KONKRET - Interview - BND und Jugoslawien

TOTALE UNTERORDNUNG

Interview mit Antun Duhacek, dem Geheimdienstchef von Tito

Interview: JUERGEN ELSAESSER
in: KONKRET, November 2002
(Siehe auch:
http://www.konkret-verlage.de/
http://www.juergen-elsaesser.de/)


"Sie haben Jugoslawien zerstört!", sagte der
kroatische Präsident Stipe Mesic Anfang
Oktober vor dem Haager UN-Tribunal zu
Slobodan Milosevic. Mesic wolle damit nur
von seiner eigenen Schuld und den deutschen
Drahtziehern ablenken, meint dagegen dessen
Landsmann Antun Duhacek, der unter Tito
Chef des jugoslawischen Geheimdienstes war

Elsässer: Deutschlands Rolle bei der
Zerschlagung Jugoslawiens Anfang der
neunziger Jahre war von großer Bedeutung,
vor allem was die selbst gegen Einwände der
Nato-Partner vorgenommene diplomatische
Anerkennung der Sezessionsrepubliken
Kroatien und Slowenien anging. Welche
geheimdienstlichen Erkenntnisse gibt es über
die Einzelheiten?

Duhacek: Deutschlands Position wurde von
Italien, Österreich und dem Vatikan
unterstützt. Der Bundesnachrichtendienst
koordinierte die Unterstützung für die
Sezessionisten und übernahm Ende der
achtziger Jahre die direkte operative Führung
des kroatischen Auslandsgeheimdienstes -
der war de jure noch Teil des
gesamtjugoslawischen Dienstes UDBA, de
facto schon seit den frühen siebziger Jahren
praktisch ohne Belgrader Kontrolle. Bei einem
persönlichen Treffen zwischen
Bundesaußenminister Genscher und dem
kroatischen Geheimdienstchef Josip Manolic
im Februar 1990, im Vorfeld der Wahlen im -
damals noch zu Jugoslawien gehörenden -
Kroatien, hat Genscher 800 Millionen Mark
versprochen. Manolic wollte das Geld gleich
in bar mitnehmen, der spätere Präsident
Franjo Tudjman und sein damaliger
Mitstreiter Stipe Mesic warteten dringend
darauf. Schließlich floß das Geld erst kurz
nach den Wahlen im März 1990. Leute des
BND übergaben die 800 Millionen Mark in
Zagreb, cash.

Elsässer: Das muß ein ziemlich schwerer
Koffer gewesen sein.

Duhacek: Die Deutschen haben ja auch eine
Gegenleistung dafür bekommen. Manolic
hatte im Februar 1990 mit dem BND ein sehr
weitreichendes Geheimabkommen
geschlossen. Es umfaßte im wesentlichen drei
Punkte: 1. Zusammenarbeit des von ihm
kontrollierten kroatischen Dienstes mit dem
BND im Vorgehen gegen Jugoslawien und
Serbien. 2. Der BND stellt seinen kroatischen
Partnern alle Aufklärungsergebnisse zur
Verfügung, die er und befreundete
Nato-Dienste in und über Jugoslawien
sammeln, zum Beispiel über die Situation in
der Jugoslawischen Armee, ihre
Truppenbewegungen und so weiter. Das sollte
bei den bald beginnenden militärischen
Auseinandersetzungen ein großer Vorteil für
Zagreb werden. 3. Manolic unterstellt einen
Teil seiner Informanten und informellen
Mitarbeiter, zum Beispiel in Belgrad, direkt
dem BND.

Elsässer: Erich Schmidt-Eenboom nimmt in
Der Schattenkrieger, seinem Buch über die
BND-Aktivitäten von Klaus Kinkel, an vielen
Stellen auf Sie bezug. Bei ihm heißt es aber,
daß schon "unmittelbar vor dem Tode Titos"
in Zagreb "alle Entscheidungen in
strategischen Fragen nur noch in Absprache
... mit BND-Instanzen und
Ustascha-Repräsentanten getroffen werden".
Das war zu Beginn der achtziger Jahre.

Duhacek: Das waren enge Kontakte, aber sie
mußten noch verdeckt abgewickelt werden.
Die heiße Phase beginnt erst Ende der
achtziger Jahre, als aus dem Apparat, den
Manolic und sein Ziehvater Ivan Krajacic im
Verborgenen aufgebaut haben, der offizielle
Geheimdienst des neuen kroatischen Staates
wird. Ab ungefähr Mai 1990 funktioniert
dieser Geheimdienst wie ein Anhängsel des
BND. Die deutsche Seite verlangte für ihre
Leistungen eine totale Unterordnung des
kroatischen Dienstes, und das hat sie
bekommen. Zum Beispiel bestimmten die
Deutschen, welche kroatischen Emigranten
Pässe bekommen sollten. Nach 1945 hatten
bekanntlich viele Aktivisten der faschistischen
Ustascha-Bewegung das Land verlassen
müssen und dann in der ganzen Welt
verstreut gelebt. Der BND legte 1990 fest,
welche dieser extremistischen Kader mit
Pässen ausgestattet wurden, damit sie
zurückkommen konnten. Diese Heimkehrer
haben sich dann in die Regierung des neuen
kroatischen Staates eingekauft, 300.000 Mark
kostete etwa der Posten eines
Ministerialbeamten. Präsident Tudjman setzte
voll auf diese Leute.

