Da: "Y.&K.Truempy" 
Data: 08 settembre 2011 18.22.24 GMT+02.00
Oggetto: SOS Libyen

SOS Libyen: Wie es gelingt, die Friedensbewegung zu paralisieren
 
.…. Es ist wie im Falle Jugoslawien. Es ist wie im Falle Irak. Es ist wie bei den Kriegen Israels gegen Libanon und Gaza. Auch der Krieg der Nato-Staaten gegen Libyen folgt der Warden-Doktrin von 1998, der nach Colonel John A.Warden benannten Luftkriegsdoktrin der U.S. Air Force, die "ganz bewusst auf die Zerstörung der Lebensgrundlage eines Staates abzielt und insbesondere auch die Zivilbevölkerung selbst zum expliziten Ziel deklariert" (nach Jürgen Rose, Oberstleutnant der Bundeswehr). Das geschieht unter Missachtung von Artikel 54 des Zweiten Zusatzprotokolls zur Genfer Konvention, der es verbietet, "für die Zivilbevölkerung lebensnotwendige Objekte" anzugreifen oder zu zerstören ..…
 
 
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Weitere Artikel im Anhang:
Der Angriff auf Libyen wurde schon vor Jahren geplant: Aufstand nach Plan (junge Welt)
Afrika sorgt sich vor neuem Kolonialismus: BombenPropagandaKrieg (Ossietzky)


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Aufstand nach Plan

Hintergrund. Zuverlässige Freunde des Westens – Über die Führungsriege der libyschen Rebellen

Von Knut Mellenthin


Die Führung des Nationalen Übergangsrats (NTC) der libyschen Rebellen hat am Wochenende erstmals die vollständige Zusammensetzung dieses Gremiums bekanntgegeben. Der NTC wurde am 27. Februar, nur zehn Tage nach Beginn des bewaffneten Aufstands, gebildet. Er bestand zunächst aus 31 Mitgliedern, die angeblich alle Regionen und Städte Libyens – also nicht nur die von den Rebellen kontrollierten – repräsentieren sollten. Aber nur 13 der Namen wurden damals veröffentlicht, die übrigen »aus Sicherheitsgründen« geheimgehalten.

Den Vorsitz des offiziell von allen Strömungen der Aufständischen anerkannten Führungsgremiums übernahm der erst wenige Tage zuvor zurückgetretene frühere Justizminister Mustafa Abdul Dschalil. Als Sprecher des NTC und stellvertretender Vorsitzender fungiert Abdul Hafiz Ghoga, Vorsitzender der Anwaltskammer von Bengasi, der sich als Verteidiger politischer Gefangener einen Namen gemacht hat. Mit der Zuständigkeit für »militärische Angelegenheiten« wurde Omar Al-Hariri betraut. Wegen der aufgeflogenen Planung eines Putsches gegen seinen früheren Kampfgefährten Muammar Ghaddafi war er 1975 zum Tode verurteilt, später aber zu einer Haftstrafe begnadigt worden. In den letzten Jahren bis zu seinem Anschluß an die Rebellen hatte er nur noch unter Hausarrest gestanden. Hariri hat seine verantwortliche Position inzwischen aus nicht bekanntgemachten Gründen verloren.

Verantwortlicher des NTC für »auswärtige Angelegenheiten und internationale Verbindungen« ist Mahmud Dschibril. Er hatte 1980 und 1985 akademische Abschlüsse in Politischen Wissenschaften und Strategischer Wirtschaftsplanung an der Universität von Pittsburgh (USA) gemacht und anschließend jahrelang dort unterrichtet. Außerdem entwickelte er unter amerikanischer Regie Kursprogramme für leitende Manager in arabischen Ländern.

Dschibril kehrte erst 2005 nach 
Libyen zurück und stieg auffallend schnell, kaum zwei Jahre später, zum Leiter der zentralen Arbeitsgruppen für Wirtschaftsreformen und Privatisierung auf. Er verdankte das, wie viele andere Reformer auch, der Protektion durch Ghaddafis Sohn Saif Al-Islam. In seinen Funktionen war Dschibril ein sehr geschätzter Gesprächspartner und Informant der amerikanischen Botschaft in Tripolis. Die Entwicklung enger und allseitiger Beziehungen zwischen beiden Ländern war eines seiner zentralen Themen.

