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Date: Tue, 9 Dec 2003 12:06:56 +0100
From: Klaus von Raussendorff <redaktion@...>
Subject: Milosevic gegen "Tribunal" - Varvarin-Bürger gegen Deutschland

Liebe Leute,

am 15. Dezember 2003 erscheint US-General Wesley Clark vor dem so
genannten Internationalen Straftribunal für das ehemalige Jugoslawien
in Den Haag. Der ehemalige NATO-Oberbefehlshaber im Angriffskrieg gegen
Jugoslawien hat nicht zu befürchten, wegen Kriegsverbrechen angeklagt
zu werden. Er erscheint als Zeuge der Anklage gegen den ehemaligen
Präsidenten des angegriffenen Landes, Slobodan Milosevic. Das
Internationale Komitee für die Verteidigung von
Slobodan Milosevic (ICDSM) wird am Nachmittag des 15. Dezember in Den
Haag vertreten sein und den Medien zur Verfügung stehen. Genauer Ort
und Zeit werden dort bekannt gegeben.

Am 10. Dezember 2003 entscheidet das Landgericht Bonn in erster Instanz
über eine Klage von NATO-Opfern aus Varvarin/Serbien gegen die
Bundesrepublik Deutschland.

Hierzu dokumentiere ich:

STILLER ZEUGE IM GESCHLOSSENEN RAUM -
LEGALISIERTE US-ZENSUR IM PROZESS GEGEN SLOBODAN MILOSEVIC
Von Martin Vinomonte
Quelle: Jugoslawisch-Österreichische Solidaritätsbewegung
http://www.vorstadtzentrum.org/joesb
[ 1 ]

WESLEY CLARK ALS ZEUGE: TRIBUNAL DER VERBRECHER?
Vladimir Krsljanin, außenpolitischer Berater von Präsident Slobodan
Milosevic und Sekretär des jugoslawischen Komitees für die Verteidigung
von Slobodan Milosevic, SLOBODA; Interview mit Cathrin Schütz
(junge Welt v. 29.11.2003: http://www.jungewelt.de/2003/11-29/021.php)
[ 2 ]

OFFENER BRIEF AN DIE REDAKTION „DIE STORY“ DES WDR
(Zur Fernsehdokumentation: „Das Tribunal. Angeklagt: Slobodan
Milosevic“ im WDR am 1. Dezember 2003, 22:30 Uhr.) Von Sebastian Bahlo,
Darmstadt
- A b d r u c k u n d V e r b r e i t u n g e r w ü n s c h t -
[ 3 ]

NIE WIEDER AUFKLÄRUNG - WDR-DOKUMENTATION ÜBER DEN HAAGER PROZESS GEGEN
MILOSEVIC ERHÄLT DEN JOSEPH-GOEBBELS-PREIS DER FERNSEHKRITIK
Von Jürgen Elsässer
(junge Welt vom 03.12.2003: http://www.jungewelt.de/2003/12-03/018.php)
[ 4 ]

WAHLAUFRUF VON PRÄSIDENT SLOBODAN MILOSEVIC
(3. Dezember 2003)
Quelle: SLOBODA - Freedom Association Belgrad (Email v. 04.12.03)
[ 5 ]

EUROPA-ABGEORDNETER FORDERT FREIHEIT FÜR MILOSEVIC! Quelle:
Kommunistische Partei Griechenlands - Zentralkomitee
[ 6 ]

WIE STARK IST DAS RECHT AUF LEBEN? DER PROZESS DER OPFER VON VARVARIN
STELLT GRUNDSATZFRAGEN
Von Bernhard Graefrath
Aus: Marxistische Blätter 6-03, S. 15-18
[ 7 ]


---

B u c h e m p f e h l u n g:

Cathrin Schütz,

Die NATO-Intervention in Jugoslawien - Hintergründe, Nebenwirkungen und
Folgen,

Wien (Braumüller), 2003; kartoniert, 178 Seiten; ISBN: 3 7003 1440 X;
Einzelpreis: EUR 32,90

---

I n f o r m a t i o n e n :

http://www.sloboda.org.yu/ (Sloboda/Freedom association)
http://www.icdsm.org/ (the international committee to defend Slobodan
Milosevic)
http://www.free-slobo.de/ (German section of ICDSM)
http://www.icdsm-us.org/ (US section of ICDSM)
http://www.icdsmireland.org/ (ICDSM Ireland)
http://www.wpc-in.org/ (world peace council)
http://www.geocities.com/b_antinato/ (Balkan antiNATO center)
http://www.frieden-bonn.de/varvarin

---

I n e i g e n e r S a c h e :

Mit der heutigen Sendung gibt’s einige Neuerungen: Die bisherige
AIK-mail heißt jetzt AIKor –mail. Damit ist der Gleichklang mit unserer
Homepage http://www.aikor.de hergestellt. Die neue Abkürzung
reflektiert deutlicher
den Namen Antiimperialistische Korrespondenz. Eine
Verwechslungsmöglichkeit mit der österreichischen AIK
(Anitimperialistische Koordination -
http://www.antiimperialista.com/de/) entfällt, was nicht der
Distanzierung, aber der Klarheit dienen soll.

Die nächste und entscheidende Neuigkeit ist, dass die AIKor-infos
fortan als Information der VIS erscheinen. VIS ist die Abkürzung der
Vereinigung für Internationale Solidarität e.V., eines im Sommer diesen
Jahres gegründeten Vereins. Diese Gründung hatte nicht den Grund, dass
es zu wenig Vereine gäbe oder die Gründer nichts anderes zu tun hätten:
Die VIS dient lediglich der Zusammenfassung verschiedener
antiimperialistischer Kampagnen unter einem Dach. Dieser Begriff Dach
ist ein Schlüssel zum Verständnis des Vereinszwecks: hier soll kein
eigenständiges Vereinsleben entfaltet werden, Aufklärung und
Mobilisierung sollen weiterhin durch unterschiedliche und eigenständige
politische Kampagnen der internationalen Solidarität stattfinden. Dies
sind gegenwärtig hauptsächlich zwei: die Deutsche Sektion des
Internationalen Komitees für die Verteidigung von Slobodan Miloševic,
http://www.free-slobo.de , und die Initiative Freiheit für Palästina,
http://www.freepalestine.de, einschließlich der Kampagnen gegen die
Apartheidmauer in Palästina sowie zur Befreiung von allen
palästinensischen
politischen Gefangenen. Des weiteren ist die bisherige Initiative gegen
das Irak-Embargo zu nennen, die voraussichtlich bald in einer der
Situation angemessenen Form, vielleicht als Bewegung für ein Tribunal
über den Irak-Krieg, fortgesetzt wird. Einige der relevanten Dokumente
gibt es bereits provisorisch auf einer noch nicht in Betrieb genommene
Webseite http://www.irakmonitor.de/tribunal. Ferner gehört in diesen
Zusammenhang die Kampagne für die Befreiung von Mumia Abu-Jamal
www.freedom-now.de / www.mumia.de. Und nicht zuletzt: Das Komitee zur
Befreiung der Fünf Kubaner beim Netzwerk Cuba e.V. http://www.miami5.de.

