Informazione


Wo verläuft der VIII. Korridor?

Die Paneuropäischen Netze (PAN) und die ökonomische Bedeutung Osteuropas
und
des Balkans

http://www.zeit-fragen.ch/ARCHIV/ZF_82d/T01.HTM

von Dipl.-Ing. Matthias George

Warum wird die ökonomische Bedeutung des Kosovo-Mazedonien-Konflikts
verschwiegen? Sind unsere Demokratien so schwach, dass wir ein rein
humanitäres Alibi benötigen, das sich bei genauerem Hinsehen in sein
Gegenteil verkehrt? Ist ein wirtschaftliches Argument weniger legitim?
Warum
werden uns die Arbeiten, die in Albanien begonnen haben, als Reparatur-
und
Wartungsarbeiten verkauft, wenn es in Wirklichkeit um den Beginn des
VIII.
Korridors geht?

Warum wird uns auch das Projekt der Paneuropäischen Korridore
vollständig
verschwiegen, obwohl es bei ökonomischen Entscheiden der Regierungen im
Balkan immer im Zentrum steht? Die folgenden Ausführungen sollen die
gestellten Fragen beantworten und anregen, die ökonomische Bedeutung der
Konflikte auf dem Balkan mit einzubeziehen und weiterzuverfolgen.

Ein erster Hinweis: Der VIII. Korridor läuft über Skopje in Mazedonien,
einige Kilometer von Kosovo entfernt. Warum redet bloss niemand darüber?
Man hat uns ständig eingeredet,

 dass die Nato-Aktion in Kosovo zwar nicht durch das
internationale
Recht, dafür aber durch unseren Status als Demokratien und unseren
Wunsch,
übergeordneten Idealen - nämlich den Menschenrechten - Respekt zu
verschaffen, legitimiert sei.
 dass die Nato nur deshalb ausserhalb eines Uno-Mandates agiere,
weil im Sicherheitsrat einige Mitglieder eine Entscheidung blockiert
hätten.

In Frankreich hat die Regierung die Verfassung ignoriert (nur die
Nationalversammlung kann einen Krieg erklären), weil es sich nicht um
einen
klassischen Krieg handle. Auch Deutschlands Teilnahme an diesem Krieg
war
ein Verfassungsbruch. Und unsere Medien drucken und senden brav die von
anderen verordnete Litanei von einer neuen, gerechteren Weltordnung, in
der
die Menschenrechte das Primat über das internationale Recht hätten, aus
denen sich das Recht zur Einmischung künftig ableite, legitimiert durch
die
Weisheit der Demokratien und den Fortschritt des Internationalen
Gerichtshofs.

Legitimation der Intervention in Kosovo

Die Legitimation zur Intervention in Kosovo beruhe auf der Position der
westlichen Demokratien im Kampf gegen die Barbarei. Das wird uns
jedenfalls
von Spin-doctors bei der Nato, in Regierungen und Medien erzählt - dies
sei
die einzige Legitimation, die eine Militäraktion ausserhalb des Rahmens
der
Uno habe.
Dafür ist es aber nötig, dass wir Demokratien sind. Und genau das ist
die
Frage. Beruht der Einsatz der Nato auf dem Willen der Völker und auf
deren
Entscheidung? Wie sehr haben unsere Armeen Desinformation und
Manipulation
angewendet, um der demokratischen Kontrolle zu entgehen?
Warum bekämpfen wir den Totalitarismus, wenn wir dabei dieselben
totalitären
Vorgehensweisen benutzen? Lügen, Desinformation, Manipulation der
öffentlichen Meinung sind eindeutig totalitäre Mechanismen, denn wenn
man
die Information des Volkes deformiert, beraubt man es der Möglichkeit,
sich
selbst ein Urteil zu bilden.
Kurz gefragt: Wenn wir in einer Demokratie leben, der wir es erlauben,
uns
mit Informationen zu bombardieren, warum haben wir dann noch nie vom
vierten, achten und zehnten Korridor gehört?
Warum werden uns diese Projekte, die im Zentrum der Politik aller
Balkanländer stehen und die ökonomische Entwicklung Europas direkt
betreffen, verschwiegen?

Wo verlaufen diese Korridore?

Der IV. Korridor verbindet Dresden und Berlin mit Istanbul und passiert
dabei Prag, Bratislava, Gjor, Budapest, Arad, Krajova, Sofia und
Plovdiv.
Verästelungen verbinden den Stamm mit Nürnberg, Wien, Bukarest und
Constanza.
Der VIII. Korridor verläuft vom albanischen Hafen Durres nach Warna
(Bulgarien), und zwar über Tirana, Kaftan, Skopje, Deve Bair, Sofia,
Plovdiv
und Burgas.
Der X. Korridor überquert Salzburg, Ljubljana, Zagreb, Belgrad, Nis,
Skopje,
Veles und Thessaloniki. Verästelungen verbinden Graz, Maribor, Sofia,
Bitola, Florina und Igoumenitza mit dem Hauptast.
Viele dieser strategischen Korridore haben ihren Ursprung im Herzen
Europas:
in Deutschland!

Die Paneuropäischen Netze

Diese drei Korridore sind Bestandteil der Paneuropäischen Netze (PAN),
eines
weit globaleren Projektes, das darauf abzielt, die ehemaligen
sowjetischen
Länder zu entwickeln und sie in die europäische Ökonomie einzubinden.
Angestrebt wird die vollständige ökonomische und territoriale
Integration
Ost-Europas in den europäischen Markt. Die Korridore sind ein Projekt,
das
von der EU anfang der neunziger Jahre aus der Taufe gehoben wurde. Das
Gesamtkonzept der Paneuropäischen Netze, inklusive der paneuropäischen
Transporträume (PETRA) deckt ganz Europa, vom Atlantik bis zum Ural,
sowie
die mit der EU assoziierten Mittelmeeranrainer des Maghreb ab, mithin
einen
Wirtschafts- und Verkehrsraum von insgesamt über einer Milliarde
Menschen.
Bis anhin repräsentiert das Projekt 18000 Strassenkilometer, 20000
Eisenbahnkilometer, 38 Flughäfen, 13 Seehäfen, 49 Flüsse, zahlreiche Öl-
und
Gaspipelines und diverse Kommunikationsleitungen.
Das geschätzte Budget seit Mitte 1999 bis zum Jahr 2010 liegt bei etwa
90
Milliarden Euro. Der Teil für den Balkan allein beträgt zwischen 5 und
10
Milliarden Euro. Hier handelt es sich um untere Schätzwerte: Diese
Entwicklungsprojekte verteilen sich europaweit über zahllose
Subprojekte,
was es schwierig macht, einen Gesamtüberblick zu gewinnen.
Ausserdem beziehen sich diese Zahlen nur auf den Teil, der direkt von
der EU
finanziert wird, ohne Amerika und die Türkei zu berücksichtigen.
Ausserdem
laufen noch einige Finanzierungen aus privaten Fonds. Daher sind die
genannten Beträge wohl eher zu niedrig angesetzt.

