J. Elsaesser: Serbien im Zangengriff


1. ### Veranstaltung: CIA und Al Qaida. Wie der Dschihad nach Europa kam
am Freitag, 10. März, um 16.30 Uhr in Berlin-Mitte ###


2. Serbien im Zangengriff
Eine entscheidende Phase für die Zukunft des Landes: ein albanischer
Terrorist als Kosovo-Premier, EU-Ultimatum wegen Mladic, drohende
Abspaltung von Montenegro

3. Privatisierung im Kosovo: Serbien doppelt betrogen

4. »Separatisten verfügen über Mafiageld«
Am 21. Mai wird es in Montenegro eine Volksabstimmung über die
mögliche Abspaltung von Serbien geben. Die Opposition hat nach
Verhandlungen zugestimmt. Gespräch mit Vlado Djekic, Vizepräsident der
»Bewegung für den Erhalt des gemeinsamen Staates Serbien-Montenegro«


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Subject: Veranstaltung / Serbien in der Entscheidung
Date: Sun, 5 Mar 2006 22:16:32 +0100

Dragi prijatelji,

entscheidende Wochen für Serbien liegen vor uns: Die Albaner
unterstreichen mit der Wahl des UCK-Kriegsverbrecher Agim Ceku zum
Kosovo-Präsidenten ihre Kompromißunwilligkeit bei den sogenannten
Endstatus-Gesprächen; für Montenegro wurde das Sezessionsreferendum
auf 21. Mai terminiert; Ratko Mladic wird von der EU als Druckmittel
gegen Belgrad benutzt.

Lesen Sie dazu meine Artikel in der aktuellen Ausgabe der Tageszeitung
Junge Welt von Montag, 6. März 2006 (s. Anhang).

Am kommendem Freitag referiere ich in Berlin zum "Dschihad auf den
Balkan".
Einladung mit Ort und Zeit siehe unten.

Zu weiteren Veranstaltungen auch zum Thema Kosovo bin ich gerne bereit.

Puno pozdrava
Jürgen Elsässer


CIA und Al Qaida Wie der Dschihad nach Europa kam

Karikaturenstreit, gewalttätige Demonstrationen, Feindbild Dänemark,
Feindbild Iran ... Fast sieht es so aus, als ob Europa und die
islamische Welt nun den Kampf der Kulturen begonnen haben, den der
US-Amerikaner Samuel Huntington vorausgesagt hat. Wem wird das wohl
nützen?

Ein Blick auf Jugoslawien kann helfen, kühlen Kopf zu bewahren. Dort
lebten nach 1945 die verschiedenen Ethnien und Religionen nicht
konfliktfrei, aber letztlich friedlich zusammen. Auch in Bosnien, wo
die Moslems die relativ größte Bevölkerungsgruppe waren, bekamen
radikale Fundamentalisten bei den ersten Mehrparteienwahlen 1990 keine
Mehrheit unter ihren Glaubensgenossen.

Doch alles änderte sich, als der Westen die Dschihadisten zu
unterstützen und aufzurüsten begann. Der bosnische Bürgerkrieg 1992
1995 ist, wie in den achtziger Jahren der Krieg in Afghanistan,
geprägt vom Zusammenspiel zwischen US-amerikanischen Geheimdiensten
und Gotteskriegern. Die besten Kämpfer Allahs standen auf der
Gehaltsliste des Pentagon. Das hatte Fernwirkungen: Fünf der sieben
Schlüsselfiguren der Anschläge des 11. September 2001 waren
Mudschahedin, die das Töten zuvor auf dem Balkan gelernt hatten. Beim
Terror am 7. Juli 2005 in London zog ein islamischer V-Mann des
britischen MI6 die Fäden, der im Kosovo schon die albanische
Untergrundbewegung UCK unterstützt hatte.

Über all dies berichtet Jürgen Elsässers aktuelles Buch "Wie der
Dschihad nach Europa kam. Gotteskrieger und Geheimdienste auf dem Balkan".

Elsässer stellt es auf Einladung der Zeitschrift "Rotfuchs" vor, und zwar
am Freitag, 10. März, um 16.30 Uhr (!), in Berlin-Mitte, Volkssolidarität,
Torstraße 203-205.


