POLVERE BIANCA A
RAMBOUILLET
Sulla pista delle curiosita' e degli episodi
al confine con
l'inverosimile, il Kosovo e' una miniera. Oggi
si parla apertamente di
emergenza criminale nel triangolo Kosovo,
Albania e Montenegro. Si
sapeva da tempo, ma era considerato allora, a
guerra appena finita,
politicamente poco elegante parlarne in
pubblico. Cose per polizie e
analisti, ma nel chiuso questure e delle
accademie. Anche dei Balcani
nel loro complesso si discuteva
riservatamente, per capire cosa aveva
realmente prodotto quella guerra, senza creare
eccessivi imbarazzi
governativi.
Nel novembre del 1999 i ministeri degli Esteri
italiano e francese
riuniscono alla fondazione Cini di Venezia un
gruppo di studiosi ed
esperti internazionali di quell'area. Fra di
loro
c'e' il francese Xavier Raufer, direttore di
ricerca sulle
«minacce criminali contemporanee»
all'Universita di Parigi.
Il
professor Raufer ci propone il frutto delle
sue ricerche e un
ammonimento: «Nella societa dell'informazione,
il rischio e'
quello
dell'autoaccecamento, di voler ignorare quello
che da fastidio».
Per riscuoterci da questa tentazione, Xavier
Raufer racconta un
episodio difficile da dimenticare, e rimasto
da allora bloccato dal
vincolo della riservatezza di quella occasione
di confronto e di
studio. Credo sia giunto il momento di violare
la consegna del
silenzio, almeno per sorriderne.
II racconto del professor Raufer ci riporta a
Rambouillet, ed al
problematico arrivo della delegazione UCK.
Nessuno sa chi e come abbia
scelto quei rappresentanti, ma comunque
occorre farli arrivare a
Parigi. I personaggi sono ricercati dalla
polizia serba, e sono privi
di passaporto. Si muove la diplomazia
mondiale, e i 5 guerriglieri sono
prelevati all'aeroporto di Pristina da un
velivolo milltare francese e
accompagnati in pompa magna al castello di
Rambouillet, alle porte di
Parigi, scenario magico per I' auspicata «pace
francese»
per il Kosovo,
che Jacques Chirac sperava di celebrare alIa
fine del semestre della
sua presidenza dell'Unione europea.
Gli ospiti illustri sono accolti con tutti gli
onori, mentre gli
addetti provvedono a far arrivare nelle
rispettive camere i bagagli
personali. Immaginiamo lo stupore dell'uomo
della Sûreté
francese
quando, nel dare la dovuta occhiata al
bagaglio di uno dei delegati
Uck, trova una grossa quantita' di polvere
bianca, sigillata in
sacchetti di plastica, che non era farina o
borotalco.
Il professor Raufer nel suo racconto non e'
entrato nei dettagli, salvo
accennarci dell'imbarazzo ai vertici della
Sûreté e del
ministero degli
Esteri francese, di fronte a quella scoperta.
Scrivo, e continuo a sorriderne. Rivivo la
situazione e, immaginando,
sghignazzo. L'aviazione militare francese che
fa da corriere della
droga, il presidente Chirac, padrone di casa,
ridotto al ruolo di
«basista», la Sûreté e i servizi segreti
d'oltralpe schierati a
garantire la protezione del «carico». Immagino
la severa
Madeleine
Albright a colloquio col "pusher" kosovaro, e
immagino la cortesia da
gentiluomo di quest'ultimo. «Here you are,
Mies?» Gradisce,
signora?
Fantasie maligne.
Non sono, sino a oggi, riuscito a strappare a
Raufer il nome del
delegato-trafficante. La mia curiosita'
ovviamente riguarda il dopo.
Quale sara' stato il seguito della sua
carriera politica, dopo
queIl'avvio diplomatico fulminante a livello
mondiale? Almeno
presidente di qualcosa, o forse ministro? Data
la sua particolare
esperienza, potrebbe essere un efficiente capo
della polizia. Per la
storia, il negoziato di Rambouillet dovrebbe
finire sepolto sotto una
nuvola di «neve».
da: Ennio Remondino, "LA TELEVISIONE VA ALLA
GUERRA",
Ed. Sperling&Kupfer / ERI Rai, Milano
2002, pp. 175-177
---
junge
Welt (Berlin)
06.02.2009
/
Thema / Seite 10
Das
Bomben-Versprechen
Zehn
Jahre »Rambouillet« – eine
Friedenskonferenz, die den Krieg
gegen Jugoslawien brachte
Kurt
Köpruner
Aus
Anlaß des zehnjährigen »Jubiläums« der
Konferenz von Rambouillet, die
den Weg für die NATO-Aggression gegen
Jugoslawien ebnete,
veröffentlichen wir einen Auszug aus
dem leider vergriffenen Buch
von
Kurt Köpruner »Reisen in das Land der
Kriege. Erlebnisse
eines Fremden
in Jugoslawien« (Heinrich Hugendubel
Verlag, München 2003).
