1. R. Milosavljevic: Zweite Illusion in Bezug auf Amerika
2. Stehen Serbien und Montenegro vor einer langfristigen Instabilität?


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ARTEL GEOPOLITIKA by www.artel.co.yu
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Date:03 Dezember 2002


Ruzica Milosavljevic: Zweite Illusion in Bezug auf Amerika

Belgrad, 02 Dezember 2002


infograf@...

Nach der Wartezeit von über zehn Jahren und zahlreichen
Ankündigungen und Vorverträgen haben die Automobilwerke
"Zastava automobili" keinen der großen Automobilhersteller als
strategischen Partner gewonnen. Anstatt Fiat, Peugeot,
Renault, wie angekündigt, haben die Zastava-Werke einen
strategischen Partner in den USA gefunden und es wurde
bereits ein Vorvertrag unterzeichnet, geht aus einer vom
Minister für Privatisierung, Aleksandar Vlahovic,
veröffentlichten Nachricht hervor. Nach Vlahovic haben die
neugegründete amerikanische Firma aus New Jersey
NUCARCO, deren Eigentümer Malcolm Briklyn ist, und
"Zastava automobili" einen Vorvertrag über die Bildung eines
gemeinsamen Unternehmens unter dem Namen "Zastava
Motor Works" unterzeichnet und der Hauptvertrag soll mit
größter Wahrscheinlichkeit spätestens bis 1. März 2003
unterzeichnet werden.
Das Arrangement sieht vor, dass der amerikanische Partner
sich an der Struktur des gemeinsamen Unternehmens mit 80 %
und "Zastava automobili" mit 20 % beteiligt. Der
amerikanische Partner bestreitet seinen Anteil mit der
Investition von 150.000.000 Dollar in den nächsten drei Jahren,
davon werden 100.000.000 Dollar in die technische
Verbesserung der Produktionsqualität investiert und 50.000.000
Dollar würden das Problem der Umlaufmittel und die
Konsolidierung des Partnernetzes lösen. "Zastava automobili"
wird in das gemeinsame Unternehmen sein Eigentum (Hallen,
Gebäude, Ausrüstung, Maschinen, intellektuelles Eigentum),
die Technologie der Automobile vom Typ "Skala", "Jugo" und
"Florida" einbringen, was auf einen Wert von 30.000.000 -
40.000.000 Dollar geschätzt wird.
Die Schulden von "Zastava automobili", die auch das
Haupthindernis für den klassischen Verkauf dieser Fabrik
darstellen, werden auf Holding "Zastava" übertragen und an
ihrer Umstrukturierung wird der Staat aktiv mitbeteiligt sein.
Die größten Schulden haben die Autowerke natürlich
gegenüber dem italienischen "Fiat", der das Angebot von
"Zastava" abgelehnt hat, die Fabrik als Ausgleich der Schulden
zu übernehmen, mit der Verpflichtung, die Produktion
aufrechtzuerhalten.
Bei der Gründung der gemischten Firma hat der ausländische
Partner die 4.500 Arbeiter akzeptiert, die derzeit in der
Automobilfabrik für die Herstellung von 60.000 Fahrzeugen im
ersten Jahr angestellt sind, und innerhalb von fünf Jahren,
wenn die Produktion 220.000 Fahrzeuge jährlich erreicht, soll
die Zahl der Angestellten auf 9.000 erhöht werden, was eine
ziemlich willkürliche Endziffer ist.
Im Vorvertrag ist vorgesehen, dass die amerikanische Firma 85
% der Fahrzeuge auf die Märkte Amerikas, der Europäischen
Union und der Entwicklungsländer ausführt, präziser gesagt,
im ersten Jahr sollen die Fahrzeuge auf die Märkte Mittel- und
Südamerikas platziert werden.
Die Nachricht von dem neuen/alten strategischen Partner in
der Gestalt von Malcolm Briklyn hat stürmische Reaktion in
der einheimischen Öffentlichkeit ausgelöst: Mit der Etikette