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http://www.jungewelt.de/2006/03-06/index.php

Junge Welt (Berlin), 06.03.2006
Serbien im ZangengriffEine entscheidende Phase für die Zukunft des
Landes: ein albanischer Terrorist als Kosovo-Premier, EU-Ultimatum
wegen Mladic, drohende Abspaltung von MontenegroVon Jürgen Elsässer

Erinnert sich noch jemand an die jüngste Gerüchteküche über den
flüchtigen Serbengeneral Ratko Mladic in den Tagen nach dem 21.
Februar? Seine Verhaftung stünde unmittelbar bevor, schrieben die
einen, er sei sogar schon auf dem Weg zum Strafgerichtshof in Den
Haag, verstiegen sich andere. Die ganzen Presseenten könnte man
vergessen, hätten sie nicht ein bezeichnendes Ergebnis gehabt. Weil
wieder einmal kräftig an der Legende gestrickt wurde, das offizielle
Belgrad wisse eigentlich genau Bescheid über die Zufluchtsstätte des
Gesuchten, fühlte sich die EU am 27. Februar legitimiert, ein
Ultimatum zu stellen: Bis zum 1. April müsse Mladic ausgeliefert sein,
ansonsten könne die EU den Assoziierungsprozeß aussetzen.
Ein angesehener Terrorist
Selbstverständlich hielt sich die Journaille bei der Kennzeichnung des
Generals nicht zurück. Beliebt war der Ausdruck »Balkanschlächter«,
der Begriff »Kriegsverbrecher« durfte jedenfalls in keinem Artikel
fehlen. Mladic sei hauptverantwortlich für die Morde an angeblich 8000
Moslems im Juli 1995 im bosnischen Städtchen Srebrenica, konnte man
überall lesen. Sehr viel freundlicher gehen die westlichen Medien mit
einem Oberbefehlshaber um, der nicht für, sondern gegen die Serben
gekämpft hat. Am 3. März wurde Agim Ceku für den Posten des Premiers
der noch-serbischen Provinz Kosovo nominiert (jW berichtete). Als
»strategisch versiert«, rühmte ihn die Frankfurter Rundschau gleich in
der Überschrift, »für die internationale Gemeinschaft ist er ein
stabiler Partner«, hieß es im weiteren. Von einem »früheren
Rebellenführer«, der »sehr populär« sei, berichtete der britische
Staatssender BBC. Der Albaner kämpfte zunächst für die kroatische
Armee und war federführend an der Medak-Offensive 1993 sowie an der
»Operation Sturm« 1995 beteiligt, in deren Verlauf 100 beziehungsweise
2000 Serben getötet wurden. Im Februar 1999 avancierte er zum
Generalstabschef der kosovoalbanischen Untergrundbewegung UCK. Nach
der Besetzung des Kosovo durch die NATO im Juni 1999 wurde die UCK in
das Kosovo-Hilfskorps (TMK) aufgelöst und Ceku zu dessen Kommandeur
ernannt. In dieser Position habe er sich »tadellos« geführt, konnte
man jetzt in der FR lesen. Die OSZE ist anderer Ansicht. Als es nach
dem Abzug der jugoslawischen Armee im Sommer 1999 im Kosovo zu einer
Welle von Pogromen gegeben Serben kam, war für die Organisation klar,
»daß das Ausmaß der UCK- (und nun der TMK-)Verwicklung von solchem
Charakter und Zuschnitt ist, daß die Frage einer expliziten oder
stillschweigenden Verwicklung der Führungsspitze eine genaue
Untersuchung der internationalen Gemeinschaft erfordert.« Die
Führungsspitze – das war Ceku.
Druck auf die Serben
Ist es vorstellbar, daß die Serben einen solchen Oberterroristen als
Premier und damit als Gesprächspartner bei den
Kosovo-Endstatusgesprächen akzeptieren können? »Die Albaner haben
offenbar die Nerven verloren«, kommentierte am vergangenen Donnerstag
Sanda Raskovic-Ivic, die Kosovo-Beauftragte der Belgrader Regierung.
Möglicherweise steckt aber auch Kalkül dahinter: Man will die Serben
durch die Wahl Cekus zum Premier so provozieren, daß sie einseitig die
Wiener Verhandlungen abbrechen und dann als die Kompromißunwilligen
dastehen.
Dafür spricht, daß offensichtlich der US-Vertreter in Kosovo, Philip
Goldberg, höchstpersönlich hinter dem Coup steckt. Er soll Anfang
vergangener Woche den damals noch amtierenden Premier Bajram Kosumi
und den Parlamentspräsidenten Nexhat Daci zu sich gebeten und sie im
Doppelpack zum Rücktritt gedrängt haben. Die US-Amerikaner sind
unzufrieden über den Verlauf der Wiener Kosovo-Konferenz. Bei der
ersten Runde am 20. und 21. Februar war die serbische Delegation nach
Auskunft von Teilnehmern gut aufgestellt und glänzte durch
Detailkenntnis und konkrete Vorschläge zur Verbesserung der
Lebensbedingungen in der Provinz. Demgegenüber agierten die Albaner
steif und wiederholten nur deklamatorisch ihre Maximal-Forderungen.
»Es ist bedauerlich, daß die Weltöffentlichkeit vom positiven
Auftreten der serbischen Delegation praktisch nichts mitbekommen hat.
Statt über die Verhandlungen zu berichten, waren die großen
Nachrichtensender am Abend fast ausschließlich damit beschäftigt, mit
der Falschmeldung über die angebliche Verhaftung Mladics Schlagzeilen
zu machen. Fast könnte man meinen, das ganze sei ein Medien-Spin
gewesen, um die Nachrichten in eine gewünschte Richtung zu lenken«,
sagte Mira Beham, stellvertretende Ständige Vertreterin von Serbien
und Montenegro bei der OSZE in Wien, gegenüber junge Welt. In der
aktuellen Ausgabe des Belgrader Nachrichtenmagazins NIN wird
jedenfalls mit Bezug auf serbische Sicherheitskreise behauptet, die
Mladic-Ente sei von britischen nachrichtendienstlichen Kreisen
lanciert worden.
Bevor es Mitte März mit den Kosovo-Verhandlungen weiter geht, müssen
die Serben nervös gemacht werden, denken sich wohl einige Leute in
Washington und Brüssel. Dazu gehört unter anderem die Ankündigung
eines Referendums in Montenegro. Gelingt den Separatisten dort dank
des von der EU deutlich abgesenkten Zustimmungsquorums ein Durchbruch
(siehe Interview), stünde völkerrechtlich auch einer Abspaltung des
Amselfeldes nichts mehr im Wege. Denn die UN-Resolution 1244 sieht
zwar die Zugehörigkeit der Provinz zu Serbien-Montenegro vor. Wenn
aber dieser Staat auseinanderbricht, ist das Kosovo juristisch frei
aller Bindungen.