Die VIS hat also den gleichen, koordinierenden Zweck wie der
AIKor-Infodienst, was das „Zusammenspannen“ nahe legte. Auch die VIS
hat eine Homepage: http://www.soli-international.de , von der gelangt
man zu AIKor und den soeben genannten Kampagnen und zurück. Weiterhin
werden auf der VIS-Homepage die von uns unterstützten Aktivitäten und
Forderungen im Bereich der internationalen Solidarität genannt:
§ Gegen die Zerstörung Jugoslawiens und die NATO-Aggression, für den
Abzug der NATO vom Balkan und bedingungslose Wiedergutmachung;
§ Für die sofortige Auflösung der völkerrechtswidrigen
ad-hoc-"Tribunale" in Den Haag und Arusha, Freilassung von Slobodan
Miloševic und aller politischen Gefangenen;
§ Freilassung von Mumia Abu Jamal;
§ Für den Stopp des Embargos und Solidarität mit Cuba, für die
Freilassung der "Miami Five", der fünf cubanischen Gefangenen aus
US-Gefängnissen;
§ Für die Auflösung der völkerrechtswidrigen Gefangenenlager in
Guantanamo;
§ Für den Stopp der Aggression gegen den Irak und den sofortigen Abzug
der Besatzer;
§ Gegen die imperialistische Intervention in Kolumbien;
§ Solidarität mit Venezuela und Belarus gegen die Angriffe des
Imperialismus;
§ Freilassung aller palästinensischen politischen Gefangenen unter
israelischer Besatzung;
§ Abriss der israelischen Apartheid-Mauer und Schutz des
palästinensischen Volkes.
Die VIS ist durch Eintragung im Vereinsregister des Amtsgerichts Bonn
rechtsfähig, und durch vorläufigen Bescheid des Finanzamts als
gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Dies war ein
weiteres, mit der
Vereinsgründung verbundenes Ziel. Peter Betscher ist nun der
Finanzbeauftragte der VIS. Die bisherigen privaten Spendenkonten auf
seinen Namen entfallen, umständliche Erklärungen gegenüber
Spendenwilligen sind nicht mehr nötig.

Beide Konten wurden am 22.09.03 von der Volksbank Darmstadt mit Bezug
auf Artikel 1 Abs. 1 EG-Verordnung Nr. 2488/2000 rechtswidrig gesperrt.
Das Konto für die Unterstützung von palästinensischen Gefangenen in
Israel ist
nach einer erfolgreichen einstweiligen Verfügung gegen die Volksbank
Darmstadt inzwischen bereits aufgelöst. Gegen die Sperrung des Kontos
für die Verteidigung von Slobodan Miloševic (Rechtshilfefonds) wurde
inzwischen eine Klage gegen die Volksbank Darmstadt eingereicht. (Zum
Hintergrund siehe das Interview mit Klaus Hartmann in junge Welt vom
17.10.2003 - http://www.jungewelt.de/2003/10-17/017.php)


Nunmehr lautet also das S p e n d e n k o n t o für die Verteidigung
von Slobodan Miloševic (Rechtshilfefonds):

Vereinigung für Internationale Solidarität,
Konto-Nummer 7589 88-464
bei Postbank Dortmund (BLZ 440 100 46)

Für die Empfänger der AIKor-Infos ändert sich somit nichts. Die
redaktionelle Verantwortung liegt weiterhin bei Klaus von Raussendorff.


Für die Vereinigung für Internationale Solidarität (VIS) e.V.

mit internationalistischen Grüßen

Klaus Hartmann
(Vorsitzender)

Klaus v. Raussendorff
(Stellvertretender Vorsitzender)

Peter Betscher
(Finanzbeauftragter)

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Anti-Imperialistische Korrespondenz (AIKor) -
Informationsdienst der Vereinigung für Internationale Solidarität (VIS)
e.V.,
Redaktion: Klaus von Raussendorff
Postfach 210172, 53156 Bonn; Tel.& Fax: 0228 - 34.68.50;
Email: redaktion@...

AIKor-Infos können auf der Seite der AIKor http://www.aikor.de
unter "Info-Dienst der AIKor" runter geladen werden
Webmaster: Dieter Vogel, Email: webmaster@...

Wer die AIKor-mails nicht empfangen möchte, schicke bitte eine Mail mit
dem Betreff "unsubscribe" an redaktion@...



******
[ 1 ]

Quelle: Jugoslawisch-Österreichische Solidaritätsbewegung,
Meiselstraße 46/4, A-1150 Wien; Tel / Fax: (+43 1) 924 31 61
joesb@...
http://www.vorstadtzentrum.org/joesb


STILLER ZEUGE IM GESCHLOSSENEN RAUM -
LEGALISIERTE US-ZENSUR IM PROZESS GEGEN SLOBODAN MILOSEVIC

Von Martin Vinomonte


Schon lange würden sich objektive Beobachter und Kriegsgegner des
NATO-Angriffes auf Jugoslawien General Wesley Clark, den damaligen
Kommandeur der westlichen Militärallianz, vor einem
Kriegsverbrechertribunalwünschen, gebührte ihm dies doch vorrangig. Nun
wurde diesem mehr als gerechtfertigten Wunsch von Den Haag aus
"entsprochen". Doch nicht als Angeklagter wird er auftreten, sondern als
privilegierter Zeuge gegen jenen, der sich zum Grausen seiner
westlichen Ankläger immer noch souverän gegen die inszenierte
Delegitimationskampagne zu verteidigen versteht: Slobodan Milosevic.

Clark, zur Zeit auch als Präsidentschaftskandidat in den USA im Gange,
ist natürlich kein gewöhnlicher Zeuge unter den nunmehr über 200 im
Rahmen des illegitimen Prozesses getätigten Aussagen seit dem Februar
2002. Die US-Regierung muss demnach, besonders nachdem Milosevic als
Hauptangeklagter des Tribunals dessen Intention durch seine geschickte
und selbst geführte Verteidigung entscheidend entgegengewirkt und die
Tauglichkeit des Instrumentes "Internationaler Gerichtshof" in den
Augen der Vereinigten
Staaten weiter geschwächt hatte, um den Inhalt der Aussage Clarks
bangen.
Würde dieser dem vormaligen und nun erneut kandidierenden Präsidenten
Jugoslawiens im Kreuzverhör gegenüberstehen, so wäre es Milosevic ein
Leichtes, den Befehlshaber Wesley Clark als einen der schlimmsten
tatsächlichen Kriegsverbrecher zu entlarven.

Immerhin hatte Clark in seinem Buch "Moderne Kriegsführung" von
2001bereits bekannt: "Der Kosovo Krieg war erzwungene Diplomatie, war
der Einsatz bewaffneter Kräfte, um den politischen Willen der
NATO-Mitglieder der Föderativen Republik Jugoslawien, oder präziser:
Serbien aufzuzwingen. Die Nationen der NATO unternahmen diesen Krieg
willentlich."(1)

Um solche Enthüllungen zu Gunsten der Verteidigung zu verhindern, wurde
jetzt eine Vereinbarung zwischen dem Gerichtshof in Den Haag und der
US-Regierung getroffen, die das potemkinsche Dorf der Anklage,
unabhängig die Wahrung der Menschenrechte sichern zu wollen, zum
wiederholten Male zusammenbrechen lässt. Denn das Gericht ließ
verlauten, dass die Vernehmung Clarks unter Ausschluss der
Öffentlichkeit von Statten gehen werde. Die öffentliche Galerie seit
während dem 15. und 16. Dezember, wenn der General
vor dem Tribunal auftrete, gesperrt.

Am 19. November hieß es zudem in einer Erklärung aus Den Haag: "Die
öffentliche Übertragung der Verhandlung wird für einen Zeitraum von
48Stunden zurückgehalten, um der US-Regierung die Gelegenheit zu geben,
das Transkript zu überprüfen und Einwände zu erheben, damit allenfalls
in der
Verhandlung zur Sprache gekommenes, mit der nationalen Sicherheit der
Vereinigten Staaten unvereinbares Beweismaterial redigiert werden
kann."(2)

Diese Maßnahmen stellen einen schweren Akt der Zensur dar und zeigen
wieder einmal die kriminelle Farce, die beim Den Haager
"Kriegsverbrechertribunal" betrieben wird, wo die wahren
Kriegsverbrecher anklagen und den Prozess mit allen Mitteln des
Rechtsbruches führen bzw. lenken dürfen. Diese Maßnahmen zeigen auch
den Sonderstatus, den die USA aufgrund ihrer weltpolitisch dominanten
Sonderstellung, innerhalb der vorgeblich "objektiven"
Rechtzusammenhänge einnehmen. Doch diese Zensurmaßnahmen zeigen auch,
allein aufgrund der Notwendigkeit ihres Einsatzes für die
US-Interessen, wie geschickt und entlarvend Slobodan Milosevic die
Instrumente seiner Feinde gegen eben diese zu richten versteht.

