Kosmet (deutsch)

1. Verhandlungen nach Rambouillet-Muster
Endstatusgespräche für das Kosovo. Kontaktgruppe unterstützt
albanischen Separatismus. Terror geht weiter
(jW 10.10.2005 - Jürgen Elsässer)

2. Terrortruppe im NATO-Gebiet
KFOR bestätigt Berichte über bewaffnete Gruppe im Kosovo
(jW 20.10.2005 - Rüdiger Göbel)

3. Kosovo: Kriegsverbrecher zum Premier gewählt (jW 11.3.2006)

4. Weltbankkredite nur bei Kosovo-Abspaltung (jW 18.3.2006)

5. (K)ein kleineres Übel
Kosovo: Differenzen zwischen Berlin und den proalbanischen Hardlinern
in Washington und London.
(jW 1/4/2006 - Jürgen Elsässer)

6. Kriegsverbrecher zu Gast
Agim Ceku, Ministerpräsident des Kosovo, zur Audienz bei
Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Haftbefehl von Interpol nicht
aufgehoben
(jW 18.5.2006 - Jürgen Elsässer)

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LINKS:

18.05.2006: UCK-Lobby will Wahlantritt der WASG-Berlin unterstützen
(Jürgen Elsässer)

http://www.jungewelt.de/2006/05-18/002.php?sstr=Kosovo

17.05.2006: Kostunica lobt Merkel (Jürgen Elsässer)

http://www.jungewelt.de/2006/05-17/027.php?sstr=Kosovo

11.05.2006: UCK-Rädelsführer in Hessen festgenommen

http://www.jungewelt.de/2006/05-11/059.php?sstr=Kosovo

28.04.2006: Die Balkan-Spur

Der mutmaßliche Drahtzieher der Terroranschläge vom 7. Juli 2005 in
London war für den britischen Geheimdienst MI 6 im Kosovo aktiv
(Von Jürgen Elsässer)

http://www.jungewelt.de/2006/04-28/005.php?sstr=Kosovo

Newsletter vom 31.10.2005 - Neuer Vasall

BELGRAD/PRISTINA/BERLIN (Eigener Bericht) - Kurz vor dem Beginn der
Verhandlungen über die Abtrennung des Kosovo von Serbien fördert die
Bundesregierung Kosovo mit Wirtschaftshilfen. Die Unterstützung des
Sezessionsgebiets wurde in einem Memorandum bei der UN-Verwaltung in
Pristina hinterlegt und beinhaltet deutsche Finanzleistungen in Höhe
von 22,5 Millionen Euro. Damit setzt die Berliner
Unterstützungszahlungen fort, die sich seit dem Überfall auf
Jugoslawien im Jahr 1999 auf insgesamt 150 Millionen Euro belaufen.
Die Loslösung des Kosovo aus dem serbischen Territorium, die als Ziel
der Anfang November beginnenden Verhandlungen gilt, wird seit Jahren
von Berlin und von in den Kosovo entsandten deutschen UN-
Mandatsträgern vorangetrieben. Auch die Forderung, den Kosovo mit
Albanien und Teilen Mazedoniens zu "Groß-Albanien"
zusammenzuschließen, kann sich auf zustimmende Äußerungen deutscher
Außenpolitiker stützen. Großalbanische Nationalisten schließen sich
gegenwärtig in mehreren Staaten zu paramilitärischen Verbänden
zusammen und gehen zum bewaffneten Kampf für ihr Anliegen über...

http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56102


=== 1 ===

http://www.jungewelt.de/2005/10-10/004.php

10.10.2005 - Ausland
Jürgen Elsässer

Verhandlungen nach Rambouillet-Muster

Endstatusgespräche für das Kosovo. Kontaktgruppe unterstützt
albanischen Separatismus. Terror geht weiter

Die Verhandlungen über die endgültige Abspaltung des Kosovo stehen
bevor. Am Freitag berichtete die Belgrader Tageszeitung Blic, die
sogenannte Kontaktgruppe der Balkan-Aufsichtsstaaten habe sich darauf
geeinigt, das Gebiet von der Größe Hessens in die »konditionierte
Unabhängigkeit« zu entlassen. Den Erwartungen Belgrads, den bisher
durch die UN-Resolution 1244 verbürgten Status quo erhalten zu können
– die Provinz gehört völkerrechtlich zu Serbien-Montenegro, wird aber
international verwaltet –, wurde damit eine Absage erteilt. Bereits
am vergangenen Mittwoch hatte Karl Eide, der UN-Sonderbeauftragte für
das Kosovo, seinen Abschlußbericht über die Lage auf dem Amselfeld an
Generalsekretär Kofi Annan übergeben. Auf dieser Grundlage wird der
UN-Sicherheitsrat innerhalb von 20 Tagen beraten und dann offiziell
zu den Gesprächen einladen.

