1. Pressemitteilung n.11/02 (Internationales Komitee für die
Verteidigung von Slobodan Milosevic - Deutsche Sektion - 18/12/02)
2. Initiative von in Deutschland praktizierenden Ärzten und
Therapeuten (13/12/02)


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International Committee to Defend Slobodan Milosevic (ICDSM) - German
Section

Internationales Komitee für die Verteidigung von Slobodan Milosevic -
Deutsche Sektion


c/o Klaus Hartmann
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D-63067 Offenbach am Main
T/F: -69 - 83 58 50
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Pressemitteilung

11-2002
18.12.02



Gefahr des Justizmords weiterhin akut

Am 18.12.2002, dem letzen Tag des „Prozesses“ gegen Slobodan
Miloševic in diesem Jahr, war die „Behandlung administrativer Fr=
agen“
angekündigt. Im Klartext sollte es um die gesundheitliche Situation
von Slobodan Miloševic gehen und die Chance, dass er das Verfahren
lebend übersteht. Die Behandlung des Problems im „Gericht“ wurd=
e
völlig den Erwartungen gerecht, die bereits jene eiskalte
Bürokratensprache hervorrief, als sie eine Überlebensfrage
zur „administrativen“ Frage degradierte. In weniger als drei Mi=
nuten
war „Richter“ May mit dem Problem fertig.

Zunächst informierte er, dass die Kammer ärztliche
Gutachten und Anträge „der Parteien“ erhalten habe. Dass zu die=
sen
auch solche des Internationalen und von nationalen Komitees zur
Verteidigung von Slobodan Milosevic waren, Appelle von US-
Intellektuellen und von deutschen Ärzten sowie eine einstimmige
Resolution der russischen Duma, das unterschlug May, sicher nicht aus
Zeitgründen.

So ließ er auch keinerlei Diskussion zu diesem Thema zu,
sondern verkündete wie ein abschließendes Urteil die drei Punkte:
Fortsetzung des „Prozesses“ nach vorgesehenem Zeitplan „u=
nter
Berücksichtigung“ der Gesundheit des „Angeklagten“, keine=
Bestellung
eines (von Carla del Ponte geforderten) Zwangsanwalts, da unvereinbar
mit den Regeln des „Gerichts“, und drittens: keine zeitweilige =

Haftentlassung von Slobodan Miloševic, die diesem eine spezialisierte =

Therapie durch ihn langjährig behandelnde Ärzte ermöglicht hätte.

Damit wird trotz wiederholter Warnungen, besonders von
Fachärzten, sehenden Auges weiterhin eine schwere Schädigung der
Gesundheit und eine Gefährdung des Lebens von Slobodan Miloševic in
Kauf genommen. Damit sehen sich all jene bestätigt, die aufgrund des
bisherigen Desasters des Prozesses in juristischer Hinsicht
unterstellt haben, dass die Lösung „Erledigung des Falles durch
Ableben“ für die hinter dem „Tribunal“ stehenden Kräfte e=
ine
zumindest erwägenswerte Variante darstellt.

Der Gesundheitszustand von Slobodan Miloševic, der an
außerordentlich überhöhtem Blutdruck, Herzmuskelschwäche, einer
Erweiterung der linken Herzkammer und Angina pectoris mit dem Risiko
des plötzlichen Herztodes leidet, hat sich in den letzten Monaten
aufgrund unerträglicher Haft- und Verfahrensbedingungen rapide
verschlechtert. Die erstmalige Untersuchung durch einen
niederländischen Kardiologen am 15.11.2002 prognostizierte eine
Senkung des Todesrisikos um 11% bei entsprechender Medikation. Am
23.11.2002 wurde nach Zeitungs- und Agenturmeldungen bekannt, dass
Miloševic über einen längeren Zeitraum nicht nur keine wirksamen oder =

unwirksamen, sondern sogar kontraindizierte, nämlich
blutdrucksteigernde Medikamente verabreicht wurden.

Eine Initiative von in Deutschland praktizierenden Ärzten
und Therapeuten, darunter Mitgliedern der
Organisation "Internationale Ärzte zur Verhütung eines
Nuklearkrieges", hat in bisher zwei Eingaben an das „Tribunal“ =
u.a.
festgestellt:

„Dieser nur als unverantwortlich zu bezeichnende Umgang mit einem
Menschen, dessen Gesundheit und Leben Ihnen mit allen Konsequenzen
anvertraut ist, wirft ernsthafte Fragen nach den Gründen auf. Er
steht zumindest in diametralem Widerspruch zu verschiedenen
Dokumenten und Resolutionen der UN über die Behandlung von
Inhaftierten, für deren Gewährleistung doch zumindest
Verantwortliche, die sich für Vertreter einer UN-Institution halten,
in vollem Umfang verantwortlich sein sollten.