USA wollen Kontrolle über VIII. Korridor

Der VIII. Korridor beinhaltet eine Besonderheit: Er wurde ursprünglich
von
der Clinton-Administration im Rahmen des Balkan-Stabilitätspaktes
vorgeschlagen. Die Infrastruktur dieses Korridors soll zu günstigen
Preisen
zur Deregulierung und Privatisierung freigegeben werden. Obwohl
offiziell
als Transportkorridor der EU von deren Verkehrsministern mit Brief und
Siegel versehen, wurden die Machbarkeitsstudien für diesen Korridor von
amerikanischen Firmen durchgeführt, finanziert von der TDA (Trade and
Development Agency). Anders ausgedrückt, die USA haben alles
darangesetzt,
um die Transport- und Kommunikationsinfrastruktur dieser Länder zu
übernehmen. Amerikanische Firmen - inklusive Bechtel, Enron und General
Electrics - konkurrieren mit finanzieller Rückendeckung der US-Regierung
mit
europäischen Firmen. Washingtons Plan ist es, den gesamten achten
Korridor
für die amerikanischen multinationalen Firmen zu öffnen, d.h. den
amerikanischen Multis den ökonomischen Hinterhof Deutschlands, wo noch
die
D-Mark über den US-Dollar dominiert, zugänglich zu machen.

TRACECA: Verbindung Zentralasiens mit dem Kaukasus

Weiter muss ein paneuropäischen Korridoren ähnliches Projekt erwähnt
werden,
diesmal im Kaukasus und Zentralasien, nämlich das Programm TRACECA
(TRAnsport Corridor Europa Caucasus Asia), ebenfalls von kontinentalen
Ausmassen. Seine Bedeutung für die westliche Wirtschaft beruht auf der
Verbindung Zentralasiens mit dem Kaukasus. Eine Schwäche des
TRACECA-Programms soll, wie es 1997 in Helsinki formuliert wurde, die
fehlende Verbindung des westlichen Endes des TRACECA-Korridors am
Schwarzen
Meer mit den europäischen Märkten gewesen sein. Diese Verbindung wird
nun
durch die Korridore vier und acht über den Hafen von Varna hergestellt.

Das Kosovo-Dreieck

So hängen denn die Entwicklungsprojekte der nächsten 25 Jahre für den
Kontinent Europa von der Realisierung der Korridore ab, die durch den
Balkan
verlaufen. Betrachtet man auf der Karte den zentralen Knoten, der von
den
Korridoren VIII., X. und IV. gebildet wird, sieht man ein Dreieck, das
von
Nis, Skopje und Sofia begrenzt wird. Dieses Dreieck liegt mitten in
Kosovo.
Irgendeine Instabilität in Serbien, Albanien oder Mazedonien wäre fatal
für
dieses Projekt, eines der grössten der Menschheitsgeschichte.
Die USA zeigen ein unübersehbares Interesse, diesen strategischen Knoten
der
Transportkorridore im Balkan zu beherrschen. Sie verboten ein Projekt,
dass
durch Serbien verlief, und sie boten Rumänien 100 Millionen Dollar, wenn
sie
die Route der geplanten SEEL-Pipeline (South Eastern European Line)
weiter
nach Norden, also nach Ungarn, verschieben würden. Die italienische
Firma
ENI hatte dieses Pipeline-Projekt unter Verwendung bereits bestehender
Pipeline-Infrastruktur in Slowenien, Kroatien und Serbien geplant. Die
USA
haben den jugoslawischen Teil dieser Infrastruktur mit bemerkenswerter
Hartnäckigkeit bombardiert. Drei Monate nach dem Beginn des Krieges
teilte
der britische General Jackson, Kommandeur der Kfor in Mazedonien und
später
auch in Kosovo, der italienischen Zeitung «Sole 24 Ore» mit: « ... heute
ist
es unbedingt erforderlich, die Stabilität Mazedoniens und seinen
Beitritt
zur Nato zu garantieren. Aber wir werden sicherlich eine lange Zeit
hierbleiben, um die Sicherheit der Energiekorridore, die durch dieses
Land
führen, zu garantieren.»
Die italienische Zeitung meldete ausserdem:
«Es ist klar, dass sich Jackson auf den achten Korridor bezieht. Die
Ost-West-Achse, in der eine Pipeline die Energieressourcen Zentralasiens
vom
Schwarzen Meer zur Adria bringen soll. Dies erklärt auch, warum alle
grossen
und mittleren Mächte bei der Beilegung des Konflikts in Kosovo ein Wort
mitreden möchten.»