eines "Bankrott-Meisters" wird seine Rückkehr in die
"Zastava"-Werke als Geschäftspartner als eine schlechte Wahl
eingeschätzt. Und es stellt sich die Frage, was geschieht mit
"Zastava", wenn auch dieses Geschäft so endet wie jenes Ende
der achtziger Jahre.
1984 gehörte nämlich der großen amerikanischen Delegation,
die nach Jugoslawien kam, um das bislang größte bilaterale
ökonomische Arrangement zu schließen, auch der Unternehmer
Malcolm Briklyn an, der sich für die Möglichkeit interessierte,
das Fahrzeug "Jugo" auf den amerikanischen Markt zu
platzieren. Das angebotene Arrangement sah vor, dass die USA
Jugoslawien mit Erdöl versorgen, und zwar mit einer Quote auf
einem Jahresniveau von nicht mehr und nicht weniger als einer
Milliarde Dollar, und dass Jugoslawien das mit Erzeugnissen
von gleichem Wert "deckt".
Da die einheimische Seite sich mit dem Problem auseinander zu
setzen hatte, wie Waren in diesem Wert gewährleistet werden
können, war die Idee des Unternehmers Briklyn von der
Ausfuhr der "Zastava"-Fahrzeuge vom Typ "Jugo" auch die
rettende Lösung.
Den Einschätzungen der Experten von "Zastava" zufolge wäre
es reine Illusion, so etwas selbstständig zu tun, aber da andere
die Verträge in unserem Namen geschlossen hatten, blieb uns
nichts anderes übrig, als uns so gut es geht für das "Geschäft
des Jahrhunderts" zu rüsten. Die größte Schwierigkeit in diesem
ganzen Vorhaben war, wie es zu bewerkstelligen ist, innerhalb
eines Jahres das "Erzeugnis" dem Niveau des anspruchsvollen
amerikanischen Marktes insbesondere in Bezug auf Sicherheit
Abgasemissionen anzupassen.
Anfangs gab es auch ein Problem mit "Fiat", denn als
strategischer Partner und Miteigentümer von "Zastava
automobili" war er äußerst skeptisch, da er auch selbst zuvor
einen Misserfolg in den USA erlebt hatte. Es war auch die
formale Zustimmung des Partners aus Turin zum Auftreten der
"Zastava"-Werke auf dem neuen Markt notwendig, die dieser
nicht bereit war zu geben. Durch Vermittlung des ehemaligen
amerikanischen Botschafters in Belgrad, Lawrence
Eagleburger, der damals in Kissingers Firma beschäftigt war
und seine persönliche Freundschaft mit dem Besitzer der
italienischen Fabrik, Angeli, nutzte, konnte "Fiat" überzeugt
werden, seine Meinung zu ändern.
Das ganze Geschäft wurde natürlich von den amerikanischen
Botschaftern in Jugoslawien David Anderson und John Skenlan
ständig beaufsichtigt, obwohl das Erdölarrangement noch nicht
endgültig geschlossen worden war.
Im Juli 1985 liefen im Hafen Bar die ersten Autolieferungen der
Marke "Jugo" in Richtung Baltimore auf den amerikanischen
Markt aus.
Eine wichtige Rolle in diesem Geschäft hatte natürlich auch
Briklyn selbst gespielt. Er vermochte es, 300 amerikanische
Dealer zu animieren, Geld in das Geschäft anzulegen. Über
dieses Dealer-Netz wurden innerhalb von vier Jahren ca.
100.000 Fahrzeuge ausgeführt, bis die Firma "Jugo-amerika",
die mit dem Import beauftragt war, bankrottierte.
Nach siebzehn Jahren bietet sich für "Zastava" wieder die
Gelegenheit, seine Fahrzeuge in Amerika zu verkaufen,
nachdem ein "strategischer Partner", mit dem hier niemand
gerechnet hat, gefunden wurde. Und gerade das ist ein Grund
zur Besorgnis, da ein ähnliches Geschäft mit dem gleichen
Partner nicht gerade ruhmreich geendet hat.
Wir fragen uns mit Recht, ist das unsere zweite Illusion in
Bezug auf Amerika?