=== 3 ===

Privatisierung im Kosovo: Serbien doppelt betrogen
Die Privatisierung im Kosovo unter Leitung des früheren Sindelfinger
Oberbürgermeisters Joachim Rücker geht weiter. Aktuell vorbereitet
wird der Verkauf eines Freizeitzentrums in der Nähe der serbischen
Enklave Strpce. Im größten Siedlungsgebiet nicht-albanischer
Minderheiten außerhalb der Großstadt Mitrovica/ Nord leben ungefähr
12000 Serben. Viele arbeiten bei der Firma Index, die Skilifte und
Hotels betreibt. Wenn der Komplex von der UN-Verwaltung UNMIK
veräußert wird, wird das Unternehmen keinen Cent Entschädigung
bekommen, geschweige denn Belgrad, das den Aufbau der Anlagen zu
sozialistischen Zeiten finanziert hat.
Während auf der einen Seite der serbische Besitz in der Provinz
entschädigungslos an neue Eigentümer fällt, ist Serbien weiter
verpflichtet, für die Schulden Kosovos aufzukommen. Durch strenge
Sparzusagen gegenüber dem Internationalen Währungsfonds (IWF) konnte
Belgrad die Verschuldung des Kosovo von 1,7 Milliarden auf 1,02
Milliarden Dollar senken – Sparzusagen gegenüber der eigenen,
serbischen Bevölkerung wohlgemerkt. Darüber hinaus hat Serbien bereits
130 Millionen US-Dollar an Zinszahlungen auf die Kosovo-Schulden
geleistet, umgerechnet 3,6 Millionen US-Dollar pro Monat oder 120000
Dollar Tag für Tag.
Die albanische Provinzregierung vergilt die Großzügigkeit auf ihre
Weise: Sobald ein serbischer Haushalt mit den Stromzahlungen im
Rückstand ist, wird die Versorgung gestoppt. »Die serbischen
Siedlungen und Enklaven ... werden nur sporadisch mit Elektrizität
versorgt, und das hat sie an den Rand einer humanitären Katastrophe
gebracht«, klagten Premier Vojislav Kostunica und Präsident Boris
Tadic in einem gemeinsamen Brief an UN-Generalsekretär Kofi Annan. Das
war Anfang Februar. Seither hat sich nichts geändert – nichts am
Blackout und nichts an der eisigen Kälte.

Jürgen Elsässer


=== 4 ===

http://www.jungewelt.de/2006/03-06/index.php

Junge Welt (Berlin), 06.03.2006

»Separatisten verfügen über Mafiageld«
Am 21. Mai wird es in Montenegro eine Volksabstimmung über die
mögliche Abspaltung von Serbien geben. Die Opposition hat nach
Verhandlungen zugestimmt. Gespräch mit Vlado Djekic
* Vlado Djekic ist Vizepräsident der »Bewegung für den Erhalt des
gemeinsamen Staates Serbien-Montenegro«, ein Dachverband von 100
Organisationen mit angeblich 100000 Mitgliedern


F: Das Parlament Montenegros hat am vergangenen Donnerstag fast
einstimmig die Durchführung eines Referendums über die mögliche
Unabhängigkeit beschlossen. Worum geht es?

