Hannes Hofbauer hat die Geschichte des Kosovo untersucht
Von Jörg Friedrich
Am 17. Februar 2008 rief das in der Stadt Pristina tagende
Regionalparlament des formell zu Serbien gehörenden NATO-Protektorats
Kosovo die Unabhängigkeit das Landes aus. Der österreichische Historiker
Hannes Hofbauer hat ? ausgehend von der dieser Erklärung ? die
Geschichte der Region zum Thema seines neuen Buches »Experiment Kosovo«
gemacht.
Der Autor geht weit in die Geschichte zurück. Für Serbien gilt das
Kosovo (deutsch: Amselfeld) nicht zu Unrecht als Kerngebiet des
mittelalterlichen Feudalstaates, den sich im 14. Jahrhundert das
Osmanische Reich einverleibte. Hofbauer weist nach, daß das Kosovo aber
schon damals multiethnisch war ? wie der gesamte Balkan. An der Seite
des serbischen Ritterheeres kämpften in der Entscheidungschlacht des
Jahres 1389 auch Kontingente anderer Völkerschaften ? darunter der
Großvater des späteren albanischen Nationalhelden Gjergj Kastrioti,
genannt Skanderbeg. Die Osmanen regierten nach dem Prinzip »teile und
herrsche«, privilegierten zum Islam konvertierte albanische Stämme, die
dafür häufig Opfer aufständischer Serben wurden. Der Aufstand von 1690
endete mit einem massenhaften Exodus der serbischen Bevölkerung aus dem
Kosovo.
Interessensphären
Hofbauer beschreibt den serbischen und den albanischen Nationalismus als
Produkte der bürgerlichen Entwicklung des 19. Jahrhunderts. Unter dem
Deckmantel des zunehmend verrottenden osmanischen Feudalreiches bildeten
sich Keimzellen der bürgerlichen Moderne heraus. Das Konzept von
Nationalstaat nach westlichem Vorbild hatte auf dem ethnisch zerrissenen
Balkan eine endlose Kette von Vertreibungen und Ethnogemetzeln zur
Folge. Hinzu kam die Einmischung ausländischer Mächte, die das Erbe des
»kranken Mannes am Bosporus« unter sich aufteilten. Im Kosovo stießen
schon Ende des 19. Jahrhunderts die Interessensphären Rußlands und der
Westmächte zusammen. Um ersteren den Zugang zum Mittelmeer zu verwehren,
wurde 1913 von einer »internationalen Kommission« das Königreich
Albanien ins Leben gerufen ? mit einem deutschen Fürsten als Monarchen.
Das Kosovo wurde dagegen serbisch. Im Wirrwarr der nächsten Kriege kam
es zur wechselseitigen Vertreibung serbischer und albanischer
Bevölkerungsgruppen, bis nach dem Sieg der multiethnischen
kommunistischen Partisanenarmee im Jahre 1945 eine Periode nationaler
Aussöhnung begann; das Kosovo wurde autonomes Gebiet im Rahmen der neu
konstituierten Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. Die
geplante Bildung einer »Balkanförderation« unter Einschluß Albaniens und
Bulgariens scheiterte allerdings am Widerspruch Stalins.
Hofbauer weist nach, daß Titos Partisanen weitgehend auf Racheakte an
Kollaborateuren verzichteten, die albanischsprachige
Bevölkerungsmehrheit des Kosovo akzeptierten. Während der »sozialen
Epoche« blieb das Kosovo zusammen mit Bosnien und Mazedonien allerdings
das »Armenhaus Jugoslawiens«. Obwohl jährlich Milliardensummen aus dem
Haushalt der reicheren Teilrepubliken in einen Fonds zur Förderung der
unterentwickelten Regionen landeten, gelang es nicht, das
Wirtschaftsgefälle zwischen den Teilrepubliken auszugleichen. Der damit
einhergehende niedrige Lebensstandard rief eine latente Unzufriedenheit
bei Teilen der albanischen Bevölkerung hervor und bildete den Nährboden
für separatistische Bestrebungen.