Der 1952 geborene Politiker gilt als Freund des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und stand neben ihm, als dieser am 10. März bekanntgab, daß Frankreich als erstes Land der Welt den Nationalen Übergangsrat als einzige legitime Regierung 
Libyens anerkannt hatte. Dschibril ist auch Vorsitzender des von den Rebellen am 23. März gebildeten Exekutivrats. Das entspricht der Position des Premierministers der Übergangsregierung.

Die am Wochenende veröffentlichte Personalliste des NTC enthält nunmehr 40 Namen. Nach Angaben des Ratsvorsitzenden Dschalil soll das Gremium später auf 80 Mitglieder erweitert und dann anscheinend eine Art Übergangsparlament bis zu den versprochenen Wahlen bilden, die in acht Monaten stattfinden sollen.

Moslem-Schreck

Die New York Times wies am Wochenende darauf hin, daß unter den 40 Mitgliedern des Übergangsrats nur ein einziger identifizierbarer Islamist sei, und gab seinen Namen mit Lamin Belhadsch an. In dem Artikel hieß es weiter, daß er der Verantwortliche der Rebellen in der Hauptstadt Tripolis sei. Allerdings trägt der dortige Vorsitzende des örtlichen Militärrats die Vornamen Abdul Hakim. Außerdem wird diesem eine frühere Mitgliedschaft in den militanten Islamischen Kampfgruppen (LIFG) nachgesagt. Dagegen schreibt die New York Times ihrem Lamin Belhadsch eine Zugehörigkeit zum libyschen Zweig der Moslembruderschaft zu, der – so das Blatt – bei den meisten Libyern als »gemäßigt« gelte. Es ist demnach ungewiß, ob es sich wirklich um ein und dieselbe Person handelt.

In einer seltenen Koalition von links bis rechtsaußen wurde Abdul Hakim Belhadsch in den vergangenen Tagen als »Al-Qaida-Mann« oder sogar als »Spitzenführer von Al-Qaida« angegriffen. Für diese Gerüchte gibt es jedoch keine Anhaltspunkte. Obwohl sich Belhadsch nacheinander in US-amerikanischer und libyscher Haft befand, wurde er niemals vor Gericht gestellt. Aus rechtsstaatlicher Sicht gibt es also überhaupt keine erwiesenen Vorwürfe gegen ihn. Sein Name steht lediglich als Symbol für eine Kampagne, die mit dem Moslem-Schreck arbeitet, um bestimmte politische Vorstellungen und Ziele zu transportieren.

Weiter als alle anderen ging das israelische Online-Magazin DEBKAfile, das oft als Sprachrohr des Auslandsgeheimdienstes Mossad bezeichnet wird. Kennzeichnend für seine Veröffentlichungen ist, daß sie nicht nur schlecht recherchiert sind, sondern einen klaren Desinformationscharakter haben und zum Teil nicht nur übertrieben, sondern frei erfunden scheinen.

Am 28. August schrieb ­DEBKAfile, daß sich Tripolis nun in der Hand »kämpfender islamistischer Brigaden« befinde, »die zu Al-Qaida gehören«. »Keine westliche oder libysche Militärstreitmacht kann daran denken, in absehbarer Zukunft die Islamisten aus der libyschen Hauptstadt zu vertreiben. Damit hat 
Libyen ein neues Modell geschaffen, das die islamistischen Extremisten nur ermutigen kann, weitere Gewinne aufgrund der arabischen Revolte anzupeilen. Sie können mit Recht zur Schlußfolgerung gelangen, daß ihnen die NATO bei einer Rebellion zum Sturz irgendeines anderen autokratischen arabischen Herrschers zu Hilfe kommen wird. (…) Zum ersten Mal haben die Armeen der westlichen NATO-Länder sich direkt an der Einnahme einer arabischen Hauptstadt und dem Sturz ihres Herrschers durch extremistische islamische Kräfte beteiligt.«

Hier wird schon der hochdramatische Ton angeschlagen, der vielleicht in den kommenden Wochen immer stärker die Stimmungsmache der Mainstreammedien bestimmen wird – wenn es nämlich um die Stabilisierung und Neuordnung der Verhältnisse im Sinne der westlichen Helfer und Unterstützer der »libyschen Revolution« gehen wird. Die Marginalisierung islamistischer Kräfte wird dabei eines der zentralen Ziele sein.

