
eine Theorie, wo nicht nur der
Kapitalismus als einzig gültiger, alles
bedingender 'Hauptwiderspruch', sondern drei
von einander unabhängige und sich doch
aufeinander beziehende
Unterdrückungsverhältnisse: Kapitalismus,
Rassismus und Patriarchat gesehen wurden.
Mittlerweile gehört die 'Triple
Oppression'-Theorie in großen Teilen der
Bewegung hierzulande zu einer Art 'Grundkonsens'."
Die Inkonsistenz dieses Ansatzes wird
nur wenige Absätze später deutlich - selbst
die letzten Reste von Grammatik
müssen dafür geopfert werden: "... für
viele Menschen ist es nicht verständlich,
wieso nicht auch weitere Herrschaftsformen,
die sie als relevant betrachten, in dieses Modell
mit einbezogen werden sollen. Je nachdem, mit
welchen Widersprüchen mensch sich beschäftigt
hat, von ihnen selber betroffen ist, oder
es einfach für notwendig gehalten wird,
sie mit einzubeziehen, werden dann
auf Formen wie Unterdrückung aufgrund
des Alters (Ageism), Unterdrückung von
Tieren (Speziesismus), Unterdrückung von
sogenannten Behinderten etc. in die
eigene Analyse und Kritik miteinbezogen."
Hat man auf diese Weise erst einmal
die Feinde multipliziert - neben den
Kapitalisten geht es nun auch gegen
Rassisten, Sexisten, Ageisten, Kinderschänder
und andere Heterosexuelle,
Fleischfresser und Raucher - und sich
so in eine aussichtslose Position manövriert,
empfiehlt sich der Rückzug auf sicheres
Terrain: in die eigene Psyche: "Der
Feind steht auch in uns selbst", heißt
es in dem autonomen Kampfblatt weiter.
"Ich will damit verdeutlichen, daß (es,
J.E.) eben nicht ausreicht, unseren
Kampf gegen Projekte der Herrschenden zu
führen ..., nein, wir müssen auch quasi
mit uns selbst kämpfen." Erfahrungsgemäß
endet das in der Selbsterfahrungsgruppe,
in der Psychiatrie oder im Suizid.

Nur um weniges intelligenter sind die
Kritteleien in einem wöchentlichen
Kreuzberger Theorieorgan. "Hier wird der
hochkomplexe und abstrakte
kapitalistische Vergesellschaftungszusammenhang
auf einfache dichotome Gegensätze
reduziert, verdinglicht und personalisiert",
wirft man der neuen Bewegung vor. Was
das heißt? "Deshalb muß eine adäquate
linke Kritik am Phänomen der
Globalisierung von einer Totalität des
kapitalistischen Vergesellschaftungszusammenhanges
ausgehen." Jetzt wissen wir's: Haltet
Einkehr in der Kirche der Heiligen
Dreifaltigkeit, meditiert über den
Schriften von Adorno, Horkheimer und
Postone, singet laut und lauter "Deleuze
uns von dem Übel" und wartet frohgemut, bis
das Himmelreich zu Euch kommt. Man kann
nur hoffen, daß diese byzantinische
Liturgie bei den Kids, die jetzt auf
die Straße gehen, keine Verbreitung
findet. Ansonsten bestünde nämlich die
Gefahr, daß eine Schwachstelle der neuen
Bewegung nicht korrigiert, sondern verstärkt
wird: Daß sie zu sehr von einem
"hochkomplexen und abstrakten kapitalistischen
Vergesellschaftszusammenhang"
redet und diesen Zusammenhang zu selten
"reduziert, verdinglicht und personalisiert".

Ein Beispiel für dieses Defizit: Drei
Tage nach Genua fand die Randale gegen
die G8 nur 500 Kilometer entfernt ihre
Fortsetzung - und Attac und Linksruck
haben es vermutlich gar nicht gemerkt.
Am 25. Juli stürmten mehrere tausend
Demonstranten in der mazedonischen
Hauptstadt Skopje die Filialen der
westlichen Großmächte. Die deutsche
Botschaft wurde mit einem Steinhagel
eingedeckt und sauber entglast, anschließend
McDonalds verwüstet, und der amerikanischen
Botschaft blieb ähnliches nur dank
eines höheren Absperrgitters und
Panzerglas erspart. Ersatzweise wurden
sämtliche Fahrzeuge der OSZE in Brand gesetzt.
Die Wut hatte sich an der Mitteilung des
mazedonischen Verteidigungsministeriums
entzündet, wonach zwei Kfor-Hubschrauber eine
Ladung unbekannten Inhalts
zu UCK-Stellungen gebracht hatten -
man vermutete Waffennachschub.