Die Sezession der reichen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien aus der
jugoslawischen Föderation 1990/91 leitete den blutigen Zerfall des
Staatenbundes ein. Massenhafte Arbeitslosigkeit beförderte im Kosovo die
Entstehung einer kriminellen Schattenwirtschaft, die sich mit der
großalbanisch-nationalistischen »Kosovo-Befreiungsarmee« UCK im Jahre
1994 schließlich einen militärischen Arm schuf. Die Kontrolle über ganze
Landstriche erlangte die UCK dank des Eingreifens der Westmächte. Auf
Druck der OSZE zog die Belgrader Regierung im Oktober 1998 ihre Truppen
weitgehend aus dem Kosovo zurück. Die sofort einsetzende Offensive der
UCK, ihr Kampf gegen Polizei und Bundesarmee lieferten 1999 den Anlaß
für den Angriff der NATO. Nach dem Bombenkrieg der westlichen
Kriegsallianz mußte sich die jugoslawische Armee schließlich endgültig
aus dem Kosovo zurückziehen. Die daraufhin eskalierenden
nationalistischen Exzesse führten zu einer fast vollständigen
Vertreibung der nichtalbanischen Bevölkerungsgruppen.
Ökonomisches Desaster
Hofbauer liefert in dem Buch ein anschauliches Bild des gegenwärtigen
Kosovo. Er weist nach, daß sich die Sezession der kosovo-albanischen
Nationalisten als ökonomisches Desaster erwies. Die bereits stark
angeschlagene Industrie brach völlig zusammen. Infolge der politischen
Trennung zerrissen Vertriebs- und Absatznetze, wurden funktionierende
Unternehmen stillgelegt. Tausende Einwohner des albanischen
»Mutterlandes« siedelten in das Kosovo über, eigneten sich dort zumeist
Ländereien vertriebener nichtalbanischer Dorfbewohner an.
Der Autor schildert anschaulich, daß die Kontrolle über das Kosovo
seitdem in den Händen der organisierte Kriminalität liegt. Politische
Parteien fungieren im wesentlichen als Aushängeschilder von Mafiaclans;
die von der EU installierte Protektoratsverwaltung verfügt weder über
wirtschaftspolitische Kompetenz noch über nennenswerte Verankerung in
der Bevölkerung. Unter den Augen der NATO-Truppen entwickelte sich das
Territorium zu einem Eldorado für Kriminelle aller Schattierungen: Die
UCK und ihre Nachfolgestrukturen finanzieren sich im wesentlichen durch
Schutzgelderpressung, Rauschgift- und Frauenhandel.
Zum Vokabular des zerbröselnden Systems der westlichen Moderne zählt
seit geraumer Zeit der Begriff »gescheiterter Staat«. Gemeint sind
Territorien, die mangels funktionierender Volkswirtschaft über keinen
Staatsapparat mehr verfügen. Mit der Anerkennung des Kosovo haben EU und
NATO einen schon im Vorfeld nicht funktionierenden Staat mit einen
zweifelhaften Souveränität beehrt. Man darf gespannt erwarten, wie lange
die merkwürde Koexistenz von krimineller Schattenwirtschaft und
westlicher Kolonialverwaltung andauern wird.
/Hannes Hofbauer: Experiment Kosovo - Die Rückkehr des
Kolonialismus. Promedia Verlag, Wien 2008, 262 Seiten, 17,90 Euro/
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http://www.hintergrund.de/content/view/301/63/
Spiel über Bande
BND-Leute sollen an einem Anschlag im Kosovo beteiligt gewesen sein.
Von Jürgen Elsässer, 25. November 2008:
"Nichts ist so trügerisch wie eine untrügliche Tatsache", war einst die Devise von Sherlock Holmes. Demnach sollten Detektive immer gegen den ersten Augenschein ermitteln: Wenn es nach Terroristen aussieht, sind höchstwahrscheinlich Terroristenjäger die Täter gewesen. Und wenn alle Spatzen von den Dächern pfeifen, dass der deutsche Geheimdienst Bomben wirft, dürfte er eher eine weiße Weste haben. Im Augenblick, das sei vorweg genommen, könnte Sherlock Holmes zu keinem abschließenden Urteil kommen.
