NATO - Kriegsopfer klagen gegen die Bundesrepublik Deutschland (Fall
Varvarin)


[ L'avvocato Ulrich Dost, che cura gli interessi dei familiari delle
vittime del bombardamento della NATO sul ponte di Varvarin, ci ha
trasmesso la memoria d'appello redatta il 30 agosto 2004 ed indirizzata
alla Corte Suprema di Colonia.

La causa - lo ricordiamo - contrappone 35 parenti delle vittime e
feriti sopravvissuti al raid, al governo federale tedesco. Essi
richiedono in totale 3,5 milioni di euro di risarcimento. Nel
bombardamento di un ponte a Varvarin, il 30 maggio 1999, dieci persone
rimasero uccise, 17 riportarono ferite gravi e altre 30 rimasero ferite
lievemente. Il ponte non era un obiettivo militare - furono centinaia
gli obiettivi civili colpiti, e 1.500 le vittime civili.
Gli aerei Nato colpirono il ponte di Varvarin in due attacchi
consecutivi: la maggior parte delle vittime erano abitanti accorsi per
soccorrere i feriti del primo raid.

E' noto che tutte le altre denunce, presentate a numerose istanze, di
vari paesi e sovranazionali, sui crimini di guerra della Nato in
Jugoslavia sono state insabbiate, tranne (per ora) quella presentata
dalla Jugoslavia alla Corte Internazionale dell'Aia (da non confondere
con il "Tribunale ad hoc", che pure ha sede all'Aia ma che si rifiuta
di procedere contro la Nato): ma e' noto che la stessa Nato ha chiesto
alla nuova leadership filoatlantica di Belgrado che, se vuole
diventare partner, deve ritirare anche quella.

Sulla causa intentata in Germania per il bombardamento di Varvarin vedi
anche, ad esempio:

Primo processo per i raid del 1999 (16 Ott 2003)
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/2867
Varvarin 30/5/1999 (30 Ott 2003)
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/2910
Varvarin-Bürger gegen Deutschland (9 Dic 2003)
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/3000
Varvarin/Germania: sancito il diritto di ammazzare i civili ?
(11 Dic 2003)
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/3009
Varvarin citizens to appeal to Higher Court in Cologne
(19 Dic 2003)
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/3037
Projekt "NATO-Kriegsopfer klagen auf Schadenersatz"
(13 Feb 2004)
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/3192

nonche' larga parte del libro di Jürgen Elsässer
Kriegslügen ("Menzogne di guerra"),
specialmente nell'edizione aggiornata tedesca (2004):
https://www.cnj.it/documentazione/sanja.htm
L’ultimo giorno di Sanja - Cosa racconterebbe della guerra una ragazza
serba perita nel bombardamento di Varvarin ]


> Da: Ulrich Dost
> Data: Gio 2 Set 2004 19:43:35 Europe/Rome
> A: "'Coord. Naz. per la Jugoslavia'"
> Oggetto: NATO - Kriegsopfer klagen gegen die Bundesrepublik
> Deutschland (Fall Varvarin)
>
> Sehr geehrte Damen und Herren,
> gerne übersende ich Ihnen den Berufungsbegründungsschriftsatz vom 30.
> August 2004 an das OLG Köln in dem Schadenersatzprozeß jugoslawischer
> Staatsbürger aus der Kleinstadt Varvarin gegen die Bundesrepublik
> Deutschland. Sie wurden Opfer eines völkerrechtswidrigen Luftangriffs
> der NATO am 30. Mai 1999.
>
> Mit freundlichen Grüßen
>
> Ulrich Dost
> Rechtsanwalt

---

An das
Oberlandesgericht Köln

Vorab zwecks Fristwahrung per Fax unter der Faxnummer:...

In dem Rechtsstreit

Radmila Ristic u.a. ./. Bundesrepublik Deutschland

AZ I. Instanz: I O 361/02
AZ II. Instanz: 7 U 8/04

wird nachfolgend die mit Schriftsatz vom 5. Februar 2004 eingelegte
Berufung der Klägerin und Berufungsklägerin zu 11) (im weiteren als
Berufungsklägerin bezeichnet), Frau Radmila Ristic, innerhalb der bis
einschließlich zum 30. August 2004 gewährten Berufungsbegründungsfrist
nachfolgend begründet.
In der mündlichen Verhandlung wird beantragt werden, wie folgt für
Recht zu erkennen:

Unter Aufhebung des am 12. Dezember 2003 verkündeten Urteils des
Landgerichts Bonn - AZ: I O 361/02 - wird die Beklagte verurteilt, an
die Klägerin eine angemessene Geldentschädigung, deren Höhe in das
Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 102.258,38 € (= 200.000 DM)
nicht unterschreitet, zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz nach §
1DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen.


B e g r ü n d u ng

Das Landgericht Bonn (im weiteren als Vorinstanz bezeichnet) hat zu
Unrecht den Klageantrag abgewiesen, den die Berufungsklägerin mit ihrer
Berufung vollumfänglich weiterverfolgt. Das Urteil wird daher in vollem
Umfang zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt.

I. Einführung

Das angegriffene Urteil wird von durchgreifenden Rechtsfehlern
getragen, die sich im Kern wie folgt zusammenfassen lassen:

1. Das Urteil verletzt in gravierender Weise geltendes
Verfassungsrecht. Es beruht auf der Nichtbeachtung von geltenden
Grundrechten der Berufungskläger. Insgesamt wird das Urteil durch eine
unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts auf
Menschenwürde und des Rechts auf Leben (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2
Grundgesetz) getragen und mißachtet den Umfang und die Reichweite des
den Grundrechtsträgern zu gewährenden Schutzes.
So ist in dem Urteil zwar zunächst richtig davon ausgegangen worden,
daß die Berufungskläger Grundrechtsträger der vorgenannten Grundrechte
sind. Jedoch kam die Vorinstanz rechtsirrig zu der Auffassung, die
Berufungskläger könnten ihre Schadenersatzansprüche nicht auf die
Verletzung der Grundrechte stützen, weil sie keinen
Schadenersatzanspruch als Rechtsfolge vorsehen würden.
Diese Beurteilung ist mit der heutigen Bedeutung und Tragweite der
vorgenannten Grundrechte schlicht unvereinbar.

2. Die Vorinstanz verkannte den sich unmittelbar aus den vorgenannten
Grundrechten ableitenden umfassenden Schutzauftrag der
Berufungsbeklagten gegenüber den Berufungsklägern und ignorierte
letztlich die schadenersatzbegründenden Rechtsfolgen bei Verletzung der
Schutzpflichten. .

3. Sie hat ebenfalls nicht zu erkennen vermocht, daß die
Berufungsbeklagte die sich aus ihrem Schutzauftrag ergebenden
Schutzpflichten gröblichst verletzt hat, die Berufungskläger deshalb
ursächlich zu Schaden kamen und sie ihnen gegenüber letztlich
schadenersatzpflichtig ist.

4. Das angegriffene Urteil verkennt weiter, daß ausweislich der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sehr wohl Schadenersatzansprüche
unmittelbar aus der Verletzung der Art. 1 und 2 des Grundgesetzes
hergeleitet werden.