Auf diesen Aspekt bezieht sich Vladimir Krsljanin, einer der
wichtigsten jener vielen Milosevic-Unterstützer, wenn er am 29.November
in einem "JungeWelt"-Interview meint: "Ich betrachte diese vom
Bush-Regime gesetzten Bedingungen als ein Zeichen ihrer Furcht."(3)


Quellen:

(1) Zit. nach: John Catalinotto: General Wesley Clark. War criminal
togive closed-door testimony against Milosevic. In: Workers World
newspaper,Dec. 11, 2003

(2) Zit. nach ebda.

(3) Zit. nach ebda.



********
[ 2 ]
Aus: junge Welt vom 29.11.2003

http://www.jungewelt.de/2003/11-29/021.php

WESLEY CLARK ALS ZEUGE: TRIBUNAL DER VERBRECHER?

jW sprach mit Vladimir Krsljanin. Er ist außenpolitischer Assistent des
ehemaligen jugoslawischen Staatschefs Slobodan Milosevic, der in Den
Haag vor Gericht steht. Der Belgrader ist leitendes Mitglied des
jugoslawischen Komitees zur Verteidigung von Slobodan Milosevic, SLOBODA
(www.sloboda.org.yu)

Interview: Cathrin Schütz

F: Mitte Dezember wird der amerikanische General Wesley Clark, der 1999
als NATO-Oberkommandierender di 78tägigen Dauerbombardements auf
Jugoslawien befehligte, als Zeuge der Anklage im Milosevic-Prozeß vor
dem Den Haager Kriegsverbrechertribunal auftreten. Auf Anordnung
Washingtons bleiben die Türen des Gerichtssaals für die Öffentlichkeit
geschlossen. Vor Publizierung und Herausgabe der Protokolle und
Videoaufnahmen hat die US-Regierung 48
Stunden Zeit, um sie zu zensieren und Änderungen vorzunehmen. Diese
Maßnahmen werden sogar in der bürgerlichen Presse als »ungewöhnlich«
bezeichnet.

Zudem hat die US-Regierung bereits jetzt festgelegt, welche Punkte in
der Sitzung behandelt werden. Aus rechtlichen Gesichtspunkten muß man
das als totale Katastrophe bezeichnen. Ein Tribunal, das in dieser
Weise arbeitet, sollte es nicht geben. Wir erwarten, daß es am 15.
Dezember, dem Tag, an dem Clark erscheinen wird, in Den Haag Proteste
geben wird. Ich werte diese Bedingungen der Bush-Regierung als ein
Zeichen der Angst. Es ist auch ein Test, wie es aussehen wird, wenn
Zeugen kommen, die Milosevic, wie er
angekündigt hat, selbst befragen will. Nach den Regeln des Haager
Tribunals bekommt Präsident Milosevic nur vier Stunden für das
Kreuzverhör. Ich bin mir sicher, daß sie den Fall und ihr Tribunal
danach abschließen müssen, es sei denn, die entscheidenden Fragen
werden als »irrelevant« abgewiesen.

F: Die Tatsache, daß sich die Zeugenbefragung Clarks ausschließlich auf
vorher mit der US-Regierung vereinbarte Punkte beziehen darf, dürfte
die Strategie Milosevics, die Schuld der westlichen Regierungen
darzulegen, unmöglich machen.

Diese Bedingungen, die von den Richtern akzeptiert wurden, sind
verbrecherisch. Offensichtlich können die USA mit ihrem
Marionettengericht spielen, wie sie wollen. Sie fürchten die wahren
Fakten. Sie haben kein Interesse an der Wahrheitsfindung. Das Tribunal
klagt keine US-Bürger an, wie die Ablehnung, NATO-Kriegsverbrechen zu
verfolgen, gezeigt hat. Das Tribunal macht einem Staatsoberhaupt den
Prozeß und ist zur gleichen Zeit nicht in der Lage, normale Bedingungen
zu gewähren, wenn Personen aussagen, die direkt in die Geschehnisse
verwickelt waren. Das ist ein Tribunal von Verbrechern, und jeder
sollte dagegen vorgehen. Die Restriktionen zeigen die Angst der wahren
Verbrecher, die Tausende Menschen in unserem Land getötet haben.

F: Der derzeit im US-Präsidentschaftswahlkampf kandidierende Wesley
Clark hat sein Auftreten im Zeugenstand kürzlich mit der historischen
Bedeutung des Prozesses begründet, bei dem zum ersten Mal ein
Staatsoberhaupt wegen Kriegsverbrechen vor Gericht stünde. Doch Clark
selbst wurde neben zahlreichen westlichen Staatsoberhäuptern aufgrund
ihrer Verantwortung für den NATO-Krieg gegen Jugoslawien von einem
Belgrader Gericht wegen Kriegsverbrechen zu 20 Jahren Haft verurteilt.

Ja. Clark, Clinton, Schröder, Fischer und anderen wurde in Belgrad in
Abwesenheit der Prozeß gemacht. Das Gerichtsurteil, das sie für
schuldig erklärte, wurde einige Wochen vor dem Sturz der
Milosevic-Regierung gefällt. Als es den Betroffenen zugestellt wurde,
war Präsident Milosevic schon im Belgrader Gefängnis in Haft. Natürlich
störte die Verurteilung dann die vielen Empfänge der westlichen Herren
bei den neuen Machthabern. Das unterdessen tote, prowestliche
DOS-Regime zwang das Verfassungsgericht im
September 2001, das Urteil wegen »Verfahrensfehlern« aufzuheben. Es
wurde entschieden, daß ein Militärstaatsanwalt in ein neues Verfahren
einzubeziehen ist, was natürlich nicht geschah. Erst mit der
Wiederherstellung der Demokratie in Serbien werden wir auch das
Rechtssystem wieder herstellen können.

Daß mit General Clark nun einer der größten Kriegsverbrecher als
»Zeuge« vor das Tribunal geladen wird, überrascht mich nicht. Seine
Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten wurde von seinem ehemaligen
Chef William Clinton gestützt, um seinen schmutzigen Krieg zu
rechtfertigen. Ich glaube, es geht nicht darum, die
Präsidentschaftswahlen zu gewinnen, sondern die Kriegsverbrecher rein
zuwaschen.



********
[ 3 ]

OFFENER BRIEF AN DIE REDAKTION „DIE STORY“ DES WDR
(Zur Fernsehdokumentation: „Das Tribunal. Angeklagt: Slobodan
Milosevic“ im WDR am 1. Dezember 2003, 22:30 Uhr.)

Von Sebastian Bahlo, Darmstadt

Sehr geehrt Damen und Herren,

die Produktionsfirma Ihres Films „Das Tribunal. Angeklagt: Slobodan
Milosevic“, „Tag/Traum“ erhebt in ihrer Selbstdarstellung den Anspruch,
„die etwas anderen Filme“ zu machen. Nun, „ein etwas anderer Film“, das
wäre in diesem Fall einer gewesen, der die Wahrheit über den
Milosevic-Prozeß ans Licht bringt, wie der Ende September vom
niederländischen Fernsehsender VPRO ausgestrahlte Film „De Zaak
Milosevic“ von Jos de Putter und Germinal Civikov. Dort wurde
ausführlich dargestellt, wie an diesem sogenannten „Gerichtshof“ Recht
verzerrt und gebrochen wird, soweit dies dem von vornherein
feststehenden Ziel dient: Der Verurteilung Slobodan Milosevic’.
Ein ähnlicher Film, der diesem Propaganda-Instrument der NATO bei der
Arbeit zusähe, ja, das wäre in Deutschland „ein etwas anderer Film“
gewesen.

