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Junge Welt (Berlin)
19.08.2003, Ausland

Cathrin Schütz, Belgrad

 
Beweisnot in Den Haag

UN-Tribunal will dubiose Dokumente nutzen, um Vorwürfe gegen Milosevic
aufrechtzuerhalten


Am UN-Tribunal in Den Haag ist am Montag die Sommerpause zu Ende
gegangen. Im Prozeß gegen den ehemaligen jugoslawischen Präsidenten
Slobodan Milosevic soll in den kommenden Monaten schwerpunktmäßig das
»Massaker von Srebrenica« im Juli 1995 verhandelt werden. Im Fall des
Bürgerkriegs in Bosnien-Herzegowina wirft Chefanklägerin Carla del
Ponte dem Angeklagten »Völkermord« vor. Ursprünglich war dieser
Tatvorwurf auch Teil des Kosovo-Komplexes. Mangels Beweisen mußte dies
allerdings fallengelassen werden. Dabei war der Völkermordvorwurf
Hintergrund der Anklage und der illegalen Auslieferung Milosevics. Auch
im Fall Srebrenica bewegt sich del Ponte auf dünnem Eis. Noch vor der
Sommerpause hatte der ehemalige jugoslawische Präsident Zoran Lilic vor
Gericht Milosevic bescheinigt, nicht in das Massaker in der ehemaligen
UN-Schutzzone verwickelt gewesen zu sein.

Das »Institute for War and Peace Reporting« (IWPR) in London spielte
der Anklageseite in Den Haag indes ein belastendes Papier zu, bei dem
es sich um einen vom damaligen bosnisch-serbischen Innenminister
Tomislav Kovac unterzeichneten Befehl zur Truppenverlegung serbischer
Polizeieinheiten von Sarajevo nach Srebrenica handeln soll. Stacey
Sullivan, Mitarbeiterin von IWPR, erklärte, das Dokument belege
erstmalig, daß Polizei aus Serbien an der Operation in Srebrenica
teilnahm. Dem entgegen hob die Washingtoner »Koalition für
internationale Gerechtigkeit« hervor, daß dies durch das Dokument
keineswegs bewiesen sei. Daß weiterhin unbekannt sei, was Milosevic
selbst von den Vorgängen wußte, mußte jedoch auch Sullivan zugeben.

Die New York Times, die sich sonst in der Vorverurteilung des
ehemaligen jugoslawischen Präsidenten übt, berichtete bereits im Juni,
daß bekannt sei, daß gegen Milosevic im Falle Srebrenica keine Beweise
vorliegen: »Sogar im Prozeß gegen General Radislav Krstic, einem der
Kommandierenden in Srebrenica, der zu 46 Jahren Gefängnis verurteilt
wurde, lag den Anklägern kein Dokument vor, das Belgrad mit den
Verbrechen in Verbindung bringt.« Es scheint sich auch bei dem neuen
Papier nicht um einen Beweis gegen Milosevic zu handeln. Die Sprecherin
der Anklageseite bezeichnete das Dokument denn auch nur als »ein
Element«. Vermutlich wird das Dokument genutzt, um Lilics Aussage über
Milosevics Unschuld aus den Medien zu verdrängen. IWPR gibt an, das
Papier bislang »übersehen zu haben«.

Wenn man die Kooperationspartner des IWPR betrachtet, verstärkt sich
der Verdacht, daß das Institut den Anklägern in die Hände spielt. Zu
diesen Partnern gehören das »Open Society Institute« des
US-amerikanischen Multimillionärs George Soros, der auch das Tribunal
selbst mitfinanziert. Über »US AID« erhält das Institut Mittel der
US-Regierung. Weitere stammen von der US-amerikanischen Organisa-
tion »IREX«, die eigenen Angaben zufolge direkte Unterstützung vom
Außenministerium in Washington erhält. IREX finanziert auch
Journalisten aus dem ehemaligen Jugoslawien, die von Den Haag aus über
den Milosevic-Prozeß berichten.

Ein Assistent von Milosevic kommentierte gegenüber jW: »Carla del
Ponte prahlte kürzlich gegenüber der Presse, sie habe alle
Anklagepunkte beweisen können, nur der Völkermord sei schwerer
nachzuweisen, aber sie werde das in den kommenden Monaten tun. Das war
ihr Versuch, der Öffentlichkeit ihren fehlenden Erfolg zu
verheimlichen, da ihre Position als Chefanklägerin derzeit gefährdet
ist. Milosevics Schuld kann nicht nachgewiesen werden, weil es sie
nicht gibt. Jeder weiß, daß er Extremismus und Verbrechen öffentlich
verurteilte, auch wenn sie von serbischer Seite kamen. Er hat
angekündigt, daß er versuchen werde, die Komplizenschaft der westlichen
Geheimdienste bei den schlimmsten Verbrechen in Bosnien und Kroatien
nachzuweisen.«

Dieses Unternehmen dürfte sich als erfolgreicher erweisen als der
Versuch der Anklage, Beweise für eine Verbindung Milosevics zum
Massaker von Srebrenica zu erbringen. Schon die Kommission unter Cees
Wiebes vom Niederländischen Institut für Kriegsdokumentation
(NIOD), die den wohl umfangreichsten Bericht über den Krieg in Bosnien
erstellte, brachte eben dies zutage. Wiebes hatte ungehinderten Zugang
zu niederländischen Geheimdienstdokumenten und recherchierte bei
Geheimdiensten westlicher Staaten und in Bosnien. Während es in der
Presse hieß, es gebe »keine Hinweise auf eine direkte Verbindung
Milosevics und der serbischen Behörden in Belgrad« in den Überfall auf
Srebrenica, brachte die Untersuchung die direkte Verwicklung
ausländischer Kräfte ans Licht: »Die USA benutzen Islamisten, um die
bosnischen Muslime zu bewaffnen; der Srebrenica-Bericht enttarnt die
Rolle des Pentagons in einem schmutzigen Krieg. Die offizielle
niederländische Untersuchung des Srebrenica-Massakers von 1995 enthält
einen der sensationellsten Berichte über westliche Geheimdienste, die
je veröffentlicht wurden«, so der britische Guardian.


SIEHE AUCH:
-> http://www.jungewelt.de/beilage/index.php?b_id=12

*** sloboda - Freiheit für Milosevic
Junge Welt Beilage vom 18.06.2003 ***

Inhalt:

Es sind noch Zellen frei
Slobodan Milosevic ist der erste Kriegsgefangene der neuen Weltordnung
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Im Kreuzverhör
Milosevic befragt einen prominenten Zeugen über die Kriegsverbrechen in
Kroatien und Bosnien-Herzegowina

Kein Völkermord
Der bisherige Prozeßverlauf in Den Haag ist für die Anklage ein Fiasko
Matthias Gockel

Fluch des Amselfeldes
Wie Milosevic Jugoslawien durch Serbien retten wollte und doch alles
verlor
Werner Pirker

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Im Prozeß um den Bombenangriff auf die Brücke von Varvarin geht es um
mehr als Schadensersatz
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28. Juni - Demo in Den Haag
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