[ Due articoli di J. Elsaesser dall'edizione di ieri del quotidiano
della sinistra tedesca "junge Welt": il primo, dal titolo eloquente:
"Vaffanculo Petersen"; il secondo, una intervista alla professoressa
Smilja Avramov. ]

Zwei Artikeln von Juergen Elsaesser
aus der gestrigen Ausgabe der jungen Welt

20.01.2005

http://www.jungewelt.de/

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Kommentar
Jürgen Elsässer, Belgrad

Fuck you, Petersen!

Neue Strafmaßnahmen gegen Serbien

Lebt man in einem verarmten Dritte-Welt-Staat wie Serbien und bekommt
täglich mit, wie sich die Herren der Welt gegenüber Land und Leuten
benehmen, wird man in kürzester Frist und ohne zusätzliche
Politschulung zu einem Anhänger härtester Gewaltmaßnahmen gegen das
ganze Pack. Die arroganten Emissäre der sogenannten internationalen
Staatengemeinschaft reiten derzeit fast täglich in Belgrad ein, um neue
Strafaktionen zu verkünden. Anfang des Jahres machte Paddy Ashdown der
serbischen Hauptstadt seine Aufwartung und gab kund, daß er ganz gerne
der kleinen Republika Srpska in dem von ihm mit feudalen Vollmachten
regierten Bosnien den Garaus machen würde. Am Montag gab sich Sören
Jessen-Petersen die Ehre, der als UN-Verwalter die Menschenrechte im
Kosovo sichern soll. Die Proteste der Angehörigen der 200000 von dort
vertriebenen Serben ließen ihn kalt, aber er kündigte gnädig an, daß
man vielleicht den Strom für die in der Provinz noch übrigen serbischen
Enklaven wieder anschalten werde. In den nächsten Tagen wird Javier
Solana erwartet, der vor zwei Jahren das Ende Jugoslawiens oktroyierte.
Jetzt sieht der »Außenbeauftragte« der EU mit wohlwollendem Schweigen
zu, wie die Separatisten in Podgorica auch noch die
verfassungsrechtlich bindendenden Wahlen für die Staatengemeinschaft
Serbien-Montenegro boykottieren und so quasi Eigenstaatlichkeit
proklamieren. Serbien muß sterbien bedeutet aktuell: Amputation von
Kosovo und Montenegro sowie Liquidation der Republika Srpska.

Um das Maß vollzumachen, setzten die USA am Wochenende zum ersten Mal
seit dem Sturz von Milosevic wieder Sanktionen in Kraft. Zugesagte
Gelder bleiben eingefroren, solange sogenannte Kriegsverbrecher nicht
an das Haager Tribunal ausgeliefert werden. Sofort nach der
Washingtoner Entscheidung mußte man einen Dinar mehr pro Dollar und
Euro bezahlen, was auf die Lebenshaltungskosten durchschlägt. Schon zu
Jahresanfang erhöhten sich mit der Einführung der Mehrwertsteuer alle
Preise um acht Prozent – so soll das Land »europatauglich« werden. Seit
Dezember hat sich etwa die Busfahrkarte zuerst von 12 auf 18 und nun
auf 20 Dinar verteuert.

Premier Vojislav Kostunica empfängt die Emissäre des Imperiums artig,
anstatt ihnen ein kräftiges »Jebem ti boga!« (»Fuck you!«) zuzurufen.
Das Agrarland Serbien kann gut leben ohne die sogenannte Hilfe des
Westens. Und Solana, Petersen und Ashdown sollte man probeweise
wenigstens für einen Tag in ein kaltes Belgrader Gefängnis stecken –
wenn sich schon sonst niemand um ihr völkerrechtswidriges Agieren
kümmert.

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Interview: Jürgen Elsässer

»Die Trilaterale Kommission entscheidet alles«

»Weltregierung im Wartestand« legt die Richtlinien der Politik fest.
Ihr Ziel: »Global Governance« – Weltherrschaft ohne Regierungen. Ein
Gespräch mit Smilja Avramov

* Smilja Avramov ist Professorin für Internationales Recht in Belgrad

F: Sie sind vermutlich die renommierteste Völkerrechtlerin in Serbien
und wurden von Slobodan Milosevic als Zeugin seiner Verteidigung
aufgerufen. Sie schreiben auch Bücher über die Trilaterale Kommission
und die Bilderberg-Gruppe – Themen, die in Deutschland eher Außenseiter
beschäftigen. Wie paßt das alles zusammen?