Pipelines in den Korridoren VIII und X

Im März 2001 hatte der US-Kongress eine Debatte über den Bau der
AMBO-Ölpipeline vom Schwarzen Meer (Burgas) durch Bulgarien, Mazedonien
und
Albanien nach Vlore. Diese Pipeline würde den amerikanischen Markt
monatlich
mit Rohöl im Wert von 600 Millionen Dollar versorgen. Die Kontrolle über
diese zukünftige Pipeline ist von strategischer Bedeutung und vermutlich
ein
Grund für die amerikanische Intervention in Kosovo.
Die noch nicht vollständig erforschten und festgelegten Ölfelder im
Becken
des Kaspischen Meers sind verschiedenen Analysten zufolge Ursache für
den
gegenwärtigen geopolitischen Konflikt um die hauptsächliche Erklärung
für
die Einmischung der USA und der europäischen Länder nach dem
Zusammenbruch
der ehemaligen Sowjetunion. Man nimmt an, dass am Kaspischen Meer
mindestens
so viele Ölreserven lagern wie am Persischen Golf.
Zwar sind diese Reserven weit weg vom Balkan, aber die Territorien, über
die
das Öl transportiert werden soll, sind es nicht. Wegen des beschränkten
Verkehrs durch den Bosporus haben westliche Strategen verschiedene
mögliche
Pipelinetrassen vorgeschlagen. Zurzeit werden Routen vom Kaspischen Meer
zum
Persischen Golf, von Baku nach Ceyhan und eben die über den Balkan
diskutiert.
Die möglichen Routen für Pipelines über den Balkan verlaufen natürlich
entsprechend den Interessen der zukünftigen Nutzniesser:
1. Variante: Burgas-Alexandrupolis (LukOil zusammen mit Griechenland,
russische Interessen)
2. Variante: Burgas-Vlore (amerikanisches Konsortium AMBO, Halliburton,
amerikanische Interessen)
3. Variante: Constanta-Omisalj-Trieste via Rumänien, Serbien und
Kroatien
(SEEL, italienische Firma ENI, EU-Interessen). Neben Serbien, Kroatien,
Bosnien-Herzegowina und Slowenien würden damit Italien, Österreich,
Deutschland und von dort der Rest Europas mit kaspischem Öl versorgt.

SEEL-Pipeline im Konflikt mit vitalen US-Interessen

Die Route der SEEL-Pipeline über Jugoslawien ist auf Grund ihrer
geographischen Lage bemerkenswert. Einflussreiche amerikanische
Analysten
beharren darauf, dass Jugoslawien in der direkten Nachbarschaft vitaler
amerikanischer Interessengebiete liege, nämlich in der Region des
Schwarzen
und Kaspischen Meeres. Und wo immer vitale amerikanische Interessen im
Spiel
sind, finden sich auch Nato-Truppen, die sie schützen und «Partnerschaft
für
den Frieden»-Truppen, die die harten Einsätze der Nato mit Schmieröl
geschmeidiger machen. Europäische Interessen seien noch grösser, da es
nicht
im Sinne Europas sei, wenn der Schlüssel zu seiner Versorgung in fremden
Händen liege.
Das Projekt SEEL, das von der italienischen Firma ENI vorgeschlagen und
projektiert wurde, läge genau im Transportkorridor von Constanta nach
Trieste. In einer 1. Phase sollte unter Nutzung des existierenden
adriatischen Pipelinesystems eine Pipeline bis Omisalj verlegt werden.
In
einer 2. Phase würde dann die Pipeline von Omisalj mit der Transalpinen
Pipeline in Trieste verbunden.
Nun wurde auf der internationalen Konferenz «Adriatic pipeline - new
perspectives for transport of Caspian oil to the European markets», die
im
Juni 2000 im Rahmen des Inogate-Programms stattfand, genau diese Route
als
profiträchtigste ausgewählt. Die politischen Gründe gegen diese Pipeline
seien mit dem Fall von Milosevics Regime nicht mehr gegeben, und
Kroatien
bestand auch nicht mehr auf einer Umgehung Serbiens via Ungarn.
Am 26./27. Oktober 2000 wurde auf einem Treffen derselben Gruppe in
Brüssel
die Unterstützung der Pipeline via Rumänien, Jugoslawien und Kroatien
zugesagt. Damit verliefe die Pipeline wieder entsprechend dem
ursprünglichen, von ENI ausgearbeiteten Plan.
Am Abschlusstreffen von Inogate wurde von den Öltransportfirmen CONPET,
NIS
Jugopetrol und Adriatic Pipeline ein Memorandum (eine Absichtserklärung
zum
Bau dieser Pipeline) unterzeichnet. Das Projekt fand die Zustimmung der
staatlicher Stellen in Rumänien und Kroatien und sollte bald von
Jugoslawien
ratifiziert werden. Das Projekt hat die Phase der Machbarkeitsstudie
erreicht. Ein Konsortium für den Bau der Pipeline sollte demnächst
gegründet
werden. Die Kapazität dieser Pipeline soll 30 Millionen Tonnen Rohöl
jährlich betragen. Die Hälfte würde an die Transit-Staaten gehen, der
Rest
sei für westeuropäische Kunden bestimmt.

AMBO-Pipeline im achten Korridor

Die AMBO-Pipeline oder Trans-Balkan-Pipeline - wie sie auch genannt wird
-
soll Rohöl vom Hafen Burgas über Bulgarien, Mazedonien und Albanien zum
Adria-Hafen Vlore transportieren. Sie läuft also durch den achten
Korridor.
Die Verhandlungen im Zusammenhang mit dieser Pipeline wurden von
Angehörigen
der US-Regierung ihm Rahmen der South Balkan Development Initiative
(SBDI)
der TDA geführt. Die SBDI soll Albanien, Bulgarien und Mazedonien
helfen,
ihre Transportinfrastruktur entlang des achten Korridors
weiterzuentwickeln.
Es sieht so aus, als ob die EU von der Planung und den Verhandlungen
über
diese Pipeline weitgehend ausgeschlossen war. Das Memorandum of
Understanding (MOU) über die AMBO-Pipeline und den achten Korridor, das
von
Albanien, Bulgarien und Mazedonien unterzeichnet wurde, beraubt diese
Länder
der nationalen Souveränität, da die Exklusivrechte an der AMBO-Pipeline
und
dem achten Korridor an das anglo-amerikanische AMBO-Konsortium vergeben
wurde. Dieses Memorandum hält fest, dass AMBO die einzige Partei ist,
die
die geplante Pipeline von Burgas nach Vlore bauen darf. Es gibt
ausschliesslich der AMBO das Recht, mit Kreditgebern und Investoren zu
verhandeln. Den Regierungen von Albanien, Bulgarien und Mazedonien ist
es
verboten, gewisse vertrauliche Informationen dieses Pipeline-Projektes
zu
veröffentlichen.
Die Arbeiten an den Transportkorridoren haben allgemein bereits
begonnen. So
ist die Finanzierung des VIII. Korridors bereits abgeschlossen. 830
Familien
- hauptsächlich Bauern - wurden in Albanien wegen des achten Korridors
enteignet; angeblich gegen eine grosszügige Entschädigung.
Mit der Wahl des Hafens Vlore als Endpunkt ihrer Pipeline haben die USA
die
volle Kontrolle über die Versorgung der europäischen Länder mit
kaspischen
Öl. Die Analytiker für europäische Angelegenheiten weisen darauf hin,
dass
Griechenland ein EU-Land ist und die USA daher eine Pipeline von Burgas
nach
Thessaloniki nicht kontrollieren können. Durch die Erzeugung eines
Krisenherdes in Kosovo kontrolliere die USA Albanien und damit auch die
geplante AMBO-Pipeline.
Berücksichtigt man weiter, dass die USA bereits die Erdölproduktion im
Irak
und im Persischen Golf kontrollieren und damit zumindest potentiell auch
die
Versorgung aus dem kaspischen Bassin, dann wäre Europa bei der
Versorgung
mit Öl weitgehend von den USA abhängig, wenn wir Russland einmal aus dem
Spiel lassen.

