1. Appell von Ärzten und Therapeuten aus Deutschland an das ICTY

2. Dringender Aufruf, von W.Mueller (Internationale Jugoslawien
Solidarität), mit Anhang:
Ralph Hartmann: "Zweiter Akt in Den Haag" (Aus: "Ossietzky" Nr.21,
Oktober 2002)

3. Klaus Hartmann: "Wegschauprozeß geht weiter" (Ende September 2002)

===

LINKS:

*** zur Internet Seite der Deutschen Sektion des
INTERNATIONALEN KOMITEES FÜR DIE VERTEIDIGUNG VON SLOBODAN MILOSEVIC:
> http://www.free-slobo.de/

*** zum Artikel
"Die NATO benützte den gleichen alten Trick, als sie Milosevic ein
Angebot machte, das er nur ablehnen konnte"
(Robert Fisk zur vorgelegten Irak-UN-Resolution der USA und
Grossbritanniens)
in: The Independent, 04.10.2002
> http://www.imi-online.de/2002.php3?id=252

===

Balkan-Telegramm, 02. November 2002 - http://www.amselfeld.com

+++ MILOSEVICS GESUNDHEITSZUSTAND STELLT URTEIL IN FRAGE
DEN HAAG. Eine erneute Verschlechterung des Gesundheitszustands
von Slobodan Milosevic hat in Den Haag Sorgen um den Fortgang des
Kriegsverbrecherprozesses gegen den jugoslawischen Ex-Präsidenten
aufkommen lassen. Milosevic erschien "wegen extremer Müdigkeit und
Erschöpfung" nicht zu einem Verhandlungstermin vor dem Tribunal, wie
der Vorsitzende Richter Richard May mitteilte. Er habe die
Staatsanwaltschaft und die beteiligten Anwälte gebeten, innerhalb von
sieben Tagen ihre Vorschläge vorzulegen, wie und ob der Prozess am
besten fortgesetzt werden könne, erklärte May.
"In Anbetracht des Gesundheitszustandes des Angeklagten sowie der
Länge und der Komplexität des Falls bemüht sich das Gericht um den
besten Weg, wie der Abschluss des Prozesses gewährleistet werden
kann", sagte der Richter.
Seit Beginn der Verhandlungen am 12. Februar hatte sich Milosevic
bereits drei Mal krank gemeldet. Bei einer Untersuchung des
61-Jährigen stellten Ärzte im August ein "erhöhtes Herzinfarktrisiko"
fest und begrenzten die Verhandlungsdauer auf vier aufeinanderfolgende
Tage alle zwei Wochen. INET-NEWS +++


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Subject: In Sorge um Gesundheit und Leben von Slobodan Milosevic
Date: Wed, 6 Nov 2002 21:30:03 +0100
From: "Klaus von Raussendorff" <redaktion@...>


Appell von Ärzten und Therapeuten aus Deutschland
an das ICTY, Den Haag


Mr. Claude Jorda
Mr. Richard May
Mr. Steven Kay
Mr. Branislav Tapuskovic


Sorge um Leben und Gesundheit von Slobodan Milosevic


Sehr geehrte Herren!

Nach den Meldungen von Nachrichtenagenturen mussten die Verhandlungen
im ?Milosevic-Fall? zum wiederholten Male aus gesundheitlichen Gründen
unterbrochen werden. Nach diesen Meldungen wurde seitens des Gerichts
die Frage aufgeworfen, ob der Prozess zum Ende geführt werden kann,
und die Beteiligten gebeten, diesbezügliche Vorschläge zu machen.

Nach unseren Informationen hat der Gesundheitszustand von Slobodan
Milosevic bereits im Sommer Anlass gegeben, eine gründliche ärztliche
Begutachtung vorzunehmen, die zu Berichten und Verfahrensvorschlägen
führten, die die 3. Kammer in ihren Verhandlungen am 25.07. 2002 ff.
beraten hat.

Es verwundert, dass die damaligen ärztlichen Vorschläge nicht oder nur
teilweise bei der weiteren Prozessführung umgesetzt wurden. Die
empfohlenen Ruhezeiten wurden stark verkürzt, und es fand sogar eine
Rückkehr zu ganztägigen Verhandlungen statt, von denen gänzlich
abgeraten wurde. Die aktuelle Verschlechterung des
Gesundheitszustandes von Slobodan Milosevic erscheint als direkte
Konsequenz der Nichtbeachtung der ärztlicherseits für geboten
erachteten Maßnahmen.