Elsässer: Tudjmans enge Verbindungen zum
BND einerseits, zu alten Ustascha-Faschisten
andererseits verdichten sich in der Person von
Ernest Bauer. Der Jugoslawe
"volksdeutscher" Herkunft war während des
Zweiten Weltkriegs Oberst des
Ustascha-Geheimdienstes UNS, wurde
danach vom BND-Chef Reinhard Gehlen
übernommen, reaktivierte für diesen sein
Agentennetz in Zagreb und führt es bis
Anfang der neunziger Jahre. Als Tudjman
1990 seine nationalistisch-kroatische Partei
HDZ gründet, mit der er den Sezessionsstaat
fast die gesamten neunziger Jahre regieren
sollte, residiert er während der gesamten vier
Tage des Gründungskongresses bei Bauer.
Nachdem Tudjman Präsident geworden ist,
macht er den hochbetagten
Geheimdienstmann zu seinem
Sonderbeauftragten im Bundespresseamt in
Bonn.

Duhacek: Es gibt noch bessere Beispiele für
die Macht des BND über seine kroatischen
Partner. Zum Beispiel verlangte der BND
1993/94 eine Säuberung des kroatischen
Dienstes. Alle Leute, die aus einer
Partisanentradition stammen, mußten gehen.
Dazu muß man wissen, daß das gesamte
Tudjman-Projekt, der neue kroatische Staat
und all seine Institutionen, zunächst einen
Kompromißcharakter trug. Der kroatische
Nationalismus und die Feindschaft gegen
Jugoslawien waren die gemeinsamen Nenner;
auf dieser Plattform trafen sich die Kräfte, die
sich während des 2. Weltkrieges noch
bekämpft hatten, nämlich
Nationalkommunisten und
Ustascha-Faschisten. Nun verlangte der
BND, daß erstere hinausgesäubert werden.
Deswegen wurde Josip Manolic in den
Geheimdienststrukturen entmachtet, und
Stipe Mesic verließ mit ihm und einigen
anderen frustriert die Tudjman-Partei HDZ
und gründete eine eigene.

Elsässer: Das hat der BND verlangt?

Duhacek: Tudjman hat es sogar zugegeben.
1994 schrieb er über seinen Bruch mit
Manolic: "Als es zu einer solchen Situation
mit Herrn Manolic kam, das muß ich dazu
noch sagen - 1992, als wir formell anerkannt
waren, aber noch keine wirklichen Freunde
hatten -, kamen die Vertreter einer der
Hauptmächte der Welt zu mir und sagten:
,Herr Präsident, Sie sind sich wahrscheinlich
bewußt, daß Sie eine neue Verteidigungs-
und Sicherheitsstruktur aufbauen müssen.
Wir sind bereit, Ihnen dabei zu helfen, aber
bitte ohne Joza Manolic."

Elsässer: Aber was sollte der BND gegen
Manolic haben? Er war doch der Mann
gewesen, der den Deutschen 1990 den
kroatischen Dienst ausgeliefert hatte.

Duhacek: Der BND mißtraute den Leuten, die
aus der Partisanentradition kamen, die hatten
schließlich vier Jahre lang gegen die
Deutschen gekämpft. Die erschienen ihm
nicht sicher, jedenfalls nicht auf lange Sicht.
Nehmen Sie etwa Manolic. Er ist Träger des
Partisanenordens "Kämpfer des ersten
Tages". Oder Mesic: Der hat zwar zugegeben,
daß er 1991 Kontakte zum BND hatte - er
war damals Vorsitzender des jugoslawischen
Staatspräsidiums ...

Elsässer: ... und der BND half ihm dabei, in
diesem Amt möglichst destruktiv zu sein.

Duhacek: Sicher. Aber Mesic hatte im
Zweiten Weltkrieg 16 Familienmitglieder
verloren, von den Faschisten ermordet. Der
war nicht zuverlässig, in den Augen der
Deutschen.

Elsässer: Aber aus dem Zitat Tudjmans geht
nicht klar hervor, wer die Ablösung von
Manolic verlangt hat. Er sagt nur "Vertreter
einer der Hauptmächte der Welt". Könnten
das nicht auch die US-Amerikaner gewesen
sein, die, nachdem sie zunächst gegen die
Anerkennung der Sezessionsstaaten gewesen
waren, zu Beginn der Clinton-Präsidentschaft
den Kurs wechselten, selber Einfluß in Zagreb
bekommen und deswegen den pro-deutschen
Manolic entmachten wollten?