5. Die Vorinstanz ist rechtsirrig und unter Ignorierung der
Weiterentwicklung des Völkerrechts nach dem II. Weltkrieg von einer
Exklusivität für völkerrechtliche Ansprüche ausgegangen.
5.1 Sie hat insbesondere verkannt, daß der Krieg nach der universellen
Anerkennung des Gewaltverbots nicht mehr als ein Ausnahmezustand
betrachtet und deshalb das im Frieden geltende Völkerrecht und das
Amtshaftungsrecht auch nicht »suspendiert« wird.
5.2 Sie stellt sich gegen die vom BVerfG in seiner Entscheidung vom
13.05.1996 nachdrücklich vertretene Auffassung, wonach bei
Völkerrechtsdelikten neben die völkerrechtlichen Ansprüche des
(geschädigten) Staates nationale, zivilrechtliche Ansprüche des
geschädigten Individuums treten und durchsetzbar sein können.
5.3. Die in diesem Zusammenhang vom BVerfG vertretene Auffassung,
wonach es einen Grundsatz der Exklusivität für völkerrechtliche
Ansprüche definitiv nicht gibt, ignorierte die Vorinstanz und ging ohne
jede Begründung vom Gegenteil aus.

6. Die Vorinstanz entzog sich einer erforderlichen Bewertung der
Entwicklung des Völkerrechts nach dem II. Weltkrieg und erkannte somit
weder die völkerrechtliche Pflichtenlage noch die Pflichtverletzungen
der Berufungsbeklagten, die sich insbesondere auch aus der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte und des Internationalen Pakts über
bürgerliche und politische Rechte im Hinblick auf das Recht auf Leben
und körperliche Unversehrtheit i. V. m. den Schutzregeln für die
Zivilbevölkerung in einem bewaffneten Konflikt (Zusatzprotokoll I zu
den Genfer Abkommen) gegenüber den Berufungsklägern ergeben.

7. Insgesamt hat die Vorinstanz nicht erkannt, daß die aus Zeiten vor
dem II. Weltkrieg stammende althergebrachte Rechtsauffassung, eine
darauf beruhende und auch von ihr angewandte Rechtsprechung, mit der
die individuelle Geltendmachung und Durchsetzung der durch
rechtswidrige staatliche Kriegshandlungen verursachten Schäden selbst
bei schwersten Menschenrechtsverletzungen ausgeschlossen wird und so
Kriegsverbrechen geschützt werden, heute schon deshalb keine Anwendung
mehr finden kann, weil sie gegen elementare Gebote der Gerechtigkeit
und gegen völkerrechtlich geschützte Menschenrechte verstößt.
Eine Rechtsprechung, die denjenigen schützt, der sich gegen das Recht
auf Leben und körperliche Unversehrtheit vergeht und die Opfer
schutzlos stellt, ist nicht mehr hinzunehmen.
Ein solcher Verstoß wiegt - wie hier - so schwer, daß er die allen
Völkern gemeinsamen, auf Wert und Würde des Menschen bezogenen
Rechtsüberzeugungen verletzt. Der Vorinstanz blieb verborgen, daß in
einem solchen Fall das positive Recht der Gerechtigkeit weichen muß.

II. Fehlerhafte Rechtsanwendung

II. 1 Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf Menschenwürde u. des
Grundrechts auf Leben gem. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG – ihre
Ignorierung durch das angegriffene Urteil

1. Die ausdrückliche Aufnahme des an sich selbstverständlichen Rechts
auf Leben in das Grundgesetz - anders als etwa in der Weimarer
Verfassung - erklärt sich hauptsächlich als Reaktion auf die
"Vernichtung lebensunwerten Lebens", auf "Endlösung" und
"Liquidierung", die vom nationalsozialistischen Regime als staatliche
Maßnahmen durchgeführt wurden. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG enthält ebenso
wie die Abschaffung der Todesstrafe durch Art. 102 GG
"ein Bekenntnis zum grundsätzlichen Wert des Menschenlebens und zu
einer Staatsauffassung, die sich in betonten Gegensatz zu den
Anschauungen eines politischen Regimes stellt, dem das einzelne Leben
wenig bedeutete und das deshalb mit dem angemaßten Recht über Leben und
Tod des Bürgers schrankenlosen Mißbrauch trieb" (BVerfGE 18, 112 [117]).

2. Bei der Auslegung des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist von seinem
tatsächlichen Wortlaut auszugehen:
"Jeder hat das Recht auf Leben ... ".
»Jeder« im Sinne des Rechts auf Leben ist heute jedes menschliche
Individuum, unabhängig seiner Herkunft und Nationalität. Das Recht auf
Leben wird deshalb auch als »Jedermannsrecht« bezeichnet. In seinen
Schutzbereich fallen somit auch die Berufungskläger. Sie sind
Grundrechtsträger i. S. der Art. 1 und 2 des Grundgesetzes.

3. Bei den vorgenannten Grundrechten handelt es sich zweifellos um
subjektive Rechte der Berufungskläger.

4. Außer Frage steht auch, daß das Grundgesetz als solches und somit
auch die Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 2 GG jederzeit zur Anwendung kommen.
Demnach sind diese Grundrechte insbesondere auch während der Dauer
eines bewaffneten Konflikts durchgängig und vorbehaltlos zu
gewährleisten.
Soweit die Vorinstanz - schon rechtsfehlerhaft, weil von der Rechtslage
des Jahres 1944 (!) ausgehend - im Urteil die von ihr nicht näher
begründete Behauptung aufstellt, es käme das deutsche
Staatshaftungsrecht in Fällen bewaffneter Konflikte auch heute nicht
zur Anwendung, weil es durch die Regelungen des internationalen
Kriegsrechts »überlagert« werde, ist das unter keinem nur denkbaren
Gesichtspunkt mehr zutreffend.

4.1 Diese Auffassung ist schon deshalb unzutreffend, weil die Frage, ob
jemand eine bestimmte Rechtsposition hat und ihm ein bestimmter
Rechtsanspruch zusteht, nur im Blick auf eine konkrete, nämlich die zum
relevanten Zeitpunkt geltende Rechtsordnung zu beantworten ist. Auf die
Rechtslage im Jahre 1944 kommt es demzufolge nicht an. Zu diesem
Zeitpunkt war an das Grundgesetz noch nicht einmal zu denken. Es
existierte nicht.
Der im vorliegenden Fall relevante Zeitpunkt ist der 30. Mai 1999.
Demzufolge hätte die Vorinstanz die Prüfung der Ansprüche und
Rechtsposition der Berufungsklägerin unter Berücksichtigung der Geltung
des Grundgesetzes und der übrigen zu diesem Zeitpunkt geltenden
Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, einschließlich unter
Berücksichtigung der völkerrechtlichen Pflichtenlage vornehmen müssen.
Das aber ist ausweislich des angegriffenen Urteils unterblieben.

4.2. Die vorgenannte Rechtsauffassung der Vorinstanz steht auch im
krassen Widerspruch zu den Art. 2 und 34 des Grundgesetzes, die das
Recht auf Leben und den ordentlichen Rechtsweg für einen
Schadenersatzanspruch im Falle seiner Verletzung durch Amtsträger als
geltendes Recht garantieren.