Waren drei BND-Agenten am 14. November 2008 in einen Sprengstoffanschlag in der Kosovo-Hauptstadt Priština verwickelt? Unabhängig von der weiteren Aufklärung steht fest: Der deutsch-albanische Honeymoon ist vorbei. Die Festnahme der Tatverdächtigen ist eine Sache. Eine ganz andere ist es, dass sie nicht lautlos erfolgte, sondern von den Kosovo-Behörden medial dick inszeniert wurde: Die Deutschen wurden coram publico verhaftet, die Zeitungen druckten große Fotos der Aktion und die vermeintlichen Namen der Männer. Das Bemühen der Bundesregierung, die Affäre geräuschlos beizulegen, wurde knallhart abgebügelt. Die gewöhnlich gut informierte Tageszeitung Express aus Priština berichtete, die Regierung habe am Wochenende den deutschen Behörden eine Landeerlaubnis für ein "Privatflugzeug" verweigert, mit dem die drei BND-Männer angeblich nach Deutschland zurückgebracht werden sollten.[i]
BND als Geburtshelfer der UCK
Deutschland hatte in den neunziger Jahren zu den entschiedensten Unterstützern des Untergrundkampfes der kosovo-albanischen Untergrundbewegung UCK gegen die jugoslawische Zentralregierung gehört. Als im November 1995 der Bürgerkrieg im benachbarten Bosnien-Herzegowina auf der Friedenskonferenz von Dayton beigelegt wurde, drängten die deutschen Mitverhandler auf ein gleichzeitiges Nachgeben Belgrads auf dem Amselfeld. US-Präsident Bill Clinton unterstützte diesen Vorstoß des Außenamtschefs (und früheren BND-Präsidenten) Klaus Kinkel damals nicht. Ihm genügte, dass der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic in Bezug auf Bosnien nachgab.
Doch die deutsche Wühlarbeit im Kosovo ging weiter. „How Germany backed KLA“ (KLA - Kosovo Liberation Army - wird in den englischsprachigen Medien synonym für UCK verwendet ) überschrieb das englische Wochenblatt The European Ende September 1998 eine Recherche. Dort wurde behauptet, dass „der deutsche zivile und militärische Geheimdienst in die Ausbildung und Bewaffnung der Rebellen verwickelt sind, um den deutschen Einfluss auf dem Balkan zu zementieren und das Flüchtlingsproblem anzupacken.“ Deswegen sei es zu „einem ernsthaften Bruch zwischen dem BND und der CIA gekommen“, hieß es mit Bezug auf französische Diplomaten. Weiter schrieb die Zeitung: „Die Entstehung der UCK im Jahr 1996 fiel mit der Ernennung von Hansjörg Geiger zum neuen BND-Chef zusammen. Einer seiner ersten operativen Beschlüsse war die Einrichtung einer der größten Regionalvertretungen des BND in Tirana (...). BND-Agenten arbeiten eng mit den Führern des Shik, des albanischen Geheimdienstes, zusammen.(...) Die BND-Männer hatten die Aufgabe, Rekruten für die UCK-Kommandostruktur herauszusuchen.“[ii]
Ähnliches berichtete die ARD-Sendung Monitor: „Seit 1990 pflegt die Bundesregierung gute Beziehungen zu den albanischen Geheimdienstlern. Militärische Ausrüstung im Wert von zwei Millionen Mark wurde ins albanische Krisengebiet entsandt. Die Militärgüter seien zum Teil an die Rebellenarmee UCK gelangt.“ Ein beteiligter MAD-Mitarbeiter sagte gegenüber „Monitor“, die Aktion sei „von ganz oben“ erwünscht gewesen.[iii]Von Bill Foxton, dem Leiter des OSZE-Beobachterbüros an der Grenze zwischen Albanien und Kosovo, wurde Ende Juni 1998 „erstmals entdeckt, dass die UCK plötzlich uniformiert ist. Und zwar mit deutschen Feldanzügen.“[iv] Wesentlich weitergehende Anschuldigungen von serbischer Seite, wonach die Guerillaausbildung auch in Deutschland selbst stattgefunden haben soll - genannt wurden u.a. geräumte Nato-Kasernen in Hechingen bei Tübingen, in der Nähe von Nürnberg und Bonn sowie ein Asylbewerberheim in Singen - sind nicht belegt.