Bombenstimmung

Daß die albanischen Separatisten die Westmächte für ihre Ziele
einnehmen konnten, ist umso erstaunlicher, da ihr Terror in den
letzten Wochen wieder zugenommen hat. Am 27. August wurden zwei
Serben in ihrem Auto in die Luft gesprengt und zwei weitere schwer
verletzt. Am 28. September gab es ein Attentat auf den höchsten
serbischen Polizisten in der (ansonsten von Albanern dominierten)
Polizei der Provinz. Am 1. Oktober wurde eine Bombe unter einem UN-
Fahrzeug in Pristina entdeckt und gerade noch rechtzeitig entschärft.
Am 4. Oktober zerstörte ein Sprengsatz einen Wagen der UNO im Südost-
Kosovo. Seit dem Abzug der jugoslawischen Armee und dem Einrücken der
NATO-geführten »Schutztruppe« KFOR im Juni 1999 wurden etwa 2500
Serben und andere Nichtalbaner ermordet oder unauffindbar
verschleppt. Über 200000 Angehörige von Minderheiten wurden im
gleichen Zeitraum aus der Provinz verjagt. Für wie unsicher die
Vertriebenen die Lage nach wie vor halten, zeigt der Umstand, daß
sich nur 12000 von ihnen seitdem zur Rückkehr entschließen konnten,
davon gerade einmal 5000 Serben.

Ahtisaari kommt zurück

Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die Endstatusverhandlungen
verlaufen wie die Konferenz von Rambouillet im Februar und März 1999:
Damals saßen die serbische und albanische Delegation niemals an einem
Tisch, sondern westliche Unterhändler haben jeweils ihre Vorschläge
von einer separaten Besprechung zur nächsten transportiert – und
dabei immer mehr zu Ungunsten Belgrads draufgesattelt. Chef dieser
Shuttle-Diplomatie wird aller Vorraussicht nach der Finne Marti
Ahtisaari werden, der die Serben schon einmal aufs Kreuz gelegt hat,
wenn auch nicht in Rambouillet: Er überredete Anfang Juni 1999 den
damaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic zur
Einstellung der Kampfhandlungen – mit dem Argument, die Vereinten
Nationen übernähmen treuhänderisch die Kontrolle über das Kosovo.
Stattdessen rückte dann die NATO ein.

Aus diesem Grund lehnt die serbische Regierung, so am Freitag deren
Kosovo-Beauftragte Sanda Raskovic-Ivic, Ahtisaari wegen Befangenheit
ab. Allerdings hat das Kabinett von Premier Vojislav Kostunica mit
seinem Nonsensvorschlag, dem Kosovo könne »mehr als Autonomie, aber
weniger als Unabhängigkeit« zugestanden werden, seine
Verhandlungsposition ohnedies schon geschwächt, denn alles, was über
Autonomie hinausgeht, ist Unabhängigkeit.

Letzte Hoffnungen von Kostunica richten sich auf ein mögliches Veto
von Peking oder Moskau im UNO-Sicherheitsrat. Die Kontakte zur
Volksrepublik sind gut, seit Belgrad sich gegen einen ständigen Sitz
Tokios im obersten UN-Gremium ausgesprochen hat. Moskau allerdings
wackelt schon: Es hat in der Kontaktgruppe dem Drängen der USA,
Deutschlands, Großbritanniens und Italiens nachgegeben und der
»konditionierten Unabhängigkeit« des Kosovo zugestimmt, sofern
Belgrad dem beipflichtet. So schiebt es der eine auf den anderen.