4.3 Die nicht näher begründete Behauptung in dem angegriffenen Urteil,
wonach bewaffnete Auseinandersetzungen auch nach Beendigung des II.
Weltkrieges »als völkerrechtlicher Ausnahmezustand anzusehen (seien),
der die im Frieden geltende Rechtsordnung weitgehend suspendiere« (vgl.
Urteilsbegründung, Seite 27), verkennt gröblichst den heutigen
Entwicklungsstand des Völkerrechts und - darüberhinaus - die
Verfassungslage.

4.3.1 Das in Art. 1 Abs. 3 GG enthaltene Bekenntnis zu unverletzlichen
und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage der menschlichen
Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit erlangt in diesem
Zusammenhang Relevanz. In Verbindung mit der in Art. 1 Abs. 3 GG
enthaltenen Verweisung auf die nachfolgenden Grundrechte sind deren
Verbürgungen insoweit einer Einschränkung grundsätzlich entzogen, als
sie zur Aufrechterhaltung einer dem Art. 1 Abs. 1 und 2 GG
entsprechenden Ordnung unverzichtbar sind. Ebenso wie der originäre
Verfassungsgeber (vgl. BVerfGE 3, 225 (232) = NJW 1954, 65; BVerfGE 23,
98 (106)) darf auch der verfassungsändernde Gesetzgeber danach
grundlegende Gerechtigkeitspostulate nicht außer acht lassen. Nichts
anderes gilt selbstverständlich für die Staatsgewalt.
Dazu gehören der Grundsatz der Rechtsgleichheit und das Willkürverbot
(vgl. BVerfGE 1, 208 (233); 23, 98 (106 f.) = NJW 1968, 1036). Ebenso
sind grundlegende Elemente des Rechts- und des Sozialstaatsprinzips,
die in Art. 20 Abs. 1 und 3 GG zum Ausdruck kommen, zu achten.

4.3.2 Bei alledem gebietet Art. 79 Abs. 3 GG, daß die genannten
Grundsätze nicht berührt werden.
Die Regelung stünde einer vollständigen oder teilweisen, einer
zeitlichen und etwa auf einen bewaffneten Konflikt begrenzten
»Suspendierung« oder »Überlagerung« des Grundgesetzes entgegen. Mit
dieser Regelung werden bestimmte Wesenszüge des Grundgesetzes für alle
Zeiten vor einer »Berührung« geschützt. Demnach ist das Antasten eines
der in Absatz 3 genannten Schutzgüter untersagt. Zu diesen
unantastbaren Schutzgütern gehören auch die in Art. 1 des Grundgesetzes
niedergelegten Grundsätze. Was den Inhalt des Art. 1 Abs. 1 Satz 1
angeht, so legt bereits Art. 1 Abs. 1 Satz 2 die »Verpflichtung aller
staatlichen Gewalt« fest, die Menschenwürde »zu achten (und zu
schützen)«. Daraus folgt zugleich, daß der Verfassungsgesetzgeber - sei
es Kraft des Art. 1 Abs. 1 Satz 2 oder sei es aufgrund des Art. 79 Abs.
3 - gehalten ist, die Menschenwürde jederzeit und insoweit zu
respektieren, als sie an sonstiger Stelle des Grundgesetzes zum
Vorschein kommt. Sogenannte Menschenwürdegehalte finden sich
insbesondere in den Grundrechten. Somit besteht ein absolutes Verbot,
das Grundrecht der Menschenwürde überhaupt und die sonstigen
Grundrechte in irgendeiner Weise zu beeinträchtigen.

4.3.2 Ungeachtet der vorgenannten Rechtslage gab es auch keine
tatsächlichen Gründe, die es notwendig gemacht haben könnten oder
hätten machen können, zur Aufrechterhaltung einer Ordnung gem. Art. 1
und 2 GG die Grundrechte während der Luftoperationen der NATO-Staaten
gegen die ehemalige Bundesrepublik Jugoslawien einzuschränken.

4.4 Damit steht fest, daß weder das Grundgesetz noch die übrige
Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland während der
Luftoperationen der NATO unter Beteiligung von Streitkräften der
Berufungsbeklagten in der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien im
Jahre 1999 in irgendeiner Weise »überlagert« oder sonstwie von seiner
Wirkung »suspendiert« war.
Schon mangels gegenteiliger Anhaltspunkte tatsächlicher und rechtlicher
Art kann keineswegs von der Suspendierung deutschen Rechts während der
Zeit der Luftangriffe der NATO-Staaten auf die ehemalige Bundesrepublik
Jugoslawien zwischen 24. März und 10. Juni 1999 ausgegangen werden.

Folgerichtig konnte, schon allein wegen der uneingeschränkten Bindung
staatlichen Handelns an das Grundgesetz, entgegen der Auffassung der
Vorinstanz auch das deutsche Staatshaftungsrecht während der
Luftangriffe gegen die ehemalige Bundesrepublik Jugoslawien nicht
suspendiert sein (werden).

4.5 Aber auch aufgrund der veränderten Rechtslage durch die Entwicklung
im Völkerrecht nach dem II. Weltkrieg wird - nach der universellen
Anerkennung des Gewaltverbots - der Krieg nicht mehr als ein
Ausnahmezustand betrachtet, der das im Frieden geltende Völkerrecht und
das Amtshaftungsrecht suspendiert. Insbesondere wird die universelle
Geltung der Menschenrechte nicht aufgehoben. Das Recht auf Leben ist
heute ein allgemein anerkanntes Menschenrecht, ein „ Jedermannsrecht “
(vgl. dazu weitergehende Ausführungen unter Ziff. II. 2.1).
Der Staat haftet, ist schadenersatzpflichtig, wenn das Recht auf Leben
und körperliche Unversehrtheit durch seine Organe verletzt wird, auch
dann, wenn dies im Ausland geschieht und ausländische Staatsbürger wie
die Berufungsklägerin geschädigt werden. Opfer und Hinterbliebene
solcher Schädigungshandlungen können solche Ansprüche vor deutschen
Gerichten geltend machen.

In der althergebrachten Rechtsprechung wurde bisher verneint, daß das
auch dann Geltung habe, wenn die Schädigungshandlung im Rahmen eines
bewaffneten Konflikts durch eine am Konflikt beteiligte Partei begangen
wurde und selbige unter das Kriegsrecht fiel.
Es wurde zu Unrecht behauptet, daß Art. 3 des IV. Haager Abkommens,
später Art. 91 des Zusatzprotokolls I, keine Schadenersatzansprüche von
Einzelpersonen zuließen.

Diese Konzeption kann heute, angesichts der Tatsache, daß
Menschenrechte wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit
universell geltende Rechte sind, nicht mehr aufrechterhalten werden.
Ausdrücklich wird in den Menschenrechtskonventionen ausgeschlossen, daß
der Staat das Recht auf Leben in Notstandssituationen einschränken oder
aufheben kann. Kriegsbedingte Tötungen werden auch nach der
europäischen Menschenrechtskonvention nur dann hingenommen, wenn die

"Todesfälle auf rechtmäßige Kriegshandlungen zurückzuführen sind."