Es ist darüber hinaus nicht nur unverständlich, sondern geradezu
empörend, dass Herr Milosevic weder unter ständiger ärztlicher
Beobachtung und Kontrolle steht, geschweige denn die gebotene adäquate
Therapie erhält.

Dieser nur als unverantwortlich zu bezeichnende Umgang mit einem
Menschen, dessen Gesundheit und Leben Ihnen mit allen Konsequenzen
anvertraut ist, wirft ernsthafte Fragen nach den Gründen auf. Er steht
zumindest in diametralem Widerspruch zu verschiedenen Dokumenten und
Resolutionen der UN über die Behandlung von Inhaftierten, für deren
Gewährleistung doch zumindest Verantwortliche, die sich für Vertreter
einer UN-Institution halten, in vollem Umfang verantwortlich sein
sollten.

Nach der eingetretenen und vom ICTY voll zu verantwortenden Situation
bleibt als die ultimative Konsequenz, Slobodan Milosevic umgehend aus
dieser gesundheits- und lebensbedrohenden Situation zu befreien, ihn
auf freien Fuß zu setzen, damit er sich in Belgrad der längst
überfälligen Therapie durch ihn langjährig behandelnde Ärzte
unterziehen kann.


Hochachtungsvoll

gez.
Matthias Jochheim, Frankfurt/Main
Arzt und Psychotherapeut, Vorstandsmitglied der Deutschen Sektion der
International Physicians for the Prevention of Nuclear War (IPPNW -
Nobel Peace Prize 1985)

gez.
Dr. med. Uta Mader, Köln
Ärztin, Mitglied der IPPNW - Deutsche Sektion, und der VDÄÄ - Verein
der demokratischen Ärztinnen und Ärzte

gez.
Prof. Dr. med. habil. Ilse Eisen-Hagemann, Berlin
Ärztin

gez.
Hans-Peter Brenner, Bonn
Psychotherapeut, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Vereinigung
Koblenz

gez.
Prof. Dr. med. habil. Ingeborg Rapoport, Berlin
Ärztin

gez.
Prof. Dr. med. Dr. phil. Dr. hc. mult. Samuel Mitja Rapoport, Berlin
Arzt


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Date: Wed, 6 Nov 2002 18:00:59 +0100 (CET)
From: wolfgang mueller <karovier@...>

DRINGENDER AUFRUF!!!

Das Leben von Slobodan Milosevic befindet sich in ernster Gefahr.

Seit einigen Tagen ist der "Prozeß gegen Söobodan Milosevic", wie das
absurde Polit-Spektakel, das vor mehreren Monaten zur Rechtfertigung
der NATO-Aggression gegen Jugoslawien mit lautem Getöse eröffnet wurde
und mittlerweile einer totalen Nachrichtensperre unterliegt, weil die
Wahrheit schließlich schwerer wiegt als lautes Propagandageschrei,
unterbrochen.

Der Grund dafür ist die Verhandlungsunfähigkeit von Slobodan
Milosevic, der an lebensbedrohlichen Herzrythmusstörungen und
Bluthochdruck leidet.
Ursächlich dafür müssen die extremen Haftbedingungen gesehen werden,
denen er seit Juni 2001 ausgesetzt ist, sowie die Belastungen, die der
Marathonprozeß in Den Haag mit sich bringt, in dem er sich bislang in
heldenhafter Weise als einzelner einer gigantischen
Propagandamaschinerie der großen westlichen Medienkonzerne,
regierungsamtlicher Lügner vom Schlage Scharping, Clinton oder Blair
und ihrer Justizangestellten, wie Carla Del Ponte entgegenstemmte und
eine Lanze für die Wahrheit und die Ehre und Würde Jugoslawiens und
insbesondere des serbischen Volkes brach, das eben keine Bande von
ruchlosen, marodierenden Schlächtern ist, sondern sich in seiner
gesamten Geschichte als freiheits- und gerechtigkeitsliebendes Volk,
insbesondere im heroischen Partisanenkampf gegen den deutschen
Faschismus, sowie die Erpressungsmanöver und Aggression der NATO,
bleibende Verdienste erwarb.