Doch just zu jener Zeit, im Spätsommer 1998, erhielt die privilegierte Beziehung zwischen dem BND und den albanischen Terroristen auch erste Risse: Die bisherige Führung der UCK wurde in einer Serie von Fememorden ausgeschaltet. Als Auftraggeber wurden die neuen Männer verdächtigt, die in der Folge an die Spitze der Organisation traten, insbesondere Hashim Thaci als politischer Führer und Agim Ceku als Generalstabschef. Ihre Loyalitäten galten eher Washington und Langley als Bonn und Pullach.
Ein bezahlter Informant des Bundesnachrichtendienstes (BND) machte im Jahr 2004 noch einmal Furore im Kosovo: Samedin Xhezairi, der in der Untergrundarmee UCK unter dem Kriegsnamen Kommandant Hodza firmiert. Der Mann lebte und arbeitete jahrelang als medizinisch-technischer Assistent in Österreich und schloss sich nach Ausbruch des bewaffneten Konflikts im Kosovo 1997/98 der UCK an. Nach eigenen Angaben war er einer der Hauptorganisatoren der Pogrome im März 2004, als ein Mob von 55 000 Albanern die serbischen Enklaven stürmte und 19 Menschen getötet wurden. Xhezairi behauptete vor laufender Kamera, er stehe „auf der Gehaltsliste des BND, der CIA und eines österreichischen Geheimdienstes”. Der BND räumte ein, den Mann als Informanten geführt zu haben, behauptete aber, er sei einige Wochen vor den Pogromen von seinen Aufgaben entbunden worden.[v]
Unabhängig davon, ob der BND seine Verantwortung für Xhezairi verschleiert hat, muss sich zumindest in der Folge das Verhältnis der Pullacher Behörde zu den ehemaligen Untergrundkämpfern erheblich verschlechtert haben. In einem Dossier über die organisierte Kriminalität (OK) im Kosovo vom 22. Februar 2005 formulierte der deutsche Geheimdienst schwere Vorwürfe insbesondere gegen die früheren UCK-Führer und späteren Spitzenpolitiker Ramush Haradinaj, Hashim Thaci und gegen Xhavit Haliti, zeitweilig Mitglied des Parlamentspräsidiums. Wörtlich steht in dem als "VS-Vertraulich" gekennzeichneten Dokument: „Über die Key-Player (wie z.B. Haliti, Thaci, Haradinaj) bestehen engste Verflechtungen zwischen Politik, Wirtschaft und international operierenden OK-Strukturen im Kosovo.“
Über den heutigen Premier Thaci heißt es: „Thaci gilt neben Haliti (...) als Auftraggeber des Profikillers Afrimi.“ Auf dessen Konto sollen mindestens elf bestellte Morde gehen. Zu Haradinaj heißt es: „Die im Raum Decani auf Familienclan basierende Struktur um Ramush Haradinaj befasst sich mit dem gesamten Spektrum krimineller, politischer und militärischer Aktivitäten, die die Sicherheitsverhältnisse im gesamten Kosovo erheblich beeinflussen. Die Gruppe zählt ca. 100 Mitglieder und betätigt sich im Drogen- und Waffenschmuggel und im illegalen Handel mit zollpflichtigen Waren. Außerdem kontrolliert sie kommunale Regierungsorgane.“ Über Haliti schreibt der BND, er werde „mit Geldwäsche, Drogen-, Waffen-, Menschen- und Treibstoffschmuggel in Verbindung gebracht“ und sei „dem inneren Zirkel der Mafia zuzuordnen.“[vi]
Im Februar 2008 wurde eine weitere vertrauliche Analyse der deutschen Sicherheitsapparate in die Öffentlichkeit lanciert, die das Berliner Institut für Europäische Politik im Auftrag der Bundeswehr verfasst hatte. Darin wird das Kosovo als „polykrimineller Multifunktionsraum“ bezeichnet, in dem Drogen-, Menschen- und Waffenhandel die einzigen wachsenden Wirtschaftssektoren seien. Die einheimischen Justizorgane und die internationalen Organisationen würden terrorisiert oder korrumpiert.[vii]
Die Hypothesen
Der jüngste Sprengstoffanschlag lässt sich nur vor dem Hintergrund der Entwicklung des laufenden Jahres verstehen: Am 17. Februar erklärte das Kosovo einseitig seine Unabhängigkeit von Serbien. Der neue Staat verfügt über keine völkerrechtliche Legitimation, da er aufgrund der Veto-Drohung von China und Russland im Sicherheitsrat nicht anerkannt wurde. Von den knapp 200 in der UN-Vollversammlung vertretenen Staaten haben nur 50 mit der Republika Kosova Botschafter ausgetauscht. Selbst große EU-Staaten wie Spanien und Griechenland verweigerten der Sturzgeburt diplomatische Weihen.
