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Vom intakten Jugoslawien zur Terror-Region Kosovo

Was hat dazu geführt, dass das Kosovo zur Zeitbombe werden konnte,
die heute kurz vor der Explosion steht? Die Vorgänge, die dazu
führten, rekapituliert in gewohnt offener Sprache der deutsch-
österreichische Unternehmer und Buchautor Kurt Köpruner. Er nimmt die
Rolle der nationalistischen Terrorgruppen und der internationalen
Gemeinschaft in der Krisenregion aufs Korn. Sein Beitrag ist höchst
aktuell, denn im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen liegt ein
neuer Resolutionsentwurf für die Zukunft des Kosovos auf dem Tisch,
eingebracht von den USA und EU-Mitgliedern. Darin wird zwar auf eine
automatische Unabhängigkeit des Kosovo verzichtet, falls sich die
serbische und kosovarische Regierung nicht innerhalb von 120 Tagen
über den Status der Provinz einigen. Russland hat aber vorsorglich
bereits sein Veto angekündigt. Wann die Abstimmung über den Entwurf
erfolgen soll, ist ungeklärt. "Null Chance auf Kosovo-Resolution"
titelten bereits österreichische Medien.

Von Kurt Köpruner, Eurasisches Magazin 07-07 · 31.07.2007


Die Lage im Kosovo ist untrennbar verbunden mit dem Zerfall
Jugoslawiens. Was ist damals, im Frühsommer 1991, passiert?
Jugoslawien war auf dem Höhepunkt einer schweren wirtschaftlichen und
politischen Krise. Die Regierungen von Slowenien und Kroatien wollten
die Unabhängigkeit ihrer Republiken von Belgrad erreichen: Ein
klassischer innerstaatlicher Konflikt, bei dem nach den Regeln des
Völkerrechts jegliche Einmischung von außen streng untersagt ist.

Auch die deutsche Außenpolitik hielt sich, zumindest offiziell, an
die internationalen völkerrechtlichen Standards und an Absprachen mit
den Partnern in der EG - bis genau zum 1. Juli 1991. An diesem Tag
erklärte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl: "Deutschland soll
die EG zur Anerkennung der beiden Republiken veranlassen". Fortan
machte Deutschland massiven Druck auf die übrigen EG-Staaten.

Es gab zahllose eindringliche Warnungen vor den Folgen dieser
Anerkennungspolitik, die markanteste richtete am 10. Dezember 1991
der damalige UN-Generalse kre tär Perez de Cuellar an die zwölf EG-
Außenminister: "Ich bin tief beunruhigt darüber, dass eine verfrühte,
selektive Anerkennung den gegenwärtigen Konflikt ausweiten und eine
explosive Situation hervorrufen könnte". Deutschland schlug die
Warnungen in den Wind: Wenige Tage nach diesem prophetischen Appell
des UN-General sekretärs sprach die deutsche Bundesregierung die
Anerkennung Sloweniens und Kroatiens aus. Die elf weiteren EG-Staaten
folgten am 15. Januar 1992. Sie hatten sich nach monatelangem
Widerstreben dem Druck Deutschlands gebeugt. "Wir konnten uns auf den
Kopf stellen", wurde Ruud Lubbers, der niederländische
Ministerpräsident. später zitiert, "die übrigen Europäer konnten noch
so verwundert dreinschauen - die Deutschen gingen solo zu Werke."


Serbien muss sterbien

Die unmittelbare Folge war die rasche Ausweitung der Balkankriege
unter ständig steigender internationaler Beteiligung. Es trat genau
das ein, was Genscher mit seiner Anerkennungspolitik verhindern
wollte: "Eine weitere Eskalation der Gewaltanwendung". Da man für das
totale Scheitern der eigenen Politik einen Sündenbock brauchte, lief
während der gesamten 1990-er Jahre eine fast beispiellose
Diffamierung des ganzen serbischen Volkes ab. Die Serben sind an
allem schuld, wurde tausendfach "bewiesen", zuletzt 2004 in den
meisten Berichten über die Pogrome im Kosovo: Die kollektive
Alleinschuld der Serben wurde beinahe zum Naturgesetz erhoben.

1999 bekamen die Nato-Fans ihren Krieg - endlich, nach so vielen
Jahren des Herbeiredens und Herbeisehnens. Seit Jahren tönte es
allenthalben: Wenn das "Morden" im Kosovo nicht sofort aufhört, dann
müssen Bomben her. Diese Drohung war ausnahmslos gegen die Serben
gerichtet. Wer also Bomben auf Belgrad wollte, der musste nur dafür
sorgen, dass das Morden nicht aufhört. Eine unmissverständliche
Einladung, ja Aufforderung an die UCK, das Morden fortzusetzen. Und
die hatte verstanden: Das Morden wurde fortgesetzt, die Rechnung ging
auf.