Aber Ihr Film ist an Konformität nicht zu überbieten. Die trotzige,
kleinkarierte Masche – wenngleich von Ihnen mithilfe der Suggestion
ausgeführt -, Milosevic als zynisch und arrogant zu porträtieren,
jetzt, da vom „Auschwitz auf dem Amselfeld“ nur mehr 577 namentlich in
der Anklageschrift erwähnte getötete Kosovo-Albaner übrig geblieben
sind, paßt
auch ebenso gut in den „Spiegel“ wie in die „FAZ“ wie in die
„Bild“-Zeitung. Es ist vor allem lächerlich und nichtssagend. Worauf es
ankommt, ist nicht die Form, persönliche Verhaltensweisen, sondern der
Inhalt, darauf, welche Tatsachen in der Zeugenvernehmung und im
Kreuzverhör aufgezeigt werden.

Doch der Inhalt wird in Ihrem Film völlig „ausgeblendet“. Besser
gesagt: der Inhalt wird als bekannt vorausgesetzt. Es wird als bekannt
vorausgesetzt, daß Milosevic der schlimmste europäische Diktator seit
Hitler ist; ein serbischer Rassist und Nationalist, insbesondere mit
„großserbischen“ Plänen; ein Kriegshetzer, der in seiner sagenumwobenen
Rede auf dem sagenumwobenen Amselfeld Haß unter den Völkern säte; und
schließlich ein Kriegstreiber, Kriegsverbrecher, schuldig am zehn Jahre
währenden grausamen Bürgerkrieg, in dem Jugoslawien auseinanderbrach.
Und das alles ist ja auch bekannt: aus der Presse zumeist, aber auch
sattsam aus Funk und Fernsehen.

Im berechtigten Vertrauen auf dieses geistige Fundament in den Köpfen
der Zuschauer fällt es Ihnen nun leicht, durch ein paar geschickt
zusammengeschnittene Szenen die bestehenden Vorurteile noch zu festigen.

Doch jede ernsthafte Berichterstattung über den „Prozeß“ in Den Haag
hätte die entgegengesetzte Wirkung gehabt.

Die Kosovo-Phase des Anklage-Verfahrens, von der Ihr Film
ausschließlich handelt, nahm 97 Verhandlungstage ein, an denen 112
Zeugen geladen wurden (mehrmaliges Erscheinen nicht mitgezählt.) Allein
diese Tatsache spricht schon für sich. 112 Zeugen, um den Balkan-Hitler
zu überführen – und wenn Sie schon überhaupt einmal von dem
„Jahrhundertprozeß“ berichten, dann zeigen Sie nur 6.

Slobodan Milosevic konnte in seinen Kreuzverhören vielen angeblichen
Zeugen von serbischen Verbrechen Widersprüche in ihren Aussagen
nachweisen, weil er über sehr detaillierte Informationen verfügte. So
auch den in Ihrem Film auftretenden Zeugen Merita Dedaj und Mustafa
Draga. Frau Dedaj hatte zwei Aussagen zu Protokoll gegeben: Eine vor
Mitarbeitern der International Crisis Group und eine vor Mitarbeitern
des Office of the Prosecutor des Tribunals. Auf Milosevic’ Frage nach
dem Grund inhaltlicher Diskrepanzen zwischen beiden Aussagen antwortete
die Zeugin nur, sie könne sich nicht erinnern. Ebenso antwortete Herr
Draga auf die Frage eines „Amicus Curiae“, vom Gericht zur
Sicherstellung eines „fairen“ Prozesses eingesetzt, nach
Unstimmigkeiten zwischen der von ihm zu Protokoll gegebenen Aussage und
seiner Aussage im Zeugenstand. Außerdem war Herr Draga nicht der
einzige, der das Massaker, von dem er berichtet, „durch Gottes Hilfe“
überlebt hat.
Auch der drei Wochen zuvor im Zeugenstand erschienene Milazim Thaqi
will demselben Massaker wie durch ein Wunder entronnen sein. An diesen
zwei Beispielen wird klar, daß Sie die gezeigten Szenen absichtlich so
aus dem Zusammenhang geschnitten haben, wie es der zu erzielende Effekt
verlangt.

Doch in dieser Weise verliefen die Kreuzverhöre oft. Ein Zeuge weigerte
sich deshalb schlicht, weiter auszusagen; er konnte diesem „Zynismus“
nicht standhalten.

Mit politischen Zeugen wie Mahmut Bakalli, Ibrahim Rugova, Paddy
Ashdown, William Walker, Klaus Naumann und anderen führte der
„Angeklagte“ Diskussionen, in denen die Zeugen erkennen ließen, daß es
sich bei ihren Anschuldigungen gegen ihn um nichts weiter als
Meinungen, Interpretationen, Ideologie handelte.

Aber auch Experten, die in ihrer Eigenschaft als Kriminalisten,
Soziologen, Historiker in den Zeugenstand traten, konnten keineswegs
unbestreitbare Tatsachen vorlegen. Der Polizist Bosko Radojkovic
beispielsweise, dessen Aussage über die Entdeckung des berühmten
Kühllasters Sie auszugsweise bringen, erklärte im Kreuzverhör, daß die
Leichen keine Anzeichen davon aufwiesen, daß sie schon einmal begraben
worden waren, daß sie – mit einer Ausnahme – nicht durch
Schußverletzungen zu Tode gekommen seien, und auch, daß man ihre
Herkunft nicht feststellen könne. Radojkovic kann also den Vertretern
der These nicht dienen, daß Leichen von massakrierten Kosovo-Albanern
exhumiert und ins Innere Serbiens gebracht worden seien.
Viel eher bestätigte er, daß es sich bei den Toten möglicherweise um
ins Land geschmuggelte Asylsucher gehandelt haben könne. Außerdem fiel
ihm auf, daß das Protokoll seiner Aussage vor Ermittlern des Tribunals
gewisse
Informationen enthielt, die er selbst den Ermittlern nie gegeben hat.

Und einen echten „Hammer“ hätte wirklich kein seriöser Berichterstatter
unterschlagen können: Daß der ehemalige jugoslawische Geheimdienstchef
Markovic im Kreuzverhör berichtete, er sei unter Androhung von Folter
zur Falschaussage gegen Milosevic gezwungen worden.

Mit geschlossenen Sitzungen und „geschützten“ Zeugen, wie dem von Ihnen
gezeigten „K41“, findet ein nicht unerheblicher Teil der Beweisaufnahme
ohne Kontrolle der Öffentlichkeit statt – wer darüber wissentlich
hinweggeht, beteiligt sich an der Propaganda.

Die „Richter“, die in Ihrem Film als weise und gerecht erscheinen,
machen sich gewohnheitsmäßig zu Komplizen der Ankläger, indem sie
Slobodan Milosevic in seinen Kreuzverhören beschränken, seine Fragen
und die von ihm vorgelegten Dokumente als „irrelevant“ abweisen oder
Zeugen, die sich in Widersprüche zu verstricken drohen, „unter die Arme
greifen“. Auch hierfür ein Beispiel, das in Ihrem Film unter den Tisch
fällt: Sie zeigen, daß Herr Milosevic im Zusammenhang mit der Aussage
von Shyrhete Berisha die Aussage eines gewissen Marjan Krasniqi als
Beweisstück aufzunehmen beantragt, in der das Verbrechen, von dem Frau
Berisha berichtet, als die Tat einer kriminellen Bande dargestellt
wird. Was Sie nicht zeigen, ist, daß die Aussage von Herrn Krasniqi vom
Office of the Prosecutor aufgenommen worden war und er als möglicher
Zeuge der Anklage in Frage kam. Sieben Tage nach Frau Berishas Aussage
entschieden die „Richter“ dann, daß Herr Krasniqi nicht geladen werden
soll, obwohl Herr Milosevic dagegen Einspruch erhob.

