[Un rapporto sulla situazione politica e sociale in... Germania, a cura
degli attivisti pro-Jugoslavia di Hannover]

http://www.artel.co.yu/de/izbor/evropa/2005-01-11.html

Bericht über die innenpolitische Lage in Deutschland - Herbst 2004

Author : Tomasz Konicz- Bündnis gegen NATO-Agression -Jugoslawien
Solidarität, Hannover

Hannover, Januar 2005.

1. Widerstand

Als Reaktion auf den im letzten Bericht (August 2004) beschriebenen
Abbau des Sozialstaates formierte sich im September und Oktober in
Deutschland eine breite Protestbewegung. Ihren Schwerpunkt hatten
diese spontanen Proteste vor allem in den so genannten "neuen
Bundesländern", also auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Wochenlang
versammelten sich die Menschen zu "Montagsdemonstrationen", um eine
Rücknahme der von Regierung und Opposition einmütig beschlossenen
"Hartz-IV" Gesetze zu fordern. Von Woche zu Woche stieg die Anzahl der
Demonstrationsteilnehmer, wie auch der Städte, in denen demonstriert
wurde. Auf dem Höhepunkt der Protestwelle nahmen Hunderttausende an
Kundgebungen und Demonstrationen in über 50 Städten der Bundesrepublik
teil. Nahezu die gesamte deutsche Medienlandschaft ging zu wütenden
und gehässigen publizistischen Angriffen auf diese Protestbewegung
über, da diese von keiner Organisation initiiert und gesteuert wurde
und sich somit der Kontrolle der herrschenden Klasse weitgehend
entzog. Doch es war nicht nur die Unberechenbarkeit dieser Proteste,
die den Befürwortern des Sozialabbaus aus Politik, Wirtschaft und
Medien die Zornesröte ins Gesicht trieb - der Begriff der
"Montagsdemonstration" ist in Deutschland historisch aufgeladen. Der
Zusammenbruch des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden,
der DDR, wurde von eben so titulierten Montagsdemonstrationen
begleitet, an denen 1989 ebenfalls Hunderttausende teilnahmen und den
Zerfall der DDR mitsamt anschließender Annektion durch die BRD
beschleunigten. In der offiziellen deutschen Geschichtsschreibung
erfuhren diese Montagsdemonstrationen eine fast schon mythische
Verklärung, sie wurden zum Ausgangspunkt und zur Hauptursache des
Untergangs der DDR verklärt - das Volk habe dieser offiziösen
Sichtweise zufolge in spontanen, friedlichen Massenprotest die als
"Diktatur" diffamierte DDR zu Fall gebracht. Besagte Ereignisse des
Jahren 1989 und deren Instrumentalisierung dienten somit zur
Legitimation des nun herrschenden, kapitalistischen Systems. Diese
Legitimationsgrundlage ist nun durch die erneut um sich greifenden
Montagsdemonstrationen gefährdet, die ja tatsächlich spontan sowie
friedlich entstanden und verliefen, sich aber gegen die verheerenden,
sozialen Auswirkungen des entfesselten Kapitalismus richteten.
Die Spontaneität der Proteste brachte aber auch ihre Nachteile mit
sich, die schließlich zum Abebben der Proteste führten. Zum einen
glaubten die meisten Demonstrationsteilnehmer wirklich an die
Möglichkeit, allein durch massenhaften, friedlichen Protest die
unsoziale Politik verhindern zu können. Etliche Demonstranten wollten
hofften sogar, durch die Demonstrationen die Regierung stürzen zu
können - hier wirkte die historische Überbewertung der Proteste von
1989 nach. Zum anderen entwickelte sich aus den Protesten keine
Organisationsstruktur, die eine weiterführende Perspektive hätte
aufbauen können. Die unorganisierten Menschen, die wochenlang jeden
Montag zur Demonstration gingen, verloren alsbald ihre Zuversicht, da
weder die "Hartz-IV" Gesetze zurückgenommen wurden, noch die Regierung
in ernstliche Schwierigkeiten geriet. Ohne eine soziale Struktur, die
neue Protestformen initiiert und die Menschen Organisiert hätte,
schmolzen die Demonstrationen ab November zusammen. Die versuche
linker, progressiver Organisationen, den Organisationsgrad unter den
Demonstranten zu erhöhen, scheiterten größtenteils an Spannungen und
Auseinandersetzungen untereinander, da einige linke Gruppen diese
Protestbewegung unter ihre Kontrolle bringen wollten. Jetzt, Im
Dezember 2004, finden nur noch in wenigen ostdeutschen Städten kleine
Montagsdemonstrationen statt.