Das bedeutet, daß eine Tötung im Kriegsfall, die unter Verletzung des
Kriegsrechts, z. B. der Haager Landkriegsordnung, der Genfer
Konventionen oder des Zusatzprotokolls I geschieht, nicht unter
Berufung auf den Krieg als Ausnahmezustand gerechtfertigt werden kann.
Der BGH hat ganz offensichtlich gerade deshalb in seiner sogenannten
»Distomo-Entscheidung« vom 26. Juni 2003 - AZ: III ZR 245/98 –
(Urteilsbegründung, Seite 24) so nachdrücklich immer wieder auf den
Zeitpunkt des Kriegsverbrechens (1944!) verwiesen, weil nach heutiger
Rechtslage die Position nicht mehr aufrechterhalten werden kann, daß
nicht dem geschädigten Individuum, sondern nur der betroffenen
Kriegspartei ein subjektives Klagerecht auf Schadenersatz zustehe und
infolge des Krieges " eine innerstaatliche Verantwortlichkeit des
Staates " nach dem "Amtshaftungstatbestand des § 839 BGB...ausgenommen
" war.

Nach heutiger Völkerrechtslage kann eine unter Verletzung des geltenden
Kriegsrechts begangene rechtswidrige Tötung nicht mehr unter Berufung
darauf, daß durch den Krieg ein Ausnahmerecht oder ein Staatsnotstand
eingetreten sei, gerechtfertigt oder von der Amtshaftung ausgeschlossen
werden. Sie bleibt schlicht eine Menschenrechtsverletzung für die der
Staat, wenn sie ihm zuzurechnen ist, einzustehen hat und auf Grund
dieser die Opfer bzw. Hinterbliebenen mit einem eigenen Klagerecht auf
dem ordentlichen Rechtsweg vorgehen und Schadenersatz- sowie
Schmerzensgeldansprüche geltend machen können. Die Staaten sind durch
die Menschenrechtskonventionen verpflichtet, ihnen dafür einen
Rechtsweg zur Verfügung zu stellen.

Die Vorinstanz hat die Entwicklung der Menschenrechte im Völkerrecht
seit 1945 schlichtweg ignoriert, indem sie es unterlassen hat, sie in
die rechtliche Bewertung einzubeziehen und schon dadurch die
dargelegten Veränderungen der Rechtslage, insbesondere der heutigen
Rechtsposition des Individuums, nicht erkannte.

Soweit in dem angegriffenen Urteil ein subjektives Klagerecht der
geschädigten Individuen nur dann angenommen wird, wenn sie in einzelnen
Menschenrechtskonventionen als spezielle vertragliche »Schutzsysteme«
extra geregelt sind, so ist das eine nicht haltbare Rechtsauffassung.
Die Vorinstanz übersah dabei nämlich, daß diese speziellen
Rechtsschutzmechanismen der Menschenrechtskonventionen kein Ersatz für
nationale Rechtsmittel und nicht die einzige Möglichkeit der
Betroffenen sind, ihre Ansprüche geltend zu machen. Tatsächlich sind
sie und können sie nur ein Korrektiv zu den innerstaatlichen
Rechtsmittelmöglichkeiten sein. Nationale Rechtsmittel zur
Geltendmachung von Menschenrechtsverletzungen werden nicht nur
vorausgesetzt, die Mitgliedstaaten der Konventionen werden
ausdrücklich verpflichtet, sie bereitzustellen, was im deutschen Recht
durch die Artikel 19 Abs. 4 und 34 des Grundgesetzes gewährleistet
wird.

Der Angriff auf die Brücke von Varvarin verletzte eindeutig die
Bestimmungen der Art. 48, 51, 52, und 57 des Zusatzprotokolls I zu den
Genfer Konventionen, die dem Schutz der Zivilbevölkerung dienen. Er
stellt deshalb keine rechtmäßige Kriegshandlung dar, die die
Berufungsbeklagte in Übereinstimmung mit Art. 15, Abs. 2 der
europäischen Menschenrechtskonvention als Ausnahme bei
Menschenrechtsverletzungen geltend machen könnte. Damit ist die
Rechtswidrigkeit der Tötungshandlung gegeben und die geschädigten
Berufungskläger können ihre Schadenersatzansprüche unmittelbar auf
deutsches Recht, nämlich die Verletzung ihrer Grundrechte aus den Art.
1 und 2 Grundgesetz, stützen.
Ihre Anspruchsgrundlage ist also nicht allein das Völkerrecht, sondern
parallel dazu das nationale Recht. Da sie eine Menschenrechtsverletzung
nach deutschem Recht geltend machen, sind alle Erörterungen über die
Völkerrechtssubjektivität von Individuen und darüber, daß das
humanitäre Völkerrecht angeblich keine Schadenersatzansprüche für
Individuen vorsieht, unbeachtlich.

II. 2. Die Ignorierung der sich aus den Grundrechten ergebenden
Schutzpflicht des Staates durch die Vorinstanz

Die Pflicht des Staates, jedes menschliche Leben zu schützen, läßt sich
aus den vorgenannten Gründen bereits unmittelbar aus Art. 2 Abs. 2 Satz
1 GG ableiten. Sie ergibt sich darüber hinaus auch aus der
ausdrücklichen Vorschrift des Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG. Denn das Recht
auf Leben und körperliche Unversehrtheit nimmt selbstredend auch an dem
Schutz teil, den Art. 1 Abs. 1 GG der Menschenwürde gewährt. Wo
menschliches Leben existiert, kommt ihm Menschenwürde zu. Die Tatsache
menschlicher Existenz (= menschlichen Lebens) genügt, um die
Menschenwürde zu begründen.
Unter anderem auch in seiner Entscheidung vom 13.05.1996 hat das
BVerfG die herausragende Stellung der hier entscheidungserheblich zur
Debatte stehenden Rechtsgüter nach Art. 1 und Art. 2 des Grundgesetzes
wie folgt hervorgehoben. Danach habe das Grundgesetz
»... eine wertgebundene Ordnung aufgerichtet, die den einzelnen
Menschen und seine Würde in den Mittelpunkt aller seiner Regelungen
stellt. Dem liegt, wie das Bundesverfassungsgericht bereits früh
ausgesprochen hat (BVerfGE 2, 1 [12]), die Vorstellung zugrunde, daß
der Mensch in der Schöpfungsordnung einen eigenen selbständigen Wert
besitzt, der die unbedingte Achtung vor dem Leben jedes einzelnen
Menschen, auch dem scheinbar sozial "wertlosen", unabdingbar fordert
und der es deshalb ausschließt, solches Leben ohne rechtfertigenden
Grund zu vernichten. Diese Grundentscheidung der Verfassung bestimmt
Gestaltung und Auslegung der gesamten Rechtsordnung.« (Vgl. Urteil vom
25. Februar 1975, BVerfGE 39, 1 - Schwangerschaftsabbruch I, dort unter
Ziff. II)

Das Grundgesetz verpflichtet den Staat, menschliches Leben zu schützen.
Auch ihm gebührt der Schutz des Staates. Die Verfassung untersagt nicht
nur unmittelbare staatliche Eingriffe in das Leben, sie gebietet dem
Staat auch, sich schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen, d.
h. vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von seiten Dritter
zu bewahren (vgl. BVerfGE 39, 1 (42) = NJW 1975, 573 (575)). Ihren
Grund hat diese Schutzpflicht in Art. 1 I GG, der den Staat
ausdrücklich zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde verpflichtet.
Ihr Gegenstand und - von ihm her - ihr Maß werden durch Art. 2 II GG
näher bestimmt.