Der Autor
reiste als Geschäftsmann zwischen 1990
und 2000 viele Male in die
zerfallende Republik. Sein
Erlebnisbericht liefert ein
differenziertes
Bild des damaligen Geschehens –
jenseits von dem, was in den
Mainstreammedien vermittelt wurde und
wird. Wir danken dem Autor
für
die freundliche Genehmigung zum
Nachdruck.
Der
24. März 1999, der sich demnächst zum
zehnten Male
jährt, war der Tag,
an dem das Faustrecht wieder eingeführt
wurde. An diesem Tag
begann das
78 Tage andauernde Bombardement der
damals 19 NATO-Staaten auf
Jugoslawien, das für Tausende Menschen
den Tod bringen sollte und
für
Millionen die Zerstörung ihrer
Lebensgrundlagen auf Jahrzehnte
hinaus.
Kein halbwegs neutraler Beobachter
zweifelte daran, daß diese
Bombenaktion allein eine
»Rechtsgrundlage« hatte – das
Recht des
Stärkeren, vulgo: das Faustrecht. Ein
ungeheuerlicher Vorgang. Ein
Vorgang, der von einer friedensbewegten
Öffentlichkeit nicht ohne
Protest zur Kenntnis genommen werden
konnte. Sollte man meinen. Doch
nirgendwo in den westlichen Metropolen
war nennenswerter Protest zu
vernehmen. Forderten beim Irak-Krieg
1991 noch Millionen »Kein
Blut für
Öl«, so war es diesmal ganz ruhig auf
unseren Straßen;
sieht man von
den paar frustrierten Exil-Serben und
einigen wenigen notorischen
Unruhestiftern ab. Was war passiert?
Klar, Bomben auf Belgrad waren
seit Jahren von vielen gefordert worden.
An forderster Front zuletzt
selbst die »größten Humanisten« der
Politik, von
Joschka Fischer, über
Tony Blair bis zu Bill Clinton. Dazu
FAZ, Spiegel und zahllose
»Extras«
und »Specials« auf allen Kanälen. Und
doch wurde die
Aktion ein ums
andere Mal verschoben. In gleich 19
Staaten Krieg zu beschließen,
war
offenbar nicht so einfach. Am Ende ist
es aber dann doch noch gelungen:
Eine Friedenskonferenz brachte den
Krieg.
Kurt
Köpruner
Am
6. Februar 1999, genau drei Wochen nach
dem Massaker von Racak1, begann
im Jagdschloß von Rambouillet, einem Ort
nahe Paris, die
Veranstaltung,
die man allgemein »Friedenskonferenz«
nannte. Die Konferenz
wurde am
23. Februar unterbrochen, am 15. März in
Paris wieder aufgenommen
und
schließlich am 18. März abgeschlossen.
Sechs Tage
später begann das
NATO-Bombardement. Die entscheidende Frage
zu »Rambouillet«
lautet: War
diese Friedenskonferenz so angelegt, daß
sie wenigstens eine
halbwegs
realistische Chance für den Frieden
darstellte – oder war sie von
den
Veranstaltern von vornherein so
konzipiert, daß sie scheitern
mußte? Es
besteht für mich kein Zweifel, daß
letzteres der Fall
ist.
Diese
schwerwiegende Feststellung gilt es,
sorgfältig zu begründen.
Dabei
werde ich mich in erster Linie an den
Aufzeichnungen von Wolfgang
Petritsch orientieren, die dieser in
seinem erfreulich
ausführlichen
Bericht zur Konferenz festgehalten hat.2
Petritsch war gemeinsam mit
dem Amerikaner Chris Hill sowie dem Russen
Boris Majorski einer der
drei Chefverhandler von Rambouillet.
Die
Einladung
zur Konferenz
Ende
Januar 1999, ausdrücklich unter Bezugnahme
auf
»Racak«, wurden die
serbische Regierung sowie zahlreiche
Vertreter der Kosovo-Albaner nach
Rambouillet »eingeladen«. Für den Fall,
daß der
Einladung nicht Folge
geleistet werden oder die Konferenz nicht
das gewünschte Ergebnis
bringen sollte, faßte die NATO am 30.
Januar, wiederum mit
ausdrücklichem Bezug auf »Racak«, den
Beschluß,
alle erforderlichen
Maßnahmen – also wenn nötig, auch
unbefristete
Bombenangriffe – zu
ergreifen. Eine Drohung, die massiver kaum
sein konnte. Sie war
ausschließlich gegen die Serben
gerichtet.