2. Faschistische Gefahr

Nicht nur linke, auch Faschistische Gruppierungen versuchten, Einfluss
innerhalb der Protestbewegung zu gewinnen. Teilweise kam es zu
Auseinandersetzungen zwischen Linken und faschistischen Gruppen und es
gelang leider nicht überall, die Faschisten aus den Demonstrationen
abzudrängen, doch spielten - allgemein betrachtet - die Faschisten
zumindest bei den Protesten nur eine marginale Rolle.
Ihren Aufschwung erfuhr die militanteste und gefährlichste
Rechtsextreme Partei erst bei den Wahlen in einem ostdeutschen
Bundesland , in Sachsen, im September 2004. Hier konnte die NPD über
9% der Stimmen auf sich vereinigen und somit erstmals seit den 60er
Jahren in ein Länderparlament einziehen. Unter Zuhilfenahme einer
sozialen Demagogie, die dem Deutschen Faschismus traditionell
charakterisiert, konnte die NPD viele resignierte und unzufriedene
Wähler an sich binden und in einigen ländlichen Regionen bis an die
20% der Stimmen erringen - in der Großstädten erreichten die
Faschisten hingegen weitaus weniger Menschen. Das Wesen der besagten
sozialen Demagogie der deutschen Faschisten - die sich ja als
"Nationalsozialisten" bezeichnen - besteht in einer oberflächlichen
Scheinkritik des Kapitalismus, sowie in einer Teilung in das gute,
schaffende, deutsche Kapital und das böse, raffende jüdische Kapital.
So ging die NPD mit dementsprechenden Parolen in den Wahlkampf, die an
rassistische Ressentiments appellierten (Arbeit zuerst für Deutsche),
die negativen Auswirkungen des Kapitalismus dem internationalen
(jüdischen) Kapital anlasteten und die Formierung einer neuen
"Volksgemeinschaft" propagierten. Diese und andere Parolen, die
oftmals mit pseudosozialistischen Phrasen durchsetzt waren, fielen in
Sachsen leider auf fruchtbaren Boden. Darüber hinaus konnte eine
andere Rechtsextreme Partei in den parallel stattfindenden Wahlen im
Bundesland Brandenburg über 6% der Stimmen erringen. Die DVU des
Zeitungsverlegers Frey operierte mit dumpfen Protestparolen, die
ebenfalls an die Ausländerfeindlichkeit der Menschen appellierten.
Dennoch muss dieser bedauerliche Erfolg der Rechten etwas relativiert
werden, da auch die einzige gemäßigt linke Partei, die PDS , von der
weit verbreiteten Proteststimmung profitieren konnte und in Sachsen ca.
20% der Stimmen erreichte; in Brandeburg waren es sogar ca. 25%.
Es handelt sich bei diesem Erstarken des Faschismus auch nicht nur um
ein ostdeutsches Problem, da bei Wahlen in einem Westdeutschen
Bundesland (Saarland) die NPD immerhin knapp über 4% der Stimmen holte
und somit den Einzug ins Länderparlament nur knapp verfehlte. Darüber
hinaus gilt es zu bedenken, dass schon während der 90er Jahre rechte
Parteien in westliche Länderparlamnete gewählt wurden, doch waren
diese Gruppierung bei weitem nicht so militant und auch sehr schlecht
organisiert, weswegen sie meistens nach einer Wahlperiode nicht
wiedergewählt wurden.
Berauscht von ihren Siegen bei den letzten Wahlen haben beide
faschistischen Parteien - NPD und DVU - eine Zusammenarbeit während
der nächsten Landtags- Europa- und Bundestagswahlen beschlossen, das
Hauptziel besteht hierbei in dem Einzug von Faschisten in den
Bundestag - erstmals seit 1945.