Wahrscheinlich würden die meisten
Globalisierungsgegner Genua und Skopje
nicht in einem Atemzug zu nennen, doch
das liegt an einem blinden Fleck in ihrer
Analyse. Für sie ist Globalisierung im
wesentlichen der weltweite Angriff
der Finanzmärkte, also ein ökonomischer
Vorgang. Völlig unterbelichtet ist, daß
sich die ökonomische Veränderung nicht
im Selbstlauf vollzieht, sondern mit
Gewalt, immer häufiger mit direkter
militärischer Gewalt, durchgesetzt wird.
Schlimmer noch: Wer das zum Thema macht,
wird als Verschwörungstheoretiker
abgetan. So bezeichnet Bernhard Schmid
in seinem Beitrag "Falsche Freunde"
(KONKRET 8/01) die Europäisierung - den
vielleicht wichtigsten Teil der
Globalisierung - euphemistisch als
"Übertragung einiger Bestandteile politischer
Souveränität und Regulierungsmacht auf andere
... Ebenen". Dies sei ein
"objektiver Prozeß", dem sich nur einige
Verrückte entgegenstemmen, die ihn "als
Ergebnis einer von außen gesteuerten
Verschwörung uminterpretieren".

Was anderes als eine "von außen gesteuerte
Verschwörung" war denn der
Angriff der Nato-Staaten auf Jugoslawien?
Hat die Uno zugestimmt? Wurde die
Bevölkerung in den westlichen Staaten befragt?
Wurde wenigstens den Parlamenten die
Möglichkeit zur Beschlußfassung gegeben?
Ein Kriegskabinett aus vier Leuten -
Clinton, Albright, Schröder und Fischer -
entschied während der Rambouillet-Konferenz
über den Angriff auf Jugoslawien - selbst Blair
und Jospin zögerten. Die zwei wesentlichen
Propagandalügen zur Täuschung der Öffentlichkeit -
Racak und der "Hufeisenplan" - waren
klassische Geheimdienstoperationen. Das
hätte Thema in Genua sein müssen: Daß
Globalisierung mit Notwendigkeit Krieg
bedeutet, daß beispielsweise Jugoslawien
nur durch zehnjährige Militärblockade
und elfwöchiges Luftbombardement für
die westlichen Konzerne und Banken
geöffnet werden konnte. Bis zum Oktober
2000 war die industrielle Basis des Landes
in Staats- oder Belegschaftsbesitz,
ausländische Beteiligung war nur bis zu
49 Prozent möglich und auch das nur mit
Zustimmung der Arbeiter. Die erste
Maßnahme der neuen Regierung war ein
Privatisierungsgesetz, erst dadurch - und
nicht durch die "invisible hand" der
Ökonomie - ist der freie Kapitalverkehr
mit dem Westen möglich geworden. Jetzt
will die Deutsche Bahn das
Eisenbahnnetz und die Bahnhöfe, Ron
Sommer die serbische Telekom, VW ist an Zastava
interessiert, IWF und Weltbank würgen
das Land mit Knebelkrediten.

Globalisierung in Mazedonien

Auch das kleine Nachbarland wurde 1999
sturmreif geschossen. "Die frühere
jugoslawische Teilrepublik Mazedonien
leidet wie kein anderer Nachbarstaat der
BR Jugoslawien an den Folgen des Kosovokrieges:
aufgrund seiner Eskalation
verlor Mazedonien mit Jugoslawien seinen
wichtigsten Handelspartner und
zugleich seine Hauptexportroute nach
Mittel- und Westeuropa. Darunter litten nicht
nur die Absatzmärkte, auch die
Einfuhren wurden erschwert und verteuerten
sich. Die Folgen waren der Einbruch des
Außenhandels sowie das Versiegen
wichtiger Rohstoffquellen", heißt es in
einer Studie der Bankgesellschaft Berlin. Die
vom Krieg erzeugte Wirtschaftskrise wird
nun vom Westen genutzt, um sich die
Reichtümer des Landes unter den Nagel
zu reißen. Zwar werden - anders als in
Jugoslawien - bestimmte Wirtschaftssektoren
schon seit Jahren von Deutschland kontrolliert:
Es ist der wichtigste Handelspartner
(Import/Export-Anteil 17 Prozent), über eine
österreichische Partnerbank Mehrheitseigner der größten
Bank (die ihrerseits ein Drittel aller
Finanztransaktionen abwickelt), der
Dinar ist an die Mark gekoppelt. Aber den
industriellen Kernbereich haben die
Mazedonier bisher einigermaßen
abschotten können. Die früheren Staatsbetriebe
wurden zwar privatisiert, aber bevorzugt
und zu recht günstigen Preisen an
ihre Beschäftigen und Manager abgegeben -
eine "reine Insider-Privatisierung",
klagt das Bundeswirtschaftsministerium.
Folglich blieb die ausländische
Teilnahme an der Privatisierung "weit
hinter den Erwartungen zurück" - und es
waren ausgerechnet die Griechen, die
bekanntlich der Nato-Balkanpolitik nicht
besonders wohlwollend gegenüberstehen,
die bis 1999 mit Aufkäufen in Höhe von
2,5 Milliarden Dollar an der Spitze der
Auslandsinvestoren lagen (Deutschland:
1,1 Milliarden) und unter anderem die
staatliche Ölraffinerie OKTA erwarben.