1992 bildeten Serbien und Montenegro als einzige Republiken des alten
sozialistischen Jugoslawiens die neue Bundesrepublik Jugoslawien. Im
Jahre 2003 wurde der Staatsname in Serbien-Montenegro geändert. Am 21.
Mai sollen nun die ungefähr 470000 Stimmbürger im kleineren Teil des
Gesamtstaates darüber entscheiden, ob »die Republik Montenegro ein
unabhängiger Staat mit allen völkerrechtlichen Zuständigkeiten wird« –
so die Formulierung auf dem Stimmzettel.

F: Ihre Bewegung, ein Zusammenschluß aller serbischen oder
proserbischen Oppositionsparteien, kämpft für den Erhalt des
Gesamtstaates. Warum unterstützen Sie das Referendum?

Vor allem deswegen, weil es in der jetzt beschlossenen Fassung anders
ablaufen wird, als es von der Regierung gedacht war. Im Auftrag der
Europäischen Union verhandelte der Slowake Miroslav Lajcak in den
vergangenen Wochen mit allen Parteien. Dabei machte er Druck für die
Lösung, die jetzt auch angenommen wurde: Eine Abspaltung wird nur dann
Rechtsgültigkeit beanspruchen können, wenn ihr mehr als 55 Prozent der
Abstimmenden zustimmen. Das ist weniger, als unsere Bewegung erhofft
hat – wir bestehen weiter darauf, daß eine solch schwerwiegenden
Entscheidung eigentlich der Zustimmung von mehr als der Hälfte der
Abstimmungsberechtigten bedarf.

F: Wenn im Falle einer 50-Prozent-Wahlbeteiligung eine
55-Prozent-Mehrheit entscheiden kann, sind das nur 27,5 Prozent der
Wahlberechtigten. Mit Demokratie, also Mehrheitsentscheid, hat das
nichts zu tun, oder?

Was hätten wir tun sollen? Uns dem von der EU vorgeschlagenen
Kompromiß verweigern? Dann hätte man uns als starrköpfige Hardliner in
die Ecke gestellt und isoliert. Der Druck der EU war so stark, daß wir
nicht Nein sagen konnten. Außerdem stimmt Ihre Berechnung nur
theoretisch. In der Praxis lag die Wahlbeteiligung bei allen
Urnengängen, die in Montenegro seit 1990 stattgefunden haben,
mindestens bei 72 oder 74 Prozent. Bei einem Referendum von solcher
Tragweite wird sie noch weit höher liegen.

F: Müssen Sie nicht Manipulationen durch die Regierung führchten?

Leider ja. Die Separatisten verfügen über weit größere Geldmittel, vor
allem über dunkle Kanäle zur Mafia. Gegen Premier Milo Djukanovic
wurde in Italien bereits wegen Verwicklung in großangelegten
Zigarettenschmuggel ermittelt. Noch ein Beispiel: Vor einigen Wochen
gab es ein schreckliches Eisenbahnunglück in Montenegro mit über 40
Toten. Seitens der EU und internationaler Organisationen wurden
humanitäre Spenden in Millionenhöhe überwiesen, von denen allerdings
bisher kein Cent bei den Opfern und Hinterbliebenen ankam. Wir
befürchten, daß Djukanovic sie in einer schwarzen Kasse gebunkert hat,
aus der er seine Referendumskampagne finanziert. Uns sind zum Beispiel
Fälle bekannt geworden, wo man unserer Bewegung nahestehenden Bürgern
ihren Paß für die Zeit bis zum 21. Mai abkaufen wollte, damit sie
nicht abstimmen können.

F: Zur Chancengleichheit gehört auch der Zugang zu den Medien. Die
aber werden in Montenegro fast alle von der Regierung kontrolliert.

In der Übereinkunft mit der EU wurde ein Passus zum ausgewogenen
Medienzugang aufgenommen.

F: Was passiert, wenn die Separatisten eine Mehrheit bekommen, aber
unter 55 Prozent liegen?

Dann bleibt Montenegro bei Serbien, so sieht es der von der EU
vermittelte Kompromiß vor. In der Regierung wollten einige auch in
diesem Fall die Unabhängigkeit ausrufen, doch im Parlament haben wir
sie gezwungen, die Festlegung öffentlich anzuerkennen.

F: Im Westen heißt es, der Nein-Block bestünde vor allem aus
serbischen Nationalisten.

Das ist lächerlich. Auch die muslimische Minderheit im Norden
Montenegro ist für den Erhalt der Union mit Serbien.

Interview: Jürgen Elsässer