3. Auseinandersetzungen in der Betrieben

Wie schon im Letzten Bericht (August 2004) kurz erwähnt, gehen die
deutschen Unternehmer zur offenen Konfrontation gegen die Arbeiter und
Angestellten vieler Betriebe über. Die Ziele vieler
Unternehmensführungen gleichen sich dabei - es geht um Lohnsenkungen,
unentgeltliche Mehrarbeit, Urlaubskürzungen und den Abbau von
Sonderleistungen, wie dem Weihnachtsgeld. Allgemein formuliert: Die
Kosten der "Ware Arbeitskraft" sollen gesenkt, die Gewinne gesteigert
werden. Immer wenden die Unternehmer hierbei eine Erpressungstaktik
an: entweder die Arbeiterschaft stimmt den Lohnkürzungen und/oder der
Mehrarbeit zu, oder es wird gedroht, die Produktionsstätten zu
schließen und an einem "billigeren Standort", in einem anderen,
zumeist osteuropäischen Land, wieder zu errichten. Dabei spielt die
tatsächliche wirtschaftliche Lage des Unternehmens eine eher
untergeordnete Rolle, denn viele der Großkonzerne, die der
Arbeiterschaft erhebliche Lohneinbußen abpressen konnten, fahren
tatsächlich satte Gewinne ein - dies ist z.B. bei den
Fahrzeugherstellern VW und Daimler-Chrysler der Fall. In diesen Beiden
Fällen nahmen die Beschäftigten Lohneinbußen von mehreren Hundert
Millionen Euro hin, um eine Verlagerung der Produktionsstätten ins
Ausland zu verhindern. Daneben gibt es aber auch die klassischen
Beispiele von Unternehmen, die ihre wirtschaftlichen Probleme auf dem
Rücken der Arbeiterschaft lösen wollen - hier sei der Handelskonzern
Karstadt/Quelle genannt, der mehrere Tausend Arbeiter entlassen und die
übrigen zu Lohnverzicht zwingen will, oder der zu GM gehörende
Autobauer Opel, der in Deutschland an die 10.000 Arbeitsplätze abbauen
wird. Inzwischen versuchen immer mehr - auch kleinere,
mittelständische - Unternehmen dem Beispiel der Großkonzerne zu folgen
und ihre Bilanzen auf Kosten der Arbeiterschaft zu verbessern. Eine
allmähliche Senkung des Lohnniveaus ist in Deutschland wahrnehmbar und
vom Kapital auch beabsichtigt.
Gegenwehr der Arbeiter findet nur sporadisch und vereinzelt statt.
Spontane Streiks, die gegen den Willen der deutschen
Industriegewerkschaft IGM (Industriegewerkschaft Metall) ausbrachen,
fanden bei Daimler-Chrysler und Opel statt, doch konnten sich die
Unternehmer trotzdem weitgehend mit ihren Forderungen durchsetzen.
Dabei spielte die besagte IGM eine höchst ambivalente Rolle, da diese
Gewerkschaft die zu Lasten der Arbeiterschaft gehenden "Kompromisse"
mit den Unternehmern aushandelte und die Streiks möglichst schnell zu
beenden suchte. Von einem durch die IGM bundesweit initiierten und
koordinierten Widerstand gegen die Lohnkürzungsoffensive kann keine
Rede sein. Dieses passive Verhalten der IGM wird erst verständlich,
wenn wir die enge personelle Verflechtung zwischen der IGM und der
Regierungspartei SPD berücksichtigen, die ja einen sehr
unternehmerfreundlichen politischen Kurs fährt. Das Hauptziel von
Regierung wie Unternehmern ist es ja, die "Lohnkosten" zu senken,
diesem Ziel dienen beide hier beschriebenen Prozesse, die Senkung von
Sozialleistungen und Löhnen. Die Arbeitslosen, die mit immer weniger
Geld auskommen müssen, sollen hierdurch gezwungen werden, jegliche,
noch so schlecht bezahlte Arbeit annehmen zu müssen, während die
Unternehmer weiter Druck auf die Arbeiter - auf deren Löhne - ausüben.
Bis vor Kurzem galt in diesem Land die Regel, dass Menschen, die einen
Arbeitsplatz haben, auch vor Armut relativ sicher sind. Dieser Glaube
an die soziale Sicherheitsfunktion der Arbeit soll nun zerstört, eine
Klasse von "Working Poor" geschaffen werden - hier gelten die USA als
das große Vorbild.
Leider ist diese Wechselwirkung von Sozialabbau und Lohnkürzungen den
meisten Menschen, die sich entschlossen haben Widerstand zu leisten,
nicht bewusst geworden. Die Streikenden Arbeiter wie auch die
demonstrierenden Arbeitslosen handelten isoliert, eine Zusammenarbeit
beider Gesellschaftsgruppen, oder zumindest eine Koordination der
Proteste fand nicht statt.
Die Bestrebungen von Kapitel und Regierung, das allgemeine Lohnniveau
zu senken, sind Teil einer aggressiven Wirtschaftsstrategie, die
zuvorderst auf eine Steigerung des Exports fokussiert ist - bei
gleichzeitiger Vernachlässigung der Binnennachfrage. Durch die
niedrigen Löhne sollen deutsche Waren auf dem Weltmarkt billiger und
neue Märkte erobert werden. Schon jetzt gilt Deutschland als
"Exportweltmeister"; d.h., dass der Pro-Kopf-Export in Deutschland der
höchste weltweit ist. Mit dem auch nach Ost- und Südosteuropa
exportierten Waren wird Arbeitslosigkeit exportiert, werden ganze
Wirtschaftszweige aufgekauft (so genannter Kapitalexport) und damit
einhergehend wächst auch der politische Einfluss Deutschlands in
diesen Regionen. Diese Expansion des deutschen Kapitals wird zunehmend
durch den Lohnverzicht von den Hierzulande abhängig Beschäftigten
finanziert. So sinken die Umsätze des Einzelhandels, die oben erwähnte
Krise beim Handelskonzern Karstadt/Quelle ist auf eben diesen Rückgang
der Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten zurückzuführen.