Dazu
Petritsch in seinem Bericht: »Daß
NATO-Angriffe aber nur
für eine Seite
eine Drohung darstellten und der anderen
unter Umständen sogar ins
Kalkül passen könnten, machte dieses
Friedensultimatum zu
einer
strittigen und viel diskutierten
Entscheidung.« Als Petritsch
dieses
»Dilemma«, wie er es heute nennt, zu
Papier brachte, war
das
NATO-Bombardement längst vorüber. Vor und
während der
Konferenz war so
viel »Sensibilität« nicht feststellbar.
Nachgerade
martialisch gab
Petritsch wenige Tage vor Beginn der
Konferenz in einem
Spiegel-Interview zu Protokoll: »Aber
eines garantiere ich: Vor
Ende
April wird der Kosovo-Konflikt entweder
formal gelöst sein oder
die
NATO bombardiert.« (Der Spiegel, 8.2.1999)
Eine bemerkenswerte
Formulierung am Beginn von
Friedensverhandlungen!
Ein
Terrorist
als Delegationsleiter
Noch
etwas ist äußerst bemerkenswert: Die
»Befreiungsarmee
des Kosovo« (UCK)
– noch weniger als ein Jahr zuvor von den
USA wortwörtlich als
»Terroristen« bezeichnet – wurde nicht nur
gleichfalls zur
Konferenz
eingeladen, sie stellte mit Hashim Thaci
gar den Delegationsleiter der
albanischen Seite. Allgemein war erwartet
worden, daß der noch
immer
»amtierende«, jedenfalls gewählte und
weltweit
respektierte
Kosova-Präsident Ibrahim Rugova, der
ebenso nach Rambouillet
eingeladen
worden war, die Delegationsleitung
übernehmen werde. Es ist sehr
unwahrscheinlich, daß Rugova, den die UCK
auf ihren Todeslisten
geführt
hat, der Ernennung Thacis zum
Delegationsleiter freiwillig zustimmte.
Es liegt nahe, daß da jemand
»nachgeholfen« hat. Wer
könnte das gewesen
sein?
Hashim
Thaci wurde von Wolfgang Petritsch
persönlich
»entdeckt« und zum
Verhandlungspartner aufgebaut. Wir lesen
in seinem Buch: »Nachdem
die
amerikanischen Versuche, die für den
weiteren politischen
Prozeß
entscheidenden Personen der UCK zu
identifizieren und mit ihnen
Verhandlungen aufzunehmen, gescheitert
waren, wurden unter der
Ägide
von Petritsch seit Sommer 1998
inoffizielle Erkundigungen über die
relevanten politischen
Führungspersönlichkeiten der
Untergrundarmee
durchgeführt. Nach einer längeren Phase
der Recherche wurde
die Gruppe
um Hashim Thaci als der geeignete
zukünftige Ansprechpartner
identifiziert. Sowohl die EU als auch die
Kontaktgruppe3 haben die
Initiative Petritschs schließlich
akzeptiert und die
Notwendigkeit der
Einbeziehung der UCK in den
Verhandlungsprozeß als
unumgänglich
anerkannt.«4
Petritsch
und
sein Mentor
Wer
ist dieser Wolfgang Petritsch, der der
Welt klarmachen konnte,
daß man
eine ausgewiesene Killerbande, mit
dubiosesten Kontakten in die
Unterwelt und zum internationalen
Terrorismus, als führende
Verhandlungspartner in einer für die ganze
Welt so wichtigen
Konferenz
akzeptieren mußte?
Petritsch
ist Österreicher, zweisprachig, deutsch
und slowenisch, in
Südkärnten
aufgewachsen, politisch großgeworden unter
Bruno Kreisky, von
September
1997 bis Juli 1999 österreichischer
Botschafter in Belgrad und in
der
entscheidenden Phase, von Oktober 1998 bis
Juli 1999,
Sonderbeauftragter der Europäischen Union
für den
Kosovo.
Am
Rande sei hier daran erinnert, daß
Österreich in der zweiten
Jahreshälfte 1998 den EU-Vorsitz führte,
der Anfang 1999
nahtlos an
Deutschland überging. Kann es Zufall sein,
daß die
vorläufige
Entscheidung auf dem Balkan genau in die
Zeit fiel, da die beiden alten
Erzfeinde Serbiens, Österreich und
Deutschland, in Europa ein
ganzes
Jahr lang den Vorsitz führten? Genau jene
zwei Staaten, die
Serbien im
gleichen Jahrhundert schon zweimal
überfallen, beide Male
Millionen
Leichen und ein verwüstetes Land
hinterlassen hatten, die zudem
Anfang
der neunziger Jahre mit der Forcierung der
Anerkennung Kroatiens
maßgeblich an der Auslösung der blutigen
Balkan-Kettenreaktion
mitgewirkt hatten?