Monate vor und auch während der Verhandlungen in Rambouillet
(Frühjahr 1999) wurden weltweit, auch in Deutschland, alle
Albanischstämmigen im Alter von 18 bis 60 massiv aufgefordert
("Verweigerung wird nicht geduldet"), sich jetzt in die UCK
einzureihen. Dass dies in Jugoslawien eine zusätzliche Mobilisierung
bewirken musste, leuchtete zwar ein, änderte aber natürlich nichts,
denn "der Serbe betreibt ethnische Säuberungen und gehört bestraft,
basta!" Fast vollständig ausgeblendet wurde auch das Bemühen der
Serben um eine friedliche Lösung. Die Serben haben OSZE-Beobachter in
den Kosovo gelassen. Das tut niemand, der einen Völkermord plant.

Wahr bleibt auch, dass die Serben, das serbische Parlament, die
Regierung über eine Autonomie für das Kosovo verhandeln und das von
der OSZE oder der UNO überwachen lassen wollten. Dazu gab es
Vorleistungen, wie die 1.500 OSZE-Beobachter, die monatelang im
Kosovo waren, unwiderlegbar bewiesen. Da hätte man ansetzen müssen,
meinetwegen mit Bombendruck, das hätte unendlich viel Leid erspart.
Doch es ging nicht. Wozu hatte man denn die UCK aufgerüstet? Doch
nicht um eine Autonomie zu verwirklichen! War nicht von Anfang an das
Ziel, ein ethnisch reines Kosovo zu bekommen, gereinigt von allem
Serbischen? Fast vollständig ausgeblendet wurde (und wird) die
Tatsache, dass die weitaus größte Zahl von Flüchtlingen aus Ex-
Jugoslawien seit Jahren in Serbien dahinvegetiert. Vor wem sind die
geflohen? Vor den Serben etwa?


"Terrorbande UCK"

Erinnern wir uns: Die UCK war erstmals 1996 in die internationalen
Schlagzeilen gelangt: Als Terrorbande im Kosovo, die ihre
ultranationalistischen und rassistischen Ziele - ein ethnisch
gesäubertes, rein albanisches Kosovo - mit Mordanschlägen vorantrieb
und mit Drogen- und Waffenhandel finanzierte. Auch viele Kosovo-
Albaner fielen dem UCK-Terror zum Opfer, und selbst der vom Westen
als "Balkan-Ghandi" hofierte Albanerführer Ibrahim Rugova fand sich
auf ihren Todeslisten. So bekannt Methoden und Ziele der UCK im
Westen auch waren und so sehr diese den westlichen Werten -
Rechtsstaatlichkeit, Multikulturalismus, Antiterrorismus usw. - auch
zuwider laufen mochten, so sehr liebäugelten nicht wenige von Anfang
an mit dieser mordenden Bande. Die UCK-Terroristen waren nämlich
Todfeinde der Serben, und nach dem Motto "die Feinde meiner Feinde
sind meine Freunde", gab es folglich - ganz besonders in Österreich
und Deutschland - immer auch Stimmen, die die Morde der UCK als
verständliche Notwehr gegen den Terror der Serben schön zu reden
versuchten.

In den USA allerdings sah man in der UCK zunächst das, was sie war:
eine terroristische Vereinigung. Doch die Politik der USA ist
bekanntlich "flexibel". Mal paktieren sie mit Saddam, rüsten ihn
hoch, um ihn kurz darauf zum Erzfeind zu erklären; mal werden die
Taliban mit Milliarden US-Dollar finanziert, um wenig später in Grund
und Boden gebombt zu werden. Streng nach dieser "Logik" verhielt sich
die US-Politik auch gegenüber der UCK: Noch im Frühjahr 1998 gaben
die USA dem lange zuvor schon zum Balkanschlächter erklärten Slobodan
Milosevic grünes Licht für die militärische Bekämpfung der UCK - um
kurz darauf genau deshalb Bomben auf ganz Serbien zu fordern und
wenig später zu feuern.