Am gestrigen Dienstag, dem 5. November kam es in Belgrad zu einem
Treffen zwischen dem amtierenden Präsidenten der Sozialistischen
Partei Serbiens (SPS) und Vorsitzendem der
SLOBODA(Freiheit)-Gesellschaft Bogoljub Bjelica mit dem jugoslawischen
Präsidenten Vojislav Kostunica, um die in Den Haag entstandene
dramatische Zuspitzung der Situation zu diskutieren.
Der Hauptinhalt ihres Gesprächs war, wie das Leben und die Gesundheit
von Slobodan Milosevic geschützt werden können. Medizinische Gutachter
warnten, dass das seit neun Monaten laufende Verfahren, mit seinem
in der Rechtsgeschichte beispiellosen Rythmus, das Leben von
Milosevic aufs Spiel setzt. Er steht unter dem ständigen Risiko, einen
akuten Herzanfall zu erleiden.

Unterstützer von Slobodan Milosevic befürchten, dass auf diese Weise
an Milosevic ein schleichender Mord verübt werden soll. Deswegen
fordert sie die sofortige Rückführung von Slobodan Milosevic nach
Belgrad, um ihm dort die notwendige medizinische Fürsorge
zukommen zu lassen.

Wir rufen zur Unterstützung dieser Forderungen auf.

Proleteri svih zemalja, ujedinite se!

W.Mueller (Internationale Jugoslawien Solidarität)

P.S.: Im Anhang versende ich einen Text des ehemaligen Botschafters
der DDR in Jugoslawien, Ralph Hartmann der in der Oktoberausgabe der
Zeitschrift Ossietzky (Nr.21) erschienen ist.

Der Text kann auch auf der Internetseite der deutschen Sektion des
INTERNATIONALEN KOMITEES FÜR DIE VERTEIDIGUNG VON SLOBODAN MILOSEVIC
gelesen werden:
http://www.free-slobo.de/

Darüberhinaus empfehle ich den Artikel von Jared Israel und Vladimir
Krsljanin: "Hague Tries to Quietly Murder Milosevic" unter:
http://emperor.vwh.net/icdsm/more/tries.htm


Anhang:
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Ralph Hartmann
Zweiter Akt in Den Haag



Auf der Bühne des Jugoslawien-Tribunals am
Churchillplatz 1 in Den Haag hat sich der Vorhang zum
2. Akt des absurden Spektakels mit dem Titel "Prozeß
gegen Slobodan Milosevic" gehoben, in dem der
Aggressor
über den Angegriffenen zu Gericht sitzt. Der von der
NATO initiierte, unter Verletzung der UN-Charta
geschaffene Gerichtshof verhandelt jetzt über die
sogenannte Kroatien- und Bosnien-Klage, die dem
ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Verbrechen gegen
die Menschlichkeit und im bosnisch-herzegowinischen
Falle gar Völkermord vorwirft.

Der 1. Akt, genannt Kosovo-Verfahren, auf den hier
zunächst zurückgeblickt werden soll, entwickelte sich
zu einer einzigen Niederlage der Chefanklägerin und
ihrer Auftraggeber, obwohl es Carla del Ponte an
nichts gefehlt hatte: nicht an geheimdienstlicher
Beihilfe und Wohlwollen der Richter, an politischem
Beistand der meisten NATO-Staaten und willfähriger
Unterstützung der Belgrader Djindjic-Regierung, an
Personal und an Geld - bisher verschlang der
Gerichtshof über eine Milliarde Dollar. Alles mißlang
ihr. Rund 100 Zeugen ließ sie im Gerichtssaal
aufmarschieren, keiner von ihnen bestand die vom
Angeklagten geführten Kreuzverhöre.