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ARTEL GEOPOLITIKA by www.artel.co.yu
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Date:18 Februar 2003


Stehen Serbien und Montenegro vor einer langfristigen Instabilität?

ARTEL GEOPOLITIKA
Belgrad, 17. April 2002

Nach eineinhalb Jahren Regierungszeit der Demokratischen Oppositionen
Serbiens (DOS) kann man die erreichten Resultate mit einer gewissen
Sicherheit summieren und eine mögliche Entwicklung der Situation
prognosieren. Was die Resultate betrifft, so liegen diese weit unter
den Erwartungen - diesbezüglich ist sich nicht nur der grösste Teil
der Bevölkerung einig, sondern auch viele Spitzenpolitiker, darunter
auch führende Persönlichkeiten der Koalition DOS. Auch wenn die
Beantwortung dieser Frage eine detaillierte Analyse verdient, werden
wir nur eine Bewertung der wichtigsten Probleme erstellen:
- Anstatt einer starken Finanzspritze seitens des Westens, wurden
lediglich die ohnehin kontroversen Zinsen auf die Hauptschulden
Jugoslawiens gegenüber dem Pariser und dem Londoner Club
abgeschrieben;
- Mangels versprochener wirtschaftlicher Hilfe von aussen, welche die
Wirtschaft hätte aufkurbeln sollen, führte die Regierung eine radikale
Besteuerung der ohnedies schon verarmten Bevölkerung ein. So sollte
ein Minimum an Mitteln eingesammelt und die regelmässige Erfüllung der
bestehenden Verpflichtungen wie Ausbezahlung von Gehältern, Pensionen,
Verpflichtungen gegenüber dem Ausland (Einfuhr von Gas, Elektrizität
und Ähnliches) gewährleistet werden.
Daraus folgten eine rasche Senkung des Lebensstandards der Bevölkerung
und die Lahmlegung einer gewissen Anzahl von Unternehmungen, die
ohnedies schon um ihr Fortbestehen kämpften;
- Anstelle eines schnellen und augenscheinlichen Wachstums kam es zum
weiteren Abfall des tiefen Lebensstandards. Des Weiteren stiegen die
Preise enorm, Arbeitskräfte verloren massenhaft ihr Anstellung, ein
irrealer Devisenkurs wurde beibehalten, wodurch die letzten
Devisenreserven der Bevölkerung ausgepumpt wurden, in der Produktion
kam es in einem grossen Bereich der Wirtschaft des Landes zum
Stillstand, erfolgreiche Unternehmen wurden leichtfertig, unter
ihrem Wert und vor allen Dingen wirtschaftlich ungerechtfertigt
verkauft und anstatt einer Sanierung des bestehenden Bankensystems kam
es zur Schliessung der grössten Banken;
- Politische und wirtschaftliche Reformen, welche während der
Wahlkampagne versprochen wurde, sind nun nicht einmal in Sichtweite.
Stattdessen hat die DOS das alte System und die alten
Regierungsinstrumentarien nicht nur gänzlich übernommen, sondern
wendet diese noch konsequenter als die alte Regierung an. Gesetze, die
vor den Wahlen noch kritisiert wurden, werden jetzt beständig
angewandt und nicht revidiert. Die Kampagne des zivilen Ungehorsams
vor den Wahlen ist in Vergessenheit geraten und die neue Regierung
besteht auf absoluten zivilen Gehorsam. Es gibt keine Transparenz
