(La politica NATO sul Kosovo acuisce secessionismi dappertutto)



Abmontiert 

08.12.2006


BELGRAD/MADRID/BERLIN (Eigener Bericht) - Die von Berlin forcierte Abspaltung des Kosovo verschärft Sezessionskonflikte in Spanien und Frankreich. Wie ein prominenter spanischer Separatist urteilt, kann Madrid seinen Widerstand gegen die Abtrennung von Teilen seines eigenen Territoriums ("Baskenland", "Katalonien") nicht mehr begründen, wenn es eine weitere Zerschlagung Serbiens akzeptiert. Über sie soll zu Beginn des kommenden Jahres entschieden werden. Die Zustimmung der westlichen Staaten gilt als sicher, seit sich die NATO-Mitglieder, darunter Spanien, auf ihrem Rigaer Gipfel in der vergangenen Woche wesentliche Positionen kosovarischer Separatisten zu Eigen gemacht haben. Damit kündigt sich nicht nur in Spanien, sondern auch auf dem Balkan eine Verschärfung territorialer Konflikte an. Moskau erwägt, im UN-Sicherheitsrat ein Veto gegen die Sezession einzulegen. Berlin zieht für diesen Fall die einseitige Anerkennung eines kosovarischen Staates in Betracht. Zugleich schafft der deutsche Leiter der UN-Mission in Pristina Fakten: Er gestattet die Enteignung serbischer Privatunternehmen im Kosovo und veräußert Staatsbetriebe ohne die gebotene Zustimmung der Belgrader Regierung an ausländische Firmen.

Der UN-Sonderbeauftragte für das Kosovo, Martti Ahtisaari, wird nach den Parlamentswahlen in Serbien am 21. Januar 2007 eine Lösung für den serbischen Sezessionskonflikt vorschlagen. Beobachter rechnen mit einem Plädoyer für die Abspaltung der südserbischen Provinz. Damit würde eine Entwicklung vollendet, die die Bundesregierung seit Jahren vorantreibt. Die Entscheidung über die Zukunft des Kosovo sollte ursprünglich noch in diesem Jahr gefällt werden, ist nun aber auf die Zeit nach den Wahlen in Serbien verschoben worden, um den prowestlichen Parteien in Belgrad nicht zu schaden.

Rechtsposition

Die sich abzeichnende Abspaltung des Kosovo verschärft Sezessionskonflikte in zahlreichen anderen Staaten. Wie spanische Separatisten übereinstimmend mit konservativen Regierungskritikern urteilen, hat Madrid mit der Zustimmung zur "Riga Summit Declaration" der NATO in der vergangenen Woche Positionen preisgegeben, die für die territoriale Einheit des Landes große Bedeutung haben. Bislang vertrat Madrid den Standpunkt, ein Teil eines Staates - etwa das Kosovo - dürfe sich nur mit Zustimmung der Zentralregierung aus dem Staatsverbund lösen. Diese Rechtsposition ist für Spanien wichtig, um gegen Sezessionsforderungen in seinen nördlichen und nordöstlichen Landesteilen ("Baskenland" [1], "Katalonien" [2]) vorzugehen. Sowohl die "baskischen" als auch die "katalanischen" Separatisten verlangen die Gründung eigener Staaten und beziehen in ihre Territorialforderungen auch französische Gebiete ein.

Nicht nötig

Mit der Zustimmung zur "Riga Summit Declaration" hat sich die spanische Regierung auf eine neue Position eingelassen. In der Erklärung verlangen sämtliche NATO-Staaten eine Entscheidung im serbischen Sezessionskonflikt, die "für die Bevölkerung des Kosovo annehmbar ist".[3] Eine Zustimmung der Belgrader Zentralregierung wird nicht für nötig befunden. Damit übernimmt das westliche Kriegsbündnis die Rechtsposition der Separatisten, nach der die Abtrennung eines Landesteils keiner Zustimmung der Zentralregierung bedürfe. Der Vorgang hat weitreichende Folgen. Dies verdeutlicht eine Stellungnahme von Xabier Arzalluz, einem führenden Separatisten Nordspaniens. "An dem Tag, an dem Catalunya ('Katalonien', d.Red.) und Euskadi ('Baskenland', d.Red.) den Finger heben und sagen: 'Wir gehen in die Unabhängigkeit', wird die spanische Regierung (...) nicht mehr den Finger heben und sagen können: 'Ja, aber nur mit der Zustimmung Spaniens'", urteilt Arzalluz nach der Erklärung der NATO.[4]

