(Con la votazione del 9 marzo u.s. sull'invio degli aerei Tornado in
Afghanistan, la Germania ha compiuto un passo ulteriore nella
direzione tracciata dai primi interventi offensivi compiuti al di
fuori del territorio tedesco: quelli contro lo "storico" nemico serbo
- Serbien muss sterbien! -, in Jugoslavia negli anni Novanta...)


http://www.zeit-fragen.ch/ausgaben/2007/nr12-vom-2632007/deutsche-
tornados-fuer-afghanistan/

Deutsche Tornados für Afghanistan


von Dr. Heinz Loquai, Brigadegeneral a. D., Meckenheim



Am 9. März stimmte der deutsche Bundestag einem Antrag der
Bundesregierung zu, der eine Verlegung einer Kampfgruppe von Tornado-
Aufklärungsflugzeugen nach Afghanistan und eine Beteiligung dieses
deutschen Kontingents am Krieg in Afghanistan zum Ziel hat. Es war
nicht anders zu erwarten, als dass das deutsche Parlament mit
deutlicher Mehrheit diesem Vorhaben der Regierung zustimmen würde.
Wie bei anderen Kriegseinsätzen der Bundeswehr stand die Zustimmung
des Parlaments auch für diesen Kampfeinsatz nicht in Frage. Politisch
interessant erschien vor allem das Ausmass der Mehrheit. Wenn es um
Auslandeinsätze der Bundeswehr geht, ist das deutsche Parlament ein
verlässlicher Partner der Bundesregierung. «Im Ausland zu Hause»
titelt der «Bonner Generalanzeiger» am 24. Februar. Die «Zukunft der
Bundeswehr» liege im Ausland, sie rücke weltweit aus, «um die
globalen Interessen der Mittelmacht Deutschland zu schützen», meint
der Verfasser Holger Möhle. Das scheint – kurz gefasst – heute das
Leitmotiv deutscher Aussen- und Sicherheitspolitik quer durch den
grössten Teil der deutschen Medien- und Parteienlandschaft zu sein.
Dies wird der zweite Kriegseinsatz der bundesdeutschen Luftwaffe
werden. Acht Jahre ist es her, seit die Luftwaffe sich mit Flugzeugen
zur bewaffneten Aufklärung am Nato-Krieg gegen Jugoslawien beteiligte
– der erste Kriegseinsatz deutscher Soldaten nach dem Zweiten
Weltkrieg. Gibt es zwischen der damaligen Entscheidungssituation und
heute Parallelen? Zeigt sich daran schliesslich auch eine Art
Kontinuität deutscher Politik, nicht zuletzt im Umgang mit der
deutschen Öffentlichkeit?



Die FDP hat vor kurzem eine «unzulängliche und unehrliche
Informationspolitik der Bundesregierung, besonders
Verteidigungsministers Jung (CDU) beanstandet». («Frankfurter
Allgemeine Zeitung» vom 8. März) In der Tat, Jung hat versucht, den
Einsatz der Bundeswehr klein zu reden. Er vertrat die Auffassung, die
deutschen Tornados betrieben «nur» Aufklärung, dies sei kein
Kampfeinsatz. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Struck stellte klar, dass
es sich hier um einen Kampfeinsatz handle. Denn jeder, der nicht bar
jeden militärischen Sachverstandes ist, weiss, dass die deutschen
Aufklärer beim Kriegseinsatz in Afghanistan Zielinformationen für die
Jagdbomber anderer Nato-Staaten liefern werden. Sie sind ein
integraler Bestandteil der Luftkriegsführung der Nato in Afghanistan
und sind für deren Folgen mitverantwortlich. Die bei Luftangriffen
der USA getöteten Zivilpersonen gehen nun auch mit auf das deutsche
Schuldkonto. Deutsche Piloten können so rasch mitschuldig werden. Die
militärischen Vorgesetzten bis hoch zum Minister sollten dies nicht
auf die leichte Schulter nehmen.
In der Sitzung des Bundestags am 9. März bemängelte vor allem Frau
Künast (Die Grünen) die Informationspolitik der Bundesregierung, die
nur wenig getan habe, den Einsatz zu erklären. «So wenig Information
war noch nie», so das Fazit der ehemaligen Ministerin. Und die
«Süddeutsche Zeitung» kritisiert, die Regierung habe in dieser
Sitzung geschwiegen. Die «Abstinenz der Regierung» habe «den fatalen
Eindruck» erweckt, «hier ginge es um eine Routineangelegenheit, die
sich mal so eben im Vorbeigehen erledigen liesse.»
Auch im Vorfeld des Nato-Krieges gegen Jugoslawien wurden der
Bundestag und die deutsche Öffentlichkeit vielfach fehlinformiert,
getäuscht und belogen. Die Sitzung des Bundestages am 16. Oktober
1998, die eine deutsche Kriegsbeteiligung mandatierte, war geradezu
ein Forum für Desinformation. Hier nur ein Beispiel: Proklamiertes
Ziel der Kriegsvorbereitung der Nato war die «Abwendung einer
humanitären Katastrophe» in Kosovo. Durch diplomatische Bemühungen
und den Abzug jugoslawischer Truppen hatte sich die Lage vor Ort
tatsächlich schon entspannt. Die Berichterstattung der deutschen
Botschaft in Belgrad machte dies deutlich. Der damalige
Aussenminister Klaus Kinkel verkündete jedoch im Bundestag, die Lage
habe sich «dramatisch verschlechtert». Bei den massgeblichen Stellen
der Bundesregierung, insbesondere im Verteidigungsministerium und
Auswärtigen Amt, waren zutreffende, aktuelle Informationen über die
Lage in Kosovo vorhanden, sie wurden jedoch dem Bundestag und der
Öffentlichkeit vorenthalten. Die dem Parlament gegebenen
Informationen waren insgesamt unzureichend für eine Entscheidung über
Krieg und Frieden.