Duhacek: Nein, die US-Amerikaner hatten
keinerlei Einfluß. Die Deutschen waren
absolut dominant. Und als 1995
US-Militärberater die kroatische Offensive
zur Eroberung der Krajina (und der
Vertreibung der serbischen Bevölkerung)
dirigierten, taten sie das auf Wunsch der
Deutschen. Kohl und Genscher wollten sich
nicht die Finger schmutzig machen, ein
deutscher Militäreinsatz wäre damals
innenpolitisch nicht populär gewesen. Aber
die Deutschen haben die Waffen geliefert, vor
allem Restbestände aus den ehemals
sozialistischen Ländern Polen,
Tschechoslowakei und DDR.

Elsässer: Mittlerweile ist die Tudjman-Partei
HDZ in Kroatien abgewählt, im Jahre 2000
wurde Mesic Präsident. Haben die Deutschen
also ihren Einfluß verloren? Mesic müßte,
nach allem was Sie geschildert haben,
ziemlich sauer auf den BND sein.

Duhacek: Man hat sich arrangiert. Mesic kann
nicht ohne die Deutschen, und die Deutschen
können nicht ohne ihn, zur Zeit jedenfalls
nicht. Tudjman ist tot, seine rechte Hand
Gojko Susak, der erste Verteidigungsminister,
ebenfalls. Und daß Mesic sich jetzt bemüht,
einige der 300.000 vertriebenen Serben nach
Kroatien zurückzuholen, ist auch für
Deutschland als Hauptwirtschaftspartner
sinnvoll: Gebiete wie die Krajina und
Slawonien sind seit der ethnischen Säuberung
durch die kroatischen Nationalisten wie
entvölkert, so liegt ein Drittel des Landes
wirtschaftlich brach.

Elsässer: In Kroatien werden Sie steckbrieflich
gesucht. Warum?

Duhacek: Weil ich in mehreren Büchern und
Zeitungsartikeln ausgepackt habe, wie der
neue Staat zustande gekommen ist. Besonders
nehmen Sie mir übel, daß ich das als
gebürtiger Kroate gesagt habe.

Elsässer: Das ist in der Tat ungewöhnlich.
Sind Sie ein Vaterlandsverräter?

Duhacek: Mein Vaterland ist Jugoslawien. Als
die Nazis Jugoslawien besetzt haben, habe ich
mich den Partisanen angeschlossen.
Kommunist wurde ich erst später. Als die
kroatischen Nationalisten um Tudjman mit
den ehemaligen Helfershelfern der Nazis, den
Ustaschen, sich erneut an die Zerstörung
Jugoslawiens machten, verteidigte ich mein
Land zum zweiten Mal. Und als das neue
Kroatien zur Vertreibung der Serben schritt,
stellte ich mich denen 1991 in Slawonien als
Militärberater zur Verfügung. Das war
schließlich die Gegend, wo ich auch als
Partisan gekämpft hatte.

Elsässer: Milosevic will Sie als Zeuge nach
Den Haag einladen. Werden Sie gehen?

Duhacek: Als das vor einigen Wochen in der
Zeitung stand, habe ich sofort wieder
Morddrohungen bekommen. Aber ich lasse
mich nicht einschüchtern, ich werde
hingehen, wenn ich vorgeladen werde.

Elsässer: In der Phase, über die wir
gesprochen haben, waren Sie nicht mehr im
aktiven Dienst. Woher haben Sie Ihre
Informationen, etwa was Genscher und seine
800 Millionen Mark angeht?

Duhacek: Ein Geheimdienstmann ist nie
außer Dienst. Meine Quellen kann ich nicht
preisgeben, wie Sie verstehen werden. Aber
als Kroate kenne ich natürlich viele Kroaten
bis hinein in die Ministerien, auch heute noch.
Und Krajacic, den Paten von Tudjman und
Manolic beim Aufbau der
Sezessionsbewegung, kannte ich besonders
gut. Mit ihm habe ich vor seinem Tod
ungefähr 200 mehrstündige Gespräche
geführt. Er war als Geheimdienstmann ein
Naturtalent, hat im Zweiten Weltkrieg sowohl
für die Komintern wie für die Gestapo
gearbeitet. Er zog die Fäden für die Sezession
schon seit damals.

Elsässer: Und warum hat er Ihnen alles
erzählt?

Duhacek: Vielleicht aus Sentimentalität. Er
kommt aus dem Nachbardorf, seine
Schwester habe ich 1941 in die KP
aufgenommen, mit seinem Bruder war ich im
Gymnasium und dann bei den Partisanen.
"Antun, wenn Du über mich schreibst, geize
nicht mit Lob", sagte er mir auf dem
Totenbett, "denn ich war ein kleiner Gott, und
mein einziger Wunsch war ein reines
Kroatien".



Zur Person: Antun Duhacek (Bildmitte) im
Generalstab der Jugoslawischen Volksarmee,
Belgrad 1945. Seit 1950 arbeitete Duhacek für
den jugoslawischen Geheimdienst UDBA und
war von 1955 bis 1968 dessen Direktor. Von
1969 bis 1974 war er Abgeordneter im
kroatischen Republiksparlament und u.a.
Sprecher für Volksgruppenfragen. Von 1991
bis 1994 fungierte er im kroatischen und
bosnischen Bürgerkrieg als Militärberater der
Serben. Seit 1998 lebt er in Jugoslawien.



in: KONKRET, November 2002