bezüglich politischer Prozesse und Entscheide. Über heimliche
Gespräche untereinander und mit der Welt wird niemand auf dem
Laufendem gehalten - manchmal nicht einmal der Präsident.
- Anstatt der Herstellung einer ausgeglichenen und für beide Seiten
dienlichen Zusammenarbeit mit der Welt, werden Serbien und Montenegro
von Seiten der USA und seiner Verbündeten weiterhin erpresst, an
Bedingungen gebunden und unter Druck gesetzt.
- Anstatt dass Serbien und Montenegro, nachdem die alte Regierung
gestürzt wurde, bei ihren Bestrebungen Kosovo und Metohija (KuM) unter
ihre Souveränität zurückzuführen und ihre Zusammenarbeit mit der
Republika Srpska (RS) auszubauen, unterstützt werden, unternehmen die
USA und ihre verbündeten Staaten weitere Schritte, die zur totalen
Unabhängigkeit von KuM führen sollen und setzten Serbien und
Montenegro unter Druck, jegliche Kooperation mit der RS zu
unterbinden;
- Anstatt dass Serbien und Montenegro, wie es nach dem Sturz der alten
Regierung zu erwarten gewesen wäre, mittels demokratischer Dialoge und
Würdigung beidseitiger Interessen in eine noch engere bzw.
effizientere moderne staatliche Gemeinschaft eintraten, welche auf der
Basis gleicher ethnischen Wurzeln, Religion, Sprache, Symbole und
historischer Nähe hätte bestehen sollen, kam es zur noch grösseren
Entzweiung. An dieser Entwicklung sind wiederum die USA und die
westlichen Saaten in einem beträchtlichem Masse verantwortlich zu
machen. Schrittweise eröffnet sich einerseits auch die Frage nach dem
Status der Vojvodina und andererseits auch andere
territorial-politische Fragen im Rahmen von Serbien;
- Anstatt dass der Staat nach dem 05. Oktober 2002 eine neue Richtung
in der Politik einschlägt, nämlich eine Politik der Verwirklichung
eigener nationaler und staatlicher Interessen, werden von der
Regierung alle Anweisungen der westlichen Mächte panisch ausgeführt,
darunter sogar solche, die mit der Verfassung und der Würde des Landes
unvereinbar sind.
- Anstatt dass die neue Regierung ihre Wahlversprechen einhält und die
Demokratisierung in Serbien verwirklicht, und zwar nicht nur
rhetorisch, sondern auch in der Praxis, werden Beschlüsse der DOS
durch Überstimmen im Parlament gefasst, illegale Richtlinien und
spezielle Gesetze werden genehmigt, Andersdenkenden werden in ihrer
Medienfreiheit eingeschränkt, politische Gegner werden öffentlich
angeprangert, ohne Beweise beschuldigt, in Untersuchungsgefängnissen
über das gesetzliche Mass hinaus und ohne Klageerhebung festgehalten,
etc.
- Anstatt sich um eine qualifizierte, professionelle, befähigte und
routinierte Regierungsgewalt zu bemühen, herrschen in der neuen
Regierung noch mehr als zuvor Vetternwirtschaft, Parteizugehörigkeit
und Voluntarismus;
- Die DOS sollte als Einheit für die Durchsetzung und Verwirklichung
der versprochenen Reformen im politischen und wirtschaftlichen System
kämpfen. Stattdessen finden auf der politischen Szene Serbiens
zahlreiche Konflikte verschiedener Fraktionen, von denen der