Die politische Geringschätzung des Völkerrechts

Für den Krieg gegen Jugoslawien gab es kein Mandat des
Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Dieser Krieg war auch nicht
mit Selbstverteidigung zu rechtfertigen, denn Jugoslawien hatte kein
Nato-Land angegriffen. Nach der bis dahin allgemein üblichen
völkerrechtlichen Beurteilung handelte es sich um einen
völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Nato. Der damalige deutsche
Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig hatte gerade diese Auffassung
bei den Beratungen im Kabinett vertreten und war der Abstimmung im
Bundestag ferngeblieben. Das Plenum des Bundestags und die
Öffentlichkeit erfuhren von dieser Einschätzung des zuständigen
Fachministers natürlich nichts. Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt
bezeichnete den Krieg als vierfachen Rechtsbruch: der Charta der
Vereinten Nationen, des Nato-Vertrags, des Zwei-Plus-Vier-Vertrags
und des deutschen Grundgesetzes.
Auch in der Debatte am 9. März 2007 spielten juristische Fragen kaum
eine Rolle. Die angekündigte Verfassungsklage der Abgeordneten
Gauweiler (CSU) und Wimmer (CDU) wurde lediglich von der Linkspartei
thematisiert. Doch bezeichnend ist die Medienkampagne der
«Frankfurter Allgemeine Zeitung» gegen die «Abweichler». Die beiden
Unionsabgeordneten werden als «Persönlichkeiten mit notorischem Hang
zum Abweichen» diffamiert. («Frankfurter Allgemeine Zeitung», 10.
März) Das mediale Sperrfeuer aus den Frankfurter Redaktionsstuben
trifft natürlich auch die Linkspartei. Die SPD leide «sichtbar unter
dem gnadenlosen Popu lismus der Linkspartei». Die Abgeordneten der
Linkspartei seien «notorische Neinsager» und «fundamentalistische
Gegner». Man gewinnt den Eindruck, der «Frankfurter Allgemeinen
Zeitung» wären «volksdemokratische Mehrheiten» von nahe 100 Prozent
am liebsten, wenn es um Kriegseinsätze der Bundeswehr geht. Ein
positives Beispiel ist allerdings die «Süddeutsche Zeitung», die über
wichtige Argumente der Verfassungsklage der beiden Abgeordneten
informiert (vgl. auch Zeit-Fragen, 5. März) und auch darauf hinweist,
dass der 57 Seiten lange Schriftsatz der Klage von dem versierten
Verfassungsrechtler Dietrich Murswiek stammt, dem Direktor des
Instituts für Öffentliches Recht an der Universität Freiburg
(«Süddeutsche Zeitung», 10. März).



Legitimator «Bündnissolidarität»