ENDE

aus: KONKRET, September 2001


Jürgen Elsässer (J.Elsasser@...)

Genua und Skopje

Was tun gegen den Imperialismus, der jetzt
Globalisierung genannt wird? Eine
kleine Polemik zur Generallinie





Noch vor zwanzig Jahren hätte man das für
Science-fiction oder
kommunistische Propaganda gehalten, eine
Mischung aus Faßbinders "Mord im 31. Stock" und
Schnitzlers Schwarzem Kanal - doch plötzlich
ist der Trash Wirklichkeit
geworden: Auf Luxusjachten tagen die
Herren der Welt, eingeladen von einem
Medientycoon, angeführt von einem texanischen
Killer, angefeuert von einer deutschen
Bulldogge. Die Stadt unter Kriegsrecht,
die Demokratie suspendiert, die
Bevölkerung wie wilde Tiere mit meterhohen
Käfigen ausgesperrt. Die Soldateska
hetzt die Demonstranten durch die Straßen,
knochenbrechend, schießend, mordend.
Genua 2001 war, wenigstens für zwei Nächte,
Santiago de Chile 1973 - die
Schreie, die Folter, die Verschwundenen.
Wie schnell das gehen kann.

Daß die 300.000 Demonstranten in Genua
den 800.000 Ravern auf der Berliner
Love-Parade die Schau gestohlen haben,
daß sie also hinter der Maske der
infantilen Spaßgesellschaft wieder die
alte Fratze des Kapitalismus sichtbar
gemacht haben, ist ihr bleibendes Verdienst.
Doch es könnte noch mehr daraus
werden, sollte das "Spiegel"-Gespräch mit
drei deutschen Protagonisten der
Bewegung repräsentativ sein - mindestens
zwei davon machen nämlich einen ganz
vernünftigen Eindruck. Eine gerade 30jährige
Frau wirbt für eine Gruppe mit dem
sympathischen Namen "Linksruck" - nur
Rifondazione Comunista klingt noch schöner
- und läßt es sich nicht nehmen, für
"Marx und Engels, Rosa Luxemburg und
Clara Zetkin, Lenin und auch Trotzki"
einzutreten. Und ein Koordinator des
deutschen Ablegers von Attac berichtet
Bemerkenswertes über seine Politisierung:
"Ich selbst komme aus der Umweltbewegung,
und da habe ich erlebt, wie wir in
den entscheidenden Punkten nichts erreicht
haben. Der Himmel über dem
Ruhrgebiet ist zwar wieder blau, aber
der Regenwald wird abgeholzt. Am Ende
entscheidet über alles die Wirtschaft."

Am Ende entscheidet über alles die Wirtschaft
- da hat jemand die einfache
Wahrheit wieder freigelegt, die in den
letzten 30 Jahren von der Neuen Linken
verschüttet worden ist: Es gibt einen
Hauptwiderspruch, und wenn wir den
nicht anpacken, können wir die ganzen
anderen schönen Projekte, die wir sonst
noch auf dem Zettel haben, abschreiben,
egal ob es um Frauenemanzipation,
Ökologie oder sexuelle Befreiung geht.
Der Einwand ist geschenkt, daß es sich bei
Attac (und möglicherweise auch bei Linksruck)
nicht um eine revolutionäre,
sondern um eine reformistische Organisation
handelt. Es geht hier nämlich nicht
um Politikformen oder um das Staatsverständnis,
sondern um die Rehabilitierung eines basalen
philosophischen Prinzips, ohne das keine
Revolution, und mag sie ansonsten noch so radikal
proklamiert werden, vorstellbar ist: Das Sein
bestimmt das Bewußtsein beziehungsweise: It's the
economy, stupid!

Triple depression

Kein Wunder, daß die Schiffbrüchigen der
Neuen Linken mit der ungewohnten
Politisierung wenig anfangen können und
Konfusion in die Bewegung tragen.
Verbissen und verschwurbelt verteidigt
der "Gipfelsturm" - eine überregionale
Genua-Mobilisierungszeitung der autonomen
Szene - das eigene Brett vor dem Kopf:
"Ende der siebziger Jahre formte sich
eine Theorie, wo nicht nur der
Kapitalismus als einzig gültiger, alles
bedingender 'Hauptwiderspruch', sondern drei
von einander unabhängige und sich doch
aufeinander beziehende
Unterdrückungsverhältnisse: Kapitalismus,
Rassismus und Patriarchat gesehen wurden.
Mittlerweile gehört die 'Triple
Oppression'-Theorie in großen Teilen der
Bewegung hierzulande zu einer Art 'Grundkonsens'."
Die Inkonsistenz dieses Ansatzes wird
nur wenige Absätze später deutlich - selbst
die letzten Reste von Grammatik
müssen dafür geopfert werden: "... für
viele Menschen ist es nicht verständlich,
wieso nicht auch weitere Herrschaftsformen,
die sie als relevant betrachten, in dieses Modell
mit einbezogen werden sollen. Je nachdem, mit
welchen Widersprüchen mensch sich beschäftigt
hat, von ihnen selber betroffen ist, oder
es einfach für notwendig gehalten wird,
sie mit einzubeziehen, werden dann
auf Formen wie Unterdrückung aufgrund
des Alters (Ageism), Unterdrückung von
Tieren (Speziesismus), Unterdrückung von
sogenannten Behinderten etc. in die
eigene Analyse und Kritik miteinbezogen."
Hat man auf diese Weise erst einmal
die Feinde multipliziert - neben den
Kapitalisten geht es nun auch gegen
Rassisten, Sexisten, Ageisten, Kinderschänder
und andere Heterosexuelle,
Fleischfresser und Raucher - und sich
so in eine aussichtslose Position manövriert,
empfiehlt sich der Rückzug auf sicheres
Terrain: in die eigene Psyche: "Der
Feind steht auch in uns selbst", heißt
es in dem autonomen Kampfblatt weiter.
"Ich will damit verdeutlichen, daß (es,
J.E.) eben nicht ausreicht, unseren
Kampf gegen Projekte der Herrschenden zu
führen ..., nein, wir müssen auch quasi
mit uns selbst kämpfen." Erfahrungsgemäß
endet das in der Selbsterfahrungsgruppe,
in der Psychiatrie oder im Suizid.