Wie
auch immer, Wolfgang Petritsch genoß das
Vertrauen des deutschen
Außenministers Joschka Fischer. Das war
notwendig, denn
Engländer und
Franzosen wollten Petritsch zunächst nicht
alleine für die EU
in
Rambouillet verhandeln lassen. Doch
Joschka Fischer setzte sich durch.
Aus Sicht der NATO war dies eine weise
Entscheidung, denn wer
Petritschs Aufzeichnungen zu Rambouillet
aufmerksam liest, findet
deutliche Hinweise dafür, daß das
NATO-Bombardement ohne die
deutsch-österreichische Regie an der
Spitze der EU nicht
stattgefunden
hätte; jedenfalls nicht so, wie es
schließlich kam, als
unbefristetes
Dauerbombardement ganz Jugoslawiens.
Wolfgang
Petritsch kennt Jugoslawien sehr viel
besser als alle, die sonst in und
um Rambouillet mitgewirkt haben. Da hatte
er schon von Geburt an einen
Startvorteil. Zudem erwarb er seinen
Doktortitel mit einer Arbeit
über
die südosteuropäische Geschichte, und er
war Botschafter in
Belgrad.
Außerdem hatte er gute serbische Freunde,
wie ich
zuverlässig von
Leuten weiß, die ihn kennen. Was, im
Vergleich zu ihm, konnte
etwa der
Amerikaner Chris Hill, der gemeinsam mit
Petritsch die Verhandlungen in
Rambouillet führte, über die weit
verzweigten Wurzeln des
Balkankonflikts wissen, über die
Sichtweise der Streitparteien,
über
mögliche Spielräume für Kompromisse, über
unüberwindbare »Knackpunkte«,
kurzum, wo die Schmerzgrenze der Serben,
wo jene der Albaner lag?
Vergleichsweise nur wenig, wenngleich Hill
seit Jahren im Auftrag der
USA auf dem Balkan tätig gewesen
war.
Petritsch
hätte sein Wissen und seine Erfahrung
dafür einsetzen
können, seinen
serbischen Freunden, und nicht nur diesen,
viel Leid zu ersparen. Er
hat das nicht getan. Im Gegenteil, er hat
mitgewirkt an der Maximierung
des Leides, und da er die ganze Materie am
besten kannte, trägt er
auch
ein hohes Maß an Verantwortung
dafür.
Denn
Petritsch wußte nicht nur, daß die NATO im
Falle eines
Scheiterns der
Konferenz bombardieren würde, er muß auch
gewußt
haben, daß die
serbische Seite dem vorliegenden, in
seinen wesentlichen Punkten nicht
verhandelbaren Vertragstext nie und nimmer
zustimmen würde. Mit
anderen
Worten: Petritsch – und mit ihm sein
Mentor Joschka Fischer –
wußte (!)
schon vor Beginn der Konferenz, daß die
NATO spätestens Ende
April
bombardieren würde. Das legt nahe, daß die
Konferenz nichts
als ein
Spektakel war, um der Welt vorzumachen,
man hätte auch noch das
letzte
versucht, das Bombardement
abzuwenden.
Man
kann natürlich fragen, was denn der arme
Petritsch dafür
kann, daß die
NATO zum Bomben entschlossen war. Die
Frage muß so gestellt
werden: Was
hat Petritsch dazu beigetragen? Die
Antwort darauf gibt er selbst in
seinem Buch.
Die
Zielsetzung der USA – und damit der NATO –
für Rambouillet hat
US-Ministerin Madeleine Albright in ihrer
unvergleichlich charmanten
Art mehrfach unmißverständlich formuliert:
Der den
Streitparteien im
Rambouillet vorgelegte Vertragstext sei
nicht verhandelbar, allenfalls
könnten ein paar Kommata versetzt werden.
Die einzige Frage sei,
ob er
akzeptiert würde, und wenn ja, von wem:
Unterschreiben alle,
Serben und
Albaner, dann marschiert die NATO mit
dreißigtausend Mann und
schwerem
Gerät im Kosovo ein. Unterschreiben nur
die Serben, dann sollen
diese
mit den Kosovaren machen, was sie wollen.
Unterschreiben nur die
Albaner, dann wird Jugoslawien
bombardiert, bis es pariert.
Unterschreibt keine der beiden Seiten,
dann, so Albright,
»können wir
gar nichts mehr tun«. Ob charmant oder
nicht, jedenfalls klare
Worte.
Der
Vertrag
und seine Knackpunkte
Wenden
wir uns also dem Vertragstext zu, den es
in Rambouillet zu
unterschreiben galt. Er bestand aus einem
politischen und einem
militärischen Teil und wurde vielfach
veröffentlicht5,
weshalb ich hier
nur auf seine »Knackpunkte« eingehen will.