Sorgfältig ausgesuchte und präparierte Zeugen aus
Kosovo verhedderten sich allesamt in Widersprüchen.
Sogenannte geschützte Zeugen, deren Identität der
Öffentlichkeit durch allerlei Maskeraden verborgen
blieb, wurden der Lüge überführt oder verweigerten
trotz intensivster Bearbeitung seitens der
Staatsanwaltschaft im letzten Moment die Aussage, so
zum Beispiel der serbische Zeuge K12, dem deshalb
Mißachtung des Gerichtes vorgeworfen und eine
Höchststrafe von 100000 Euro angedroht wurde. Selbst
General a. D. Klaus Naumann, zum Zeitpunkt des
Überfalls auf Jugoslawien Vorsitzender des NATO-
Militärausschusses und von einem der Staatsanwälte als
"bisher bester Zeuge" gerühmt, lieferte der Anklage
keine Pluspunkte. Zwar sagte er zu deren anfänglicher
Freude aus, Milosevic habe ihm indirekt
angekündigt, zur Herstellung eines ethnischen
Gleichgewichtes in Kosovo die Albaner
zusammenzutreiben und erschießen zu wollen. Die Frage,
weshalb er diese schreckliche Ankündigung sogar
gegenüber der NATO, die händeringend nach einer
Kriegsrechtfertigung suchte, jahrelang verschwiegen
habe und weshalb der Belgrader Unhold gerade ihm, dem
mit einem Ultimatum in die jugoslawische Hauptstadt
angereisten NATO-Führer, diese Absicht anvertraut
habe, konnte er leider nicht beantworten. Dafür mußte
er gerichtsnotorisch eingestehen, daß der Krieg gegen
Jugoslawien ohne Mandat des Weltsicherheitsrates,
folglich unter offenem Bruch der UN-Charta, geführt
worden war, zudem mit international geächteten Waffen,
u. a. mit Streubomben und Uran-Munition. Wahrlich ein
glänzender, eben der "beste Zeuge" für den Nachweis
von Kriegsverbrechen!

Schließlich ließ auch der ehemalige Chef des
jugoslawischen Staatssicherheitsdienstes, Rade
Markovic, der als "Insider" gegen Milosevic aussagen
sollte, bei del Ponte wenig Freude aufkommen. Direkt
aus einem Belgrader Gefängnis nach Haag verbracht,
wurde der angekündigte Hauptzeuge der Anklage zu einem
wichtigen Entlastungszeugen für den Angeklagten.
Markovic offenbarte vor Gericht, daß ihm Djindjics
Innenminister Mihajlovic während eines guten
Abendessens außerhalb der Gefängnismauern
Straffreiheit, eine neue Identität, die Ausreise in
ein anderes Land und lebenslange finanzielle
Unterstützung für sich und seine Familie angeboten
hatte, wenn er Milosevic im gewünschten Sinne belaste.
Statt sich dieser Erpressung zu beugen, bestätigte der
Ex-Sicherheitschef, daß Belgrad, also letztlich
Milosevic während des gesamten Kosovo-Konfliktes
strikt befohlen hätten, die Zivilbevölkerung ohne
Unterschied der Nationalität zu schützen und
Kriegsverbrechen, die von Angehörigen der
jugoslawischen Polizei oder Armee begangen worden
waren, zu ahnden. An diesem Punkt des Kreuzverhörs
schaltete der ehrenwerte britische Richter May, nicht
zum ersten Mal, dem Angeklagten das Mikrofon ab.

Nun also, nach der Sommerpause, geht es um die
Verantwortlichkeiten während der Bürgerkriege in
Kroatien sowie in Bosnien-Herzegowina. Und wieder
steht der falsche Mann vor Gericht. Denn Milosevic
unterstützte im Verlauf der bewaffneten
Auseinandersetzungen die fünf aufeinanderfolgenden
internationalen Friedenspläne und erwarb sich um
das Zustandekommen des Friedensvertrages von Dayton
unbestrittene Verdienste, die seinerzeit auch in
NATO-Kreisen gewürdigt wurden.