Nur um weniges intelligenter sind die
Kritteleien in einem wöchentlichen
Kreuzberger Theorieorgan. "Hier wird der
hochkomplexe und abstrakte
kapitalistische Vergesellschaftungszusammenhang
auf einfache dichotome Gegensätze
reduziert, verdinglicht und personalisiert",
wirft man der neuen Bewegung vor. Was
das heißt? "Deshalb muß eine adäquate
linke Kritik am Phänomen der
Globalisierung von einer Totalität des
kapitalistischen Vergesellschaftungszusammenhanges
ausgehen." Jetzt wissen wir's: Haltet
Einkehr in der Kirche der Heiligen
Dreifaltigkeit, meditiert über den
Schriften von Adorno, Horkheimer und
Postone, singet laut und lauter "Deleuze
uns von dem Übel" und wartet frohgemut, bis
das Himmelreich zu Euch kommt. Man kann
nur hoffen, daß diese byzantinische
Liturgie bei den Kids, die jetzt auf
die Straße gehen, keine Verbreitung
findet. Ansonsten bestünde nämlich die
Gefahr, daß eine Schwachstelle der neuen
Bewegung nicht korrigiert, sondern verstärkt
wird: Daß sie zu sehr von einem
"hochkomplexen und abstrakten kapitalistischen
Vergesellschaftszusammenhang"
redet und diesen Zusammenhang zu selten
"reduziert, verdinglicht und personalisiert".

Ein Beispiel für dieses Defizit: Drei
Tage nach Genua fand die Randale gegen
die G8 nur 500 Kilometer entfernt ihre
Fortsetzung - und Attac und Linksruck
haben es vermutlich gar nicht gemerkt.
Am 25. Juli stürmten mehrere tausend
Demonstranten in der mazedonischen
Hauptstadt Skopje die Filialen der
westlichen Großmächte. Die deutsche
Botschaft wurde mit einem Steinhagel
eingedeckt und sauber entglast, anschließend
McDonalds verwüstet, und der amerikanischen
Botschaft blieb ähnliches nur dank
eines höheren Absperrgitters und
Panzerglas erspart. Ersatzweise wurden
sämtliche Fahrzeuge der OSZE in Brand gesetzt.
Die Wut hatte sich an der Mitteilung des
mazedonischen Verteidigungsministeriums
entzündet, wonach zwei Kfor-Hubschrauber eine
Ladung unbekannten Inhalts
zu UCK-Stellungen gebracht hatten -
man vermutete Waffennachschub.

Wahrscheinlich würden die meisten
Globalisierungsgegner Genua und Skopje
nicht in einem Atemzug zu nennen, doch
das liegt an einem blinden Fleck in ihrer
Analyse. Für sie ist Globalisierung im
wesentlichen der weltweite Angriff
der Finanzmärkte, also ein ökonomischer
Vorgang. Völlig unterbelichtet ist, daß
sich die ökonomische Veränderung nicht
im Selbstlauf vollzieht, sondern mit
Gewalt, immer häufiger mit direkter
militärischer Gewalt, durchgesetzt wird.
Schlimmer noch: Wer das zum Thema macht,
wird als Verschwörungstheoretiker
abgetan. So bezeichnet Bernhard Schmid
in seinem Beitrag "Falsche Freunde"
(KONKRET 8/01) die Europäisierung - den
vielleicht wichtigsten Teil der
Globalisierung - euphemistisch als
"Übertragung einiger Bestandteile politischer
Souveränität und Regulierungsmacht auf andere
... Ebenen". Dies sei ein
"objektiver Prozeß", dem sich nur einige
Verrückte entgegenstemmen, die ihn "als
Ergebnis einer von außen gesteuerten
Verschwörung uminterpretieren".

Was anderes als eine "von außen gesteuerte
Verschwörung" war denn der
Angriff der Nato-Staaten auf Jugoslawien?
Hat die Uno zugestimmt? Wurde die
Bevölkerung in den westlichen Staaten befragt?
Wurde wenigstens den Parlamenten die
Möglichkeit zur Beschlußfassung gegeben?
Ein Kriegskabinett aus vier Leuten -
Clinton, Albright, Schröder und Fischer -
entschied während der Rambouillet-Konferenz
über den Angriff auf Jugoslawien - selbst Blair
und Jospin zögerten. Die zwei wesentlichen
Propagandalügen zur Täuschung der Öffentlichkeit -
Racak und der "Hufeisenplan" - waren
klassische Geheimdienstoperationen. Das
hätte Thema in Genua sein müssen: Daß
Globalisierung mit Notwendigkeit Krieg
bedeutet, daß beispielsweise Jugoslawien
nur durch zehnjährige Militärblockade
und elfwöchiges Luftbombardement für
die westlichen Konzerne und Banken
geöffnet werden konnte. Bis zum Oktober
2000 war die industrielle Basis des Landes
in Staats- oder Belegschaftsbesitz,
ausländische Beteiligung war nur bis zu
49 Prozent möglich und auch das nur mit
Zustimmung der Arbeiter. Die erste
Maßnahme der neuen Regierung war ein
Privatisierungsgesetz, erst dadurch - und
nicht durch die "invisible hand" der
Ökonomie - ist der freie Kapitalverkehr
mit dem Westen möglich geworden. Jetzt
will die Deutsche Bahn das
Eisenbahnnetz und die Bahnhöfe, Ron
Sommer die serbische Telekom, VW ist an Zastava
interessiert, IWF und Weltbank würgen
das Land mit Knebelkrediten.