Die Vorinstanz hat in diesem Zusammenhang schon gar nicht erkannt, daß
die Berufungsbeklagte gegenüber den Berufungsklägern schon einen
solchen grundgesetzlichen Schutzauftrag gerade auch durch den von ihr
im NATO-Rat mitbeschlossenen Militäreinsatz, an dem sie sich auch mit
eigenen Truppenverbänden beteiligte, hatte. Ebenso hat die Vorinstanz
die weitere konkrete Pflichtenlage, die sich für die Berufungsbeklagte
aus völkerrechtlichen Verträgen und nationalem Recht zur Gewährleistung
einer pflichtgemäßen bzw. völkerrechtskonformen Beteiligung an einem
bewaffneten Konflikt im Rahmen eines NATO-Militäreinsatzes ergibt,
nicht erkannt.
Aufgrund der Verkennung der Pflichtenlage der Berufungsbeklagten kann
es letztlich nicht verwundern (und ist fast " folgerichtig"), daß die
Vorinstanz zu dem schlußendlich rechtsfehlerhaften Ergebnis gekommen
ist, wonach es für die Berufungsklägerin weder im Völkerrecht noch im
nationalen (deutschen) Recht eine Anspruchsgrundlage für die geltend
gemachten Forderungen gäbe.

II. 2.1 Pflichten der Berufungsbeklagten im Zusammenhang mit der
Teilnahme an dem NATO-Einsatz gegen die ehemalige Bundesrepublik
Jugoslawien

Die Berufungsbeklagte war in ihrer Eigenschaft als eine an einem
bewaffneten Konflikt teilnehmende Partei zum Schutz von Leben und
körperlicher Unversehrtheit gegenüber der jugoslawischen
Zivilbevölkerung verpflichtet.
Das ergibt sich wie bereits dargelegt schon aus den Art. 1 und 2 des
Grundgesetzes und ergänzend aus Art. 6 I und Art. 12 I und II des
Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte von 1966
und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Danach ist
der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit garantiert.
Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.
12. 1966 (BGBl II 1973, 1534; DDR-GBl II, 1974, 57 - IPBPR -), bietet
konkrete Anhaltspunkte dafür, wann der Staat nach der Überzeugung der
weltweiten Rechtsgemeinschaft Menschenrechte verletzt. Hierbei ist Art.
6 IPBPR relevant, wonach niemand seines angeborenen Rechts auf Leben
willkürlich beraubt werden darf (BGHSt 39, 1 (20 ff.) = NJW 1993, 141).
Der Pakt ist für die Berufungsbeklagte am 23. 3. 1976 in Kraft getreten
(BGBl II, 1068).

Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, der
seit 1966 zur Unterzeichnung auflag (Art. 48), hat seine Grundlage in
der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Resolution der
Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 10. 12. 1948; deutsche
Übersetzung u. a. bei Sartorius II Nr. 19). Nach Art. 3 der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte hat jeder Mensch das Recht auf Leben.
Nach Art. 29 Nr. 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist der
Mensch
„in Ausübung seiner Rechte und Freiheiten nur Beschränkungen
unterworfen, die das Gesetz ausschließlich zu dem Zweck vorsieht, um
die Anerkennung und Achtung der Rechte und Freiheiten anderer zu
gewährleisten und den gerechten Anforderungen der Moral, der
öffentlichen Ordnung und der allgemeinen Wohlfahrt in einer
demokratischen Gesellschaft zu genügen“.

Hiernach stimmen die Gewährleistungstatbestände der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte und des Internationalen Pakts über
bürgerliche und politische Rechte im Hinblick auf das Recht auf Leben
überein.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte dient dazu, die Bezugnahme
der Charta der Vereinten Nationen vom 26. 6. 1945 (BGBl II 1973, 431;
II 1974, 770) auf die Menschenrechte zu konkretisieren (Buergenthal/
Doehring/Kokott/Maier, Grundzüge des VölkerR, 1988, S. 111). Hinweise
auf die Menschenrechte finden sich in Art. 1 Nr. 3, Art. 13 Abs. 1 lit.
b, Art. 55, 62, 68 der Charta.
Nach Art. 56 der Charta sind alle Mitgliedstaaten verpflichtet, in
Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen die in Art. 55 der Charta
genannten Ziele, zu denen die Verwirklichung der Menschenrechte (Art.
55 lit. c) gehört, anzustreben. In der Beschlußpraxis der
Generalversammlung der Vereinten Nationen und ihrer Untergliederungen
ist demgemäß seit Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte wiederholt und in vielfältiger Form auf diese Erklärung
hingewiesen worden.

Zwar ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. 12. 1948
kein Vertragsrecht. In diesem Sinne hieß es 1973 in der Denkschrift der
Bundesregierung zum Internationalen Pakt über bürgerliche und
politische Rechte (BT-Drs. 7/660, S. 27), daß die Allgemeine Erklärung
der Menschenrechte zwar grundsätzlich bedeutend, jedoch nicht formell
rechtsverbindlich sei (vgl. auch BVerfGE 41, 88 (106) = NJW 1976, 952).

Ob die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte als bloß programmatische
Grundersatzerklärung aufgefaßt werden darf (BVerwGE 3, 171 (175); 5,
153 (160); K. Ipsen, VölkerR 3. Aufl. (1990), § 7 Rdnr. 11), mag
dahinstehen. Jedenfalls ist ihr von vornherein der Zweck beigemessen
worden, die Praxis der Vereinten Nationen sowie die Rechtsentwicklung
in den Mitgliedstaaten und darüber hinaus in allen Staaten der Welt zu
beeinflussen und zwar in dem Sinne, daß sie überall als Maßstab für die
Anerkennung und Durchsetzung der Menschenrechte verstanden werden soll
(vgl. Partsch, in: Simma, Charta der Vereinten Nationen, 1991 Art. 55
Rdnr. 23 ff.; Verdross/Simma, Universelles VölkerR, 3. Aufl. (1984), S.
822 f.; Henkin, in: Henkin (Hrsg.), The Interantional Bill of Rights,
1981, S. 1 (8 f.); T. Meron, Human Rights and Humanitarian Norms as
Customary Law, 1989, S. 82 ff. m. w. Nachw.).