Eine Beschäftigung mit dem Inhalt des „Prozesses“ – selbst nur mit dem
Kosovo-Teil – hätte also das hierzulande geprägte Bild von Milosevic
und der jüngsten Geschichte des Balkans zerstört. Sie wissen das, aber
es widersprach Ihrer Absicht. Sie wollten eben dieses Bild noch weiter
aufrecht erhalten. Deshalb haben Sie jeden Bezug zum wirklichen Inhalt
vermieden und sich höchst selektiv auf die suggestive Wirkung einiger
Szenen gestützt. (An einigen Stellen wurden sogar zeitlich
auseinanderfallende Äußerungen zu scheinbar zusammenhängenden Dialogen
geschnitten.) Das Ergebnis ist ein Streifen, der das Gegenteil von
kritischem Journalismus vermittelt: Er verbreitet Propaganda.

Mit freundlichen Grüßen,

Sebastian Bahlo
Darmstadt


********
[ 4 ]

junge Welt vom 03.12.2003

http://www.jungewelt.de/2003/12-03/018.php

NIE WIEDER AUFKLÄRUNG - WDR-DOKUMENTATION ÜBER DEN HAAGER PROZESS GEGEN
MILOSEVIC ERHÄLT DEN JOSEPH-GOEBBELS-PREIS DER FERNSEHKRITIK

Von Jürgen Elsässer

Endlich: Am Montag abend zeigte der zu Unrecht als »Rotfunk«
verschrieene WDR , daß er im Falle eines Falles doch zu den
zuverlässigen Stützen unseres Staates gehört. So zuverlässig war der
Sender nicht immer gewesen: Im Frühjahr 2001 strahlte er ein Feature
mit dem Titel »Es begann mit einer
Lüge« aus, das insbesondere der deutschen Regierung Manipulationen zur
Rechtfertigung des humanitären Bombardements Jugoslawiens 1999 vorwarf.
Verteidigungsminister Scharping wollte die Verbreitung des Streifens
sogar verbieten lassen, scheiterte aber an den deutschen Gerichten.
Offensichtlich ist der Arm von Milosevic länger, als man gemeinhin
denkt.

Deswegen war es umso erfreulicher, daß die Verantwortlichen des WDR nun
unter dem selben Serientitel »Die Story« ihren damaligen Fehler
ausbügelten. Unmittelbar nach Sendeschluß von »Das Tribunal. Angeklagt:
Slobodan Milosevic« beschloß der NATO-Wahrheitsausschuß, Regisseur
Thomas Schmitt mit dem diesjährigen Joseph-Goebbels-Preis
auszuzeichnen, und der Rezensent pflichtet dieser Entscheidung
vollumfänglich bei.

Schon in ihrer Grundstruktur hebt sich die Produktion wohltuend von den
krypto-bolschewistischen Machwerken aus der unseligen Zeit des
öffentlich-rechtlichen Fernsehens ab. Weggelassen wurden alle
Zweideutigkeiten, die die Aussage stören könnten, verzichtet wurde auf
jeden objektivistischen Schwulst. Der Angeklagte war einfach das
Monster, als das ihn die ganze Welt kennt. Demokratisch verwirrte
Journalisten hatten vor allem in den ersten Wochen des Haager Prozesses
immer wieder von Erfolgen des serbischen Schlächters berichtet.
»Milosevic bringt den ersten Zeugen der Anklage in peinliche
Situationen«, hatte selbst die ansonsten zuverlässige Frankfurter
Allgemeine Zeitung geschrieben, nachdem ein gewisser Mahmut Bakalli
seinen Vorwurf, der Angeklagte habe eine Art »Apartheid« im Kosovo
eingeführt, nicht hatte belegen können. Auch der Präsident der
Kosovo-Albaner Ibrahim Rugova machte leider nicht die beste Figur, als
ihm Milosevic ein Flublatt aus den Kriegstagen 1999 präsentierte, das
seine Landsleute zur Massenflucht aufrief. Gezeichnet war das Dokument
aber nicht von der massenmörderischen jugoslawischen Armee, sondern von
der Befreiungsorganisation UCK und von Rugova selbst. Serbisch-dämlich
verhielt sich schließlich auch der Kronzeuge Ratomir Tanic, der
Milosevic zunächst eines großangelegten Planes zur Vertreibung aller
Albaner aus der Provinz bezichtigte, dann aber vor Gericht einräumte,
daß er seit 1993 mit dem britischen Geheimdienst zusammenarbeite und
dieser ihm auch bei der
Abfassung seines Geständnisses behilflich gewesen war. Mit diesen und
ähnlichen Episoden des Prozesses, aus dem die Feindpresse großes
Aufhebens gemacht hat, beschäftigt sich der WDR-Film an keiner Stelle,
und das war auch gut so. Unsere Volksgenossen wollen nicht verunsichert
werden – vor
allem nicht in diesen Zeiten, wo die Bundeswehrmacht immer noch an der
Balkanfront gebunden ist.

Am mutigsten war jedoch, daß der Regisseur auch bei den Passagen des
Prozesses, die er wiedergab, nicht vor Manipulationen zurückschreckte.
So sah man einen albanischen Zeugen Greueltaten aus dem Ort Izbica
anhand eines Videofilms und von US-Satellitenaufnahmen schildern – der
Hinweis, daß die beiden Bildbelege nicht kongruent waren und
offensichtlich unterschiedliche Orte zeigten, unterblieb ebenso wie die
Information, daß ein gleichzeitig aufgenommener Beitrag des serbischen
Fernsehens ein friedliches Izbica gezeigt hatte. Im Falle der in einem
Kühllaster entdeckten Leichen, angeblich zum Zwecke der Vertuschung im
Kosovo ausgegraben und nach Zentralserbien verbracht, wurde zwar
deutlich, daß diese Toten niemals gefunden und somit auch nicht
identifiziert werden konnten. Milosevics
Hinweis auf Polizeiakten, wonach solche Kühllaster in der Region auch
zum Schmuggel von Flüchtlingen aus Osteuropa via Serbien in die EU
benutzt wurden, wurde glücklicherweise weggeschnitten. Raffiniert war
auch, daß man unkommentiert stehenließ, was ein anonymer jugoslawischer
Soldat dem
Diktator ins Gesicht schleuderte: »Sie waren es ja, die die
schändlichen Befehle gegeben haben, die wir ausführen mußten.« Das war
ein harter Schlag für die Feindpresse, die gerade an der Existenz
entsprechender Befehle Milosevics zweifelt. Selbst die Neue Zürcher
Zeitung hatte nach Ende des
Verhandlungskomplexes konstatiert: »Aber bisher wurde kein einziges
Dokument vorgelegt, das zu einer Verurteilung führen könnte.«

Wie unsere Redaktion aus dem Reichspropagandaministerium erfuhr, soll
der Film künftig auch als Unterrichtsmaterial an der
Leni-Riefenstahl-Akademie in Königsberg eingesetzt werden. Die Grande
Dame des deutschen Films hätte sich sicher gefreut


********
[ 5 ]

Quelle: SLOBODA - Freedom Association Belgrad (Email v. 04.12.03)

WAHLAUFRUF VON PRÄSIDENT SLOBODAN MILOSEVIC
(3. Dezember 2003)

Präsident Slobodan Milosevic hat am 3. Dezember per Telefon gegenüber
dem Führungsausschuss der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS), dem
höchsten Organ seiner Partei, eine Erklärung zu den vorgezogenen
serbischen Parlamentswahlen am 28. Dezember 2003 abgegeben. Die SPS
kämpft für mindesten 20% der Sitze. Die Wahlliste trägt den Namen
„Sozialistische Partei Serbiens - Slobodan Milosevic“. Spitzenkandidat
ist Präsident Slobodan Milosevic selbst. Sein Kampf gegen das Haager
„Tribunal“, Instrument der kolonialen Beherrschung Serbiens, hat ihn
zum angesehendsten Politiker des Landes gemacht. Seine Erklärung hat
folgenden Wortlaut:


Liebe Genossinnen und Genossen,

ich grüße Euch und möchte Euch sagen, dass wir alle zusammen die
Pflicht haben, für den Sieg zu kämpfen und zu gewinnen. Dies liegt im
Interesse des ganzen Volkes, jeder Familie und jedes Einzelnen. Aus der
Sicht des Einzelnen, der Familien und des Volkes betrachtet, will jeder
in einem
wohlhabenden, entwickelten, sicheren und glücklichen Land leben. Um all
das zu sein, muss Serbien frei sein. Daher ist die Freiheit das Ziel,
das über allen anderen Ziele stehen muss. Dies Ziel ist erreichbar,
auch wenn es schwer zu erreichen ist. Es ist erreichbar, weil die
Wahrheit die mächtigste Waffe ist. Es ist schwer, da große
Anstrengungen, viel Arbeit und eine feste
Einheit erforderlich sind, damit diese Wahrheit Herz und Hirn jedes
Bürgers erreicht.