Globalisierung in Mazedonien

Auch das kleine Nachbarland wurde 1999
sturmreif geschossen. "Die frühere
jugoslawische Teilrepublik Mazedonien
leidet wie kein anderer Nachbarstaat der
BR Jugoslawien an den Folgen des Kosovokrieges:
aufgrund seiner Eskalation
verlor Mazedonien mit Jugoslawien seinen
wichtigsten Handelspartner und
zugleich seine Hauptexportroute nach
Mittel- und Westeuropa. Darunter litten nicht
nur die Absatzmärkte, auch die
Einfuhren wurden erschwert und verteuerten
sich. Die Folgen waren der Einbruch des
Außenhandels sowie das Versiegen
wichtiger Rohstoffquellen", heißt es in
einer Studie der Bankgesellschaft Berlin. Die
vom Krieg erzeugte Wirtschaftskrise wird
nun vom Westen genutzt, um sich die
Reichtümer des Landes unter den Nagel
zu reißen. Zwar werden - anders als in
Jugoslawien - bestimmte Wirtschaftssektoren
schon seit Jahren von Deutschland kontrolliert:
Es ist der wichtigste Handelspartner
(Import/Export-Anteil 17 Prozent), über eine
österreichische Partnerbank Mehrheitseigner der größten
Bank (die ihrerseits ein Drittel aller
Finanztransaktionen abwickelt), der
Dinar ist an die Mark gekoppelt. Aber den
industriellen Kernbereich haben die
Mazedonier bisher einigermaßen
abschotten können. Die früheren Staatsbetriebe
wurden zwar privatisiert, aber bevorzugt
und zu recht günstigen Preisen an
ihre Beschäftigen und Manager abgegeben -
eine "reine Insider-Privatisierung",
klagt das Bundeswirtschaftsministerium.
Folglich blieb die ausländische
Teilnahme an der Privatisierung "weit
hinter den Erwartungen zurück" - und es
waren ausgerechnet die Griechen, die
bekanntlich der Nato-Balkanpolitik nicht
besonders wohlwollend gegenüberstehen,
die bis 1999 mit Aufkäufen in Höhe von
2,5 Milliarden Dollar an der Spitze der
Auslandsinvestoren lagen (Deutschland:
1,1 Milliarden) und unter anderem die
staatliche Ölraffinerie OKTA erwarben.

Nach dem Krieg gab die mazedonische
Regierung den westlichen Interessen nach
und erarbeitete ein radikaleres
Privatisierungsprogramm. "Die Stoßrichtung
scheint klar: Die Insider-Dominanz soll
durchbrochen werden, wenigstens für
künftige Privatisierungen", freut sich
das Bundeswirtschaftsministerium. Im
Januar 2001 wechselte ein Filetstück der
Zukunftstechnologie den Besitzer: Die
Aktienmehrheit der mazedonischen
Telekom ging an die ungarische Matav, die
ihrerseits mehrheitlich der Deutschen
Telekom gehört.

Mit der Offensive der UCK hat sich in der
bürgerlichen Regierung Mazedoniens
Panik ausgebreitet. Da der Westen dem Land
die Selbstverteidigung geradezu
verbietet - Ende Juli reiste Bushs
Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice in
die Ukraine, Skopjes wichtigsten
Waffenlieferanten, um weitere Unterstützung
zu unterbinden - wächst der Einfluß derer,
die die Kapitulation vor der UCK für
unabwendbar halten und das Beste daraus
machen wollen - für sich selbst:
Unter der Devise "nach uns die Sinflut"
verhökern sie alles, was nicht niet- und
nagelfest ist. "In nicht weniger als vier
Monaten haben die Agentur für
Privatisierung und die Behinderten- und
Rentenversicherung Aktien von 37
Unternehmen zum Discount verkauft",
berichtete die Nachrichtenagentur Aimpress im Mai
2001. "Dafür bekamen sie gerade elf Millionen
Mark - genau den Betrag, den
Verteidigungsminister Ljuben Paukovski
persönlich auf den Konten seiner
Verwandten deponierte, und das auf dem
Höhepunkt des albanischen Aufstandes
... Das außergewöhnlich profitable Messegelände
in Skopje wurde für gerade sechs
Millionen Mark verkauft, die gut erhaltene
und renommierte Ohrid Tourist für
288.000 DM - sie ist das Zehnfache
wert." In diesem Zusammenhang ist
erwähnenswert, daß Paukovski neben
Präsident Trajkovski zu den Tauben im
mazedonischen Regierungsestablishment gehören,
die - im Unterschied zu den Falken um Premier
Ljubco Georgievski - zu weitgehenden
Zugeständnissen an die albanischen
Rebellen bereit sind.

So befördert der Krieg der UCK die
Privatisierung, und der auf seiner
Grundlage von Nato und EU oktroierte
"Frieden" wird das Werk vollenden:
Wesentlicher Teil des Vetragspakets,
das EU-Unterhändler Javier Solana und sein
US-amerikanischer Kollege James Pardew
in den letzten Wochen bei den Verhandlungen in
Ohrid unterbreiteten, ist eine weitgehende
Dezentralisierung des Landes.
Lokale Selbstverwaltungsorgane sollen
neben juristischen und polizeilichen auch
zusätzliche wirtschaftliche Kompetenzen
erhalten - zum Beispiel die Kontrolle
über die auf ihrem Gebiet liegenden
staatlichen Unternehmen (über die bisher
die Regierung in Skopje verfügt). Da die
Albaner mehrheitlich nicht in
diesen Unternehmen, sondern in Klein- und
Familienbetrieben arbeiten, ist zu
erwarten, daß sich in den künftig von
ihnen regierten Landesteilen der Ausverkauf
der Staatsindustrie beschleunigen wird.


No border, no nation?

Wie blind ein Teil der Globalisierungsgegner
- vor allem der von der autonomen Szene beeinflußte
- für diese Zusammenhänge ist, beweist die zentrale
Losung des antirassistischen Grenzcamps
in Frankfurt/M. Anfang August: "No
border, no nation". Genau die Ziele,
die die Nato-Staaten mit ihrem Krieg gegen
Jugoslawien und mit der von ihnen
unterstützten UCK-Aggression gegen Mazedonien
verfolgten, nämlich die Öffnung der
Grenzen und die Zerstörung der
Staatssouveränität zugunsten ungehinderter
Kapitalinfiltration - vulgo: zur
Durchsetzung der Globalisierung - werden
auf diese Weise Teil eines angeblich
fortschrittlichen Programms. Nicht einmal
der Hinweis, die Losung solle nicht dem
Kapital, sondern den Flüchtlingen den
Weg ebnen, mag überzeugen. Zwar ist das für
Deutschland und andere Schurkenstaaten
durchaus gerechtfertigt, doch will man
dieses Prinzip im Ernst weltweit und
auch auf dem Balkan predigen? Dort wäre
doch das Gegenteil wichtig, daß nämlich
die Grenze zwischen Kosovo und
Mazedonien endlich abgeschottet wird,
und auch die Athener Behörden tun gut daran,
von den angeblichen Flüchtlingen aus
Albanien lieber einen zuviel als einen
zuwenig zurückzuschicken - nur zu oft
sind darunter Terroristen der UCK, die
bereits Aktionen in Griechenland angekündigt
hat.