Die gab es – und
zwar für
beide Seiten. Die Positionen von Serben
und Albanern waren nicht
vereinbar. Weder theoretisch noch
praktisch. Die Serben betrachteten
den Kosovo als völkerrechtlich anerkannten
Bestandteil Serbiens,
zudem
als nationales Heiligtum; ein absolut
unverrückbarer Standpunkt,
was
sie immer betont und schließlich auch
bewiesen haben.
Darüber
bestand in ganz Serbien völliger Konsens.
Von Milosevic über
Draskovic
bis zu Djin djic, von Seselj nicht zu
reden: »Das Ultimatum
für die
Zulassung von NATO-Friedenstruppen ist in
dieser Form
unannehmbar«,
zitiert Petritsch die oppositionelle
»Allianz für den
Wechsel«, in der
Dutzende serbische Parteien und andere
Gruppierungen vereint waren. Das
galt nicht nur für die serbischen
Politiker: »Jeder in
Serbien war
davon überzeugt, daß die Internationale
Gemeinschaft von den
Serben
etwas verlangte, was sie nach der
Auflösung Jugoslawiens von den
Kroaten nicht gefordert hätte. Ein
Großteil der
Bevölkerung stand, was
die Kosovofrage betraf, hinter der
Regierung«, konstatiert
Petritsch.
Und
für die Albaner war ebenso unverrückbar,
daß jede
Lösung, die den
Kosovo langfristig bei Serbien belassen
würde, nicht akzeptiert
werden
könnte. Das war der unauflösbare
Gegensatz, den alle kannten,
die sich
mit der Materie befaßten. Wolfgang
Petritsch und sein Mentor
zumal. Was
also stand im Vertragstext, wie versuchte
man, diesem Gegensatz zu
begegnen? Zusammengefaßt so, daß keine der
beiden Seiten
zustimmen
konnte. Das sieht auf den ersten Blick
ausgewogen neutral aus,
salomonisch, wenn man so will; doch der
erste Blick trügt, denn am
Ende
fand man doch noch einen Weg, eine der
beiden Seiten, die albanische,
zur Unterschrift zu bewegen. Wie es dazu
kam, ist ein richtiger Krimi,
und Wolfgang Petritsch spielt darin die
Schlüsselrolle.
Auf
serbischer Seite waren es insbesondere
zwei konkrete Gründe, die
eine
Unterschrift definitiv ausschlossen: Zum
einen hätte eine
Zustimmung
zum Vertrag die Stationierung von
NATO-Soldaten im Kosovo bedeutet,
also die jugoslawische Souveränität
aufgehoben, zumal ohne
UNO-Beschluß; zum anderen wurde der
künftige
völkerrechtliche Status
des Kosovo im Vertrag »bewußt zweideutig«
gelassen,
wie Petritsch in
seinem Buch ausdrücklich betont. Deshalb
mußten die Serben
befürchten,
daß die nach Ablauf von drei Jahren
vorgesehene Konferenz die
faktische
Trennung von Serbien beschließen würde.
Der
Rambouillet-Vertrag trug
bekanntlich den Namen
»Interimsabkommen«.
Das
waren die harten Punkte für die Serben.
Alles andere war für
sie
verhandelbar, mehr noch, allem anderen
hatten sie im Prinzip schon im
Holbrooke-Abkommen6 zugestimmt.
Was
waren die konkreten Knackpunkte auf
albanischer Seite? Unverhandelbare
Forderung der albanischen Delegation war
die Ausübung des
Selbstbestimmungsrechtes, konkret die
Durchführung eines
Unabhängigkeitsreferendums nach Ablauf von
drei Jahren. Da der
Ausgang
dieses Referendums angesichts der
albanischen Mehrheit von vornherein
feststand, lief diese Forderung auf die
völlige
Unabhängigkeit des
Kosovo von Serbien hinaus. Darin jedoch
sahen die Westmächte die
Gefahr
einer weiteren Ausweitung des Konfliktes:
Ein unabhängiger Staat
Kosovo
wäre allein kaum überlebensfähig und würde
jedenfalls den Ruf nach
einer Vereinigung mit Albanien enorm
verstärken. Das wiederum
hätte
zwangsläufig unkontrollierbare Folgen für
den Freiheitsdrang
der
diversen Minderheiten in Mazedonien,
Bulgarien, Rumänien und
Griechenland gehabt und damit den Balkan
noch mehr destabilisiert.
Was
der Westen den Albanern anbot, war ein
formaler Verbleib des Kosovo
innerhalb der jugoslawischen Grenzen,
wenngleich mit einer Autonomie,
die sogar über den Status einer
innerjugoslawischen Republik
hinausgehen könnte. Man wollte Zeit
gewinnen und den
endgültigen Status
des Kosovo nach drei Jahren nicht durch
ein Referendum, sondern im
Rahmen einer internationalen Konferenz
festlegen.
