[ Juergen Elsaesser e' l'autore di: "MENZOGNE DI GUERRA:
le bugie della NATO e le loro vittime nel conflitto per il Kosovo"
Napoli, La città del sole, 2002
190 p., 21 cm., ISBN 8882921832, si veda la presentazione:
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/1815%c2%a0
ed anche il sito internet dell'autore:
http://www.juergen-elsaesser.de ]
http://www.jungewelt.de/2003/09-30/011.php
30.09.2003
Feuilleton
Jürgen Elsässer
Propaganda mit Princip
Neues im Mordfall Anna Lindh: Der Mörder ist immer der Serbe
Das Prinzip der deutschen Presse steht seit Princip fest: Der Serbe ist
für alle Katastrophen der jüngeren und jüngsten Geschichte
verantwortlich. 1914 erschoß Gavrilo Princip in Sarajevo den
österreichischen Thronfolger – so kam es zum Ersten Weltkrieg; 1941
hielt serbischer Widerstand deutsche Wehrmachtsverbände, die eigentlich
für den Sturm auf Moskau gebraucht wurden, auf dem Balkan fest – so
verloren wir den Zweiten; in den neunziger Jahren organisierte
Milosevic ein »neues Auschwitz« im Kosovo – deswegen mußte Schröder
nolens volens die Verfassung brechen und zum dritten Mal im 20.
Jahrhundert deutsche Waffen auf Belgrad richten.
Auch für den Mord an der schwedischen Außenministerin Anna Lindh soll
nun ein Serbe verantwortlich sein. Die Polizei in Stockholm ist von der
Schuld des am letzten Mittwoch Festgenommenen so überzeugt, daß sie in
eine andere Richtung gar nicht mehr ermittelt. Dabei ist die Beweislage
dürftig: An einer Baseballmütze in der Nähe des Tatortes wurden
DNA-Spuren des Verdächtigen und der Ermordeten gefunden. Wer weiß,
welche Kleidungsstücke anderer Personen Frau Lindh in dem
Kaufhausgewühle noch gestreift hat? Die DNA-Analyse der Tatwaffe
hingegen liegt bis dato noch gar nicht vor. Und: Das Foto des
mutmaßlichen Mörders von der Überwachungskamera sieht anders aus als
das des Verhafteten. Ob die bedächtigen Kommissare Beck und Wallander
in dieser Situation auch so schnell bei der Schuldzuweisung wären?
Die schwedischen Medien berichten exzessiv über das Privatleben,
psychische Probleme und sexuelle Vorlieben des 24jährigen – ein Irrer,
zumal ein irrer Jugo, hat selbstverständlich keine
Persönlichkeitsrechte mehr. Das wiederum ließ der Bild-Zeitung keine
Ruhe, die sich offensichtlich herausgefordert fühlte, ihren Titel als
Weltmeister in der Disziplin der Serbenfresserei gegen die nordische
Konkurrenz zu verteidigen. »Führt Spur im Mordfall Lindh nach
Jugoslawien?« fragte eine Schlagzeile des Blattes am Sonnabend. Der
Name des auf deutschen Druck untergegangenen Staates taucht immer dann
wieder auf, wenn ein probates Ziel für Hate Speech aller Art gebraucht
wird. Dann drehen die Springer-Journalisten völlig durch und
konstruieren »rätselhafte Parallelen zur Ermordung des serbischen
Premiers Zoran Djindjic« im März dieses Jahres. So habe Djindjic am Tag
seiner Ermordung die schwedische Politikerin treffen wollen und Frau
Lindh sei »fast genau ein halbes Jahr« nach Djindjic ermordet worden.
Weitere Beweise oder wenigstens Indizien – Fehlanzeige. Trotzdem meint
Bild: »Ob eine heiße Spur nach Belgrad führt, muß jetzt die Polizei
klären.«
Nach diesem Verfahren und hilfsweise zwei Wassergläsern Slivovitz kann
man immer eine heiße Spur nach Belgrad finden. Wohnen nicht auch im
Umkreis der in Italien ausgefallenen Elektrizitätswerke zahlreiche
Serben? Sollten nicht endlich Bin Ladens Berghöhlen auf DNA-Spuren von
Karadzic untersucht werden? Vielleicht sollten sich die künftigen
Bild-Redakteure, die derzeit bei der taz volontieren, der Sache
annehmen.