Zum hier relevanten Tatzeitraum (30. Mai 1999) lag bereits lange die
Entscheidung des IGH aus dem Jahre 1970 in der Sache Barcelona Traction
Light and Power vor, in der die „basic rights of the human person" als
Rechtsgüter bezeichnet wurden, die mit Wirkung gegen jedermann, auch
gegen jeden Staat, zu schützen seien (ICJ Reports 1970, 3 (32 f.). Der
IGH hat in einer späteren Entscheidung aus dem Jahre 1980 (Teheraner
Botschaftsfall) ausdrücklich auf die Rechte und Freiheiten Bezug
genommen, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
niedergelegt sind (ICP Reports, 1980, 3 (42); vgl. hierzu auch Frowein,
in: Festschr. f. Hermann Mosler, 1983, S. 241 ff.; Dinstein, ArchVölkR
30 (1992) 16 ff. und Hobe/Tietje, ArchVölkR 32 (1994) 130, 139).
In der Literatur mehren sich die Stimmen, die der Erklärung eine
Bindungswirkung für alle Mitgliedstaaten oder überhaupt für alle
Staaten beimessen (Verdross/Simma, S. 882 f.; Meron, S. 81 ff. m. w.
Nachw.; Lillich, in: T. Meron (Hrsg.), Human Rights in International
Law, 1984, S. 115 f.).
Fundamentale Menschenrechte im Sinne der UN-Charta werden zum Teil als
ius cogens i. S. des Art. 53 des Wiener Übereinkommens über das Recht
der Verträge vom 23. 5. 1969 (BGBl II 1985, 925) verstanden (Frowein,
EPIL, Lieferung 7 (1984), S. 327, 329; Hobe/Tietje, aaO; vgl. auch
Kadelbach, Zwingendes VölkerR, 1992, S. 284 ff.; abw. Klenner,
Marxismus und Menschenrechte, 1982, S. 191 (193)). Andere Autoren
sprechen von Völkergewohnheitsrecht (Pechota, in: Henkin (Hrsg.), S. 32
(38, 408); T. Meron, Human Rights and Humanitarian Norms as Customary
Law, 1989, S. 79 ff. (246 ff.) m. w. Nachw.). Die Zuordnung ist im
vorliegenden Fall jedoch nicht relevant.
Denn auch wenn die Bindungswirkung der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte im allgemeinen wie auch im Hinblick auf die einzelnen
Menschenrechte nicht voll erklärt sein mag, so kommt doch der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte jedenfalls insofern ein hohes
Maß an rechtlicher Bedeutung zu, als sie den Willen der
Völkerrechtsgemeinschaft, Menschenrechte zu verwirklichen und den
ungefähren Inhalt dieser Menschenrechte zum Ausdruck bringt. In diesem
Sinne hat auch das BVerfG auf die Allgemeine Erklärung Bezug genommen
(BVerfGE 31, 58 (68) = NJW 1971, 1509).
Angesichts der Exaktheit, mit der die Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte das fundamentale Recht auf Leben definiert hat, kann die
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, nicht anders als der
Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, als eine
Konkretisierung dessen aufgefaßt werden, was als die allen Völkern
gemeinsame, auf Wert und Würde des Menschen bezogene Rechtsüberzeugung
verstanden wird (BGHSt 39, 1 (15 f.) = NJW 1993, 141).

II. 2.2 Pflichtverletzungen der Berufungsbeklagten im Zusammenhang mit
der Teilnahme an dem NATO-Einsatz gegen die ehemalige Bundesrepublik
Jugoslawien

Die Berufungsbeklagte war verpflichtet, ihr gesamtes Verhalten während
der Planung, Beschlußfassung und insbesondere in der Durchführungsphase
des Militäreinsatzes der NATO in der ehemaligen Bundesrepublik
Jugoslawien strengstens den Anforderungen zu unterwerfen, die ihr durch
die Pflicht zum Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit
entsprechend den Schutzregeln für die Zivilbevölkerung in bewaffneten
Konflikten nach dem Zusatzprotokoll I konkret auferlegt sind.
Danach war sie verpflichtet als vollwertiger Mitgliedstaat der NATO,
beginnend im NATO-Rat über alle weiteren Strukturebenen hinaus, in
denen sie auch sämtlichst mit deutschem Personal vertreten war, darauf
hinzuwirken, daß bei allen militärischen Luftoperationen im
Einsatzgebiet das Leben und die körperliche Unversehrtheit der
Zivilbevölkerung gewahrt und die konkreten und strengen Regeln des
Zusatzprotokoll I eingehalten werden.
Schon nach ihrem eigenen erstinstanzlichen Vortrag steht fest, daß sie
dieser Verpflichtung nicht entsprochen hat. Denn danach habe sie selbst
angeblich keinen Einfluß auf die Zielplanung gehabt und auch nicht
genommen. Selbige sei allein der NATO überlassen worden.

Ganz unabhängig davon, daß die Berufungsbeklagte schon wegen der
gesamtschuldnerischen Haftung für das rechtswidrige Handeln der NATO
für die Schäden der Berufungsklägerin einzustehen hat, ergibt sich ihre
Verantwortung zusätzlich aber auch aus einem pflichtwidrigen
Unterlassen der ständigen Kontrolle der NATO-Einsätze auf die
Einhaltung der Schutzregeln des Zusatzprotokolls I.
Es liegt auf der Hand, daß die Schutzpflicht hinsichtlich der Wahrung
des Rechts auf Leben und der körperlichen Unversehrtheit der
Zivilbevölkerung bei militärischen Angriffen untrennbar mit einer
Kontrollpflicht bzw. Überwachungspflicht der NATO durch die
Berufungsbeklagte einherging. Die Schutzpflicht gegenüber der
Zivilbevölkerung kann ohne Ausübung dieser Überwachungspflicht nicht
wahrgenommen werden.
Nach den materiellen Kriterien für die Bestimmung einer
Garantenstellung war die Berufungsbeklagte unter zweierlei
Gesichtspunkten garantenpflichtig:
Es wird unterschieden zwischen solchen Garantenpflichten einerseits,
die daraus resultieren, daß der Garant eine Schutzpflicht für bestimmte
Rechtsgüter hat, und andererseits solchen Garantenpflichten, die sich
aus der Pflicht zur Überwachung bestimmter Gefahrenquellen ergeben
(Jescheck, in: LK-StGB, § 13 Rdnrn. 19ff.; Stree, in: Schönke/Schröder,
§ 13 Rdnrn. 9ff.; Tröndle/Fischer, § 13 Rdnrn. 5b, 5c;
Maurach/Gössel/Zipf, StrafR, AT, Teilbd. 2, S. 197ff.; ähnlich Jakobs,
StrafR, AT, 2. Aufl., S. 800ff.).
Beide Aspekte kommen hier zum Tragen. Die Berufungsbeklagte war sowohl
„Überwachungsgarant“ als auch „Beschützergarant“. Als Mitgliedstaat der
NATO war sie verpflichtet, insbesondere die Vorbereitung und
Durchführung der konkreten Luftoperationen, von denen schon naturgemäß
akute Lebensgefahr für die Zivilbevölkerung ausging, in der Weise zu
überwachen, zu kontrollieren und zu steuern, daß eine rechtswidrige
Tötung unterblieb und die körperliche Unversehrtheit der
Zivilbevölkerung gewahrt wird.
Zum anderen war die Berufungsbeklagte verpflichtet, das Leben und die
körperliche Unversehrtheit der Zivilbevölkerung zu schützen und das
gegebenenfalls auch, indem sie innerhalb der NATO gegen nicht durch das
Zusatzprotokoll I gedeckte Luftoperationen intervenierte,
gegebenenfalls den Entzug ihrer generellen Zustimmung zu weiteren
Kampfhandlungen androhte oder sie - in letzter Konsequenz - tatsächlich
entzogen hätte, wenn die Einhaltung der Regeln des Zusatzprotokoll I
nicht zu gewährleisten war.