Man
könnte dies durchaus als klugen Kompromiß
bezeichnen. Er
hatte nur den
Schönheitsfehler, daß er für beide Seiten
absolut
unannehmbar war. Zu
schwer lastete der Fluch des
Selbstbestimmungsrechtes der Völker,
das
man Slowenen und Kroaten zugestanden
hatte, auf Rambouillet.
Von
Ibrahim Rugova hätte man für diesen
Kompromiß
vielleicht noch eine –
allerdings wertlose – Unterschrift
bekommen können, von der UCK
jedoch
nicht. Die ließ zahllose Male die ganze
Welt wissen, daß
sie solange
kämpfen werde, bis der Kosovo völlig
unabhängig sei.
Schon lange vor
der Konferenz (...), aber auch während der
Verhandlungen. Via
Internet
verkündete man unverschlüsselt: »Das
Endziel unseres
fortgesetzten
Kampfes ist und wird sein: Freiheit,
Unabhängigkeit und
Demokratie.«
Nein,
mit dieser Truppe war ein Verbleib des
Kosovo innerhalb der Grenzen
Jugoslawiens nicht machbar. Zumal der
Vertrag die völlige
Entwaffnung
der UCK vorsah, was zu keinem Zeitpunkt
mehr war als ein frommer
Wunsch. Auch nach dreißig Jahren
Bürgerkrieg sind in
Nordirland noch
immer viele Waffen im Untergrund, und in
Spanien bombt die ETA wie eh
und je. Daran orientierte sich die UCK.
Der
Konferenzverlauf
Wie
verlief die Konferenz? Folgt man den
Ausführungen Petritschs, so
taktierten die Serben herum, versuchten zu
verzögern, wo es nur
ging,
machten allenfalls ein paar Zugeständnisse
im sogenannten
»politischen
Teil« des Vertragstextes, während die
Kosovaren mehr oder
weniger
konstruktiv an der Lösung
mitarbeiteten.
Andere
haben es anders erlebt: »Die Serben
verhandelten klug und
geschickt,
kabelte Botschafter Christian Pauls an
seine Bonner Vorgesetzten,
Präsident Milosevic halte in Belgrad die
Fäden in der Hand.
Die 16
Kosovo-Albaner dagegen blieben mangels
klarer Weisungen aus der Heimat
zerstritten.« (Der Spiegel,
1.3.1999)
Erst
am Abend des zwölften Verhandlungstages
übergaben die
Chefverhandler
Petritsch und Hill das sogenannte
»Militärische
Kapitel« des
Vertragstextes. Dieses stellte nicht nur
für die Serben eine
böse
Überraschung dar, sondern auch für die
russische
Konferenzdelegation:
»Zu meiner Überraschung präsentierte Hill
zwei
zusätzliche Dokumente
(...) mit Anhängen. Die beiden
zusätzlichen Dokumente sind
nie mit uns
diskutiert worden. Es war klar, daß es
mehrere Monate gedauert
hatte,
um sie zu formulieren. (...) General Clark
hat vor dem Kongreß
zugegeben, daß die Vorbereitungen für die
militärischen
Operationen im
Juni 1998 begonnen hatten. Daher ist
dieser Schritt in Rambouillet
hinter unserem Rücken geschehen.«7
Die
Serben reagierten auf die Übergabe des
militärischen
Kapitels, wie zu
erwarten war: »Die serbisch-jugoslawische
Delegation verweigerte
die
offizielle Kenntnisnahme und damit auch
die
Verhandlungsbereitschaft«,
hält Petritsch fest. Und auch die
kosovarische Seite wies eine
Unterschrift unter das Vertragswerk zu
diesem Zeitpunkt
»entschieden
zurück«.
Die
Konferenz, ursprünglich auf sieben Tage
angesetzt – geplanter
Abschluß
am 12. Februar, eine Verlängerung um
weitere sieben Tage war
für den
Fall einer positiven Entwicklung
vorgesehen –‚ stand am 18. Februar,
nach dreizehn Verhandlungstagen, dort, wo
sie auch schon am Beginn
gestanden war. Keine der beiden Seiten war
auch nur im entferntesten
bereit, den gesamten Vertragstext zu
unterschreiben.
Die
Serben waren beim politischen Teil des
Interimsabkommens nahe an einer
Unterschrift, sie bemängelten hier vor
allem, daß wesentlich
präziser
formuliert werden müßte, was die
Kosovo-Autonomie in der
Praxis
bedeutete, lehnten jedoch Gespräche über
den
militärischen Teil
vollständig ab, machten sich nicht einmal
die Mühe, die
seltsamen
Bestimmungen des »Annex B« der Presse
zuzuspielen. Dort war
vorgesehen,
daß die NATO nicht nur im Kosovo, sondern
in ganz Jugoslawien
einmarschieren und im Schutz völliger
Immunität agieren
dürfte.