Bestens vorbereitet

Zugleich dient das hysterische Al-Qaida-Geschrei aber auch dazu, von der einfachen Tatsache abzulenken, daß die politische Führung des Aufstands vom ersten Moment an in den zuverlässigen Händen von alten Bekannten der westlichen Regierungen lag und liegt. In einigen Fällen kann und muß man wohl sogar von westlichen Agenten sprechen. Islamische Fundamentalisten, die es unter den Rebellen vermutlich wirklich in erheblicher Anzahl gibt, dienten nur als Kanonenfutter. Sie haben ihre Schuldigkeit schon jetzt im wesentlichen getan.

Die libysche Revolution war offenbar von langer Hand geplant und vorbereitet worden. Die Kundgebungen gegen Ghaddafi, die von Anfang an mit Gewalttätigkeiten verbunden waren, begannen Mitte Februar und setzten sich am 17. Februar als sogenannter »Tag der Wut« landesweit fort. Innerhalb weniger Tage nahmen die Proteste vor allem im Osten des Landes, aber keineswegs nur dort, die Form eines bewaffneten Aufstands an.

Schon in den allerersten Tagen nach dem Beginn der Revolte setzte eine Welle von Rücktritten ein, die mit angeblichen Grausamkeiten und unverhältnismäßig schweren Militäreinsätzen gegen die Protestbewegung begründet wurden. Den Anfang machte am 21. Februar 
Libyens Botschafter in Indien, Ali Al-Essawi. Bevor er nach Indien mehr oder weniger abgeschoben worden war, gehörte Al-Essawi unter anderem als Minister für Wirtschaft, Handel und Investitionen zu den führenden Reformern seines Landes. In dieser Funktion war er ein guter Bekannter US-amerikanischer und anderer westlicher Diplomaten. Wenige Tage nach seinem Rücktritt wurde er gleichberechtigt neben Dschibril einer der beiden außenpolitischen Reisebotschafter der Rebellen und war unter anderem an deren Anerkennung durch Frankreich beteiligt.

Ebenfalls am 21. Februar trat Justizminister Dschalil zurück, am folgenden Tag schloß sich auch Innenminister Abdul Fatah Junis, ein Armeegeneral, den Aufständischen an. Schon am 20. Februar war Einwanderungsminister Ali Errischi zu den Rebellen übergelaufen. Allerdings ist dieser Politiker wenig bekannt, so daß sein Schritt kaum in den Medien notiert wurde. Regierungssprecher Mohamed Amer Baju distanzierte sich am 21. Februar öffentlich von Ghaddafi, und Generalstaatsanwalt Abdul-Rahman Al-Abbar erklärte am 25. Februar seinen Rücktritt.

Besonders zahlreich waren Protesterklärungen, teilweise verbunden mit Amtsniederlegungen, im diplomatischen Korps. In einem ganz kurzen Zeitraum zwischen 20. und 25. Februar gingen unter anderem folgende libyschen Botschafter auf Distanz zu ihrer Regierung: Abdel Rahman Schalgam (UNO), Ali Suleiman Aujali (USA), Mohamed Salaheddine Zarem (Frankreich) und Abdulmoneim Al-Honi (Arabische Liga). Ferner auch die Botschafter in Australien, Österreich, Bangladesch, Belgien, Indien, Indonesien, Jordanien, den Niederlanden, Polen, Ungarn, Schweden sowie Dutzende von hochrangigen Botschaftsmitarbeitern und Konsuln.

An so viel Spontaneität innerhalb weniger Tage läßt sich nicht glauben. Offensichtlich gab es innerhalb des politischen und diplomatischen Apparats schon seit einiger Zeit ein gut funktionierendes informelles Netzwerk, das in der Lage war, nach Beginn des Aufstands sehr schnell öffentlich in Erscheinung zu treten.

Noch eindeutiger zeigte sich die Existenz dieses Netzwerks in der unglaublichen Geschwindigkeit, mit der die Rebellen eine einheitliche Führung in Form des Übergangsrats präsentieren konnten. Alle vergleichbaren Beispiele aus anderen Ländern zeigen, daß das normalerweise zumindest ein Prozeß von mehreren Monaten ist, der selbst dann nicht widerspruchsfrei und gradlinig abläuft. Immerhin mußten in 
Libyen zuvor zehn bis zwanzig zum Teil grundverschieden ausgerichtete Gruppierungen unter einen Hut gebracht werden. Außerdem mußte das starke Mißtrauen vieler Altoppositioneller gegen die gerade erst aus dem Führungskreis um Ghaddafi ausgeschiedenen Politiker zumindest für eine Übergangszeit beruhigt und neutralisiert werden. Letztlich war das vermutlich nur dadurch zu erreichen, daß einige ausländische Regierungen und Dienste schon seit Monaten ein strammes Regiment über den »Vereinigungsprozeß« geführt hatten und sich auf maßgebliche Akteure verlassen konnten.