Aufgrund dieser Situation kam der Plan der EU, die Administration der Provinz von der UN zu übernehmen, ins Stocken. In einem langwierigen Verhandlungsprozess konnte Brüssel nur einen Kuhhandel mit den Vereinten Nationen zu Stande bringen: Die UN-Verwaltung soll auch künftig im Kosovo präsent sein, allerdings nur im serbischen besiedelten Nordteil. Der neuen EU-Mission EULEX unterstehen die Albanergebiete. Auf Druck Belgrads erhält der Norden weitreichende Autonomiebefugnisse und bildet praktisch eine proto-staatliche Entität, auf die Priština keinen Zugriff hat. Die Regierung in Belgrad neigt deswegen dem UN-EU-Plan zu (auch wenn sie ihn wegen starkem innenpolitischen Widerstand noch nicht förmlich unterstützt), während die kosovo-albanische Regierung ihn ablehnt. Die EULEX-Mission soll Anfang Dezember 2008 ihre Arbeit aufnehmen. Am 19. November fand dagegen eine Großdemonstration in Priština statt, an der 30 000 Menschen teilnahmen. Aufgerufen hatte die radikalalbanische Bewegung Vetevendosje zusammen mit UCK-Veteranenverbänden.
Der Anschlag vom 14. November galt dem EULEX-Hauptquartier. Sollten BND-Agenten also gegen eine EU-Mission gebombt haben, die von der deutschen Regierung vehement unterstützt wird? Diese Meinung vertritt Erich Schmidt-Eenboom, Geheimdienstexperte mit guten Quellen in Pullach. „Ich bin sicher, dass die BND-Leute gebombt haben“, sagte er. „Der Anschlag richtet sich nur auf den ersten Blick gegen die EU, er bedient im Gegenteil sogar deren Interessen. (...) Die EU-Übergangsverwaltung ist nur ein auf Zeit eingerichtetes Gremium, um den Prozess mit dem Ziel der vollen Souveränität zu befördern. Mit Angriffen wie dem auf die EU-Vertretung wird der Druck auf dem Weg dorthin erhöht. (...) Die Botschaft hinter den jüngsten Anschlägen lautet deshalb: ‚Der Kosovo muss souverän werden, wenn nicht friedlich, dann eben mit Gewalt.’“[viii]
Ministerpräsident Thaci hat den Bombenanschlag als „Werk der Feinde des Kosovo“ verurteilt.[ix] Rechnet er im Ernst auch seine alten Freunde vom BND darunter? Eine Erklärung bot der Parlamentsabgeordnete Naim Maloku von der AAK-Partei des früheren UCK-Kommandanten Ramush Haradinaj: Demnach sind „bestimmte Segmente des BND durch den KGB und den serbischen (Geheimdienst) UDBA“ unterwandert. Die drei Festgenommenen seien also Doppelagenten gewesen, die nicht im Auftrag von Pullach, sondern von Belgrad oder Moskau bombten. „Damit könnte der Massenwiderstand gegen die flagrante Verletzung der Souveränität durch UNMIK und die EULEX kriminalisiert werden“, fasst die Website kosova-aktuell zusammen.[x]
Eine dritte Theorie präsentiert der frühere FAZ-Redakteur und Buchautor Udo Ulfkotte, der ebenfalls über gute Quellen in den deutschen Sicherheitsapparaten verfügt. Demnach waren die drei Festgenommenen bzw. die BND-Tarnfirma Logistics Coordination Assessment Services, der sie angehörten, mit Ermittlungen gegen die Kosovo-Mafia betraut, deren Paten – siehe oben – derzeit in höchsten politischen Ämtern sitzen. „Die BND-Männer sind denen in die Quere gekommen,“ deswegen haben man ihnen den Anschlag angehängt.[xi]
Die Beweismittel
Noch einmal zur Theorie von Schmidt-Eeenboom: Warum sollten die Kosovo-Albaner drei Deutsche benötigen, um Bomben zu legen? Dort unten gibt es genügend ehemalige Freischärler, die für so etwas das nötige Know-how und die Hardware haben. Die Bild-Zeitung geht deswegen mit Verweis auf „deutsche Sicherheitsexperten“ davon aus, dass „Kosovo-Extremisten“ den Anschlag verübt haben, „die gegen das Engagement ausländischer Organisationen in ihrem Land kämpfen“. Um diese zu decken, hätten „anti-europäische Kräfte im Regierungsapparat“ die Schuld auf die Deutschen geschoben.[xii]