Der Hinweis auf die Bündnissolidarität ist heute ein «Pflichttor» bei
jeder Debatte um Auslandeinsätze der Bundeswehr. Dem nahe steht das
Argument, das grösser gewordene Deutschland müsse seiner gewachsenen
internationalen Verantwortung gerecht werden. Dem könne sich die
deutsche Politik nicht entziehen. Nun gibt es durchaus «bestellte
Anforderungen» aus dem internationalen Bereich. «Innerhalb der
Bundeswehr drängelt die Luftwaffe schon lange …» («Frankfurter
Allgemeine Zeitung», 5. Januar) für den Einsatz ihrer Tornados in
Afghanistan. Ein Arrangement zwischen höchstrangigen
Luftwaffengeneralen und ihren angelsächsischen Kollegen hat wohl die
«Nato-Anfrage» nach deutschen Aufklärungs-Tornados in Gang gesetzt.
Die Bundesregierung glaubte offenbar durch eine positive Antwort auf
diese Anfrage, weitergehende Anforderungen aus dem Bündnis für den
afghanistanweiten Einsatz zusätzlicher deutscher Bodentruppen
abwehren zu können. In der Bundestagssitzung vom 9. März zerstörte
der CDU-Abgeordnete von Klaeden diese Illusion. Der aussenpolitische
Sprecher der CDU-Fraktion stellte fest: «Als Bündnispartner müssen
wir bereit sein, nicht nur dieselben Lasten zu tragen, sondern auch
dieselben Risiken.» («Frankfurter Allgemeine Zeitung», 10. März) In
den Medien liest sich das so: «Wer also deutsche Tornados in
Afghanistan überall hinschickt, kann Bodentruppen für den Süden nicht
verweigern.» («Süddeutsche Zeitung», 17. Februar)
Aus deutschen Regierungskreisen wird argumentiert, die
Aufklärungsergebnisse der deutschen Tornados kämen vor allem der von
der Nato geführten Stabilisierungstruppe zugute und würden «nur
eingeschränkt und kontrolliert» an die von den USA geführte Operation
«Enduring Freedom» weitergegeben. Dies ist politische Augenwischerei.
Beide Operationen sind allmählich in kleinen Schritten aufeinander
abgestimmt und in einem Hauptquartier zusammengeführt worden. Die
Ausdehnung auf ganz Afghanistan, so der Experte Lothar Rühl, «hat
jenseits der juristischen Feinheiten alle beteiligten Verbündeten
faktisch zu Kriegsparteien gemacht». («Frankfurter Allgemeine
Zeitung», 30. Oktober 2006) Selbstverständlich werden
Aufklärungsergebnisse der deutschen Tornados den Einsatzplanern
anderer Nato-Länder für die Zielauswahl zur Verfügung gestellt. Alles
andere ist Täuschung der Öffentlichkeit.
Blicken wir zurück. Auch in der Debatte im Herbst 1998 über den Krieg
gegen Jugoslawien spielte das Argument der Bündnissolidarität eine
überragende Rolle. Die neue rot-grüne Regierung schien sich geradezu
auf dem internationalen Prüfstand ihrer Bündnisfähigkeit und -
solidarität zu sehen. Aussenminister Kinkel vor dem Bundestag: «Es
geht schliesslich um die europäische Friedensverantwortung und um
unsere Verlässlichkeit im Bündnis.» Kinkel forderte auch: «Wir dürfen
nicht auf eine schiefe Bahn kommen, was das Gewaltmonopol des
Sicherheitsrats anbelangt.» Die inzwischen eingetretene
Vernachlässigung des Völkerrechts und des Gewaltmonopols der Uno auch
in der deutschen Sicherheitspolitik zeigen, welche längerfristigen
Wirkungen der Präzedenzfall «Kosovo-Krieg» hatte und wie weit man auf
der «schiefen Ebene» hinabgeglitten ist.



Relativierung des Holocaust

Ein Blick auf die politischen Debatten über die Kriegseinsätze
deutscher Tornado-Aufklärungsflugzeuge 1998/1999 und 2007 zeigt
Parallelen in der politischen Argumentation.
Einmalig in der jüngeren deutschen Geschichte ist jedoch, was sich
zwei deutsche Bundesminister bei der Legitimation des Krieges gegen
Jugoslawien leisteten. Doch lassen wir hierzu einen Überlebenden von
Auschwitz zu Wort kommen. Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung»
dokumentierte am 27. Januar eine Rede von Arno Lustiger bei einer
Gedenkveranstaltung des Hessischen Landtags für die Opfer des
Nationalsozialismus. Lustiger sagte unter anderem: «Seit dem 24. März
1999 bombardierte die Nato Jugoslawien unter der Mitwirkung der
Bundeswehr in einem von den UN nicht sanktionierten Krieg. Ziel war,
die Bewohner Kosovos zu schützen. Bei einem Bundeswehrbesuch sagte
Verteidigungsminister Scharping: ‹Die Bundeswehr operiert in Kosovo,
um ein neues Auschwitz zu verhindern.› Am 7. April 1999 erklärte
Aussenminister Fischer: ‹Ich habe nicht nur gelernt: Nie wieder
Krieg. Ich habe auch gelernt: Nie wieder Auschwitz.› Die Opfer der
Nazis mussten die Parallelisierung Kosovo – Auschwitz als eine neue
Art der Auschwitz-Lüge betrachten, denn dies ist die Leugnung der
Einmaligkeit des Verbrechens und des mit Auschwitz verbundenen
Zivilisationsbruches. Es war eine Funktionalisierung und
Instrumentalisierung von Auschwitz für anderweitige Zwecke.»
Deutsche Bundesminister als Relativierer, als Funktionalisierer und
Instrumentalisierer des Holocaust zur Legitimierung einer deutschen
Kriegsbeteiligung – dies blieb Deutschland zumindest bei der
politischen Argumentation für den zweiten Kriegseinsatz von Tornado-
Aufklärungsflugzeugen erspart.




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Nr.12 vom 26.3.2007 © 2006 Genossenschaft Zeit-Fragen