Wie will man das entfesselte Kapital der
Großmächte daran hindern, einen
Staat nach dem anderen mit ökonomischen
und schließlich militärischem Terror
kaputtzumachen und dann dessen Filetstücke
zu vertilgen? Müßte es nicht darum
gehen, die Zusammenarbeit mit den
Nationalisten - besser: Souveränisten - der
bedrohten Staaten zu suchen, zumindest
mit den Antikapitalisten unter ihnen?
Wie hilfreich deren Agieren für uns in
den Metropolen ist, zeigt nicht zuletzt
die geschilderte Randale in Skopje Ende
Juli: Hatte Deutschland zuvor noch
mächtig Stimmung für einen "robusten"
Nato-Einsatz gemacht (vgl. KONKRET
8/01), so fuhr den Verantwortlichen mit
jener Nacht der Schrecken in die Glieder.
"Vorsicht vor Mazedonien", kommentierte
"Bild" tags darauf, und Scharping
meinte auf die Frage nach einer möglichen
Nato-Intervention: "Die Lage hat sich
in den letzten Stunden eher verschlechtert
als verbessert." In der Folge
kündigten die CDU/CSU-Fraktion und zuletzt
mehr als 30 Abgeordnete der
Regierungskoalition ihr Veto gegen die
Entsendung von Bundeswehrtruppen an.

Ein Bündnis mit den vom Imperialismus
Unterjochten hat auch Lenin
vorgeschlagen, mit der Propagierung des
"Selbstbestimmungsrechts der Völker" wollte er
kommunistische und antikoloniale Bewegungen
verbinden. Über die gefährliche
Doppeldeutigkeit dieser Losung ist bereits
viel geschrieben worden (vg.
KONKRET 12/99), und heute wird sie unter
anderem von der UCK zur Legitimation ihres
Terrors benutzt. Deshalb führt an einer
Schärfung und Aktualisierung des
Leninschen Ansatzes kein Weg vorbei. Wie
wär's mit "Proletarier aller Länder und
bedrohte Staaten - vereinigt Euch!"
als Grundlage für eine neue
Internationale? Vielleicht könnte man sogar
einen chinesischen Ladenhüter entstauben und
vom Kopf auf die Füße stellen, die "weltweite
Einheitsfront gegen die beiden
Supermächte" - im aktuellen Fall wären
damit die USA und Deutschland gemeint.

Natürlich blieben dann immer noch
viele brisante Fragen offen, etwa welche
der beiden Supermächte in welcher
Region gefährlicher ist und ob
beispielsweise Israel eher zu den
Protagonisten oder zu den Opfern der neuen
Weltordnung gehört. Aber auf der Basis
einer soliden strategischen Analyse könnte man
darüber konstruktiver streiten als bisher.



Jürgen Elsässer schrieb in KONKRET 8/2001 über die Entführung Milosevics
nach Den Haag

Artikel http://www.jungewelt.de/2001/09-15/011.shtml
Startseite junge Welt Ausland
15.09.2001

Volksaufstand der Jugoslawen

Vor 60 Jahren: Hitler gab der Wehrmacht freie Hand. Von Martin
Seckendorf


Nachdem die deutsche Wehrmacht am 6. April 1941 ohne Kriegserklärung
in Jugoslawien eingefallen war, wurde Jugoslawien in zehn Teile
zerschlagen. Das damals größte Balkanland sollte, wie Hitler am 27.
März 1941 erklärte, »als Staatengebilde ... mit unerbittlicher Härte«
für immer vernichtet werden.

Die deutschen Okkupanten und ihre Vasallen aus Bulgarien, Italien und
Ungarn gingen sofort daran, die Teilgebiete bevölkerungspolitisch »neu
zu ordnen«. Gewaltige Deportationswellen und große Mordaktionen
setzten ein. Von den »ethnischen Säuberungen« waren vor allem Slowenen
und Serben betroffen. Ihnen drohte, wie die Nazis ganz offen
verkündeten, der »Volkstod«. Am 9. April 1941 erklärte das
Reichsinnenministerium alle 755 000 Slowenen in ihrem Heimatgebiet zu
Staatsfeinden, die zu »verschwinden« hätten. Ähnlich erging es den
Serben, besonders in Kroatien sowie in den von Ungarn und Bulgarien
besetzten Gebieten. In einem Bericht deutscher Behörden vom 17.
Februar 1942 an die Regierung in Berlin heißt es, daß bis zum Herbst
1941 in Kroatien »etwa 300 000 Serben, insbesondere wehrlose Greise,
Frauen und Kinder in der bestialischsten Weise ... mit den
sadistischsten Methoden zu Tode gequält« worden seien. Hunderttausende
Serben wurden ohne alle Habe und Nahrungsmittel in das unter deutscher
Militärverwaltung stehende »altserbische Gebiet« getrieben. Hinzu
kamen Hungersnöte als Folge einer mit dem Einmarsch deutscher Truppen
in großem Umfang einsetzenden ökonomischen Ausbeutung.

Gegen Widerstand ging die Wehrmacht vom ersten Tag des Überfalls an
mit ungeheurer Brutalität vor. Als zwei SS- Leute erschossen wurden -
noch vor der Kapitulation der königlich-jugoslawischen Armee -
begannen die berüchtigten Vergeltungsaktionen. In Pancewo, nordöstlich
von Belgrad, wurden 18 »Kommunisten und Serben« erhängt und 18 weitere
an der Friedhofsmauer erschossen. Die Leichen blieben drei Tage
liegen.