Die eigentlichen Verantwortlichen an der Tragödie, die
zielstrebig mitwirkten, die jugoslawische Föderation
zu zerschlagen, bleiben ungeschoren. Einer von ihnen
ist bekanntlich Hans-Dietrich Genscher, damaliger
deutscher Außenminister, der den innerjugoslawischen
Konflikt schürte und als erster der jugoslawischen
Teilrepublik Kroatien die Unabhängigkeit in Aussicht
stellte, wenn nur die militärischen
Auseinandersetzungen weitergingen. Seine Mitschuld am
apokalyptischen Untergang Tito-Jugoslawiens liegt
offen zu Tage.
Selbst seine NATO-Amtskollegen, der US-Amerikaner
Warren Christopher und der Franzose Roland Dumas,
haben freimütig erklärt, daß mit der "voreiligen und
überstürzten Anerkennung" Sloweniens und Kroatiens die
"Möglichkeiten für eine Verhandlungsregelung vertan
wurden" und die "Verantwortlichkeiten Deutschlands und
des Vatikans ... offenkundig enorm waren". Henry A.
Kissinger stellte ohne größere Umschweife fest, daß
die ebenfalls von Genscher vorangetriebene Anerkennung
eines unabhängigen bosnischen Staates durch die NATO
"nicht die Geburt eines Landes, sondern einen
Bürgerkrieg bewirkte".

Doch Genscher ist ein Ehrenmann, und Milosevic, das
Balkanmonster, steht vor Gericht. Für den 2. Akt des
Spektakels hat Carla del Ponte bisher 177 Zeugen
angekündigt, die der sich weiterhin selbst
verteidigende Milosevic ins Kreuzverhör nehmen muß und
wird. Während der kurzen Sommerpause hatte er hinter
den schattigen Mauern des Gefängnisses in Scheveningen
ausreichend Muße, sich darauf vorzubereiten. Großzügig
hatte ihm das Gericht dafür 97 000 Seiten Text und
mehrere Hundert Ton- und Videobänder übergeben...

In seinem Eingangsplädoyer machte Milosevic darauf
aufmerksam, daß es weder in Bosnien noch in Kroatien
eine Aggression, sondern einen Bürgerkrieg gab, in dem
sich die Serben gegen die Sezession und deren
Folgen verteidigten. Er wolle, so der Angeklagte,
keineswegs bestreiten, daß im Verlauf dieser
Auseinandersetzungen Kriegsverbrechen verübt wurden,
deren "Opfer alle drei Völker waren". Im Bürgerkrieg
hätten "die Serben den Serben geholfen, was hier zum
Verbrechen erklärt wird. Aber weshalb", so fragte er,
"ist es dann kein Verbrechen, daß der Vatikan Geld für
die Beschaffung von Waffen für Kroatien gab? Weshalb
sind die Serben Verbrecher, aber der Papst
ist der ´Heilige Vater´?"

Verständlicherweise blieb die Staatsanwaltschaft die
Antwort schuldig. Statt dessen erklärte del Pontes
Stellvertreter Geoffrey Nice in düsterer Vorahnung
neuer Niederlagen: "Milosevic handelte aus einer
leeren Kanzlei, und wie alle Verbrecher und
Kriminellen hat er keine Spuren und schriftliche
Beweise hinterlassen. Mit Personen hat er sich nur
persönlich getroffen. Hieraus resultiert auch das
Problem mit den Zeugen, besonders aus der Kategorie
seiner nächsten Mitarbeiter, die in Versuchung geraten
könnten, nicht die Wahrheit zu sagen!"

Offensichtlich befürchtet die NATO, daß die von ihr
engagierten Hauptdarsteller und Komparsen auch im 2.
Akt der ihnen übertragenen Rolle nicht gerecht werden
könnten. Deshalb behandeln die NATO-konformen Medien,
also fast alle, den geplanten sensationellen Schau-
vorerst weiterhin als Geheimprozeß. Er eignet sich
eben ganz und gar nicht dazu, die NATO-Aggression
gegen Jugoslawien im nachhinein zu rechtfertigen. Aber
ganz gleich, was die Beweisaufnahme erbringt, Richter
May, der Herr der Mikrofone, wird sich schwerlich
davon
abbringen lassen, am Ende ein Urteil nach den Wünschen
Washingtons, Londons, Berlins und der kläglichen
Chefanklägerin zu sprechen.

aus der Zweiwochenschrift Ossietzky (Nr. 21)


=== 3 ===


Date: Fri, 27 Sep 2002 17:58:04 +0200
From: <w.schulz@...>


Klaus Hartmann

Wegschauprozeß geht weiter

Verfahren gegen Slobodan Milosevic wird mit Komplex Kroatien/Bosnien
fortgesetzt

Am heutigen Donnerstag beginnt beim sogenannten Haager Tribunal die
»zweite Runde« gegen den früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan
Milosevic.
Nach vier Wochen Sommerferien gab es Ende August bis zum 11.09.2002
erstnoch 14 Tage »Nachsitzen« zum Thema Kosovo, und nach weiteren
vierzehn Tagen Pause will nun »Chefanklägerin« Carla del Ponte mit den
nachgelegten Anlagen zu Kroatien und Bosnien versuchen, ihr
Kosovo-Debakel wieder wett zu machen.