Nach dem Krieg gab die mazedonische
Regierung den westlichen Interessen nach
und erarbeitete ein radikaleres
Privatisierungsprogramm. "Die Stoßrichtung
scheint klar: Die Insider-Dominanz soll
durchbrochen werden, wenigstens für
künftige Privatisierungen", freut sich
das Bundeswirtschaftsministerium. Im
Januar 2001 wechselte ein Filetstück der
Zukunftstechnologie den Besitzer: Die
Aktienmehrheit der mazedonischen
Telekom ging an die ungarische Matav, die
ihrerseits mehrheitlich der Deutschen
Telekom gehört.

Mit der Offensive der UCK hat sich in der
bürgerlichen Regierung Mazedoniens
Panik ausgebreitet. Da der Westen dem Land
die Selbstverteidigung geradezu
verbietet - Ende Juli reiste Bushs
Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice in
die Ukraine, Skopjes wichtigsten
Waffenlieferanten, um weitere Unterstützung
zu unterbinden - wächst der Einfluß derer,
die die Kapitulation vor der UCK für
unabwendbar halten und das Beste daraus
machen wollen - für sich selbst:
Unter der Devise "nach uns die Sinflut"
verhökern sie alles, was nicht niet- und
nagelfest ist. "In nicht weniger als vier
Monaten haben die Agentur für
Privatisierung und die Behinderten- und
Rentenversicherung Aktien von 37
Unternehmen zum Discount verkauft",
berichtete die Nachrichtenagentur Aimpress im Mai
2001. "Dafür bekamen sie gerade elf Millionen
Mark - genau den Betrag, den
Verteidigungsminister Ljuben Paukovski
persönlich auf den Konten seiner
Verwandten deponierte, und das auf dem
Höhepunkt des albanischen Aufstandes
... Das außergewöhnlich profitable Messegelände
in Skopje wurde für gerade sechs
Millionen Mark verkauft, die gut erhaltene
und renommierte Ohrid Tourist für
288.000 DM - sie ist das Zehnfache
wert." In diesem Zusammenhang ist
erwähnenswert, daß Paukovski neben
Präsident Trajkovski zu den Tauben im
mazedonischen Regierungsestablishment gehören,
die - im Unterschied zu den Falken um Premier
Ljubco Georgievski - zu weitgehenden
Zugeständnissen an die albanischen
Rebellen bereit sind.

So befördert der Krieg der UCK die
Privatisierung, und der auf seiner
Grundlage von Nato und EU oktroierte
"Frieden" wird das Werk vollenden:
Wesentlicher Teil des Vetragspakets,
das EU-Unterhändler Javier Solana und sein
US-amerikanischer Kollege James Pardew
in den letzten Wochen bei den Verhandlungen in
Ohrid unterbreiteten, ist eine weitgehende
Dezentralisierung des Landes.
Lokale Selbstverwaltungsorgane sollen
neben juristischen und polizeilichen auch
zusätzliche wirtschaftliche Kompetenzen
erhalten - zum Beispiel die Kontrolle
über die auf ihrem Gebiet liegenden
staatlichen Unternehmen (über die bisher
die Regierung in Skopje verfügt). Da die
Albaner mehrheitlich nicht in
diesen Unternehmen, sondern in Klein- und
Familienbetrieben arbeiten, ist zu
erwarten, daß sich in den künftig von
ihnen regierten Landesteilen der Ausverkauf
der Staatsindustrie beschleunigen wird.