Nach der eingetretenen und vom ICTY voll zu verantwortenden Situation
bleibt als die ultimative Konsequenz, Slobodan Miloševic umgehend aus =

dieser gesundheits- und lebensbedrohenden Situation zu befreien und
ihn auf freien Fuß zu setzen, damit er sich in Belgrad der längst
überfälligen Therapie durch ihn langjährig behandelnde Ärzte
unterziehen kann.“

Mit seiner heutigen Entscheidung hat Richter May nicht
nur solche einschlägigen Hinweise ignoriert. Offenkundig verletzt das
Tribunal damit auch Resolutionen und Dokumente der UN-
Generalversammlung im Bezug auf die Gesundheit von Personen in Haft,
und zwar

die Bestimmungen der Resolution der UN-Generalversammlung Nr. 3794
vom Dezember 1982, welche Ärzte und anderes medizinisches Personal
verpflichtet, Personen im Gefängnis oder in Haft "eine Therapie
derselben Qualität und gemäß denselben Normen wie für Personen, die
sich nicht im Gefängnis oder in Haft befinden", zukommen zu lassen,
sowie
Artikel 6 des Kodex für das Verhalten von Personen der Rechtspflege,
der von der UN-Generalversammlung am 17. Dezember 1979 angenommen
wurde, und der alle Gerichte verpflichtet, für einen vollständigen
Schutz der Gesundheit von Personen Sorge zu tragen, die ihrer
Rechtsprechung unterliegen.
Darüber hinaus verletzt das „Tribunal“ sein eigenes Statut,
insbesondere Artikel 21, Punkt 4b, der dazu verpflichtet, jedem
Angeklagten angemessene Zeit und Voraussetzungen für die Vorbereitung
seiner Verteidigung zu gewähren.

Aus Sicht des Internationalen Komitees für die Verteidigung von
Slobodan Miloševic deutet dies darauf hin, dass das Verfahren nur ein =

organisierter Versuch ist, Slobodan Miloševic umzubringen.

Vertreter des Internationalen Komitees kündigte
unmittelbar nach dem „potenziellen Todesurteil“ die Prüfung von=

rechtlichen Schritten gegen „Richter“ May an. In den nächsten T=
agen
wollen sie den Hohen Kommissar für Menschenrechte der Vereinten
Nationen in Genf einschalten, damit im „Zirkus del Ponte“ endli=
ch die
Bestimmungen der UN Geltung erlangen.




Klaus Hartmann

Vizepräsident des ICDSM

Internationales Komitee für die Verteidigung von Slobodan Miloševic


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Initiative von in Deutschland praktizierenden Ärzten und Therapeuten


Matthias Jochheim, Dr. med. Uta Mader, Prof. Dr. med. habil. Ilse
Eisen-Hagemann, Dr. phil. Hans-Peter Brenner, Prof. Dr. med. habil.
Ingeborg Rapoport, Prof. Dr. med. Dr. phil. Dr. hc. mult. Samuel
Mitja Rapoport, Dr. med. Christa Anders, Dr. med. Ernst Bellmer, Dr.
med. Iris Jonkanski, Dr. med. Wolfgang Hühn



An Herrn Claude Jorda

zur Kenntnis an die Herren

Richard May, Steven Kay, Branislav Tapuskovic

ICTY Den Haag


13.12.2002



Leben und Gesundheit von Slobodan Milosevic erfordern konsequente
Sofortmassnahmen


Sehr geehrter Herr Jorda!

Wir bedanken uns für Ihr Schreiben vom 27. November 2002, zugegangen
per Fax am 29. 11. 2002, mit dem Sie auf unser Schreiben vom 08.
November 2002 antworten.

Obwohl Sie, wie Sie betonen , nach den Regeln des Tribunals für die
angesprochene Thematik nicht zuständig sind, dürfte unbestreitbar
sein, dass eine ernsthafte Schädigung der Gesundheit von Slobodan
Milosevic oder gar sein Ableben unter der Verantwortung des Tribunals
unvermeidlich der Institution insgesamt zugerechnet würde, für die
Sie Kraft Ihrer Funktion die hervorgehobene und letztentscheidende
Verantwortung tragen.