=== 2 ===

jw 20.10.2005

Ausland
Rüdiger Göbel

Terrortruppe im NATO-Gebiet

KFOR bestätigt Berichte über bewaffnete Gruppe im Kosovo

Im Kosovo wiederholt sich die Geschichte. Sechs Jahre nach dem NATO-
Krieg
gegen Jugoslawien sorgt in der südserbischen Provinz wieder eine
albanische
Untergrundgruppe für Unruhe. Mehrfach schon sollen bewaffnete Männer
nachts
im Westen und Osten der von NATO-Truppen kontrollierten Region
Checkpoints
an Straßen errichtet haben. Der deutsche Oberstleutnant Siegfried Jooß,
Sprecher der NATO-geführten Kosovotruppe (KFOR), bestätigte in der
Provinzhauptstadt Pristina am Dienstag entsprechende Medienberichte.
KFOR-Kommandeur Giuseppe Valotto betonte allerdings, die »illegalen
Aktionen
einzelner Männer« stellten keine Gefahr für die allgemeine
Sicherheitslage
dar. Ihr Auftreten indes ist dreist und provokativ: An den illegalen
Kontrollposten sollen die albanischen Gewaltseparatisten, die sich
jetzt »Armee für ein unabhängiges Kosovo« (UPK) nennen, selbst ein
KFOR-Fahrzeug gestoppt haben.

Serbischen Zeitungen zufolge verfügt die UPK bisher über rund 400
Kämpfer.
Sie könne in den kommenden Monaten aber bis zu 5000 Mann rekrutieren. In
einem »Communiqué Nr.1« drohten die Untergrundkämpfer unter anderem die
Entführung von UN-Mitarbeitern im Kosovo an. Ihr Vorgehen erinnert an
die »Kosovo-Befreiungsarmee« UCK, die Ende der 90er Jahre mit
Terroraktionen
die serbischen Sicherheitskräfte in der Provinz provozierte und
schlußendlich den Grundstein für die NATO-Angriffe 1999 legte.

Das neuerliche Auftreten der Untergrundtruppe gegen die Ordnungsmacht
in der
Provinz kommt nicht von ungefähr. Noch in diesem Monat sollen im
UN-Sicherheitsrat in New York Verhandlungen über den künftigen Status
des
Kosovo beginnen. Die Provinz ist seit Ende des illegalen NATO-Krieges im
Juni 1999 von Truppen des Nordatlantikpaktes besetzt und wird von den
Vereinten Nationen verwaltet. Die albanische Bevölkerungsmehrheit im
Kosovo
fordert die Unabhängigkeit der Region. Der Großteil der nichtalbanischen
Bevölkerung wurde nach dem NATO-Einmarsch vertrieben.

In der UNO sorgt derweil ein Bericht der internen Überwachungsbehörde
OIOS
für Furore, der massives »Fehlverhalten von UN-Personal« beklagt.
Während
einer 18monatigen Untersuchung im Kosovo wurde eine »ausufernde
Korruption« in zahlreichen staatlichen Unternehmen, vor allem auf dem
Energiesektor, festgestellt.


=== 3 ===

http://www.jungewelt.de/2006/03-11/036.php?sstr=Kosovo

11.03.2006 / Ausland / Seite 2

Kosovo: Kriegsverbrecher zum Premier gewählt

Pristina. Der frühere UCK-Kommandeur Agim Ceku ist zum
Ministerpräsidenten des Kosovo gewählt worden. Das Provinzparlament
in Pristina beauftragte am Freitag Ceku mehrheitlich mit der Bildung
einer neuen Regierung. Der 45jährige Ceku war 1995 maßgeblich an der
Vertreibung mehrerer Hunderttausend Serben aus Kroatien beteiligt und
wird für antiserbische Überfälle und Morde im Kosovo verantwortlich
gemacht. Er bereitete der NATO damit den Weg für den
völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien 1999. Die serbische
Regierung hatte gefordert, der Chef der UN-Mission im Kosovo, UNMIK,
Sören Jessen-Petersen, müsse die Wahl Cekus durch sein Veto
unterbinden. Serbien ermittelt wegen Kriegsverbrechen gegen Ceku.

(AFP/jW)


=== 4 ===

http://www.jungewelt.de/2006/03-18/019.php?sstr=Kosovo

18.03.2006 / Ausland / Seite 2

Weltbankkredite nur bei Kosovo-Abspaltung

Berlin. Der stellvertretender UN-Chefunterhändler für Kosovo, Albert
Rohan, macht die Unabhängigkeit des Kosovo zur Voraussetzung für
Weltbankkredite. »Erst wenn der Status festgelegt ist, entsteht ein
Klima, das Auslandsinvestitionen fördert«, sagte Rohan der Zeitung
Die Welt (Freitagausgabe). »Sollte das Kosovo nicht unabhängig
werden, könnte es keine Weltbankkredite in Anspruch nehmen.« Am
Freitag wurden in Wien die Verhandlungen über den künftigen Status
der seit 1999 unter UN-Protektorat stehenden serbischen Provinz
fortgesetzt.