Es kommt unter den dargelegten Aspekten für die Verantwortlichkeit der
Berufungsbeklagten hinsichtlich rechtswidriger Tötungshandlungen
deshalb auch nicht darauf an, ob und wenn in welcher Weise sie selbst
unmittelbar an der Vorbereitung, Planung und Durchführung des
rechtswidrigen Angriffs auf die Stadt Varvarin am 30. Mai 1999
beteiligt war. Entscheidend für ihre Verantwortlichkeit und die
Kausalität ist, daß sie durch ihr Verhalten den rechtswidrigen Angriff
tatsächlich ermöglicht oder zumindest erleichtert hat.
Beide Alternativen sind im vorliegenden Fall erfüllt:
a) den Angriff hat sie unbestreitbar schon deshalb ermöglicht, weil sie
im NATO-Rat dem Militäreinsatz gegen die ehemalige Bundesrepublik
Jugoslawien zugestimmt und ihn aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips
somit möglich gemacht hat;
b) den rechtswidrigen Angriff auf die Berufungsklägerin hat die
Berufungsbeklagte schon dadurch mindestens erleichtert, daß sie der
oben dargelegten Überwachungspflicht – und zwar während des gesamten
Zeitraums der Luftangriffe - nicht nachgekommen ist.

II. 3 Die Herleitung des Ersatzes des immateriellen Schadens nicht aus
§ 847 BGB analog, sondern unmittelbar aus Art. 2 Abs. 1,
Art. 1 Abs. 1 GG

Die in dem angegriffenen Urteil enthaltene Auffassung, wonach die
Berufungskläger Schadenersatzansprüche auf die Grundrechte des
Grundgesetzes deshalb nicht stützen könnten, weil diese Garantien
keinen Schadenersatzanspruch als Rechtsfolge vorsehen (vgl.
Urteilsbegründung, dort Seite 27,3. Abs.), wird durch die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs widerlegt.

So stellt der Bundesgerichtshof (vgl. BGHZ 128,1 ff.) zunächst einmal
fest, daß es sich bei einer Entschädigung wegen einer Verletzung des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts im eigentlichen Sinn nicht um ein
Schmerzensgeld nach § 847 BGB handelt, sondern um einen Rechtsbehelf,
der auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 Abs. 1 Grundgesetz
zurückgeht (vgl. BVerfGE 34,2 169,2 182/292 = NJW 1973, 1221,
1223/1226).
Die Zubilligung einer Geldentschädigung beruhe - so der
Bundesgerichtshof weiter - auf dem Gedanken, daß ohne einen solchen
Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne
Sanktion blieben mit der Folge, daß der Rechtsschutz der Persönlichkeit
verkümmern würde. Anders als beim Schmerzensgeldanspruch steht bei dem
Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gesichtspunkt der Genugtuung des
Opfers im Vordergrund (Senat BGHZ 35,3 163,3 169; 39,1 124,133).
Außerdem solle nach Auffassung des Bundesgerichtshofs der unmittelbar
aus den Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 Grundgesetz folgende Rechtsbehelf
der Prävention dienen (vgl. Senatsurteil vom 92. Januar 1995 - AZ: VI
ZR 28/83; vgl. auch NJW 1980,1 1724, 1727;Erman/Ehmann,BGB, 9. Aufl.
Anh. zu § 12 Rdnr. 482;), weil sonst kein zureichender Schutz der
Grundrechte und der Grundrechtsträger zu erreichen sei.
Der BGH geht hier sogar noch einen Schritt weiter: er leitet den
Geldentschädigungsanspruch nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe
nach unmittelbar aus den vorgenannten Grundrechten her, indem er
wesentlich höhere Geldentschädigungsbeträge als sonst bei üblichen
Schmerzensgeldforderungen nach § 847 BGB für erforderlich hält und
begründet das überzeugend damit, daß sonst dem geforderten
Präventionszweck nicht entsprochen werden könne.
Nebenbei weist der Unterzeichner in diesem Zusammenhang darauf hin, daß
sich daraus auch die Höhe des Geldentschädigungsanspruchs der von ihm
vertretenen Berufungsklägerin begründet, der sich nach der hier
vertretenen Auffassung schon am untersten Rand bewegt. Auf die
diesbezüglichen umfangreichen Ausführungen in der Klageschrift wird
Bezug genommen.

II. 4 Die Ignorierung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
durch die Vorinstanz

Selbst wenn es für die Berufungskläger nicht möglich wäre, einen
Schadenersatzanspruch unmittelbar aus der Verletzung des humanitären
Völkerrechts geltend zu machen, so schlösse jedenfalls das Völkerrecht
nicht das Bestehen und die Geltendmachung eines parallelen
Schadenersatzanspruchs aus nationalem (deutschen) Recht aus. Darauf hat
das BVerfG in seinem Beschluß vom 13.05.1996 ausdrücklich hingewiesen
(vgl. NJW 1996, 2717,2718).

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß sehr nachdrücklich
auf die Veränderung der Rechtslage nach 1945 und die Bedeutung der
Parallelität von Ansprüchen aus dem Völkerrecht und dem nationalen
Recht insbesondere bei Menschenrechtsverletzungen aufmerksam gemacht.
In der entscheidenden Passage führt das BVerfG aus:
"aa) Die traditionelle Konzeption des Völkerrechts als eines
zwischenstaatlichen Rechts versteht den Einzelnen nicht als
Völkerrechtssubjekt, sondern gewährt ihm nur mittelbaren
internationalen Schutz: Bei völkerrechtlichen Delikten durch Handlungen
gegenüber fremden Staatsbürgern steht ein Anspruch nicht dem
Betroffenen selbst, sondern nur seinem Heimatstaat zu....
Dieses Prinzip einer ausschließlichen Staatenberechtigung galt in den
Jahren 1943 bis 1945 auch für die Verletzung von Menschenrechten. Der
Einzelne konnte grundsätzlich weder die Feststellung des Unrechts noch
einen Unrechtsausgleich verlangen....Erst in der neueren Entwicklung
eines erweiterten Schutzes der Menschenrechte gewährt das Völkerrecht
dem Einzelnen ein eigenes Recht, berechtigt andere Völkerrechtssubjekte
auf der Grundlage von Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten
Nationen zur Intervention bei gravierenden Verstößen und entwickelt
vertragliche Schutzsysteme, in denen der Einzelne seinen Anspruch auch
selbst verfolgen kann...
bb) Das Grundprinzip des diplomatischen Schutzes schließt aber einen
Anspruch nicht aus, den das nationale Recht des verletzenden Staates
dem Verletzten außerhalb völkerrechtlicher Verpflichtungen gewährt und
der neben die völkerrechtlichen Ansprüche des Heimatstaates tritt. Dies
zeigt sich bereits an dem Grundsatz, daß der Staat den diplomatischen
Schutz erst ausüben darf, wenn der betroffene Staatsangehörige den
innerstaatlichen Rechtsweg erschöpft hat....Damit wird die Möglichkeit
eines eigenen Anspruchs des betroffenen Individuums auch nach
nationalem Recht vorausgesetzt....Das gilt insbesondere dann, wenn in
der staatlichen Verletzungshandlung sowohl ein Bruch des Völkerrechts
als auch des nationalen Rechts liegt....
Im übrigen besteht auch eine solche Regel des Völkergewohnheitsrechts
über die "Exklusivität" nicht, nach der Entschädigungsregelungen im
Zusammenhang mit Kriegsfolgen nur im Rahmen von völkerrechtlichen
Verträgen, insbesondere von Friedensverträgen getroffen werden könnten
oder bestehende Verträge über solche Entschädigungen abschließend
wären." (fette Hervorhebg. d. d. Unterz.)