Nur – wer weiß von dem Debakel? Die Öffentlichkeit hat seit
Monaten kaum etwas vom Verlauf des Prozesses vernommen, da die
übergroße Mehrheit aller Medien auf jede Berichterstattung über den
Haager Schauprozeß ebenso verzichtete wie auf irgendeine Kommentierung
der Zwischenbilanz.

Dieses Schweigen ist beredt, nichts beweist besser, daß das Verfahren
die Erwartungen der Förderer des Tribunals in Den Haag maßlos
enttäuscht hat.
Was als Schauprozeß gedacht war, ist für die Mehrzahl der Medien zum
Wegschau-Prozeß geworden. Daraus spricht die pure Enttäuschung
darüber, daß die erwartete Überführung des allenthalben als
»Schlächter vom alkan« vorverurteilten Delinquenten nicht gelang und
in den Augen der rapide abnehmenden Zahl von Prozeßbeobachtern auch
immer unwahrscheinlicher wird.

Daß del Ponte das Blatt zu ihren Gunsten wenden könnte, wird
überwiegend bezweifelt, wie an den wenigen vereinzelten Berichten
dieses Sommers zu erkennen ist: »Zweifel sind angebracht, ob das
Tribunal seine Aufgaben tatsächlich in der vorgesehenen Frist erfüllen
kann«, meldete das Neue Deutschland am 22. Juni: »Denn es knirscht
merklich im Getriebe des Internationalen Gerichtshofes, dessen
Tätigkeit immer weniger Aufmerksamkeit findet.« Und in seiner Ausgabe
vom 5. August sieht das gleiche Blatt die Sommerpause als Erholung für
eine genervte Mannschaft dringend geboten:
»Der Haager Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY)
macht Urlaub. Die Damen und Herren scheinen es nötig zu haben, denn
die Stimmung in den Büros ist denkbar schlecht. Der alles andere als
günstig verlaufende Prozeß gegen Slobodan Milosevic« habe »Carla del
Ponte nervlich offenbar ziemlich belastet«.

Die Neue Zürcher Zeitung attestierte am 20. Juni, daß der »Angeklagte«
die »Kreuzverhöre in den vergangenen vier Monaten zum Teil überzeugend
geführt hat. Gelegentlich sogar dermaßen gut, daß sich der Beobachter
im Gerichtssaal die Frage stellte, wer denn eigentlich in diesem
Prozeß angeklagt.«

Nachdem die Zeugen der Anklage sich regelmäßig als Zweite-Hand-Zeugen
erwiesen, die nur vom Hörensagen berichten konnten oder sich
hoffnungslos in Widersprüche verstrickten bzw. früher gemachte
Aussagen widerriefen oder ganz einfach als gekaufte Mitarbeiter
westlicher Geheimdienste entlarvt wurden, setzte Frau del Ponte auf
eine zweite Kategorie von Zeugen. Auf NATO- oder CIA-Angehörige oder
Politiker, die ihren seit Jahren notorischen Serbenhaß auch in Den
Haag »bezeugten«. Sie bewiesen in erster Linie ihre verbohrt
ideologische Sichtweise, worin sie freilich mit qualifizierten
Tribunal-Personal übereinstimmten.

Allerdings war diesen Hochkarätern, u. a. William Walker, der
»Massaker«-Entdecker, NATO-General Klaus Naumann, Kolonialgouverneur
Lord Ashdown und Rambouillet-Erpresser Wolfgang Petritsch, noch eine
besondere Funktion in der Beweisführung zugedacht. Um zu einem
Schuldspruch zu kommen, muß nach den selbstverfaßten Regeln dieses
Tribunals nicht bewiesen werden, daß Slobodan Milosevic Verbrechen
geplant oder befohlen hat. Schon wenn er von ihnen erfahren und sie
nicht verhindert habe, ist er schuldig.
Doch selbst grundsätzliche Anhänger des Tribunals äußern Zweifel, daß
dies del Ponte gelungen ist.