(AFP/jW)


=== 5 ===

http://www.jungewelt.de/2006/04-01/039.php?sstr=Kosovo

01.04.2006 / Ausland / Seite 7

(K)ein kleineres Übel

Kosovo: Differenzen zwischen Berlin und den proalbanischen Hardlinern
in Washington und London.

Von Jürgen Elsässer

Im Vorfeld der nächsten Verhandlungsrunde zwischen Serbien-Montenegro
und der Europäischen Union am 5. April verstärkt Brüssel den Druck
auf Belgrad. Als Bedingung für ein Stabilisierungs- und
Assoziierungsabkommen verlangt die EU ultimativ von der serbischen
Regierung eine Auslieferung des als Kriegsverbrecher in Den Haag
angeklagten Exgenerals Ratko Mladic bis zu diesem Termin. Am
gestrigen Freitag traf sich Olli Rehn, der Erweiterungskommissar der
EU, mit Carla del Ponte, der Haager Chefanklägerin, um das weitere
Powerplay gegenüber Belgrad abzustimmen.

Völkerrecht ausgehebelt

Die Dramatisierung der Causa Mladic dient aktuell nicht, wie von
Brüssel behauptet, dem Stop der EU-Annäherung der größten
exjugoslawischen Republik. Damit könnte man in Belgrad kaum jemanden
schrecken, denn das in Aussicht gestellte Stabilisierungs- und
Assoziierungsabkommen würde dem Land genauso wenig bringen wie dem
benachbarten Mazedonien, wo ein solches schon seit 2001 in Kraft ist.
Vielmehr wird die angebliche Nichtkooperation Belgrads mit dem Haager
Tribunal dazu benutzt, um Serbien das Recht auf das Kosovo streitig
zu machen. Dies verdeutlicht ein aktuelles Papier der Stiftung
Wissenschaft und Politik (SWP), einem der wichtigsten Think Tanks der
Bundesregierung, das eine Strategie der EU für die derzeitigen Wiener
Verhandlungen über einen Endstatus für das Kosovo formuliert. Darin
wird zunächst darauf verwiesen, daß die serbische Ablehnung einer
Abtrennung des Kosovo und der Bildung eines eigenen Staates ein
starkes völkerrechtliches Fundament hat. Es ist nämlich nicht nur
Fakt, daß die UN-Resolution 1244 vom Juni 1999 die Zugehörigkeit der
Provinz zu Jugoslawien (heute: Serbien-Montenegro) festgeschrieben
hat und dies auch die Grundlage für die derzeitige UN-Verwaltung
UNMIK nebst Stationierung der NATO-geführten Besatzungstruppe KFOR
darstellt. Mehr noch: Die Anerkennung eines neuen Staates namens
Kosova würde auch gegen die Prinzipien verstoßen, die die EU bisher
auf dem Balkan vertreten hat: Nur Republiken des früheren
Jugoslawien, nicht aber einzelne Gebiete, völkerrechtlich zu
legitimieren.

Anstatt auf dieser Grundlage nun aber die antisezessionistische
Position der serbischen Regierung unter Premier Vojislav Kostunica zu
unterstützen, schlägt das SWP-Dossier an dieser Stelle eine Volte:
»Kostunicas Pochen auf die Notwendigkeit der Einhaltung des
Völkerrechts ... wird jedoch durch Belgrads lange Zeit an den Tag
gelegten Unwillen konterkariert, seine völkerrechtlichen
Verpflichtungen gegenüber dem Haager Tribunal ... zu erfüllen.
Zuletzt mußte die Regierung zugestehen, daß Armee- und Polizeikreise
jahrelang den vom Haager Tribunal gesuchten bosnisch-serbischen
General Ratko Mladic versteckt gehalten zu haben. Nun aber ist es für
Belgrad zu spät, sich noch mit einer Aufdeckung von Mladics
Zufluchtsort das Wohlwollen der westlichen Führungsmächte und ihr
Entgegenkommen bei der Regelung des Status von Kosovo zu sichern.«
Notabene: Das Haager Tribunal kann keiner Regierung »völkerrechtliche
Verpflichtungen« auferlegen, weil es zwar vom UN-Sicherheitsrat, aber
unter Bruch der UN-Charta und damit des Völkerrechts eingerichtet
worden ist.