Viele Leute wissen nicht, wie die Neue Weltordnung tatsächlich
funktioniert. Um bei dem Thema zu bleiben, zu dem ich auch im Haager
Prozeß ausgesagt habe, die Zerschlagung Jugoslawiens: Die letzte
Entscheidung ist in der Bilderberg-Gruppe gefallen. Lord Carrington,
der für die Europäische Gemeinschaft 1991/92 als Balkanbeauftragter
aktiv war, war damals deren Präsident.

F: Was ist die Bilderberg-Gruppe?

Vielleicht müssen wir mit der Trilateralen Kommission beginnen. Sie
wurde 1973 gegründet und ist nichts anderes als eine Weltregierung im
Wartestand. Auf ihren Tagungen werden die jeweils aktuellen globalen
Probleme verhandelt und dazu entsprechende Beschlüsse gefaßt, also etwa
1991 zur Zerschlagung Jugoslawiens. Alle 51 Protokolle der Tagungen der
Trilateralen Kommission konnte ich mir besorgen und für mein Buch
»Trilateralna Komisija« auswerten. Die Bilderberg-Gruppe wiederum ist
eine zweite Gesellschaft, die aber weitgehend dieselben Mitglieder hat.
Ihre Gründung wurde vom Vatikan angeregt.

F: »Weltregierung im Wartestand« – das klingt für mich etwas überzogen.
Die maßgeblichen Entscheidungsinstanzen sind doch eher der IWF, die
Weltbank oder die G8 – oder?

Dort fallen die Entscheidungen pro forma, aber alles muß doch
vordiskutiert werden. Und dafür gibt es die Trilaterale Kommission. Zum
Beispiel war beim letzten europäischen Treffen der Kommission im Herbst
2004 in Berlin das Verhältnis zu Rußland ein großes Thema. Schauen Sie
sich die Mitglieder des Präsidiums an – ich habe hier den Stand von
1997 –, unter den zehn Mitgliedern des Präsidiums sind die besten
Adressen aus der Welt des Kapitals: der Multimilliardär David
Rockefeller, der ehemalige US-Zentralbankchef Paul A. Volcker, der
ehemalige BRD-Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff, drei wichtige
japanische Wirtschaftsführer. Unter den 250 Mitgliedern werden Sie
weitere bekannte Namen finden: Zbigniew Brzezinski, Richard Holbrooke,
Henry A. Kissinger, Paul D. Wolfowitz, Josef Ackermann, Kurt
Biedenkopf, Horst Köhler ...

F: Die Trilaterale Kommission gibt es schon über 30 Jahre, aber offen
wird über weltweite Steuerungsmechanismen erst seit einigen Jahren
diskutiert, Stichwort Global Governance. In welchem Verhältnis steht
das zueinander?

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wandten sich maßgebliche
US-Kreise von der Trilateralen Kommission ab, da sie nun den Kurs auf
Alleinherrschaft einschlugen. Eine Auswirkung dessen ist etwa das
Haager Tribunal, das weitgehend von den USA beherrscht wird. Das wurde
formal vom UN-Sicherheitsrat installiert, aber der hatte gar keine
Befugnisse dazu, wie ich bei den vorhergehenden Beratungen der UN als
Vertreterin Jugoslawiens auch gesagt habe. Übrigens haben
US-Rechtsprofessoren, die nach 1945 für das Nürnberger
Kriegsverbrechertribunal gearbeitet haben, dieselbe Meinung vertreten.
Im Unterschied zum Haager Tribunal ist der gleichfalls in Den Haag
etablierte Internationale Strafgerichtshof (ICC) eine Institution, die
völkerrechtlich korrekt zustande gekommen ist, nämlich durch einen von
Staaten ratifizierten Vertrag. Bezeichnenderweise wird der ICC von den
USA boykottiert. Sie wollen, daß Serbien seine Bürger an das »Tribunal«
überstellt, aber sie selbst sind nicht dazu bereit, ihre Bürger der
Jurisdiktion des ICC zu übergeben.

Global Governance bedeutet übrigens für die Trilaterale Kommission
»Governance without Governments«, also Weltherrschaft ohne Regierungen.
So betreibt man weltweit die Zerstörung von Staatsfunktionen und
schafft über sogenannte Nichtregierungsorganisationen Instrumente, um
an den bestehenden Regierungen vorbei die Geschicke der Völker zu
lenken.