Ein alter Bekannter

Außenminister Mussa Kussa, der sich am 30. März den britischen Behörden stellte, war ein später Nachzügler der wie verabredet laufenden großen Absetzbewegung, ist aber zugleich eine ihrer interessantesten Figuren. Er galt viele Jahre lang als engster Vertrauter Ghaddafis. Zu Beginn des Aufstands hatte er die Rebellen noch ganz im Sinn der Regierungslinie als fanatische islamistische Terroristen dargestellt.

Bevor er im März 2009 ins Kabinett berufen wurde, war Kussa seit 1994, also stattliche 15 Jahre lang, Leiter des Auslandsgeheimdienstes gewesen. Schon zuvor war er jahrelang in di
esem Bereich tätig, soll Attentate geplant, Morde an Exiloppositionellen in Auftrag gegeben und die Unterstützung von nationalen Befreiungsbewegungen organisiert haben. Praktisch alles, was Libyen und speziell Ghaddafi jemals vorgeworfen wurde, vom La-Belle-Anschlag (1986) bis zur Sprengung eines US-amerikanischen Passagierflugzeugs über dem schottischen Ort Lockerbie (1988), war auch mit Kussa in Verbindung gebracht worden.

Die US-Regierung zögerte dennoch nicht lange, schon am 4. April die gegen ihn verhängten Sanktionen aufzuheben und seine beschlagnahmten Konten freizugeben. Die EU folgte am 14. April. Noch schneller war Großbritannien gewesen, obwohl dort zugleich offiziell betont wurde, daß der Libyer keine strafrechtliche Immunität genieße, sondern – unter anderem wegen mutmaßlicher Mitwirkung an libyschen Waffenlieferungen für die IRA – vielleicht sogar mit einem Prozeß rechnen müsse.

Die britischen Behörden hatten andererseits jedoch nichts dagegen, daß Kussa nach einer gründlichen Befragung durch den Geheimdienst MI6 und die schottische Polizei – wegen Lockerbie – Mitte April das Land verließ, um in Katar an einer 
Libyen-Konferenz der Interventionsstaaten teilzunehmen. Kussa residiert seither überwiegend in dem Kleinstaat auf der arabischen Halbinsel, der sich in den vergangenen Jahren zu einem Zentrum internationaler Agententätigkeit und suspekter politischer Umtriebe entwickelt hat. Katar ist im übrigen der einzige arabische Staat, der sich offen und direkt an der Militärintervention der NATO beteiligt hat.

Presseberichten zufolge hat Kussa aufgrund seiner intimen Kenntnisse des libyschen Führungs- und Sicherheitsapparats eine wichtige Rolle als Berater der Interventen gespielt. Insbesondere soll er auch bei der Festlegung der Bombenziele geholfen haben. Er scheint nun darauf zu warten, daß er mit Hilfe seiner westlichen Freunde auf eine leitende Position im postrevolutionären 
Libyen gelangen kann. Die Stimmung der Rebellen ist allerdings gegen ihn. Außerdem wären die immer noch drohenden Strafverfahren in Großbritannien und den USA – die Reihe ließe sich vermutlich erweitern – hinderlich.

Es ist nicht unwahrscheinlich, daß der frühere Geheimdienstchef schon bei der Planung und Vorbereitung der libyschen »Revolution« mit interessierten westlichen Kreisen zusammengewirkt hat. Die Kontakte waren jedenfalls außerordentlich eng, spätestens seit er – hauptsächlich wohl im Auftrag und mit Wissen Ghaddafis – nach dem 11. September 2001 eng mit den westlichen Geheimdiensten bei der weltweiten Terrorismusbekämpfung kooperiert hatte. Er hatte sich darüber hinaus später als Außenminister sehr stark für eine Intensivierung der Beziehungen zum Westen, vor allem zu den USA, engagiert. Sensationalistische Quellen behaupten, Kussa habe schon seit 2001 als Agent für MI6 und CIA gearbeitet. Beweisen läßt sich das jedoch nicht. Es handelt sich um reine Mutmaßungen, die als Tatsachen präsentiert werden.