Kritik an den USA

Es spricht für die Verwilderung der internationalen Beziehungen, daß
sich die Bundesregierung mit diesem erpresserischen Kurs trotzdem als
das kleinere Übel darstellen kann. Das SWP-Dossier spart nicht mit
Seitenhieben gegen die USA und Großbritannien, die sich »für die
Unabhängigkeit der Provinz ausgesprochen (haben), noch bevor die von
der UNO einberufenen Kosovo-Statusgespräche begannen«. So habe der US-
Amerikaner Lawrence Rossin als stellvertretetender UNMIK-Chef
erklärt, »daß Kosovo wahrscheinlich noch in diesem Jahr unabhängig«
werde. Demgegenüber befürworten die meisten EU-Staaten, und hier
insbesondere Deutschland und Italien, eine »eingeschränkte
Souveränität unter internationaler Aufsicht«, die der Provinz erst
nach einer Übergangszeit (»vielleicht 2014«) die volle Staatlichkeit
bringen und diese gleich durch die Aufnahme in die EU wieder
einschränken würde. Außerdem müßten »Albaner und Serben die Regelung
(des künftigen Kosovo-Status) gemeinsam mittragen«. Demgegenüber sind
US-Amerikaner und Briten der Ansicht, daß der künftige Status für
»das Volk Kosovos« annehmbar sein müsse. Während mit dieser
Extremposition die Serben also von Anfang an übergangen werden, hofft
die Bundesregierung auf deren Einlenken in der Frage der
Unabhängigkeit unter dem Druck der Haager Siegerjustiz.

=== 6 ===

http://www.jungewelt.de/2006/05-18/001.php

18.05.2006 / Inland / Seite 3

Kriegsverbrecher zu Gast

Agim Ceku, Ministerpräsident des Kosovo, zur Audienz bei
Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Haftbefehl von Interpol nicht
aufgehoben

Jürgen Elsässer

(Was soll ich machen, wenn meine Landsleute Rache an ihren serbischen
Peinigern nehmen? Agim Ceku am 2. März 2006 in Pristina
Foto: AP)

So ausgewogen ist die deutsche Balkanpolitik: Am Montag und Dienstag
dieser Woche war Serbiens Ministerpräsident Vojislav Kostunica zu
Gast bei der Bundesregierung, am heutigen Donnerstag reist Agim Ceku,
der albanische Regierungschef des Kosovo, an. Doch während
Außenminister Frank-Walter Steinmeier gegenüber Kostunica erheblichen
Druck machte, doch endlich den vom Haager Tribunal als
Kriegsverbrecher gesuchten bosnisch-serbischen Oberbefehlshaber Ratko
Mladic auszuliefern, wird er seinen Besucher aus Pristina wohl mit
Fragen zum kosovo-albanischen Oberbefehlshaber nicht behelligen. Kein
Wunder: Der heutige Politiker Ceku war es selbst, der im Kriegsjahr
1999 an der Spitze der albanischen UCK-Guerilla stand.

Eine blutige Karriere

Bevor Ceku sich der UCK anschloß, hatte der Kosovo-Albaner als
General in der kroatischen Armee gedient. Nach Angaben der
militärischen Fachzeitschrift Jane’s Defence Weekly vom 10. 6. 1999
war Ceku das »Gehirn der erfolgreichen Offensive der Kroatischen
Armee bei Medak« im September 1993. Die Operation unter dem Codenamen
»Verbrannte Erde« führte zur vollständigen Zerstörung der serbischen
Dörfer Divoselo, Pocitelj und Citluk, über 100 Zivilisten wurden
ermordet.

Ceku war auch einer der hauptverantwortlichen militärischen Planer
der »Operation Sturm«, mit der die Truppen Zagrebs im Sommer 1995 die
Krajina eroberten und die dort lebenden 200 000 Serben vertrieben.
(Jane’s Defence Weekly, 10.6.1999) Nach Ansicht des kroatischen
Helsinki-Ausschusses für Menschenrechte kam es während des
dreitägigen Blitzkrieges zu etlichen Massakern, denen mindestens 410
namentlich identifizierte Zivilisten zum Opfer fielen. Die serbische
Menschenrechtsorganisation Veritas berichtet, daß im Jahre 1995
insgesamt 2101 serbische Zivilisten in der Krajina und in Kroatien
getötet wurden oder spurlos verschwanden.