Die USA entdeckten die UCK, die sich in idealer Weise als Nato-
Bodentruppe anbot. Nur die Terrorführer der UCK erwiesen sich
zunächst als recht problematisch, auch dann noch, als man sie zu der
Konferenz nach Rambouillet eingeladen und sie zu den Wortführern
aller Albaner erkoren hatte. Die "Friedenskonferenz" von Rambouillet
war indes von vornherein nichts anderes als der Versuch, die längst
beschlossenen US-geführten Nato-Luftschläge gegen Serbien ein wenig
vom Makel der Völkerrechtswidrigkeit zu befreien. Von den Serben
wurde unter Androhung von Luftschlägen ultimativ die Zustimmung zu
einer Lösung des Kosovo-Problems gefordert, die nach Rudolf Augstein
"kein Serbe mit Schulbildung" hätte akzeptieren können, und die nach
Henry Kissinger schlicht absurd war.


Das zweifelhafte Unternehmen Rambouillet

In Rambouillet lief es zunächst ganz und gar nicht nach Wunsch des
Westens. Die UCK-Chefs verhielten sich äußerst unkooperativ, denn sie
wollten bis zuletzt nicht glauben, wie ehrlich es die Nato mit ihnen
meinte. Joschka Fischer flog nach Rambouillet, um sie auf Linie zu
bringen - vergeblich. Selbst US-Außenministerin Madeleine Albright
kniete zunächst förmlich vor den UCK-Rebellen und drohte ihnen
andererseits: "If you don't say 'Yes' now, there won't be any Nato
ever to help you!" Noch am Vorabend des letzten Konferenztages
verweigerte die "misstrauische" UCK ihre Zustimmung zum Ultimatum des
Westens, womit dessen Bombenstrategie hinfällig geworden wäre. - Aber
es sollte letztlich klappen, ein Österreicher, Wolfgang Petritsch,
hatte in letzter Sekunde für den Umschwung gesorgt und die UCK von
den "ehrlichen Absichten" der NATO überzeugt.

Damit war der Weg frei: 78 Tage und Nächte lang bombardierten die 19
Nato-Staaten im Frühling 1999 militärische und zivile Ziele in
Jugoslawien. Sie warfen in 38.000 Angriffen 20.000 Tonnen Sprengstoff
ab, töteten nach eigenen Angaben tausende Menschen und zerstörten die
gesamte Infrastruktur des Landes: Fabriken und Brücken, Schulen,
Krankenhäuser und Kindergärten, Stromversorgung und
Telekommunikation. Dennoch gerieten die Luftschläge zum Fiasko - sie
lösten kein einziges Problem, kosteten aber tausende Unschuldige das
Leben und beraubten Millionen auf Dauer ihrer Existenzgrundlagen -,
wurden aber doch als Erfolgsstory gefeiert. Die Führer der UCK
erhielten, was man ihnen in Rambouillet offenbar für ihr
Wohlverhalten versprochen hatte: die Macht über das Kosovo, das sie
vor den Augen der Nato in ein Inferno verwandelten, in dem Mord und
Totschlag, Drogen-, Waffen- und Menschenhandel an der Tagesordnung
sind, und in dem heute der Rassismus wie in keinem anderen Land der
Welt allgegenwärtig ist. Dennoch stellte EU-Außenpolitiker Javier
Solana Ende Februar 2004, nach einem Besuch im Kosovo, befriedigt
fest: "Der Fortschritt überall in der Provinz ist offensichtlich."


März 2004: Albanische Lügen für das Pogrom an Serben

März 2004: Die ganze Welt blickte für ein paar Tage wieder einmal in
das Kosovo. Was war geschehen? Noch am Montag, dem 15. März 2004,
herrschte Alltag im Kosovo. Um 19.00 Uhr dieses Tages wird in der
Nähe von Pristina Jovica Ivic, ein 18-jähriger Serbe, aus einem
fahrenden Auto angeschossen und lebensgefährlich verletzt. Serben in
Gracanica protestieren lautstark auf der Straße. UNMIK und KFOR, also
ziviler und militärischer "Arm" der UN-Präsenz im Kosovo, riegeln die
Gegend ab. Der oder die Attentäter können nicht ermittelt werden. Die
Straßensperren werden aufgehoben. Unsere Öffentlichkeit erfährt
nichts von dem Vorfall. Kosovarischer Alltag, wie gesagt.