Der Mann der CIA

Eindeutig ist die CIA-Connection hingegen im Falle von Khalifa Haftar, der eine – allerdings nicht genau definierte – hohe Stellung in der militärischen Hierarchie der Rebellen einnimmt. Der ehemalige Oberst der libyschen Streitkräfte traf am 14. März (oder etwas früher) aus den USA kommend in Bengasi ein und stellte sich schon wenige Tage später als neuer Militärchef des Übergangsrates vor. Der frühere Innenminister Junis, der eigentlich diese Position innehatte, sei ihm von nun an untergeordnet, behauptete Haftar in selbstherrlichem Ton. Die Entscheidung im Rat fiel jedoch schließlich zugunsten von Junis.

Haftar war ein Ghaddafi-Anhänger der ersten Stunde und hatte 1969 als junger Kadett dessen Putsch gegen König Idris unterstützt. Sein Weg zum militanten »Regimegegner« begann, als er 1987 im Tschad zusammen mit über hundert anderen libyschen Soldaten gefangengenommen wurde, die unter seinem Kommando gestanden hatten. Ghaddafi hatte, ebenso wie Frankreich, jahrelang militärische Einmischung in die permanenten Bürgerkriege des Tschad betrieben. Nach seiner Gefangennahme stellte sich Haftar dem Herrscher des Tschad, Hissène Habré, und zugleich auch der CIA zur Verfügung, um eine gegen Ghaddafi gerichtete Truppe, genannt Libysche Nationalarmee (LNA), aufzubauen. Diese wurde der schon 1981 unter kräftiger US-amerikanischer Mithilfe gegründeten Nationalen Front für die Rettung 
Libyens (NFSL) angegliedert, die ein scheinbar demokratisches und liberales Programm vertritt.

Die LNA kam allerdings kaum zum Einsatz, da sich nach dem Sturz Habrés im Dezember 1990 die Beziehungen zwischen 
Libyen und Tschad wesentlich verbesserten. Hunderte von LNA-Mitgliedern wurden mit Hilfe der CIA evakuiert und landeten nach einer Odyssee durch mehrere afrikanische Staaten schließlich in den USA, wo sie Asyl erhielten.

Haftar selbst kam in Vienna, Virginia, unter, das nur wenige Kilometer von der CIA-Zentrale Langley entfernt ist. Er lebte dort fast zwanzig Jahre, bis er sich in Bengasi meldete, um die militärische Führung zu übernehmen. Selbst wenn Haftar schließlich nur zweiter Mann hinter Junis wurde, ist der Vorgang hoch auffällig: Ein Mann, der letztmals vor 23 Jahren Soldaten im Kriegseinsatz kommandiert hat, wird von den Rebellen fast augenblicklich in eine leitende Stellung gehievt. Ohne massive Protektion und Einflußnahme US-amerikanischer Dienststellen bliebe dieser rasante Aufstieg völlig unerklärlich. Berichten zufolge soll der Exoberst für eine Reihe militärischer Mißerfolge der Aufständischen verantwortlich gewesen sein.

Mit der Ermordung von Junis am 28. Juli unter immer noch unerklärten Umständen wurde möglicherweise der Weg für Haftar an die Spitze der Rebellenstreitkräfte freigeschossen. Das läßt einen geheimdienstlichen Hintergrund der Mordtat immerhin als denkbar und plausibel erscheinen. Es bleibt abzuwarten, wie Haftar künftig in der postrevolutionären Hierarchie plaziert werden wird.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß die von den USA aus geleitete und gelenkte NFSL während des gesamten Aufstands kaum in Erscheinung trat. Erst seit wenigen Wochen taucht ihr Generalsekretär, Ibrahim Abdulasis Sahad, verstärkt als Gesprächspartner westlicher Medien auf. Er war schon vor Ghaddafis Staatsstreich von 1969 Offizier und nachrichtendienstlicher Instrukteur in den königlichen Streitkräften, wurde nach der Revolution als Diplomat in mehrere Länder geschickt und setzte sich ungefähr um 1980 ab, um etwas später die NFSL zu gründen. Sahad hat jetzt damit begonnen, ein eigenes politisches Profil gegenüber dem NTC zu entwickeln – und spricht bereits wie Ghaddafi. So etwa, wenn er kategorisch behauptet, in 
Libyen gebe es keine Stammeskonflikte, »There is no tribal conflict«, und Libyen sei einig: »There is no problem of uniting Libya, because Libya is united.« (Interview mit ABC, World Today, 23. August) Man sollte auf den Namen Sahad achten: Er könnte sich künftig zur »Stimme Amerikas« entwickeln.