In diesen Wahlen hat das serbische Volk die historische Pflicht, die
Wahrheit zu wählen. Vor drei Jahren warnte ich die Bürger von Serbien,
was geschehen werde, wenn die willigen Vollstrecker ausländischer
Mächte, bzw. ihrer Regierungen, an die Macht kämen. Alles geschah genau
so, wie ich sagte - niemand kann das heute bestreiten.

Die Sozialistische Partei Serbiens hat die Pflicht und die Fähigkeit,
die Kräfte zu sammeln und zu mobilisieren, welche die Prozesse umkehren
werden, die heute Serbiens traurige Lage kennzeichnen - im Interesse
der Bauern, im Interesse der Arbeiter, Intellektuellen, im Interesse
der Kosovo-Märtyrer,
im Interesse von jedem, der von seiner eigenen Arbeit lebt - wie auch
im Interesse des serbischen Volkes, der nationalen Würde und der Würde
jedes Bürgers.

Ich habe Milutin Mrkonjic als Premierminister vorgeschlagen, weil er
ein Mann ist, der aufbaut und dies in schwersten Zeiten bewiesen hat.
Serbien braucht eine Million neue Arbeitsplätze, es braucht Wohnungen,
Krankenhäuser, Schulen, Straßen, Eisenbahnen, Brücken, es braucht eine
unverzügliche Verbesserung des Lebensstandards, sowohl gesellschaftlich
wie privat, für alle - von den Säuglingen in den Kliniken bis zu den
Rentnern.

Serbien liegt in Europa; es hat keinen Grund, unterwürfig in irgend
einem Wartesaal zu sitzen. Es gibt keine glücklichen Bettler oder
wohlhabenden Kolonien. Eine schnelle Integration in die gegenwärtige
Welt kann nur durch unsere eigene erfolgreiche Entwicklung erreicht
werden - nicht durch Gnade
oder auf Anordnung äußerer Faktoren.

Daher sollte Serbien für die Wahrheit stimmen, sollte für Serbien
stimmen.

In diesem Sinne möchte ich Euch mindestens dies eine Mal noch die
Botschaft senden, das wir alle zusammen die Pflicht haben, für den Sieg
zu kämpfen.

Bis zum Sieg!


********
[ 6 ]
Quelle: Kommunistische Partei Griechenlands - Zentralkomitee
Tel:(+30) 210 2592111 - Fax: (+30) 210 2592298 - e-mail:
cpg@...
145 Leof.Irakliou, GR - 14231 ATHENS - http://www.kke.gr


EUROPA-ABGEORDNETER FORDERT FREIHEIT FÜR MILOSEVIC!


Professor Kostas Alyssandrakis, Mitglied des Zentralkomitees der
Kommunistischen Partei Griechenlands und Abgeordneter des Europäischen
Parlaments hat im September 2003 im Plenum des Europäischen Parlaments
die Unterbrechung des Verfahrens gegen Slobodan Milosevic und seine
Freilassung
gefordert. In seiner Erklärung stellte er insbesondere fest:

Seit nunmehr zwei Jahren bemüht sich das so genannte Internationale
Straftribunal für das ehemalige Jugoslawien, seine Anklagen gegen
Slobodan Milosevic zu begründen. Hunderte von meineidigen Zeugen und
eine Menge falscher Beweise wurden aufgeboten, und dennoch erlebte die
Anklage ein Fiasko. Der einzige Erfolg derjenigen, die Präsident
Milosevic anklagen, und jene, die sich hinter ihnen verstecken, besteht
darin, dass sie seinen Gesundheitszustand verschlimmert haben,
vielleicht in der Hoffnung auf seine
physische Liquidierung.

Neu ist, dass nach Abschluss der Beweisaufnahme durch die Anklage, die
Frist, die Präsident Milosevic gegeben wurde, um sich auf die
Darstellung seiner Position vorzubereiten, nur drei Monate beträgt, und
zwar ungeachtet seiner angegriffenen Gesundheit sowie der Tatsache,
dass er keine anwaltliche Hilfe erhält, weil er es ablehnt, das
Verfahren zu legitimieren.
Dabei wird ihm zugleich versagt, Besucher zu empfangen, die Mitglieder
seiner Partei oder des Komitees sind, das ihn unterstützt.

Die Kommunistische Partei Griechenlands verurteilt die Verletzungen
elementarer Rechte zu Lasten von Slobodan Milosevic und fordert die
Unterbrechung des Verfahrens für zwei Jahre, seine Freilassung und
seine Rückkehr nach Belgrad zwecks Genesung und Vorbereitung seiner
Ausführungen vor dem Tribunal.

Wir sind sicher, Herr Präsident, dass ungeachtet der Anstrengungen der
Imperialisten ihre Verbrechen in Jugoslawien durch die Entstellung der
Wahrheit zu rechtfertigen, diese sich nicht durchsetzen werden.



********
[ 7 ]

Aus: Marxistische Blätter 6-03, S. 15-18

WIE STARK IST DAS RECHT AUF LEBEN? DER PROZESS DER OPFER VON VARVARIN
STELLT
GRUNDSATZFRAGEN

Von Bernhard Graefrath

Am 16. 10. 2003 hat das Landgericht Bonn sich, entgegen dem Antrag der
Regierung, für zuständig erklärt, eine Schadenersatzklage von Opfern
eines Angriffs auf die Brücke von Varvarin zuzulassen, die bereits am
24. 12. 2001 von Rechtsanwalt Dost beim Landgericht Berlin eingereicht
worden war. Der Angriff fand während des Kosovo-Krieges der NATO am 30.
Mai 1999 mittags statt. Die Menschen in dem kleinen Ort feierten den
Dreifaltigkeitstag. Es war Markttag. Zwei NATO-Flugzeuge bombardierten
bei guter Sicht die Brücke, die, entgegen den Behauptungen der NATO,
ohne jede militärische Bedeutung war. Sie zerstörten sie im ersten
Anflug, töteten dabei drei und verletzten zehn Menschen schwer. Im
unmittelbar darauf folgenden zweiten Anflug, der
für die Zerstörung der Brücke völlig überflüssig war, wurden sieben der
Rettungskräfte getötet und zwölf schwer verletzt. Diesem Sachverhalt
hatte die Regierung in ihrer letzten Erwiderung nur noch den Einwand
des «Nichtwissens» entgegenzusetzen, den das Gericht angesichts der
Tatsachen
wohl vergessen wird.

Die Eröffnung des Verfahrens in Bonn hat in der Öffentlichkeit zu Recht
große Aufmerksamkeit gefunden. Immerhin handelt es sich um einen
Schadenersatzfall aufgrund von Kriegsrechtsverletzungen, kurze Zeit
nachdem das Urteil des BGH im sogenannten Distomo-Fall ergangen ist.
(1) In diesem
Urteil hatte der BGH als Revisionsinstanz, ständiger Rechtsprechung
deutscher Gerichte folgend, einen zivilrechtlichen
Schadensersatzanspruch von griechischen Opfern einer
Kriegsrechtsverletzung durch deutsche Truppen
während des zweiten Weltkriegs (1944) abgelehnt. Das Gericht
bekräftigte die herrschende Meinung, dass nach der im zweiten Weltkrieg
bestehenden Rechtslage Verletzungen des Kriegsrechts keine
Schadensersatzansprüche einzelner Personen gegen den verantwortlichen
fremden Staat begründeten. Das Amtshaftungsrecht nach 839 BGB gelte
nicht für den Kriegsfall, da «der Krieg als völkerrechtlicher
Ausnahmezustand gesehen (wurde), der seinem Wesen nach
auf Gewaltanwendung ausgerichtet ist und die im Frieden geltende
Rechtsordnung weitgehend suspendiert.» (2) Darauf stützt sich noch
heute die Bundesregierung bei ihrem Antrag, die Klage abzuweisen.