Die
Kosovaren wiederum hätten den
militärischen Teil sofort
unterschrieben,
wenn ihnen im politischen Teil die
Möglichkeit eines Referendums
nach
Ablauf von drei Jahren zugestanden worden
wäre. Für den
Westen jedoch
galt, daß beide Teile unterschrieben
werden müßten.
Kurzum,
unvereinbare Standpunkte, die Konferenz
stand vor dem Scheitern.
Jetzt
fuhr der Westen mit politischen
Schwergewichten auf: »Kurz vor
Ablauf
des Ultimatums schwebten die Außenminister
der
Kontaktgruppe-Staaten
ein. Im ›Beichtstuhlverfahren‹, so Joschka
Fischer, nahmen sie die
Kontrahenten einzeln ins Gebet. ›Setzen
Sie sich nicht selbst ins
Unrecht‹, beschwor Fischer den
Albaner-Führer Thaci, ›ergreifen
Sie den
Mantel der Geschichte‹« (zit. n. Der
Spiegel v. 1.3.1999). Doch
der
griff nicht zu. Und auch Frau Secretary of
State gab vergeblich ihr
Bestes: »Madeleine Al bright kniete
förmlich vor den
UCK-Kommandeuren,
es war ein unwürdiger Anblick«, zitierte
Der Spiegel
(10.1.2000)
höhnisch einen, der dabei war. Selbst
Albrights stärkste
Trumpfkarte –
»If you don’t say ›Yes‹ now, there won’t
be any NATO ever to help
you!«
– stach nicht.
Die
entscheidende
Nacht
Sollte
alles vergeblich gewesen sein und die von
Petritsch vor Konferenzbeginn
gegebene »Bombengarantie« nicht eingelöst
werden
können? Sollte es so
weit kommen, daß der »Westen gar nichts
mehr tun«
könne, wie Madeleine
Albright für den Fall einer allseitigen
Unterschriftsverweigerung
angekündigt hatte? Sollte man die Lösung
des Kosovo-Problems
allein den
Serben überlassen müssen, Rambouillet also
mit einer totalen
Blamage
des Westens enden?
Es
sah ganz danach aus – doch dann kam die
Wende. Sie kam über Nacht.
Petritsch dokumentiert den überraschenden
Umschwung, den er selbst
herbeiführte, mit bemerkenswertem
Understatement:
»Am
Morgen des 23. Februar, um 9.30 Uhr, wurde
den Delegationen die
endgültige Textfassung des ›Interim
Agreement for Peace and
Selfgovernment in Kosovo‹ ausgehändigt. In
einem Begleitschreiben
wurden die Delegationen aufgefordert, ihre
Stellungnahmen bis 13 Uhr
abzugeben. Nach einem nächtlichen
Vier-Augen-Gespräch
zwischen
Petritsch und Thaci wurde dieser von der
Notwendigkeit überzeugt,
das
Abkommen im Prinzip anzunehmen und die
definitive Zustimmung erst nach
einer Befragung ›des kosovarischen Volkes‹
zu geben.«
Eine
wahrlich sensationelle Wende, nach so
vielen vergeblichen
Verhandlungstagen, nachdem noch am
Vorabend jede Zustimmung zum
Interimsabkommen abgelehnt worden war. Was
ist da gesprochen worden in
diesem Vier-Augen-Gespräch zwischen dem
Österreicher
Petritsch und dem
Anführer der Rebellenarmee? Das werden die
beiden wohl für
sich
behalten. Aber wir dürfen raten, wie es
gelaufen sein könnte.
So
vielleicht:
Petritsch
zu Thaci: »Wenn Sie nicht unterschreiben,
kann Ihnen die NATO
nicht
helfen, dann putzt euch Milosevic in zwei
Wochen weg. Dann könnt
ihr
den Kosovo für immer vergessen.« Thaci:
»Ich
weiß, aber wenn wir
unterschreiben, löst ihr die UCK auf und
der Kosovo bleibt auf
ewig bei
Jugoslawien. Das akzeptieren meine Leute
niemals. Es gab schon zu viele
Tote.« Petritsch: »Das ist Ihr Problem!
Sagen Sie Ihren
Leuten, daß sie
ohne NATO heute schon so gut wie tot sind,
daß sie mit der NATO
jedoch
das ganze Land gewinnen werden.« Thaci:
»Die NATO hat schon
so oft mit
Bomben gedroht, alles leere Worte. Wer
garantiert uns, daß die
NATO
wirklich bombardiert, wenn wir
unterschreiben?« Petritsch:
»Wenn ihr
unterschreibt, wird gebombt! Ich habe das
öffentlich garantiert.