junge Welt, 31.08.2011



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Bomben- und Propagandakrieg

Joachim Guilliard


Die Diskrepanzen in der Darstellung des Krieges in Libyen könnten kaum größer sein: Während westliche Medien vom Sieg des Volkes über Gaddafi berichten, wird der Sturm auf Tripolis in Lateinamerika, Afrika und Asien als imperiales Verbrechen verurteilt. So prangern 200 prominente afrikanische Künstler, Wissenschaftler und Politiker in einer gemeinsamen Erklärung Frankreich, die USA und Großbritannien als »Schurkenstaaten« an und bezeichnen deren Politik als »ernsthafte Gefahr einer neuen Kolonialisierung« des Kontinents. Hierzulande hingegen halten die tonangebenden Politiker und Publizisten hartnäckig am Bild einer »demokratischen Revolution« fest, deren Entfaltung durch die NATO geschützt wurde. Für den Nahost-Experten Volker Perthes, führender Kopf der regierungsnahen »Stiftung Wissenschaft und Politik«, rechtfertigt der Erfolg das Vorgehen – trotz der von ihm angegeben Schätzung von 30.000 Kriegstoten.

Dabei war von Anfang an klar, daß sich die Aufständischen nur dank der militärischen Unterstützung der Kriegsallianz halten und durchsetzen konnten. Die geringe Stärke der Gegner Gaddafis und der anhaltend große Rückhalt für sein Regime zwang die NATO-Mächte schließlich, die letzte Rücksicht auf die UN-Resolution 1973, die bis dato als Feigenblatt gedient hatte, fallen zu lassen und mit eigenen Truppen die Führung beim Sturm auf die Hauptstadt zu übernehmen.

Als im Juli der Krieg gegen Libyen in den fünften Monat ging und die libyschen Rebellen trotz einer militärischen, finanziellen und politischen Unterstützung, wie sie kaum eine oppositionelle Bewegung je zuvor bekommen hatte, keine nennenswerte Fortschritte erzielten, ging die Stimmung innerhalb der Kriegsallianz in den Keller. »Von inneren Auseinandersetzungen gebeutelt« und »unterminiert durch das rücksichtslose und undisziplinierte Verhalten ihrer Milizen« scheine der Aufstand gegen Oberst Gaddafi in einen trüben Konkurrenzkampf zwischen verschiedenen Fraktionen und Stämmen überzugehen, klagte noch am 13. August die New York Times. >Frankreichs Verteidigungsminister Gérard Longuet sprach im französischen Fernsehen sogar schon von einem Scheitern der militärischen Operation. Die Dinge müßten sich in Tripolis bewegen, so Longuet. »Um es deutlich zu sagen, die Bevölkerung muß sich erheben.«

Die Großdemonstrationen im Juli, bei denen Hunderttausende in Tripolis und anderen Städten gegen die NATO und deren lokale Verbündete demonstrierten, machten diese Hoffnung zunichte. So blieb nur noch Plan B: den Feldzug am Boden selbst zu übernehmen und auch den »Aufstand in Tripolis« selbst zu inszenieren. Mit Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan begann die Kriegsallianz ihre Offensive, die Mitte August zum Durchbruch führte. Rebellenmilizen und aufständische Stammeskämpfer drangen in strategisch wichtige Städte rund um die Hauptstadt vor und schnitten ihr die Versorgungswege ab. Überraschend schnell gelang der Einmarsch in Tripolis.

Von einem »Sieg der Rebellen« oder gar einem »Sturz des Diktators durch das eigene Volk« wie beispielsweise die taz sogleich frohlockte, kann keine Rede sein. Ausschlaggebend für diese Erfolge waren allein die Intensivierung des Luftkrieges und der Einsatz von Elitetruppen der NATO an der Spitze der Rebellenmilizen. Indem die acht kriegführenden NATO-Mächte ihre Luftangriffe nun auf die vorgesehene Marschroute der Rebellenverbände konzentrierten, bombten sie diesen sukzessive den Weg frei; sie »weichten« die Angriffsziele für die Rebellen »auf«, wie es Derek Flood vom US-Think Tank Jamestown Foundation ausdrückt. Ein solches »Aufweichen« durch flächendeckende Bombardierung kostete allein in dem Dorf Majer, nahe der umkämpften Stadt Sliten, über 80 Männern, Frauen und Kindern das Leben.