le bugie della NATO e le loro vittime nel conflitto per il Kosovo"
Napoli, La città del sole, 2002
190 p., 21 cm., ISBN 8882921832, si veda la presentazione:
http://it.groups.yahoo.com/group/crj-mailinglist/message/1815%c2%a0
ed anche il sito internet dell'autore:
http://www.juergen-elsaesser.de ]
http://www.jungewelt.de/2003/09-30/011.php
30.09.2003
Feuilleton
Jürgen Elsässer
Propaganda mit Princip
Neues im Mordfall Anna Lindh: Der Mörder ist immer der Serbe
Das Prinzip der deutschen Presse steht seit Princip fest: Der Serbe ist
für alle Katastrophen der jüngeren und jüngsten Geschichte
verantwortlich. 1914 erschoß Gavrilo Princip in Sarajevo den
österreichischen Thronfolger – so kam es zum Ersten Weltkrieg; 1941
hielt serbischer Widerstand deutsche Wehrmachtsverbände, die eigentlich
für den Sturm auf Moskau gebraucht wurden, auf dem Balkan fest – so
verloren wir den Zweiten; in den neunziger Jahren organisierte
Milosevic ein »neues Auschwitz« im Kosovo – deswegen mußte Schröder
nolens volens die Verfassung brechen und zum dritten Mal im 20.
Jahrhundert deutsche Waffen auf Belgrad richten.
Auch für den Mord an der schwedischen Außenministerin Anna Lindh soll
nun ein Serbe verantwortlich sein. Die Polizei in Stockholm ist von der
Schuld des am letzten Mittwoch Festgenommenen so überzeugt, daß sie in
eine andere Richtung gar nicht mehr ermittelt. Dabei ist die Beweislage
dürftig: An einer Baseballmütze in der Nähe des Tatortes wurden
DNA-Spuren des Verdächtigen und der Ermordeten gefunden. Wer weiß,
welche Kleidungsstücke anderer Personen Frau Lindh in dem
Kaufhausgewühle noch gestreift hat? Die DNA-Analyse der Tatwaffe
hingegen liegt bis dato noch gar nicht vor. Und: Das Foto des
mutmaßlichen Mörders von der Überwachungskamera sieht anders aus als
das des Verhafteten. Ob die bedächtigen Kommissare Beck und Wallander
in dieser Situation auch so schnell bei der Schuldzuweisung wären?
Die schwedischen Medien berichten exzessiv über das Privatleben,
psychische Probleme und sexuelle Vorlieben des 24jährigen – ein Irrer,
zumal ein irrer Jugo, hat selbstverständlich keine
Persönlichkeitsrechte mehr. Das wiederum ließ der Bild-Zeitung keine
Ruhe, die sich offensichtlich herausgefordert fühlte, ihren Titel als
Weltmeister in der Disziplin der Serbenfresserei gegen die nordische
Konkurrenz zu verteidigen. »Führt Spur im Mordfall Lindh nach
Jugoslawien?« fragte eine Schlagzeile des Blattes am Sonnabend. Der
Name des auf deutschen Druck untergegangenen Staates taucht immer dann
wieder auf, wenn ein probates Ziel für Hate Speech aller Art gebraucht
wird. Dann drehen die Springer-Journalisten völlig durch und
konstruieren »rätselhafte Parallelen zur Ermordung des serbischen
Premiers Zoran Djindjic« im März dieses Jahres. So habe Djindjic am Tag
seiner Ermordung die schwedische Politikerin treffen wollen und Frau
Lindh sei »fast genau ein halbes Jahr« nach Djindjic ermordet worden.
Weitere Beweise oder wenigstens Indizien – Fehlanzeige. Trotzdem meint
Bild: »Ob eine heiße Spur nach Belgrad führt, muß jetzt die Polizei
klären.«
Nach diesem Verfahren und hilfsweise zwei Wassergläsern Slivovitz kann
man immer eine heiße Spur nach Belgrad finden. Wohnen nicht auch im
Umkreis der in Italien ausgefallenen Elektrizitätswerke zahlreiche
Serben? Sollten nicht endlich Bin Ladens Berghöhlen auf DNA-Spuren von
Karadzic untersucht werden? Vielleicht sollten sich die künftigen
Bild-Redakteure, die derzeit bei der taz volontieren, der Sache
annehmen.