Der Vorwurf der Tatbeteiligung der BND-Leute wird angeblich durch ein Video gestützt. Die Süddeutsche Zeitung fasst zusammen: „Das Video soll von lausiger Qualität sein, aber es liefert Stoff für große politische Konflikte. Glaubt man einem hochrangigen Vertreter der kosovarischen Regierung, zeigt das Filmchen den deutschen Agenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) Andreas J. in vollem Einsatz. Angeblich schleudert er aus einem Rohbau in Priština einen Sprengsatz auf das benachbarte Gebäude der Internationalen Verwaltungsbehörde (ICO). Der Politiker hat den Film nicht selbst gesehen, aber die Polizei hat ihm den Inhalt so geschildert. In Berlin heißt es, der Film sei ganz anders. Ein hoher Sicherheitsbeamter sagt, nach seinen Informationen sei in dem Streifen nur zu erkennen, wie ein Sprengsatz auf die ICO-Büros fliege. Der Täter sei nicht zu sehen, jedenfalls sei es nicht der Deutsche Andreas J. Auch dieser Beamte hat den Film nicht selbst gesehen, aber er beteuert: Die Quellen, die den Inhalt schilderten, seien verlässlich.“[xiii]
Das offizielle Berlin dementierte jedenfalls heftig eine Beteiligung. „Die Vorstellung, dass deutsche Stellen in terroristische Anschläge verwickelt sind, ist absurd,“ behauptete Regierungssprecher Thomas Steg. Zwar seien die Männer tatsächlich am 14. November vor Ort gewesen, aber erst vier Stunden später. Ihre Anwältin Fehmije Bytyqi-Gashi erklärte dies mit ihrer „Neugier“. Noch am selben Tag sei das Trio von der Polizei überprüft worden. Die Verhaftung folgte jedoch erst fünf Tage später, nach einer Hausdurchsuchung. „Die Deutschen hatten fast eine Woche Zeit, das Land zu verlassen, wenn sie wirklich in diesen Angriff verwickelt gewesen wären“, argumentierte die Anwältin.[xiv] Tatsächlich: Hätten Andreas J. und seine zwei Kollegen das Ding gedreht und wären dann trotz der polizeilichen Einvernahme am Tattag in Priština geblieben, wären sie ziemlich vertrottelt. Ganz ausschließen will man das freilich auch nicht.
[i] enr/dbr/ley/nir, Kosovo: Wir haben Beweise gegen den BND, SZ 25.11.2008
[ii] The European 21. -27.09.1998
[iii] Monitor, 23.09.1998
[iv] Interview mit Foxton, Jungle World, 09.06 1998
[v] heute-journal (ZDF), 18.11.2004
[vi] Jürgen Elsässer, Die Paten von Pristina, junge Welt 06.12.2005
[vii] z.n. German-Foreign-Policy.com, Der Zauberlehrling, 24.11.2008
[viii] Ralf Wurzbacher, Interview mit Erich Schmidt-Eenboom, junge Welt 25.11.2008
[ix] z.n. Thomas Roser, Solche Dilettanten haben keine Feinde bei der Mafia, FR 25.11.2008
[x] Max Brym, Arbeitet der BND im Interesse Kosovas?, kosova-aktuell 24.11.2008
[xi] z.n. Agenten-Thriller auf dem Balkan, Abendzeitung 23.11.2008
[xii] Bild-Online, Festgenommene im Kosovo hatten BND-Ausweise bei sich, 23.11.2008
[xiii] enr/dbr/ley/nir, Kosovo: Wir haben Beweise gegen den BND, SZ 25.11.2008
[xiv] Daniel Brössler / Enver Robelli, Kosovo bietet Berlin die Stirn, SZ 24.11.2008
-------- Original-Nachricht --------
Datum: Mon, 24 Nov 2008 20:35:55 +0100
Von: "fiand" <fiand @ arcor.de>
Betreff: Kosovo
in der Anlage zur Kenntnis:
meine an den Generalbundesanwalt gerichtete Strafanzeige vom heutigen Tage
gegen die drei Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes im Kosovo, die
verdächtig sind, an einem terroristischen Anschlag beteiligt gewesen zu
sein. Mir geht es darum, den Sachverhalt von der Justiz aufklären zu lassen,
da die Politiker in Berlin mal wieder kräftig mauern. Ob das gelingt, wird
sich herausstellen.