Tags darauf, am Dienstag um halb vier Uhr nachmittags, kommt in der
Nähe der geteilten Stadt Kosovska Mitrovica ein Albanerjunge nach
Hause gerannt. Er berichtet seinen Eltern, dass er mit drei Freunden
in den eiskalten Fluss Ibar gesprungen sei, um diesen zu
durchschwimmen. Seine drei Kameraden seien sofort von den starken
Fluten erfasst und mitgerissen worden, nur er selbst habe sich ans
andere Ufer retten können. Unmittelbar darauf wird eine groß
angelegte Suchaktion gestartet, an der sich auch internationale
Polizisten beteiligen. Kurz vor Mitternacht findet man flussabwärts
einen der vermissten Jungen. Er ist tot.

In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages, des Mittwochs, wird
eine weitere Kinderleiche aus dem Fluss gezogen. Am selben Vormittag
verbreiten albanische Fernseh- und Radiostationen im Kosovo pausenlos
die Meldung, dass drei albanische Kinder von Serben in den Tod
getrieben worden seien. Einmal heißt es, eine serbische Bande habe
die Albanerkinder in den Fluss gehetzt, dann ist von serbischen
Jugendlichen die Rede, in anderen Meldungen von einem serbischen Hund.

Der US-Nachrichtensender CNN übernimmt diese Meldungen prompt. Noch
in den Vormittagsstunden des Mittwochs bricht im ganzen Kosovo
ungehemmte Gewalt aus. In dutzenden Städten und Orten, überall dort
im Kosovo, wo noch Serben und andere Nichtalbaner in Enklaven und
abgeriegelten Vierteln leben. Die Gewalt läuft allerorts nach
demselben Schema ab: Ein aufgebrachter, oft vieltausendköpfiger Mob
rottet sich zusammen und marschiert schwer bewaffnet auf die
nichtalbanischen Ghettos los. Soweit diese von KFOR-Soldaten
beschützt werden, werden die Militärposten attackiert und an vielen
Orten buchstäblich in die Flucht gejagt. Steine fliegen,
Kalaschnikows knattern, Hand granaten und Molotow-Cocktails treffen
Häuser und Autos. Kirchen und Klöster werden in Brand gesteckt oder
demoliert. Die Betroffenen - vorwiegend Serben, aber auch Hunderte
Roma - sind zumeist völlig wehrlos, sie verschanzen sich in Gebäuden,
fliehen in KFOR-Unterstände oder in Felder und Wälder. Nur in
Kosovska Mitrovica sind die Serben stark genug, sich zu wehren, nur
dort kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Serben und
Albanern. Die Kämpfe dauern die ganze Nacht an und gehen auch am
nächsten Tag weiter.


Ein Albaner-Junge sagt die Wahrheit - aber Fakten können geplante
Pogrome nicht verhindern

Es wiederholt sich, was sich im Juni und Juli 1999 im Kosovo
abgespielt hat. Damals wurden nach derselben Methode Zehntausende
Häuser im Kosovo zerstört, zahllose Menschen getötet und
Hunderttausende - die genaue Zahl ist noch immer umstritten - für
immer vertrieben. Auch Dutzende orthodoxe Kirchen und Klöster wurden
schon damals niedergebrannt. All dies vor den Augen der Nato. Genau
das schwebte den Organisatoren des jüngsten Pogroms wieder vor. Es
sollte nun offenbar zu Ende gebracht werden, was damals so
"erfolgreich" begonnen worden war.

Ab Donnerstag, den 18. März 2004, überschlagen sich die Meldungen auf
allen Kanälen: Obwohl Derek Chappell, Sprecher der UNO-Polizei im
Kosovo, schon am Mittwoch Abend verlautbart hatte, dass der
überlebende Albanerjunge ausgesagt habe, dass er und seine Freunde
den Fluss ganz alleine überqueren wollten, ohne also von jemandem
getrieben worden zu sein, wird dieser tragische Unfall in allen
Berichten als Auslöser der Unruhen erwähnt. Reflexartig nimmt die
Öffentlichkeit wieder einmal zur Kenntnis, dass die Serben eben keine
Ruhe geben und sie daher erneut die Rechnung präsentiert bekommen.

Veton Surroi, der Herausgeber der kosovo-albanischen Tageszeitung
"Koha Ditore", bezeichnet das albanische Pogrom als "offensichtlich
organisiert und orchestriert". "Das Ziel", so der bekannte albanische
Intellektuelle weiter, "ist die Verunsicherung und Vertreibung der
serbischen Bevölkerung durch Zerstörung ihrer Häuser und Kirchen."
Auch Harri Holkeri, der oberste UNMIK-Chef, spricht anfangs von einem
offenbar lange vorbereiteten Plan. "Nichts im Kosovo", so Holkeri
wörtlich, "passiert spontan." Admiral Gregory Johnson, der Nato-Chef
für Südeuropa, wird sogar noch deutlicher, er spricht von "organised
and orchestrated actions of the Albanians". Und Johnson wörtlich
weiter: "Es ist eine heuchlerische Lüge, von einem innerethnischen
Konflikt zu sprechen. Was im Kosovo passiert, muss als Pogrom gegen
ein Volk und seine Geschichte genannt werden."