In Ihrem Antwortschreiben vom 27. November 2002 versuchen Sie, unsere
Sorge um Leben und Gesundheit von Slobodan Milosevic mit dem Hinweis
zu zerstreuen, dass er eine gute und hoch qualitative medizinische
Betreuung durch den Medizinischen Stab des Gefängnisses erhalte.
Dieses Argument vermag aus unserer Sicht nicht zu überzeugen, und
zwar aus den Gründen:

Der „Medizinische Stab“, der für alle Gefangenen zuständig ist,=

besteht lediglich aus einem Arzt und einer Schwester.

Der Arzt ist kein Spezialist für die hier vorliegende Erkrankung.

Die gute und hochqualitative Betreuung besteht aus lediglich einem
Arztbesuch pro Woche, eine eingehende, spezielle Untersuchung findet
ebenso wenig statt wie die erforderliche Therapie.

Damit bleibt es bei unserer am 08. November 2002 getroffenen
Feststellung, dass Herr Milosevic weder unter ständiger ärztlicher
Beobachtung und Kontrolle steht, geschweige denn die gebotene
adäquate Therapie erhält.

Unsere diesbezüglich geäußerten Befürchtungen wurden endgültig
erhärtet durch einen Bericht im NRC Handelsblad und der
Nachrichtenagentur Reuters vom 23. November 2002 sowie
Pressemeldungen wie die der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der
Stuttgarter Zeitung vom 25. November 2002. Danach wurden Slobodan
Milosevic über einen längeren Zeitraum nicht nur keine wirksamen oder
unwirksamen, sondern sogar kontraindizierte, nämlich
blutdrucksteigernde Medikamente verabreicht.

Wie dieser Sachverhalt mit der angeblich hohen Qualität der
medizinischen Betreuung korrespondiert, möchten wir nicht
kommentieren. Wir stellen aber fest, dass mit diesem unglaublichen
Skandal hinsichtlich der praktizierten Obhutspflicht die
Toleranzgrenze für all jene überschritten ist, die sich dem
hippokratischen Eid verpflichtet fühlen.

Nach Anordnung der zuständigen Kammer erfolgte am 15. November 2002
erstmals eine Untersuchung durch einen niederländischen Facharzt.
Dieser stellt in seinem Bericht fest, dass bei entsprechender
Medikation das Todesrisiko um 11% vermindert werden kann. Wir bitten
um Ihr Verständnis, dass wir derartige Kalkulationen als Grundlage
der weiteren Verfahrensweise strikt ablehnen müssen.

Wir weisen entschieden den Versuch der Anlage zurück, den
bedrohlichen Gesundheitszustand von Slobodan Milosevic zum Vorwand
und Anlass zu nehmen, ihm sein originäres Recht auf
Selbstverteidigung absprechen zu wollen.

Der Versuch der Oktroyierung eines „Pflichtverteidigers“ ist ni=
cht
nur rechtssystemwidrig; er birgt auch die Gefahr, in gesundheitlicher
Hinsicht das Gegenteil des vorgeblichen Ziels zu erreichen: Die
Aufzwingung eines Pflichtverteidigers gegen den erklärten Willen des
Angeklagten wird nicht zu einer Verbesserung und Entspannung der
Situation führen, sondern sie erhöht den Stress, die mentale
Belastungssituation und verschärft damit die Gefährdungslage. Dieser
Vorschlag der Verteidigung ist also auch aus medizinischer Sicht
kontraproduktiv und kontraindiziert.

Wir haben allen Anlass, unsere Forderung zu wiederholen, Slobodan
Milosevic umgehend aus dieser gesundheits- und lebensbedrohenden
Situation zu befreien und ihn auf freien Fuß zu setzen, damit er sich
in Belgrad der längst überfälligen Therapie durch ihn langjährig
behandelnde Ärzte unterziehen kann. Danach soll er sich, mit
entsprechenden Garantien, in Freiheit gegen die erhobenen Anklagen
verteidigen können.

Wir unterstützen nachdrücklich diesbezügliche Vorschläge der Amici
Curiae.



Sehr geehrter Herr Jorda,

wir appellieren an Sie, diese dringend gebotenen Sofortmaßnahmen zu
ergreifen und damit die Wirksamkeit der Bestimmungen der Vereinten
Nationen über die Behandlung von Inhaftierten sicher zu stellen.



Im Auftrag



Dr. med. Uta Mader
(Köln), Ärztin

IPPNW - Deutsche Sektion, Verein der demokratischen Ärztinnen und
Ärzte