Klaus Bachmann ist einer der wenigen Journalisten, die zumindest alle
paar Wochen aus Den Haag berichten, mal mehr, mal weniger objektiv. In
der Frankfurter Rundschau vom 7. August schrieb er unter der
bemerkenswerten Überschrift »Im Haager Tribunal gegen Slobodan
Milosevic regiert der Zufall, die Wahrheit über Jugoslawien wird dabei
nicht herauskommen«: »Belasten einzelne Zeugen den Angeklagten, weil
sie gegen ihn oder sein Land voreingenommen sind? NATO-General Klaus
Naumann hat Milosevic schwer belastet mit seiner Aussage, dieser habe
Schnaps trinkend Massaker an Albanern angekündigt und sei von ihm über
das Massaker in Racak informiert worden. Das würde nach dem Statut des
Tribunals für eine Verurteilung genügen – wenn Milosevic
seinerseits damals Anlaß hatte, Naumann zu glauben. Wie glaubwürdig
waren für Milosevic Naumanns Worte, wußte er doch, daß alle
Informationen von dem US-Diplomaten William Walker
stammten? Welchen Einfluß Walkers proalbanische Haltung auf seine
Haltung gegenüber Milosevic damals und auf seine Aussage vor dem
Tribunal hatte, wurde nie ausgelotet, bedauerte das NRC Handelsblatt
am Tag nach Walkers Auftritt in den g.«

Am 26. Juli 2002, dem letzten Verhandlungstag vor der Sommerpause,
sollte nach vielen Flops endlich ein ernsthafter Schlag gegen den
Angeklagten geführt werden. Die Anklage hatte einen »Insider«, einen
Kronzeugen, geladen, den früheren Chef der jugoslawischen
Staatssicherheit, Rade Markovic. Der war allerdings zuvor von den
Belgrader NATO-Statthaltern um Djindjic & Co. inhaftiert und für den
Prozeß präpariert worden, so daß eine schriftliche Aussage Markovics
vorlag, die den früheren jugoslawischen Präsidenten beschuldigte, die
planmäßige Vertreibung der Kosovo-Albaner angeordnet zu haben.
Entsprechend gut gelaunt und erwartungsfroh waren del Ponte und ihr
Anhang. Doch in der Neuen Zürcher Zeitung vom 27. Juli mußte
man lesen: »Einer der wichtigeren Zeugen im Haager Prozeß gegen den
früheren jugoslawischen Präsidenten Milosevic zu Kosovo, der frühere
serbische Geheimdienstchef Rade Markovic, hat sich am Freitag vor dem
UNO-Kriegsverbrechertribunal von einer schriftlichen Erklärung
distanziert, die er früher in Belgrad unterzeichnet hatte. Markovic,
der zur Befragung aus seiner Untersuchungshaft in Belgrad nach Den
Haag überstellt wurde, erklärte, er habe das Papier zwar
unterschrieben, den Inhalt jedoch nicht gelesen. Ihm sei der Vorschlag
unterbreitet worden, eine neue Identität anzunehmen und sich ins
Ausland abzusetzen. Als Gegenleistung sei von ihm verlangt worden,
Milosevic zu belasten; andernfalls müsse er mit ernsthaften
Konsequenzen rechnen.«

Das Internationale Komitee für die Verteidigung von Slobodan Milosevic
zieht aus dem Fiasko von del Pontes »Kosovo-Anklage« den zwingenden
Schluß, daß die unverzügliche Freilassung des Angeklagten überfällig
ist. Zumal der jetzt beginnende Schauprozeßteil über Kroatien und
Bosnien nur noch weniger Verwertbares zutage fördern kann: Slobodan
Milosevic wird als ehemaliger Präsident Serbiens angeklagt, für
Ereignisse, die in anderen Ländern stattfanden, an denen andere Armeen
beteiligt waren, die unter anderem Befehl gestanden haben.

* Klaus Hartmann ist Vizepräsident des Internationalen Komitees für
die Verteidigung von Slobodan Milosevic und Sprecher der Deutschen
Sektion