Ein Menschenrechtspräsident verbreitet Propagandalügen zur Aufwiegelung

Im Laufe des Freitags kehrt langsam wieder Ruhe ein im Kosovo.
Mehrere westliche Staaten beschließen, zusätzliche Soldaten zu
entsenden. Man begreift, dass es ein Fehler war, die anfänglich
44.000 KFOR-Soldaten auf zuletzt 18.000 Mann abgebaut zu haben. Der
Sonntag beginnt mit einer Überraschung: Der serbische Sender B92
meldet die Verhaftung des Kosovo-Albaners Halid Berani durch die UNO-
Polizei im Kosovo. Halid Berani ist Präsident einer Organisation mit
dem wohlklingenden Namen: "Council for protection of human rights and
freedoms in Kosovo", zu Deutsch: "Rat zum Schutz von Menschenrechten
und Freiheit im Kosovo". Die UNMIK beschuldigt ihn, die
Falschmeldungen über die drei ertrunkenen Kinder verbreitet zu haben.
Umfangreiches Material sei im Haus Beranis beschlagnahmt worden. Der
Sender B92 schließt seinen Bericht mit der Feststellung, der heutige
Menschenrechtspräsident sei aktives Mitglied der UCK gewesen.

Am Sonntagabend scheint dann wieder der Alltag im Kosovo einzukehren:
Der UNO-Missionschef Harri Holkeri erklärt in einem Interview, der
Begriff "ethnische Säuberung" sei für die Vorfälle der vergangenen
Woche "zu hoch gegriffen". Und wörtlich weiter: "A couple of Serbian
Orthodox Churches have been set on fire" - "ein paar serbisch-ortho
do xe Kirchen wurden angezündet".

War das alles? Serben in Belgrad protestieren gegen diese
Verharmlosung und fordern eine Richtigstellung, widrigenfalls den
Rücktritt Holkeris. Unterdessen meldet sich Ibrahim Rugova, der
Präsident des Kosovos, zu Wort: Die Vorfälle, so Rugova, hätten
gezeigt, dass nur die Unabhängigkeit des Kosovos den Frieden bringen
könne - also eine fortgesetzte Kampfansage des "Balkan-Gandhis".


Zweifelhafte Rolle der Medien

Die Botschaft der internationalen Medien ist bald klar: Beide sind
schuld! Eine krasse Verzerrung der Tatsachen, aber immerhin schon ein
kleiner Fortschritt, denn bislang war fast stets nur von serbischen
Nationalisten die Rede. Dasselbe gilt für die stereotyp wiederholte
Umbenennung des albanischen Pogroms in "Zusammenstöße zwischen
Albanern und Serben". Zusammenstöße gab es ausschließlich in Kosovska
Mitrovica. In allen anderen etwa dreißig Städten und Ortschaften
waren die angeblichen Zusammenstöße regelmäßig eine Jagd albanischer
Krimineller auf einzelne Serben. In Prizren, wo das Hauptquartier des
deutschen KFOR-Kontingents residiert, lebten bis März 1999 insgesamt
70.000 Albaner, l30.000 30.000 Serben und zahlreiche Angehörige von
fast einem Dutzend weiterer Nationalitäten. Nach den Nato-Bomben
mussten fast alle Nichtalbaner aus der Stadt. Vor dem Pogrom von 2004
standen 100.000 Albaner ganzen 63 Serben gegenüber, danach war die
Stadt "serbenrein". - Zusammenstöße?

Nahezu jeden Tag seit dem Einmarsch der Nato im Kosovo 1999 kam es
dort zu Gewalttaten - und das ist nicht im Mindesten übertrieben. Es
wurde nur kaum darüber berichtet. Der Westen steht heute hilflos vor
dem Desaster, das er selbst anrichtete. Die Lage im Kosovo 2004
spottet jeder Beschreibung. Angehörige nichtalbanischer Minderheiten
können ihre Häuser, bzw. Wohnviertel nicht ohne Begleitung
bewaffneter KFOR-Soldaten verlassen. Kinder müssen mit KFOR-Bussen
zur Schule gebracht werden. Hausfrauen fahren ebenfalls mit KFOR-
Fahrzeugen zum Einkaufen. Arbeitsplätze gibt es so gut wie keine. Die
tägliche Angst vor Mord- und Brandanschlägen ist enorm, die
Lebensperspektiven sind gleich null. Viele Nichtalbaner bleiben nur
deshalb im Kosovo, weil sie dort wenigstens nicht verhungern, denn
UNO, OSZE und zahllose private Hilfsorganisationen sorgen dafür, dass
es wenigstens genug zum Essen gibt.