aufsehenerregendste jener zwischen der Demokratischen Partei (DS) und
der Demokratischen Partei Serbiens (DSS) ist, Skandale (Vuk Obradovic,
Momcilo Perisic und andere), gegenseitige Beschuldigungen einzelner
Leader der DOS statt. Die Kriminalität wird nicht nur nicht bekämpft,
sondern wächst zusätzlich.
Die genannten Punkte bilden nur einen Teil einer gesamthaften
Bewertung der Regierung DOS in den letzten eineinhalb Jahren und es
könnten noch viel mehr Probleme vorgebracht werden. Alles Vorgebrachte
hat die Popularität der regierenden Koalition stark geschmälert.
Trotzdem gibt es noch viele Menschen, die an die Einlösung der
Versprechungen, welche gemacht wurden, als die aktuelle Regierung noch
die Opposition bildete, glauben, oder daran zumindest glauben
möchten. Die genannten Probleme machen die Lage komplizierter, die
Verpflichtungen häufen sich, viele Erwartungen wurden enttäuscht. Eine
solche Situation kann in der anstehenden Zeit nicht beibehalten
werden, primär deshalb nicht, weil der Entscheidungsprozess durch die
Verschärfung des Spannung zwischen der DSS und der DS blockiert wird.
Andererseits wurde Milo Djukanovic, nachdem er jahrelang versuchte,
seine Bürger von der Richtigkeit der Selbständigkeit Montenegros zu
überzeugen, von den westlichen Verbündeten derart unter Druck gesetzt,
dass er einen Aufschub des Referendums über die Unabhängigkeit
Montenegros und somit ein Weiterbestehen der Existenz in einem
gemeinsamen Staat mit Serbien für weitere drei Jahre hinnehmen musste.
Offensichtlich wollten die westlichen Mächte in diesem Moment über die
Frage des endgültigen Status Montenegros nicht entscheiden, weil sich
dadurch gleichlaufend, vermutlich zu früh, die Frage des
endgültigen Status von KuM, ja sogar der RS aufgedrängt hätte.
Der Westen geht wahrscheinlich davon aus, dass man Serbien in den
nächsten drei Jahren dermassen schwächen kann, sodass seine
Zerstückelung widerstandslos erfolgen kann (mittels Abspaltung von
Montenegro, KuM, und auch der Vojvodina). Auf jeden Fall hat das
Weichen vor dem Druck des Westens und der Aufschub der Unabhängigkeit
auch in Montenegro zu neuen Spannungen geführt und schwächte die
Koalition um ihre Unabhängigkeit.
Die neuen Verhältnisse in Serbien und Montenegro, bzw. das neue Rating
der Parteien und die Aufteilung der Autorität, sowie die neue Rolle
des Bundesstaates, nun im Lichte der Veränderung, nachdem das Abkommen
über die neuen Verhältnisse zwischen Serbien und Montenegro
unterzeichnet wurde, verlangen, dass sich diese Veränderungen auch
durch die neue Regierung hindurch abzeichnen sollten. Die Regierung
sollte dieses Mal die tatsächlichen Kräfteverhältnisse in den beiden
Republiken aufrecht erhalten. Alles Geäusserte zeigt, dass in sehr
naher Zukunft die Durchführung von Wahlen in beiden Republiken als
unumgänglich erscheinen. Diese sollten dann auch direkte Auswirkungen
auf die Organe des gemeinsamen Staates haben, egal in welchem Ausmass.