Wie anschließend immer deutlicher ans Licht kam, hatten britische und französische Elite-Einheiten, unterstützt von jordanischen und katarischen Spezialkräften, die Führung beim Vormarsch übernommen. Diese Elitetruppen wiesen die NATO-Bomber ein und steuerten das Eingreifen der Kampfhubschrauber, die mit ihrer ungeheuren Feuerkraft den Angreifern den Weg freischossen. Sobald die Verteidiger sich gezwungen sahen, sich den Angreifern entgegenzustellen, wurden sie von Kampfjets und Hubschraubern unter Feuer genommen.

Auch libysche Spezialkräfte, die in den letzten Monaten von NATO-Staaten aufgebaut und trainiert worden waren, trugen zu den Erfolgen bei. Ein Teil von ihnen wurde zusammen mit erheblichen Mengen an Waffen und Ausrüstung vor dem Angriff nach Tripolis geschmuggelt, wo sie (lt. CBS News) bewaffnete »Schläferzellen« bildeten. Indem diese im entscheidenden Moment an zentralen Stellen zuschlugen, konnten sie den Eindruck vermitteln, die Hauptstadt wäre in kurzer Zeit in die Hände der Rebellen gefallen.

Diese Art der psychologischen Kriegführung spielte eine entscheidende Rolle. Mit einem Feuerwerk stark übertriebener oder erfundener Erfolgsmeldungen versuchte man, unter den Bewohnern der angegriffen Städte Panik und das Gefühl der Aussichtslosigkeit jeglichen Widerstands zu verbreiten. Indem die internationalen Medien solche Meldungen bereitwillig wiedergaben, verstärkten sie deren Wirkung, während die Zerstörung der staatlichen Radio- und Fernsehsender durch NATO-Bomben der Regierung die Möglichkeit zu Richtigstellungen nahm. Allein die Falschmeldung über die Gefangennahme der Gaddafi-Söhne, die weltweit verbreitet und vom Internationalen Strafgerichtshof bekräftigt wurde, habe den Rebellen einen erheblichen politischen und militärischen Vorteil verschafft, verkündete stolz der Chef des Übergangsrats, Mahmoud Dschibril. Viele Soldaten hätten daraufhin den Kampf aufgegeben (s. Reuters, 23.8.11) Doch in Deutschland erhält man mit manipulierten Bildern angeblicher Jubelfeiern in Tripolis das Bild eines Volkaufstandes aufrecht.

An ein baldiges Ende der Kämpfe in Libyen ist nicht zu denken, noch weniger an eine demokratische Entwicklung. Auch wenn die NATO und ihre Verbündeten endgültig die Oberhand im Land gewinnen, ist nicht zu erwarten, dass sich das Gros der Bevölkerung nun ohne weiteres den Eroberern unterordnet. Ohne militärische Unterstützung wird der »Nationale Übergangsrat« sich nicht lange als neue Regierung halten können. Planungen für die Entsendung von Besatzungstruppen sind daher offenbar seit langem in Gange. Die Ideen orientieren sich an der Kosovo-Mission, die nach Ende des Jugoslawienkrieges 1999 die Verwaltung der abtrünnigen serbischen Provinz übernahm. Ein Hilfeersuchen des Übergangsrats könnte das legale Mäntelchen liefern.

Die Unverfrorenheit, mit der Frankreich, Großbritannien, die USA und ihre Verbündeten vor den Augen der Welt ein Land angriffen, verwüsteten und die Regierung stürzten, ist für die Länder im Süden alarmierend. Viele Beobachter und Analysten, wie der indische Politologe Madhav Das Nalapat, sehen zu Recht einen Rückfall der UNO in die Zeit des Völkerbundes; der hatte sich in den 1920er Jahren zu einem Instrument geopolitischer Interessen vor allem Großbritanniens und Frankreichs entwickelt. Die Sorge der Afrikaner vor einem neuen Kolonialismus ist nicht übertrieben.


Erschienen in Ossietzky 18/2011

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