Ermutigung

Arzalluz' Ankündigung trifft auf Sezessionskonflikte in weiteren europäischen Staaten zu. Betroffen sind mehrere NATO-Mitglieder, darunter Griechenland. In dessen Norden ziehen albanischsprachige Bevölkerungsteile die Abspaltung ihrer Wohngebiete und deren Anschluss an ein "Groß-Kosovo" in Betracht.[5] Sie können sich jetzt auf die "Riga Summit Declaration" berufen. Ähnliches gilt für Rumänien. Starke Kräfte unter den ungarischsprachigen Rumänen verlangen die Wiedererrichtung Ungarns in den Grenzen von 1914 - auf Kosten rumänischen Territoriums.[6] Erst Anfang November hatte sich der rumänische Außenminister mit seiner griechischen Amtskollegin darauf verständigt, im serbischen Sezessionskonflikt einen Kompromiss zwischen Belgrad und Pristina zu verlangen. In einer Abspaltung des Kosovo würden "andere Sezessionsgebiete in ganz Europa eine Ermutigung sehen, ihre Forderungen voranzutreiben", warnte der Botschafter Bukarests in Belgrad noch zwei Tage vor dem NATO-Gipfel.[7]

Einseitige Anerkennung

Inzwischen hat Moskau mitgeteilt, die Kosovo-Erklärung der NATO nicht mittragen zu wollen. Sollten die NATO-Staaten eine Entscheidung anstreben, die der serbische Zentralstaat nicht akzeptiert, werde Russland von seinem Vetorecht im UN-Sicherheitsrat Gebrauch machen, kündigen russische Diplomaten an.[8] Im Westen beschränkt sich der Widerstand inzwischen auf wenige oppositionelle Gruppierungen. Man rate dringend von einer "einseitigen Anerkennung eines albanischen Staates in Kosovo" ab, heißt es etwa im Aufruf zu einer Londoner Konferenz, die sich gegen den drohenden flagranten Bruch des internationalen Rechts wendet.[9] Eine solche einseitige Anerkennung eines kosovarischen Staates wird Berichten zufolge auch in Berlin in Betracht gezogen, sollte Russland sich dem Vorhaben tatsächlich verweigern.

Diskriminierung

Im Kosovo schafft ein langjähriger Mitarbeiter des Auswärtigen Amts inzwischen Fakten. Joachim Rücker ist seit Anfang 2005 im Auftrag der Vereinten Nationen für die kosovarische Wirtschaft zuständig und hat im Sommer die Gesamtleitung der UN-Verwaltung in Pristina übernommen.[10] Unter seiner Verantwortung werden Unternehmen in der südserbischen Provinz systematisch an ausländische Investoren verkauft - ohne Einwilligung der dafür zuständigen Belgrader Regierung. Wie ein Vertreter der serbischsprachigen Bevölkerung des Kosovo erklärt, ist "von 190 privatisierten Unternehmen im Kosovo kein einziges im Besitz eines Serben". Die "ökonomische Diskriminierung von Serben und in serbischem Besitz befindlichen Unternehmen" sei maßgeblich von Rücker veranlasst worden.[11] Mit dessen Genehmigung sind kürzlich die kosovarischen Mobilfunk-Antennen der Telekom Srbija (Belgrad) abmontiert worden - ohne gesetzliche Grundlage und ebenfalls gegen den Willen der serbischen Regierung. Wie vor wenigen Tagen bekannt wurde, strebt die Telekom Austria eine Handy-Lizenz im Kosovo an.




[3] Riga Summit Declaration. Issued by the Heads of State and Government participating in the meeting of the North Atlantic Council in Riga on 29 November 2006
[4] "Por lo tanto, el día en que Cataluña y Euskadi levanten el dedo y digan: 'Vamos a la independencia', el Gobierno español dirá que es muy diferente a todo lo que sea, pero no podrá tener ya este precedente y levantar el dedo para decir: 'sí, pero con el consentimiento de España'." Arzalluz dice que 'España no ha parado de desinflarse' y que los vascos lograrán el derecho autodeterminación; Terra Espana 01.12.2006. España acepta en la OTAN que Kosovo decida su futuro sin la opinión de Serbia; ABC 29.11.2006. Die Unterscheidung zwischen den Sezessionsaspiranten "Katalonien" respektive "Baskenland" auf der einen und "Spanien" auf der anderen Seite verdeutlicht, dass die Separatisten den spanischen Staat mehrfach zerschlagen und seine Provinzen in neue Völkerrechtssubjekte umwandeln wollen.
[7] Romania opposes Kosovo's independence; Beta 26.11.2006
[8] Russland kündigt Veto gegen Kosovo-Unabhängigkeit an; Der Standard 04.12.2006
[9] The American Council for Kosovo and The Lord Byron Foundation for Balkan Studies: The Future of Kosovo. Why the Serbs' "No" means "No"; Public Meeting, London, 11/12/2006
[11] Kosovo Serbs: Humanitarian catastrophe; Beta 19.11.2006