Im gegenwärtigen Völkerrecht gibt es aufgrund kriegerischer Ereignisse
zwei unterschiedliche Anspruchsgrundlagen für Schadenersatzansprüche.
Ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg, d.h. ein Krieg, der unter
Verletzung des Verbots der Gewaltanwendung begonnen wurde, begründet
einen
Schadenersatzanspruch des angegriffenen Staats für sämtlichen durch den
Krieg verursachten Schaden. Dieser Anspruch schließt die Ansprüche
seiner geschädigten Staatsbürger ein, ist aber nicht exklusiv, d.h. er
schließt nicht aus, dass die Bürger ihre Ansprüche selbst geltend
machen. Einen vom Kriegsgrund unabhängigen Schadenersatzanspruch haben
alle durch Kriegshandlungen geschädigten Personen und ihre Staaten,
wenn diese
Handlungen eine Verletzung des Kriegsrechts darstellen. Ein solcher
Anspruch war unstreitig auch im Distomo-Fall gegeben. Das Gericht blieb
aber bei der traditionellen Auffassung, dass 1944 ein solcher Anspruch
nicht durch die
Geschädigten selbst, sondern nur durch ihren Staat geltend gemacht
werden konnte.


Eine neue Rechtssituation

In seiner Entscheidung betonte der BGH aber nachdrücklich, dass sie
sich nur auf die Rechtslage zur Zeit der Tat, also 1944, bezieht. «Dies
bedeutet insbesondere, dass hinsichtlich der gegen das Reich in
Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen rechtliche Fortentwicklungen
bzw. veränderte Rechtsanschauungen – etwa im Lichte des heute geltenden
Grundgesetzes oder von Änderungen des internationalen Rechts – außer
Betracht bleiben müssen.» (S. 18) Die Entscheidung macht unter Berufung
auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 94, 329f)
deutlich, dass sie sich auf traditionelle Konzepte stützt, die durch
die Entwicklung des Völkerrechts und das Grundgesetz überholt sein
können. (S. 19, 20) Inwieweit das der Fall ist, wird der rechtliche
Hauptgegenstand des Varvarin-Falles sein.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Beschluss von 1996 nicht
nur darauf hingewiesen, dass inzwischen die Entwicklung des
universellen Rechts der Menschenrechte eine neue Rechtssituation
geschaffen hat. Es hat sogar betont, dass bei Völkerrechtsdelikten
neben den völkerrechtlichen Ansprüchen des Staates nationale,
zivilrechtliche Ansprüche bestehen können, und hat bereits
festgestellt, dass es in diesem Fall einen Grundsatz der Exklusivität
für völkerrechtliche Ansprüche, wie noch immer von der
Bundesregierung behauptet, nicht gibt. (BVerfGE 94,330f.) Der BGH hat
sich dieser Auffassung in seiner Distomo-Entscheidung nun ausdrücklich
angeschlossen. (aaO, S. 22)

Was hat sich an der Rechtslage im Verhältnis zur Zeit des zweiten
Weltkrieges verändert?

Nach der universellen Anerkennung des Gewaltverbots wird der Krieg
nicht mehr als ein Ausnahmezustand betrachtet, der das im Frieden
geltende Völkerrecht und das Amtshaftungsrecht weitgehend suspendiert.
Insbesondere
wird die universelle Geltung der Menschenrechte nicht aufgehoben. Das
Recht auf Leben ist heute ein allgemein anerkanntes Menschenrecht, ein
Jedermannrecht. Der Staat haftet, wenn es durch seine Organe verletzt
wird, auch dann, wenn dies im Ausland geschieht und Ausländer
geschädigt werden. (3) Die Opfer, bzw. ihre Hinterbliebenen können
solche Ansprüche vor deutschen Gerichten geltend machen.

Gilt das auch im Falle eines Krieges, wenn die schädigende Handlung ein
militärischer Akt war, der unter das Kriegsrecht fällt? Das wurde
bisher von der Rechtsprechung verneint. Es wurde – unserer Meinung nach
zu Unrecht (4) – behauptet, Art. 3 des IV. Haager Abkommens, später
Art. 91 des Zusatzprotokolls I lasse keine Schadensersatzansprüche von
Einzelpersonen zu.

Diese Konzeption kann heute, angesichts der Tatsache, dass
Menschenrechte wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit
universell gelten, nicht mehr aufrechterhalten werden. Ausdrücklich
wird in den Menschenrechtskonventionen ausgeschlossen, dass der Staat
das Recht auf Leben in Notstandssituationen einschränken oder aufheben
kann. (5)
Kriegsbedingte Tötungen werden auch nach der europäischen
Menschenrechtskonvention nur dann hingenommen, wenn die «Todesfälle auf
rechtmäßige Kriegshandlungen zurückzuführen sind» (6), d.h. eine Tötung
im Kriegsfall, die unter Verletzung des Kriegsrechts, z.B. der Haager
Landkriegsordnung, der Genfer Konventionen oder des Zusatzprotokolls I
geschieht, kann nicht unter Berufung auf den Krieg als Ausnahmezustand
gerechtfertigt werden. Der BGH hat offensichtlich deshalb in seiner
Distomo-Entscheidung immer wieder auf den Zeitpunkt der Tat (1944)
verwiesen, weil die Position nicht mehr aufrechterhalten werden kann,
dass
nicht dem Individuum, sondern nur der betroffenen Kriegspartei ein
subjektives Recht auf Schadenersatz zustehe und infolge des Krieges
«eine innerstaatliche Verantwortlichkeit des Staates» nach dem
«Amtshaftungstatbestand des 839 BGB ... ausgenommen» war. (7) Heute
kann eine Tötung unter Verletzung des Kriegsrechts nicht unter Berufung
darauf, dass durch den Krieg ein Ausnahmerecht oder ein Staatsnotstand
eingetreten sei, gerechtfertigt oder von der Amtshaftung ausgeschlossen
werden. Sie bleibt eine ordinäre Menschenrechtsverletzung, für die der
Staat, wenn sie ihm zuzurechnen ist, einzustehen hat und gegen die der
Geschädigte bzw. seine Hinterbliebenen auf dem ordentlichen Rechtsweg
vorgehen und Schadenersatz- sowie Schmerzensgeldansprüche stellen
können. Die Staaten sind durch die Menschenrechtskonventionen
verpflichtet, ihnen dafür einen
Rechtsweg zur Verfügung zu stellen.

Da die Regierung nicht leugnen kann, dass es seit 1945 eine
beträchtliche Entwicklung der Menschenrechte im Völkerrecht gegeben
hat, die zu grundsätzlichen Veränderungen der Rechtslage des
Individuums geführt hat, versucht sie die Anspruchsberechtigung
Geschädigter auf spezielle vertragliche «Schutzsysteme» zu beschränken,
die in einzelnen Menschenrechtskonventionen, nicht aber im humanitären
Völkerrecht, geschaffen wurden. Sie übersieht dabei geflissentlich,
dass diese speziellen
Rechtsschutzmechanismen kein Ersatz für nationale Rechtsmittel und
nicht die einzige Möglichkeit der Betroffenen sind, ihre Ansprüche
geltend zu machen.
Tatsächlich sind sie und können sie nur ein Korrektiv zu den
innerstaatlichen Rechtsmittelmöglichkeiten sein. Nationale Rechtsmittel
zur Geltendmachung von Menschenrechtsverletzungen werden nicht nur
vorausgesetzt, die Mitgliedstaaten der Konventionen werden ausdrücklich
verpflichtet, sie bereitzustellen, (8) was im deutschen Recht durch die
Artikel 19, Abs. 4 und 34 des Grundgesetzes gewährleistet wird.

