Vier Jahre danach, katastrophale Bilanz im Kosovo

[ Catastrofico è il bilancio di 4 anni di occupazione coloniale del
Kosovo-Metohija da parte della NATO: a tracciarlo è nientepopodimeno
che l'ex direttore dell'Istituto federale tedesco per gli Studi
sull'Oriente... Più sotto, la traduzione in lingua tedesca di un
articolo di M. Markovic sullo stesso tema, da noi già fatto circolare. ]


1. Katastrophale Bilanz im Kosovo
Sollen Serben wieder zurück? Interview mit Prof. Dr. Wolf Oschlies
vormaliger Leiter des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche Studien
(J. Elsässer / Junge Welt)

2. Kosovo - Vier Jahre Danach (Milos Markovic / ARTEL)


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17.09.2004

Interview
Interview: Jürgen Elsässer

Katastrophale Bilanz im Kosovo: Sollen Serben wieder zurück?

jW sprach mit Prof. Dr. Wolf Oschlies

* Prof. Dr. Wolf Oschlies war Leiter des Bundesinstituts für
ostwissenschaftliche Studien, das 2000 mit der Stiftung Wissenschaft
und Politik verschmolzen wurde. Beide Institutionen wurden bzw. werden
von der Bundesregierung finanziert und genutzt.


F: Das Kosovo wird seit über fünf Jahren von der UN mit Hilfe der
NATO-geführten Streitmacht KFOR verwaltet. Welche Bilanz ziehen Sie?

Katastrophal. Alles hat sich vom Schlechten zum Schlimmeren entwickelt.
Der größte Teil der Nicht-Albaner wurde vertrieben, über 200000
Menschen. 1200 Menschen wurden ermordet, vor allem Serben und Roma.

F: UNMIK, die UN-Mission für Kosovo, gibt eine wesentlich niedrigere
Zahl an.

Die Zahl der Ermordeten stammt von Zoran Zivkovic. Der damalige
serbische Premier, ein durchaus pro-westlicher Politiker, gab sie im
Oktober 2003 bei einer serbisch-albanischen Konferenz in Wien im
Beisein von EU-Spitzenpolitikern bekannt.

F: NATO und UN rechnen sich als Erfolg an, daß die während des Krieges
1999 geflüchteten Albaner zurückgekehrt sind.

Und wie! Nach Berechnung der Belgrader Regierung betrug die
Rückkehrrate 120 Prozent. Bekannt ist, daß mit den Flüchtlingen auch
»Plünderungs-Touristen« kamen. Auch das Buch des Tschechen Martin
Dvorák, eines früheren UNMIK-Mitarbeiters, steht gegen die geschönten
Erfolgsbilanzen.

F: Im Westen wird immer wieder vor großserbischem Nationalismus
gewarnt. Aber wie steht es mit den großalbanischen Bestrebungen?

Die finden sich nicht nur in den Erklärungen der angeblich aufgelösten
UCK oder ihres Nachfolgers ANA, sondern auch in einem Manifest der
Albanischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Tirana, das unter
dem Titel »Ausgangspunkte für eine Lösung der albanischen nationalen
Frage« veröffentlicht wurde. Das älteste Balkan-Volk, die Albaner,
brauche demnach seinen »ethnisch reinen« Staat, zu dem auch das Kosovo,
Teile Südserbiens, Mazedoniens, Montenegros und Nord-Griechenlands
gehörten. Apropos UCK: Sie wurde zum kleineren Teil in das Kosovo
Protection Corps überführt und zum größeren Teil intakt gelassen. Diese
Strukturen spielten eine entscheidende Rolle bei der Gewaltwelle im
März dieses Jahres.

F: Welche Perspektive sehen Sie?