Ich habe ständig Kontakt mit Bekannten. Viele befürchten, dass das
Märzpogrom der Auftakt für die endgültige Vertreibung aller
verbliebener Nichtalbaner aus dem Kosovo war. "Rache" - mit diesem
Zauberwort wird schon seit Jahren um Verständnis für die Übergriffe
albanischer Extremisten geworben, für Massenvertreibung, für Mord,
für Terror, für tausendfache Brandstiftung. Verantwortlich für all
diese Verbrechen sind Extremisten, die schon seit Mitte der neunziger
Jahre ein ethnisch reines albanisches Kosovo herbeibomben wollten.
Auch damals hat man deren Verbrechen mit dem Wort "Rache"
schöngeredet. Trotz all der unbestrittenen Probleme war das Kosovo zu
dieser Zeit im Vergleich zu heute jedoch ein multikulturelles
Paradies. Leider haben sich inzwischen die Mächte im Westen mit
Verbrechern verbündet.

Perspektiven für das Kosovo? Man hat alle denkbaren Lösungsvarianten
x-mal durchgespielt: eine Teilung des Kosovos, eine völlige
Abtrennung des Kosovos von Serbien, die Wiederherstellung der
serbischen Souveränität, ein Protektorat des Europarates und was
sonst noch alles. Es gibt keine Lösung, die nicht eine Unzahl neuer
Probleme schaffen würde. Die Hoffnung auf ein friedliches
Zusammenleben der albanischen Mehrheit mit den anderen Völkern im
Kosovo wurde ins Reich der Phantasien geschossen.


Kosovo: Reisetipps für Lebensmüde

Die jüngsten Ereignisse in und um Serbien haben vermehrte
Aufmerksamkeit auf das Kosovo gerichtet, auch ein Wiederaufleben von
Berichten bewirkt, die ganz im Mainstream liegen und die Wirklichkeit
im Kosovo vollständig verzerrt darstellen. Diese Ereignisse waren die
Aufnahme in die Partnerschaft für den Frieden im Dezember 2006. Der
Wahlsieg des "demokratischen Blocks" im Januar 2007. Der Ahtissaari-
Plan einer "kontrollierten Unabhängigkeit" für das Kosovo vom März
2007. Die Wiederaufnahme der Assoziierungsverhandlungen im Juli 2007.

Wie die Wirklichkeit im Kosovo aussieht, kann man beispielsweise aus
dem Umgang mit Orts- und Straßenschildern erahnen: Ich habe im
Kosovo, außerhalb serbischer Zentren oder Enklaven, kein einziges
entzifferbares serbisches Wort gesehen. Mitunter ist zu lesen, dass
"nur ein lebensmüder Albaner seinen Fuß in serbisch dominiertes
Gebiet setzen" würde. Das ist die Renaissance des alten Bilds der
Serben als blutrünstige Banditen. Entsprechend erscheinen Albaner als
die wehrlosen und "traumatisierten" Opfer der Serben.

Das glatte Gegenteil davon trifft weitaus eher zu. Nur ein
lebensmüder Serbe wird seinen Fuß in albanisches Gebiet setzen.
Umgekehrt ist das absolut kein Problem, wie ich aus eigenem Erleben
weiß: Letzthin schlief ich schlecht in meinem Hotelzimmer im
serbischen Teil von Kosovska Mitrovica und ich ging um 4 Uhr früh
hinunter ins Lokal, um nach einem Aspirin zu fragen. Da war
mutterseelenallein ein junges Mädchen an der Theke; ich kam mit ihr
ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass sie Albanerin war. Ich
fragte sie aus. Ihr Leben hier schien die normalste Sache der Welt zu
sein. Man zeige mir ein einziges serbisches Mädchen, das in einem
albanischen Restaurant oder Hotel angestellt ist, und ich werde nie
mehr ein Wort gegen den albanischen Nationalismus verlieren. Aber es
gibt mit Sicherheit kein einziges, jedenfalls kein lebendes.