Der Angriff auf die Brücke von Varvarin verletzte eindeutig die
Bestimmungen der Art. 48, 51, 52, und 57 des Zusatzprotokolls I zu den
Genfer Konventionen, die dem Schutz der Zivilbevölkerung dienen. Er
stellt deshalb keine rechtmäßige Kriegshandlung dar, die die
Bundesregierung in Übereinstimmung mit Art. 15, Abs. 2 der europäischen
Menschenrechtskonvention als Ausnahme bei Menschenrechtsverletzungen
geltend machen könnte. Damit ist die Rechtswidrigkeit der
Tötungshandlung gegeben und die Geschädigten können ihre
Schadenersatzansprüche unmittelbar auf deutsches Recht, Verletzung des
in Art. 2 GG geschützten Rechts auf Leben stützen. Ihre
Anspruchsgrundlage ist nicht allein das Völkerrecht, sondern
parallel dazu das nationale Recht. Da sie eine Menschenrechtsverletzung
nach deutschem Recht geltend machen, sind alle Erörterungen über die
Völkerrechtssubjektivität von Individuen und darüber, dass das
humanitäre Völkerrecht angeblich keine Schadensersatzansprüche für
Individuen vorsieht, unbeachtlich.


Die Verantwortung der deutschen Bundesregierung

Eine andere Rechtsfrage, die das Gericht beschäftigen wird, ist die
Frage, wem die völkerrechtswidrige Handlung, aus der sich die
Rechtswidrigkeit der Schädigung ergibt, zuzurechnen ist. Die Regierung
bestreitet zwar nicht den Angriff auf die Brücke von Varvarin und die
Verluste unter der Zivilbevölkerung, sie behauptet aber, an dem Angriff
seien keine deutschen Flugzeuge beteiligt gewesen und Deutschland könne
nicht für diese Kriegshandlung verantwortlich gemacht werden.

Der Kosovo-Krieg wurde von einer Allianz von Staaten, den NATO-Staaten,
unter Einsatz des NATO-Militärapparates geführt. Das ging nur, weil es
einen einstimmigen Beschluss des NATO-Rates, aller Mitgliedstaaten der
NATO, für diesen Militäreinsatz gab. Die NATO kann nicht von sich aus
Krieg führen. Sie braucht für jeden Fall einen einstimmigen Beschluss.
D. h. die Zustimmung der deutschen Regierung zu diesem Beschluss war
eine conditio sine qua non, eine notwendige Bedingung für den Krieg
einschließlich des Angriffs auf die Brücke von Varvarin. Nachdem der
Krieg als gemeinsame Sache beschlossen war, lagen viele
Einzelentscheidungen bei den zuständigen Kommandeuren. Das ist für die
Frage der Zurechenbarkeit unerheblich. Hinzu
kommt, dass auch die Zielplanung der NATO von der Zustimmung aller
Mitglieder abhing. Deutschland kann daher seine Mittäterschaft
ernstlich nicht bestreiten. Es war übrigens immer stolz darauf, an der
Zielplanung teilgenommen zu haben, und dass deutsche Tornados die
Luftangriffe aufgeklärt und abgesichert haben.

Die Regierung versucht zu behaupten, dass, wenn überhaupt, nur die NATO
als internationale Organisation für die Kriegshandlungen verantwortlich
gemacht werden könne. Zwar hat die NATO als internationale Organisation
eine
eingeschränkte Völkerrechtssubjektivität, es herrscht aber Einigkeit
darüber, dass sie nicht den militärischen Bereich erfasst. (9) Nicht
einmal Verträge über den Status der NATO-Truppen (in Friedenszeiten)
werden zwischen der NATO als Organisation und dem Aufenthaltsstaat
geschlossen. Im Übrigen würde eine Haftung der NATO als Internationale
Organisation nicht die Haftung der Mitgliedstaaten ausschließen. (10)
Es wäre sonst leicht, die völkerrechtliche Verantwortlichkeit von
Staaten durch die Gründung einer
internationalen Organisation auszuschließen.

Deutschland haftet für Verletzungen des Kriegsrechts während des
Kosovo-Krieges der NATO gesamthänderisch für gemeinschaftliches Tun.
Die gesamthänderische Haftung mehrerer, die gemeinschaftlich handeln,
ist ein Rechtsinstitut, das nicht nur in Deutschland Tradition hat und
das Schuldrecht wie das Deliktsrecht durchzieht. Es gilt auch im
Völkerrecht.
Der Grundsatz der gesamtschuldnerischen Haftung wird innerhalb der
NATO, d.h. zwischen den NATO-Mitgliedstaaten selbst in Friedenszeiten
angewandt, wie Art. VIII, Abs. 5 lit. e ii und iii des
NATO-Truppenstatuts vom 19. 6. 1951 zeigt. Die gesamtschuldnerische
Haftung der Vertragsparteien gilt erst recht für das Außenverhältnis,
und insbesondere in Kriegszeiten. Das ist gerade für Zivilpersonen
wichtig, die im allgemeinen überhaupt nicht in der Lage sind
herauszufinden oder zu beweisen, welcher NATO-Staat für die
Verursachung ihres Schadens verantwortlich ist (11). Eine spezielle
Haftungsregelung der NATO im Falle der Verletzung von Regeln, die in
bewaffneten Konflikten gelten, gibt es nicht. Irgendwelche
Einschränkungen der völkerrechtlich vorgesehenen Haftung der
Mitgliedstaaten könnten auch ohne Zustimmung der anderen, insbesondere
der betroffenen Staaten nicht vereinbart werden.

Das sind einige der schwierigen Fragen, vor denen das Bonner
Landgericht steht. Es kann davon ausgegangen werden, dass seine
Entscheidung den Fall nicht abschließend regelt, aber sie wird den
Anstoß geben, einer internationalen Rechtslage gerecht zu werden, in
der der Schutz der Menschenrechte eine zentrale Stellung einnimmt. Was
wäre die Unverletzlichkeit der Würde des Menschen und des Lebens wert,
wenn man sie ohne Rechtsschutz ließe und beliebig mit Bomben auslöschen
dürfte.


Anmerkungen:

(1) Vgl. Urteil des BGH vom 26. 6. 2003, Az III ZR 245/98 besonders S.
18 f.

(2) aaO. S.25.

(3) Vgl. B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte, Heidelberg 2000, Rdnr.
110,188; BVerfGE 6, 290(295); 57,9 (23)

(4) Vgl. dazu F. Kalshoven, State Responsibility for warlike Acts of
the Armed Forces, in: International and Comparative Law Quarterly, 40
(1991), p. 831 f.; sowie B. Graefrath, Schadensersatzansprüche wegen
Verletzung humanitären Völkerrechts, in: Humanitäres Völkerrecht, Heft
2, 2001, S. 110 f.

(5) Vgl. Art. 4 des Paktes über Bürger- und politische Rechte; Art. 15
der europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und
Grundfreiheiten.

(6) Art. 15, Abs. 2.

(7) BGH 26. 6. 2003 S.24.

(8) Vgl. z. B. Art. 2, Abs. 3 des Paktes über Bürger- und politische
Rechte; Art. 13 der europäischen Konvention zum Schutz der
Menschenrechte und Grundfreiheiten

(9) Vgl. dazu M. Bothe, Streitkräfte Internationaler Organisationen,
Köln-Berlin, 1968, S. 85

(10) Vgl. H.G. Schermers, Liability of international organizations, in:
Leiden Journal of International Law, 1988, p.3.

(11) Vgl. BGH 1993 in: NJW 1993, 2173; NJW 1982, 1046; NJW 1976,1030;
vgl. auch M. Hirsch, The Responsibility of International Organizations
Towards Third Parties: Some Basic Principles, Dordrecht/Boston/London
1995. p. 71


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E N D E