Die Aussichten sind nicht sehr positiv. Im von NATO und UNMIK
proklamierten Frieden laufen bereits drei Kriege, und ein vierter ist
möglich. Erstens findet schon jetzt ein albanisch-albanischer Krieg
statt: In den letzten Monaten wurden etwa 40 Funktionäre der Partei
Ibrahim Rugovas von UCK-Terroristen umgebracht. Zweitens läuft der
Krieg der Albaner gegen die Serben und andere Minderheiten. Drittens
hat der Krieg gegen KFOR und UNMIK begonnen. »Unabhängigkeit oder
Krieg« lautet seit Jahren der Kampfruf in der kosovo-albanischen
Presse. Wenn die NATO abzieht, kommt es zum vierten Krieg: Dem der
Balkan-Staaten Griechenland, Mazedonien, Bulgarien und
Serbien-Montenegro gegen die Albaner. Der großalbanische Nationalismus
bedroht sie alle.

F: Was wäre die Alternative?

Holt die Serben wieder rein ins Kosovo! Laut UN-Resolution 1244 sollte
schon vor Jahren »eine vereinbarte Zahl jugoslawischen und serbischen
Personals die Erlaubnis zur Rückkehr erhalten«, um im Kosovo
Sicherungsfunktionen zu übernehmen. Für die segensreichen Wirkungen
serbischer Sicherheitskräfte gibt es einen Präzedenzfall: Im Herbst
2000 griff die UCK im Presevo-Tal an, außerhalb des Kosovo, in der
entmilitarisierten Sicherheitszone an der Südgrenze Serbiens. Die KFOR
reagierte rasch: Die Sicherheitszone wurde an Serbien zurückgegeben,
serbisches Militär rückte ein, und der Spuk war zu Ende. Warum ist
dergleichen nicht längst im Kosovo geschehen?

F: Sind Sie mit Ihren Expertisen zur Bundesregierung durchgedrungen?

Auf die eine oder andere Weise habe ich Gehör gefunden. Aber im Zuge
der Fusion des Kölner »Bundesinstituts für ostwissenschaftliche
Studien« mit der »Stiftung für Wissenschaft und Politik« wurden die
Kompetenzen der Fachleute beschnitten. Man sagte mir, die
»Balkanschlagseite« und der »Rußlandbauch« in unserer Forschung müßten
beseitigt werden. Das Ergebnis möge jeder selbst beurteilen. Mich geht
es gottlob nichts mehr an.


* Hintergrundbericht dazu folgt in der Wochenendausgabe

http://www.jungewelt.de/2004/09-17/018.php


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Kosovo - Vier Jahre Danach
http://www.artel.co.yu/de/izbor/jugoslavija/2004-09-18.html