Am 28. Juni 2007 brachte Phoenix einen langen Bericht über das
Kosovo. Ich kenne dessen Autor, wahrlich kein blinder Serbenfreund.
Er zeigte ein ausführliches Interview mit einem albanischen Gastwirt
in dessen Lokal, das sich mitten im serbischen Teil von Kosovska
Mitrovica befindet. Man sah Gäste, Albaner wie Serben. Man zeige mir
ein einziges serbisches Gasthaus im albanisch dominierten Kosovo, und
ich werde nie mehr ein Wort gegen den albanischen Nationalismus
verlieren. Es gibt keines, jedenfalls keines, das nicht zertrümmert
oder abgefackelt ist.

Wer jetzt ins Kosovo fährt, möge einmal seinen albanischen Begleitern
sagen, dass er gern in ein serbisches Gasthaus gehen würde. Schon für
diese Bitte braucht man einigen Mut. Oder man gehe zur Tankstelle und
sage etwa die serbischen Wörter "dobro" (gut) oder "hvala" (danke).
Da knistert es sofort, der fremde Gast zieht alle Blicke auf sich,
und ich kann ihm nur raten, dann schnell ein paar deutsche Sätze zu
sagen, sonst könnte es leicht "brenzlig" werden. Ich habe dies alles
selbst mehrfach probiert, aber auch das Gegenteil erlebt: Zu Ostern
2007 war ich mit einer Gruppe zwei Tage lang im serbischen Orahovac
und Velika Hoca. Die ganze Zeit war ein Albaner bei uns, das war die
selbstverständlichste Sache der Welt.


Wann endet endlich die internationale Geduld mit diesen aufgehetzten
Banden?

Das albanische Pogrom von 2004 gegen die Serben kann niemand
ungeschehen machen, aber viele wollen es verharmlosen: "Einige
Häuser" seien abgebrannt worden - es waren knapp Tausend. Weit über
zehntausend Menschen wurden vertrieben, selbst KFOR-Soldaten mussten
flüchten. Es gab 20 oder 30 Tote, die offiziellen Zahlen sind
widersprüchlich. Auch KFOR-Soldaten kamen seinerzeit ums Leben. Über
30 Kirchen und Klöster sind niedergebrannt worden. Und dieser
rassistische, nationalistische Gewaltausbruch geschah unter den Augen
der internationalen Gemeinschaft.

So etwas wird weltweit relativiert mit dem albanischen Wunsch nach
Unabhängigkeit. Natürlich verurteilt man das Pogrom, erklärt es aber
umgehend damit, dass eben die albanische Geduld langsam zu Ende gehe,
was man ja doch irgendwie verstehen müsse. Wann endet endlich die
internationale Geduld mit diesen aufgehetzten Banden, vor denen eine
ganze Armada von Soldaten aus 36 Ländern jede serbische Siedlung
beschützen muss? Auch jedes einzelne nichtalbanische Schulkind muss
Tag für Tag von der Haustüre abgeholt werden, um es im gepanzerten
Wagen zur Schule zu bringen und später dann wieder nach Hause. Doch
davon ist weltweit nichts zu lesen.

Ich war zu Ostern auch in Decani, in dem von italienischen KFOR-
Soldaten beschützten Kloster. Vier Tage vor meinem Besuch wurde
wieder einmal eine Granate auf das Kloster abgefeuert. Es war der 39.
Granatenangriff, bezeugt von einer ganzen Kompanie Italiener, die mit
Panzern und viel Stacheldraht das Kloster rund um die Uhr bewacht.
Ein Kosovo, in dem solches möglich ist, will unabhängig sein? Ein
geradezu irrsinniges Begehren!

Die Kosovo-Albaner sind kollektives Opfer der Mord- und Hetzkampagnen
einer Gruppe von kriminellen, fanatisch nationalistischen und
rassistischen Terroristen. Ein Albaner, der da nicht voll mitzieht,
schwebt in permanenter Lebensgefahr. Dazu kommt die internationale
antiserbische Stimmung, die dem albanischen Opferwahn seit 20 oder
mehr Jahren ständig neue Nahrung verleiht. Diese Anti-Stimmung heizt
sich immer wieder an dem geteilten Mitrovica auf. Ich habe die Grenze
zwischen serbischem und albanischem Teil schon oft passiert, in
beiden Richtungen, auf der Durchreise mit dem PKW oder mal eben zu
Fuß auf einem abendlichen Spaziergang. Die Serben da drüben sind im
Durchschnitt nicht halb so fanatische Nationalisten und Rassisten wie
die Albaner.