Kleine Unstimmigkeiten

Nach der Besetzung des Kosovo durch die NATO im Juni 1999 wurde die
UCK in das Kosovo-Hilfskorps (TMK) aufgelöst und Ceku zu dessen
Kommandeur ernannt. Als es in der Folge zu einer Welle von Pogromen
gegeben Serben mit Hunderten von Toten kam, konstatierte die OSZE,
»daß das Ausmaß der UCK- (und nun der TMK-)Verwicklung von solchem
Charakter und Zuschnitt ist, daß die Frage einer expliziten oder
stillschweigenden Verwicklung der Führungsspitze eine genaue
Untersuchung der internationalen Gemeinschaft erfordert.« Die
Führungsspitze – das war Ceku.

Wegen dieser Verbrechen beantragte Serbien einen internationalen
Haftbefehl gegen Ceku, den Interpol auch übernahm. Auf dieser
Grundlage wurde der Albaner zweimal kurzfristig festgenommen, und
zwar am 24. Oktober 2003 in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana und
am 29. Februar 2004 in Budapest. In beiden Fällen kam er dank einer
Intervention von Harri Holkeri, des damaligen UN-Gouverneurs für
Kosovo, wieder frei.

Nach Cekus Wahl zum Ministerpräsidenten der Provinz Kosovo am 10.
März 2006 stornierte Interpol den Steckbrief da Staatsmänner in
Führungspositionen Immunität vor internationaler Strafverfolgung
genießen. Dies bedeute jedoch nicht, daß der Haftbefehl aufgehoben
sei, sondern lediglich, daß er nicht weiterverfolgt werde, solange
Ceku diese Position innehabe.

Obwohl Ceku durch den Besuch bei Steinmeier aufgewertet wird, ist es
erfreulich, daß er wenigstens – anders als Kostunica – keine Audienz
bei der Kanzlerin erhält. Bereits Anfang Februar war Hashim Thaci im
Auswärtigen Amt empfangen worden; der frühere politische Chef der UCK
ist heute Delegationsleiter der Kosovo-Albaner bei den Wiener
Endstatusgesprächen über die Zukunft der Provinz. Thacis Erfolg an
der Spree hielt sich in Grenzen: Sein Auftritt an der FU war völlig
mißglückt, der Guerillaführer mußte vor einer ungeputzten Tafel
sprechen, nur wenige Studenten waren gekommen. Thaci brach seinen
Besuch daraufhin einen Tag früher ab.
Cekus Bilanz. Kosovo-Gewalt nimmt wieder zu
Die serbische Regierung hat im März genaue Zahlen vorgelegt, die die
traurige Situation im Kosovo seit dem Kriegsende im Juni 1999
bilanzieren: Mehr als 230000 Serben sowie 30000 Roma und andere Nicht-
Albaner wurden vertrieben; 927 Serben wurden getötet; weitere 800
Nicht-Albaner sind verschleppt worden – nach jahrelangem Suchen muß
man auch für sie das Schlimmste fürchten.

Trotz einiger Anstrengungen, die Geflüchteten zur Rückkehr in die
Krisenprovinz zu bewegen, sind dem entsprechenden Aufforderungen bis
dato gerade zwei Prozent (UN-Angaben: sieben Prozent) gefolgt. Der
Grund: Immer noch machen albanische Nationalisten Jagd auf die
Minderheiten.

Obwohl den Albanern angesichts der seit März laufenden sogenannten
Endstatus-Gespräche in Wien an einem guten Image gelegen sein müßte,
reißen die Übergriffe nicht ab. Eine unvollständige Aufstellung aus
den letzten drei Wochen:

Der 24. April verzeichnet einen Steinhagel auf ein serbisches Haus in
Mitrovica und ein serbisches Auto in Suvi Dor sowie Schüsse auf ein
serbisches Anwesen in der Nähe von Istok.

Am 26. April explodiert ein Sprengsatz vor dem UN-geleiteten Gericht
in Zubin Potok.

Am 5. Mai werden bei einer Demonstration albanischer Nationalisten in
Pristina (wo keine Serben mehr leben) neun UN-Polizisten verletzt.

Am 6. Mai wird das Auto des serbischen Priesters Srdjan Stankovic
beschossen.

Am 7. Mai wird ein Pendlerbus zwischen der serbischen Enklave Osojane
und Mitrovica mit Steinen beworfen.

Am 11. Mai werden bei einem Überfall auf eine Tankstelle bei
Mitrovica zwei serbische Angestellte niedergeschossen. Daß kein Geld
entwendet wurde, spricht für ein rassistisches Motiv.

Am 12. Mai wird der Bus aus Osojanje erneut mit Steinen beworfen.

(je)