Was können diese Wahlen mit sich bringen?

In Serbien hat die siegreiche Koalition aus dem Jahre 2000. stark an
Popularität verloren. Zudem hat innerhalb der Koalition eine Spaltung
stattgefunden, sodass für die nächsten Wahlen in der Tat zu erwarten
ist, dass es die Koalition DOS nicht mehr geben wird, zumindest nicht
in der Form, in der sie sich im Jahre 2000. präsentierte.
Auf der anderen Seite ist es der Sozialistischen Partei Serbiens
(SPS), der stärksten oppositionellen Partei, immer noch nicht
gelungen, sich zu erholen, weshalb weiterhin mit internen Problemen
gekämpft wird. Trotz alledem wächst das Rating der SPS, vor allem
deshalb, weil man in die Leader der DOS und ihre Handlungsweise
jegliches Vertrauen verloren hat. Zur Zeit reicht dies aber noch nicht
aus, um auf die Regierungsspitze zurückzukehren. Die Serbische
Radikale Partei (SRS) hat ihre treuen Wähler und wird der DOS und der
SPS sicherlich einige Stimmen abnehmen können. Die Serbische Bewegung
der Erneuerung (SPO) kommt langsam auf die politische Bühne zurück.
Man hat jedoch noch nicht den Eindruck, dass diese Partei zur Zeit
eine echte Chance hat, als Sieger der Wahlen hervorzutreten, nicht
einmal als Teil irgendeiner Koalition. Alle anderen Parteien haben nur
untergeordnete Rollen.
In Montenegro besteht weiterhin eine Zweiteilung, welche auch in den
bevorstehenden Wahlen zum Vorschein kommen wird. Wie schon zuletzt,
wird der Sieger erst wieder im Finish bekannt sein. Die politische
Aufteilung der Öffentlichkeit Montenegros wird auf jeden Fall noch
lange anhalten. Aus dem zuvor Erwähnten ist sichtbar, dass die
nächsten Wahlen in Serbien doch eine neue Qualität einbringen werden,
nämlich die Machtaufteilung. Es ist kaum zu erwarten, dass das
jetzige Regime weiterhin so problemlos handeln wird, wie es will, ohne
irgend jemanden zu beachten, wie es das bis jetzt tat.
Höchstwahrscheinlich wird die DSS die meisten Stimmen erhalten, jedoch
nur minimal über dem, was die DS und die SPS zu erwarten haben. Des
Weiteren werden auch die SRS und die SPO einen Teil der Stimmen
davontragen. Angesichts der Tatsache, dass momentan keine Koalition
unter den Parteien DSS, DS und SPS als möglich erscheint, da
sie einerseits zerstritten und andererseits ihre Parteiprogramme und
ihre Ideologien unvereinbar sind, wird es sehr schwierig werden, in
Serbien eine neue Regierung zu formieren. Dies könnte auf der
politischen Szene Serbiens langfristig für Instabilität sorgen.
Versuche die Regierung zu formieren, könnten gebremst werden.
Entmachtungen der Regierungsspitze würden immer häufiger. Es käme zur
Lähmung staatlicher Organe und einer noch grössere
Degradierung des Staates auf innen- und aussenpolitischer Ebene.
Im Falle von Montenegro werden die gegenwärtigen Spaltungen verbleiben
und die Ausübung vieler Staatsaufgaben hemmen. Ein solcher Zustand in
beiden Republiken wird auch die Zusammensetzung der gemeinsamen Organe
im neu organisierten Bündnis von Serbien und Montenegro erschweren,
wodurch der Westen noch vielmehr als Schiedsrichter auftreten und sich
in die innerstaatlichen Angelegenheiten einmischen wird. Der Abbau des
Staates und seiner Organe wird dadurch weitergeführt werden. Die
wirtschaftliche und finanzielle Macht werden gänzlich geschwächt
werden und die Unzufriedenheit der Bevölkerung, der Arbeitskräfte und
des Syndikats wird sich intensivieren, sodass mit massiven sozialen
Unruhen zu rechnen sein wird. Eine solche Situation wird dem Westen
nur eine weitere Ausrede geben, weshalb man das Land nicht finanziell
unterstützen und ihm aus der immer grösser werdenden Krise nicht
aushelfen möchte.
Die Zertrümmerung des Staates und seiner Organe wird Separatisten im
Süden Serbiens, in KuM, in der Vojvodina, und vielleicht auch in der
Raska wieder dazu ermutigen, einen Teil des Territoriums Serbiens
loszulösen. Die RS wird unter enormem Druck stehen, mit der Revision
der Dayton-Abkommens unterzugehen und sich in Bosnien und Hercegovina
der moslemische Dominanz unterzuordnen.
Eine solche Entwicklung der Geschehnisse scheint sehr real, muss aber
nicht sein. In zwei Fällen könnte es zu einem anderen Ablauf der
Ereignisse kommen:
Einerseits wenn es in den bevorstehenden Wahlen zu einem anderen
Ergebnis als dem Erwarteten kommt und andererseits wenn es auf
globaler Ebene zu einer fundamentalen Neuregelung der
Kräfteverhältnisse kommt.
Betrachtet man jedoch alle Fakten, dann ist in naher Zukunft weder ein
Fortschritt innerhalb des Staates noch in Bezug auf das Verhältnis zur
Welt zu erwarten. Im Gegenteil, es ist mit einer noch grösseren
politischen, wirtschaftlichen und sozialen Krise zu rechnen.