Und
der Westen kann unmöglich zurückstecken,
das hat doch Frau
Albright in
aller Öffentlichkeit gesagt. Kein Land der
Welt, niemand
würde mehr
Respekt vor der NATO haben, wenn sie jetzt
nicht ernst machte.«
Thaci:
»Sicher, aber was ist, wenn die Serben im
letzten Moment doch
noch
unterschreiben? Man kennt ja diese feige
Bagage!« Petritsch:
»Ich kenne
die Serben besser als Sie. Überlegen Sie
mal: Wenn die den Vertrag
unterschreiben, hätte die NATO das Recht,
morgen in ganz
Jugoslawien
einzumarschieren. Darüber wird nicht mehr
verhandelt, die Latte
liegt
zu hoch. Bevor Milosevic das
unterschreibt, gibt er sich selbst die
Kugel, das muß Ihnen doch einleuchten.
Sehen Sie sich den ›Annex
B‹ an,
den können die Serben nicht
unterschreiben, sie verhandeln ja auch
nicht einmal darüber!« Thaci: »Ja, Sie
haben Recht,
ich bin auch davon
überzeugt, aber meine Leute in den
Schützengräben
akzeptieren keine
Unterschrift, da kann ich mir gleich die
Kugel geben.« Petritsch:
»Sie
haben keine Wahl. Das Problem müssen Sie
lösen. Gelingt es
Ihnen, dann
steht Ihnen eine große Zukunft bevor. Ich
habe Sie zu dem
gemacht, was
Sie heute sind, und ich werde es nicht
vergessen, wenn Sie morgen
früh
erklären, daß Sie prinzipiell zustimmen.
Wir bieten Ihnen
als Äußerstes
eine Vertagung der Konferenz an, damit Sie
Ihre Leute überzeugen
können.« Thaci: »Ich habe keine Wahl, und
ich werde es
so machen, Sie
haben mein Wort.«
Reine
Spekulation. Aber auch wenn es nicht so
war, dann lief es doch darauf
hinaus: Das Rennen war nach diesem
nächtlichen
Vier-Augen-Gespräch
gelaufen. Was Madeleine Albright und
Joschka Fischer nicht geschafft
haben – Wolfgang Petritsch hat es
vollbracht, den Westen gerettet.
Bei
diesem Stand der Dinge wurde die Konferenz
vertagt. Es folgten
hektische diplomatische Aktivitäten, die
man sich allerdings
hätte
sparen können. Am Abend des 18. März
unterschrieben Thaci und
Rugova
das Vertragswerk, die Serben blieben bei
ihrem Nein. Wolfgang Petritsch
konnte sein Bomben-Versprechen einlösen,
Frau Al bright, und mit
ihr
die NATO und der gesamte Westen, das
Gesicht wahren. Fünf Tage
später
reiste Richard Holbrooke ein letztes Mal
nach Belgrad. Holbrooke zu
Milosevic: »Sie müssen sich im klaren
sein, die
Luftschläge werden
schnell kommen, sie werden schwer und
andauernd sein.« Milosevic
antwortete: »Es gibt nichts mehr zu
verhandeln. Sie werden uns
bombardieren. Sie sind ein mächtiges Land.
Wir können nichts
dagegen
tun.« Damit war das Bombardement endgültig
freigegeben.
1
Am Morgen des 16.1.1999 wurden in der
kosovarischen Ortschaft Racak 45
aufeinanderliegende Leichen gefunden. Nach
Darstellung der UCK handelte
es sich bei den Toten um Zivilisten, die
von serbischen Einheiten
kaltblütig ermordet worden waren. Nach
serbischer Darstellung
waren die
Toten Gefechtsopfer, die später von der
UCK mediengerecht
aufeinander
geworfen wurden, um den Eindruck eines
Massakers zu vermitteln. Der
Vorfall, obwohl nie restlos aufgeklärt,
bildete den wichtigsten
Vorwand
für die NATO-Angriffe – d. Red.
2 Petritsch, W. u. a., Kosovo-Kosova,
Klagenfurt 1999
3 die Außenminister der USA, Englands,
Frankreichs, Deutschlands,
Italiens und Rußlands
4 Petritsch, a.a. O., S. 251
5 z. B. bei Petritsch, a. a. O.
6
Der US-Diplomat Richard Holbrooke handelte
am 13.10.1998 mit Slobodan
Milosevic ein Abkommen aus, das u.a. den
serbischen Truppenabzug, eine
OSZE-Mission und Autonomie im Kosovo
vorsah – d. Red.
7 der russische Außenminister Igor Iwanow
in Newsweek, 26.7.1999