No border, no nation?

Wie blind ein Teil der Globalisierungsgegner
- vor allem der von der autonomen Szene beeinflußte
- für diese Zusammenhänge ist, beweist die zentrale
Losung des antirassistischen Grenzcamps
in Frankfurt/M. Anfang August: "No
border, no nation". Genau die Ziele,
die die Nato-Staaten mit ihrem Krieg gegen
Jugoslawien und mit der von ihnen
unterstützten UCK-Aggression gegen Mazedonien
verfolgten, nämlich die Öffnung der
Grenzen und die Zerstörung der
Staatssouveränität zugunsten ungehinderter
Kapitalinfiltration - vulgo: zur
Durchsetzung der Globalisierung - werden
auf diese Weise Teil eines angeblich
fortschrittlichen Programms. Nicht einmal
der Hinweis, die Losung solle nicht dem
Kapital, sondern den Flüchtlingen den
Weg ebnen, mag überzeugen. Zwar ist das für
Deutschland und andere Schurkenstaaten
durchaus gerechtfertigt, doch will man
dieses Prinzip im Ernst weltweit und
auch auf dem Balkan predigen? Dort wäre
doch das Gegenteil wichtig, daß nämlich
die Grenze zwischen Kosovo und
Mazedonien endlich abgeschottet wird,
und auch die Athener Behörden tun gut daran,
von den angeblichen Flüchtlingen aus
Albanien lieber einen zuviel als einen
zuwenig zurückzuschicken - nur zu oft
sind darunter Terroristen der UCK, die
bereits Aktionen in Griechenland angekündigt
hat.

Wie will man das entfesselte Kapital der
Großmächte daran hindern, einen
Staat nach dem anderen mit ökonomischen
und schließlich militärischem Terror
kaputtzumachen und dann dessen Filetstücke
zu vertilgen? Müßte es nicht darum
gehen, die Zusammenarbeit mit den
Nationalisten - besser: Souveränisten - der
bedrohten Staaten zu suchen, zumindest
mit den Antikapitalisten unter ihnen?
Wie hilfreich deren Agieren für uns in
den Metropolen ist, zeigt nicht zuletzt
die geschilderte Randale in Skopje Ende
Juli: Hatte Deutschland zuvor noch
mächtig Stimmung für einen "robusten"
Nato-Einsatz gemacht (vgl. KONKRET
8/01), so fuhr den Verantwortlichen mit
jener Nacht der Schrecken in die Glieder.
"Vorsicht vor Mazedonien", kommentierte
"Bild" tags darauf, und Scharping
meinte auf die Frage nach einer möglichen
Nato-Intervention: "Die Lage hat sich
in den letzten Stunden eher verschlechtert
als verbessert." In der Folge
kündigten die CDU/CSU-Fraktion und zuletzt
mehr als 30 Abgeordnete der
Regierungskoalition ihr Veto gegen die
Entsendung von Bundeswehrtruppen an.

Ein Bündnis mit den vom Imperialismus
Unterjochten hat auch Lenin
vorgeschlagen, mit der Propagierung des
"Selbstbestimmungsrechts der Völker" wollte er
kommunistische und antikoloniale Bewegungen
verbinden. Über die gefährliche
Doppeldeutigkeit dieser Losung ist bereits
viel geschrieben worden (vg.
KONKRET 12/99), und heute wird sie unter
anderem von der UCK zur Legitimation ihres
Terrors benutzt. Deshalb führt an einer
Schärfung und Aktualisierung des
Leninschen Ansatzes kein Weg vorbei. Wie
wär's mit "Proletarier aller Länder und
bedrohte Staaten - vereinigt Euch!"
als Grundlage für eine neue
Internationale? Vielleicht könnte man sogar
einen chinesischen Ladenhüter entstauben und
vom Kopf auf die Füße stellen, die "weltweite
Einheitsfront gegen die beiden
Supermächte" - im aktuellen Fall wären
damit die USA und Deutschland gemeint.

Natürlich blieben dann immer noch
viele brisante Fragen offen, etwa welche
der beiden Supermächte in welcher
Region gefährlicher ist und ob
beispielsweise Israel eher zu den
Protagonisten oder zu den Opfern der neuen
Weltordnung gehört. Aber auf der Basis
einer soliden strategischen Analyse könnte man
darüber konstruktiver streiten als bisher.



Jürgen Elsässer schrieb in KONKRET 8/2001 über die Entführung Milosevics
nach Den Haag