Welchen Schluss zog die internationale Gemeinschaft aus diesem Desaster?

Ein früherer UNMIK-Chef, der Deutsche Michael Steiner, hat die Formel
geprägt: "Standards vor Status". Das sollte heißen, "jetzt schafft
erst einmal ein paar jener politischen, sozialen und rechtlichen
Standards, die man von jedem unabhängigen Staat erwartet, dann reden
wir vom Status" des Kosovos. Und da gab es dann eine ganze Liste von
Standards, zum Beispiel den, dass jedermann in einem eventuell
unabhängigen Kosovo leben können muss, ohne Tag für Tag fürchten zu
müssen, eine Kugel in den Kopf oder das Haus abgebrannt zu bekommen.
Oder, dass die mit Waffengewalt vertriebenen Menschen - keineswegs
nur Serben - alle wieder zurückkehren können. Dies und anderes hieß
"Standards vor Status".

Das sind Dinge, die wirklich das allermindeste darstellen, was man
von einem Staatsgebilde fordern muss. Und was ist geschehen? Schlicht
nichts! Nicht ein einziger dieser Standards wurde erfüllt, es gab
nicht einmal die geringste Verbesserung der Lage. Welchen Schluss zog
die internationale Gemeinschaft aus diesem Desaster? Man vergaß die
Standards vollständig und redet nur noch vom Status. Kein einziger
Kommentator oder "Experte" kommt heute mehr auf die Idee zu fragen,
was für ein kriminelles Gemeinwesen da anerkannt werden soll. Wenn
ich nicht wüsste, dass es noch ein paar Medien gibt, etwa das
EURASISCHE MAGAZIN, die die Dinge ähnlich sehen wie ich, würde ich
längst an meinem Verstand zweifeln.

Letzthin traf ich in Travnik (Bosnien-Herzegowina) eine EU-
Abgeordnete, eine Grüne, gut aussehend, dynamisch und eloquent. Sie
wirkte angeblich drei volle Jahre als Bürgermeisterin von Pec im
Kosovo. Ich fragte sie, was sie denn zu den katastrophalen
Lebensbedingungen der Leute in den Ghettos sage? Mehr als ein "na, so
schlimm ist es nicht", habe ich aus ihr nicht herausgebracht. Und
solche Leute stehen dann vor den Kameras und erklären, dass die
Geduld der Albaner bald zu Ende gehe. Man verfällt offenbar allzu
leicht dem (fraglos vorhandenen) albanischen Charme, übersieht ganz,
welch verblendete, ja verrückte Rassisten man vor sich hat. Dabei
muss man nur ganz wenig an der Freundlichkeit kratzen und es kommt
die rassistische Bestie unverhüllt zum Vorschein, die jeden Mord und
jede Vertreibung absolut gut heißt.

*

Kurt Köpruner, geboren 1951 im österreichischen Bregenz am Bodensee,
lebt seit 1989 in Deutschland, wo er eine Maschinenfirma leitet und
mit dieser zahlreiche Geschäftskontakte zu den Regionen Ex-
Jugoslawiens unterhält. Stets politisch interessiert, hat Köpruner
sich auf dem West-Balkan umgeschaut und seine kritische Sicht der
dortigen Zustände und Entwicklungen, dazu auch der Rolle der
internationalen Gemeinschaft in dieser Krisenregion 2001 in dem Buch
"Reisen ins Land der Kriege. Erlebnisse eines Fremden in
Jugoslawien", Diederichs Verlag, 352 Seiten, gebunden, ISBN
3-7205-2413-2 ausgebreitet. Das Buch war ein verdienter Erfolg,
erlebte in Deutschland mehrere Auflagen und wurde ins Serbische und
Japanische übersetzt.

"Es ist offenbar Köpruners Absicht, Misstrauen zu stiften, wenn allzu
einfache Erklärungen für komplexe Ereignisse geboten werden", schrieb
der frühere Berliner Senator für Wissenschaft und Forschung und
ehemalige SPD-Bundesgeschäftsführer Peter Glotz in einem Vorwort für
das Buch. Und er erläuterte das "Erfolgsgeheimnis" des Autors:
Köpruner ist kein "Balkanexperte", er steht "mit einem
durchschnittlich informierten Leser auf der gleichen Stufe", tritt
nicht als "Lehrmeister" auf, lässt "die Leser an seinen wachsenden
Erfahrungen teilnehmen" - in der Form eines "schlicht (und
vorzüglich) erzählten Erlebnisberichts".