Weiterleitung und/oder Veröffentlichung: erlaubt
Beste Grüße
Armin Fiand
Minsbekweg 4 a
22399 Hamburg
e-Mail: fiand @ arcor.de
Tel.:040-60849595
Fax: 03221-1270833
mobil-telefon: 0174-4651407
per Fax: 0721-8191-590
27. November 2008
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich erstatte
Strafanzeige.
„Spiegel Online“ hat am 22. November 2008 folgendes berichtet:
NACH ANSCHLAG AUF EU-VERTRETUNG
Drei BND-Agenten im Kosovo festgenommen
Diplomatischer Eklat: Drei Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes sind nach SPIEGEL-Informationen im Kosovo festgenommen worden. Die örtlichen Ermittler verdächtigen sie, an einem Anschlag beteiligt gewesen zu sein.
Pristina - Einer der Deutschen war beobachtet worden, wie er in ein leeres Nachbargebäude einstieg, von dem aus offenbar ein Sprengsatz auf die EU-Vertretung in Pristina geworfen worden war. Der Agent hatte von dort aus ein bei dem Anschlag beschädigtes Büro fotografiert.
Er und seine beiden Begleiter waren daraufhin am Mittwoch festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt worden.
Die drei sind nach SPIEGEL-Informationen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND). Die kosovarischen Anti-Terror-Ermittler verdächtigen die Beamten, an dem Anschlag beteiligt gewesen zu sein. Die Agenten beteuern dagegen, sie hätten lediglich den Tatort inspiziert.
Der Arrest hat zu diplomatischen Verwicklungen zwischen dem Auswärtigen Amt in Berlin und der Regierung in Pristina geführt. Grund ist die offenbar nicht offiziell angemeldete Tätigkeit der deutschen Agenten im Kosovo. Üblicherweise akkreditieren Staaten die Residenten ihres Geheimdienstes bei der Regierung des Gastlandes, damit die Beamten diplomatische Immunität genießen. In diesem Fall hat BND-Präsident Ernst Uhrlau darauf verzichtet, die Männer gehörten nicht zur offiziellen Residentur.
Am Freitag erklärten die Ermittler in Pristina, bei den Deutschen handele es sich ihrer Bewertung nach "weder um Diplomaten, Polizisten, Soldaten oder Experten mit einem internationalen Ausweis". Damit droht den Agenten ein Verfahren wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit. Die BND-Beamten hatten versucht, die Umstände des Anschlags aufzuklären. Bei einer Pressekonferenz hatten Kosovo-Präsident Fatmir Sejdiu und Regierungschef Hashim Thaci die Tat als "Werk der Feinde des Kosovo" verurteilt.
sac/dpa
Der geschilderte Sachverhalt ist auch von anderen Medien verbreitet worden. Er begründet den Verdacht, daß strafbare Handlungen begangen worden sind, für deren Verfolgung nach §§ 120, 142 a GVG der Generalbundesanwalt zuständig ist.
In Betracht kommen insbesondere die Straftatbestände
der Bildung/Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, § 129 a StGB
und der
der geheimdienstlichen Agententätigkeit, § 99 StGB.
Die Namen der drei Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes werden von der kosovo-albanischen Zeitung „Express“ mit
Robert Zoller
Andreas Drunken
und
Andreas Janken
angegeben („Geheime Geheimdienstler“, junge Welt vom 24. November 2008).
Ich bitte, die Ermittlungen aufzunehmen und mich vom Ausgang des Verfahrens zu unterrichten.
Ich bitte ferner, mir den Eingang der Anzeige zu bestätigen und mir das Aktenzeichen mitzuteilen, unter dem der Vorgang bearbeitet wird.
Mit freundlichen Grüßen
( Fiand )