informgraf@ yahoo. com

Milos Markovic, Journalist
Belgrad, 31 August 2004

Über vier Jahre sind vergangen, als am 9. Juni 200 die internationalen
Streitkräfte im Kosovo mit der Absicht einrückten, in diesem Gebiet die
Ordnung herzustellen, das Leben zu normalisieren und
Gleichberechtigung, Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und andere
wesentliche zivilisatorische Errungenschaften zu gewährleisten. In
dieser serbischen Provinz befindet sich die größte Konzentration
internationaler Streitkräfte in Europa, der mehre zehntausend Soldaten
angehören, die hauptsächlich von den Mitgliedstaaten der NATO gestellt
werden. Einen dominierenden Einfluss hat Amerika - sowohl was die
Bewaffnung, als auch auch die militärischen und politischen Kompetenzen
betrifft.
Die angebliche Diskriminierung und ethnische Säuberung der im Kosovo
lebenden Albaner dienten bekanntlich Amerika als Vorwand, die
NATO-Bombardierung Jugoslawiens zu organisieren. Nach 78 Tagen
zerstörerischer Bombardierung des Landes, die zahlreiche Menschenopfer
und unschätzbare Sachschäden forderte, ging diese internationale
Aggression unter dem Diktat Amerikas mit dem Kumanovo-Abkommen am 9.
Juni 2000 zu Ende. Kosovo ist im verbleib Serbiens geblieben, aber
unter internationalem Protektorat und ohne Präsenz der serbischen Armee
und Polizei. Doch das Tragische und Wesentliche ist, dass Kosovo auch
ohne Serben geblieben ist, denn etwa 80% der serbischen Bevölkerung
wurde von den albanischen Terroristen vertrieben, die bei allem von den
USA enorme Unterstützung und Hilfe bekamen. Nach der Vertreibung der
Serben aus Kroatien und Bosnien-Herzogowina war das die größte
Fluchtwelle eines Volkes aus seiner jahrhundertealten Heimat.
Nach vierjähriger Verwaltung des Kosovo kann durchaus die dokumentierte
Behauptung aufgestellt werden, dass es sich hierbei um die komplette
Okkupation eines wesentlichen Teils eines angeblich unabhängigen und
souveränen Staates handelt. Die gegenwärtige Lage im Kosovo ist
vielleicht die schwerste in seiner langen und delikaten Geschichte.
Diese Situation ist die wahre Kehrseite der angeblichen westlichen
Zivilisation. Nirgendwo dominieren die Gesellschaft terroristische und
mafiöse Zusammenhänge in solch einem Ausmaß. Das Kosovo wurde zum
größten Drogenumschlagplatz Europas. Das Kosovo ist der größte Markt
für "Mädchenhandel". Das Kosovo ist ein Zentrum internationaler,
terroristischer Kräfte. Das Kosovo wurde zum Symbol für Verbrechen,
Plünderung, Prostitution, Drogen, Morden und die Vertreibung eines
Volkes!
Welchen "Erfolg" die sogenannten internationalen Kräfte im Kosovo zu
verzeichnen haben, belegt u.A. die Tatsache, dass im März dieses Jahres
unter den Augen dieser Kräfte über 150 Kirchen und Klöster -
hauptsächlich im Mittelalter erbaute, kulturgeschichtlich äußerst
wertvolle Gebäude - von albanischen Extremisten zerstört wurden und
größtenteils vollständig ausbrannten. Gleichzeitig wurden tausende
serbischer Häuser in Brand gesteckt und unzählige Gräber geschändet.
Ein größerer Vandalismus und Barbarismus ist kaum vorstellbar. Die
wenigen Serben, die in ein paar Kosovo-Enklaven noch geblieben sind,
leben in äußerster Unsicherheit und Unfreiheit - ihre Kinder werden
z.B. auf dem Schulweg von Gepanzerten Militärfahrzeugen begleitet.
Wo ist die Freiheit, wo die Demokratie, wo der Frieden, wo sind die
Menschenrechte, die vor allem Amerika garantierte?
Kann sich beispielsweise ein Deutscher vorstellen, dass in einem seiner
Bundesländer Deutsche kein elementares Bürgerrecht wahrnehmen dürfen,
während alle Reichtümer - Natrurschätze, Betriebe, Privatvermögen -
sich in Händen von Okkupanten befinden, die mit dem Versprechen auf
Einführung zivilisatorischer Wohltaten einmarschiert sind?
Die Kosovo genannte, serbische Tragödie ist im gewissen Sinne auch eine
Schande Europas, das nahezu gleichgültig zuschaut, wie in einem Teil
Europas die hegemonistischen, amerikanischen Interessen verwirklicht
werden. Es ist wohl niemandem Klar, dass die internationale Mission im
Kosovo nichts gebracht hat, außer tragische Folgen für ein ganzes Volk.
Und die Obrigkeit in Belgrad hat unter dem offensichtlichen
amerikanischen Diktat nahezu keinen Protest erhoben. Das Volk, dessen
Lebensstandart unerträglich ist, scheint betäubt zu sein, sich in einem
Zustand der Niedergeschlagenheit zu befinden. Es scheint, als müssten
die Menschen nach dem Verlust aller Illusionen über die angebliche
Demokratie - die hier zu einer international geförderten Mafiokratie
verkam - erst zu Besinnung kommen.