Die Vorinstanz hätte es nicht unterlassen dürfen, diese
Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts in ihre
Entscheidungsfindung einzubeziehen, sondern hätte sie statt dessen zum
Gegenstand der Prüfung der Ansprüche der Berufungsklägerin machen
müssen.

II. 5 Ergebnis

1. Würde man der Rechtsauffassung der Vorinstanz folgen, würde das
bedeuten, daß trotz aller nationalen und internationalen
Menschenrechtsbestimmungen alles so geblieben ist, wie es vor dem II.
Weltkrieg war.
Im Falle eines bewaffneten Konfliktes stünde auch heute den Opfern
einer Verletzung des Kriegsrechts mangels (beschränkter)
Völkerrechtssubjektivität und insbesondere fehlender Klagebefugnis kein
individuell durchsetzbarer Schadenersatzanspruch zu. Eine furchtbare
Bilanz, ein entlarvendes Ergebnis: Für den Einzelnen hört das Recht
auf Leben auf, wenn der (ein) Staat rechtswidrige Luftangriffe gegen
die Zivilbevölkerung in einem bewaffneten Konflikt anordnet, billigt
oder nicht verhindert. Das ganze Gebäude der Menschenrechte,
einschließlich des grundlegenden Rechts auf Leben, würde sich in einem
solchen Fall in Schall und Rauch auflösen.
Das jedoch widerspricht ganz offensichtlich nicht nur dem geltenden
Völkerrecht, sondern steht im krassen Widerspruch zur Werteordnung des
Grundgesetzes. Der Luftangriff am 30. Mai 1999 auf die Stadt Varvarin,
bei der die Berufungskläger bzw. ihre Angehörigen getötet und
schwerverletzt worden sind, ist als derart menschenverachtend
einzustufen, daß er nur als rechtswidrig zu werten ist. Es bedarf auch
deshalb nicht einmal der Vertiefung, daß der Gesamteinsatz der
NATO-Streitkräfte gegen die Bundesrepublik Jugoslawien hinsichtlich
seiner Rechtmäßigkeit grundlegend in Frage zu stellen ist.

2. Würde Opfern, die unter Umständen wie die Berufungskläger, Leben und
Gesundheit verloren bzw. schwerste Verletzungen erlitten haben, eine
unmittelbar aus den Artikeln 1 und 2 Grundgesetz hergeleitete
Geldentschädigung verwehrt werden, bliebe die Zivilbevölkerung in
künftigen bewaffneten Konflikten rücksichtslosen, staatlich zu
verantwortenden Tötungs- und Verletzungshandlungen weitestgehend
schutzlos ausgeliefert. Daher ist auch unter dem Gesichtspunkt der
Prävention ein Anspruch auf Geldentschädigung geboten.

3. Der entscheidende Rechtsgedanke, der im vorliegenden Fall zwingend
zur Bejahung der Schadenersatzforderungen führen muß, ist - wie bereits
in der Einführung (Ziff.I.7) dargelegt und hier wegen seiner Bedeutung
nochmals wiederholt - in folgendem zu sehen:
Eine althergebrachte Rechtsauffassung und eine darauf beruhende
Rechtsprechung, die bei rechtswidrigen staatlichen Kriegshandlungen
selbst bei schwersten Menschenrechtsverletzungen die individuelle
Geltendmachung und Durchsetzung von Schäden ausschloß und so
Kriegsverbrechen schützte, kann heute schon deshalb keine Anwendung
mehr finden, weil sie gegen elementare Gebote der Gerechtigkeit und
gegen völkerrechtlich geschützte Menschenrechte verstößt.
Eine solche Rechtsprechung, die diejenigen schützt, die sich gegen das
Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit vergehen und die Opfer
schutzlos stellt, ist nicht mehr hinzunehmen. Solche Verstöße - wie
auch der vorliegende Fall - wiegen so schwer, daß sie die allen Völkern
gemeinsamen, auf Wert und Würde des Menschen bezogenen
Rechtsüberzeugungen verletzt. In einem solchen Falle muß das positive
Recht zwingend der Gerechtigkeit weichen.

3.1 Die gegen jeden menschlichen Sinn und Verstand erfolgte Tötung und
Verwundung unbewaffneter Zivilpersonen durch Jagdflugzeuge in 2
Angriffswellen unter Abschuß von 4 Raketen, die zudem wegen ihrer
gewaltigen Sprengkraft den Opfern keine reale Chance des Entkommens
ließ, ein Beschuß außerhalb von Kampfgebieten, innerhalb einer
unverteidigten Stadt und ohne jede Vorwarnung auf Menschen, die nichts
anderes wollten als einen friedlichen Sonntag verleben, stellt ein
derart heimtückisches, schreckliches, menschenverachtendes und jeder
Rechtfertigung entzogenes Tun dar, daß der so verübte Verstoß gegen das
elementare Tötungsverbot keinem Gericht die Möglichkeit zur Abweisung
von Schadenersatzforderungen läßt.

4. Auf den vorliegenden Rechtsstreit angewendet, kommt der
Unterzeichner zwangsläufig zu dem Ergebnis, daß die Versagung einer
Geldentschädigung für die am 30. Mai 1999 verübten Kriegsverbrechen –
somit die gerichtliche Entscheidung selbst - die Menschenwürde der
Berufungsklägerin verletzen würde. Eine solche Versagung wäre unter den
konkreten Umständen mit den Grundwerten des Grundgesetzes und der
Gerechtigkeit unvereinbar.

III. Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag

Auf das gesamte erstinstanzliche Vorbringen der Berufungsklägerin,
insbesondere in den Schriftsätzen vom 24. Dezember 2001 und vom 07.
Oktober 2003 einschließlich der dortigen Beweisantritte, wird ergänzend
Bezug genommen.
Sollte das Berufungsgericht in der einen oder anderen Frage Ergänzungen
für erforderlich halten, wird um einen richterlichen Hinweis gemäß den
§§ 139, 278 Abs. 2 ZPO gebeten.


Ich stelle direkt zu.


Ulrich Dost
Rechtsanwalt