Die etwa 8 000 Mitglieder zählende Kommunistische Partei Jugoslawiens
unter Führung von Josip Broz, genannt Tito, hatte sich am 10. April
1941 darauf verständigt, einen Aufstand vorzubereiten. Waffen wurden
gesammelt, militärische Einheiten aufgestellt und auf allen
Parteiebenen Militärkomitees gebildet. Seit dem 4. Juli 1941 rief die
Partei alle Jugoslawen zum bewaffneten Aufstand gegen die Okkupanten
und ihre jugoslawischen Helfer auf. Sie verwies darauf, daß der
Aufstand ein Akt der Notwehr ist, um der durch Ausbeutung, Terror und
»ethnische Säuberungen« entstandenen existentiellen Bedrohung der
Völker Jugoslawiens zu begegnen.

Der Zeitpunkt war klug gewählt, die militärpolitische Lage für den
Aufstand günstig: Im Juni 1941 wurde die kampfstarke 2. deutsche Armee
aus Jugoslawien zum Überfall auf die Sowjetunion abgezogen. An ihre
Stelle traten vier Divisionen, die nur die Hälfte der
Mannschaftsstärke einer normalen Division hatten, wenig motorisiert
waren und kaum über Panzer verfügten. Ein Reserve-Polizei-Bataillon
und bewaffnete Einheiten der deutschen Minderheit kamen hinzu. Der
Aufbau militärischer Formationen der Kollaborateure hatte gerade
begonnen. Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion förderte nicht nur
bei Kommunisten aller Nationalitäten, sondern auch in breiten Kreisen
der slawischen Völker Jugoslawiens die Bereitschaft zum Widerstand.

Der Aufstand breitete sich wie ein Flächenbrand über das ganze Land
aus. Im September kontrollierten die Partisanen fast zwei Drittel
Jugoslawiens. Große befreite Gebiete entstanden vor allem in Serbien.
Von besonderem Gewicht war die Befreiung der beiden Städte Uzice und
Cazak mit bedeutenden Waffenfabriken. Allein die Fabrik in Uzice
lieferte in den zwei Monaten ihrer Produktion für die Partisanen mehr
als 21 000 Gewehre. Im September 1941 war die deutsche Herrschaft nur
noch auf wenige Städte beschränkt.

Der Erfolg der Partisanen erklärt sich aus ihrem multinationalen
Konzept. Die Kommunistische Partei wandte sich an alle Jugoslawen,
unabhängig von Religion, Nationalität und politischer Überzeugung. Sie
propagierte für die Zeit nach dem Sieg die Vision eines neuen
Jugoslawien. Alle Völker sollten in einer multiethnischen, föderalen
Republik gleichberechtigt sein. Die Monarchie als Symbol und
Instrument des zerstörerischen großserbischen Chauvinismus sollte
abgeschafft werden. Die schreiend ungerechten sozialen Zustände, die
die nationale Zwietracht begünstigten, wollte man verändern.

Als der Masseneinfluß der Kommunisten unübersehbar wurde, beteiligten
sich die bürgerlich-nationalistischen Kräfte, organisiert in den
traditionellen Wehrscharen (Cetniks), zusammen mit Resten der
königlichen Armee am Aufstand. Unter ihrem Führer Mihailovic kam es
vereinzelt zu gemeinsamen Aktionen mit den Tito-Partisanen. Die Führer
der Mihailovic-Bewegung wollten das alte Jugoslawien wieder
herstellen, in dem der König und großserbisch orientierte Kräfte
herrschten. Die meisten Cetnik-Führer waren Antikommunisten.
Spätestens seit August 1941 gingen sie den Weg des Verrats und
kämpften gegen die Partisanen - häufig mit deutschen Waffen und unter
deutscher Führung. Viele einfache Cetniks und Unterführer gingen
daraufhin auf die Seite Titos über. Die Kollaboration der
Mihailovic-Cetniks mit den Deutschen entschied die großen Schlachten
des November 1941 und ermöglichte die Wiederaufrichtung der deutschen
Herrschaft in Serbien bis 1945.

Die Deutschen reagierten auf die Unruhen zunächst mit verschärftem
Polizeiterror. Bis Ende August wurden über 1 000 Menschen erschossen.
Im September 1941 wurde der Führung in Berlin bewußt, daß, wollte sie
die Herrschaft auf dem Balkan behalten, Jugoslawien ein zweites Mal
militärisch erobert werden mußte. Wie bei der ersten Eroberung im
April erging - nun am 16. September - eine Grundsatzweisung Hitlers.
(Weisung Nr. 31a.) Kampfstarke Divisionen und Luftstreitkräfte wurden
herangeführt. Die Wehrmacht erhielt die gesamte politische und
militärische Gewalt. Da die Partisanen auch mit den Verstärkungen
nicht zu besiegen waren, wurde ein Vernichtungskrieg gegen die
Zivilbevölkerung befohlen. Richtschnur war, für jeden im Kampf mit den
Partisanen gefallenen Deutschen 100 Zivilisten und für jeden
verwundeten Deutschen 50 Zivilisten zu töten. Um die Abschreckung zu
erhöhen, sollte die Hinrichtung auf besonders grausame Weise erfolgen.
In den Kampfanweisungen wurde gefordert, abschreckende Beispiele zu
schaffen, die »die gesamte Bevölkerung auf das schwerste treffen«.
Grauenvolle Massenmorde folgten.

Eines der furchtbarsten Verbrechen verübte die Wehrmacht in
Kragujevac. Nach einem Bericht der 704. Infanteriedivision vom 27.
Oktober wurden 2846 »Kommunisten, Juden und Serben«, darunter die
komplette Oberstufe des Gymnasiums samt Lehrer, erschossen. In der
Stadt dauerte die Hinrichtung mit Maschinengewehren sieben Stunden; in
den Dörfern benutzte man Strick und »Handwaffe«. Bis zum Jahresende
1941 fielen dem Vernichtungskrieg der Wehrmacht allein in Serbien
mindesten 50 000 Zivilisten, darunter alle männlichen Roma und Juden,
zum Opfer.

Der Vernichtungsfeldzug in Serbien brachte den Deutschen nur
vorübergehend Entlastung. In anderen Gebieten, vor allem in Kroatien
und Montenegro, erhielt die Befreiungsbewegung neuen Zulauf. Die
Volksbefreiungsarmee, wie sich die Tito-Partisanen bald nannten, wurde
zur größten europäischen Partisanenarmee im Zweiten Weltkrieg.

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© junge Welt

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Chirac kein Kriegsverbrecher mehr

BELGRAD, 12. September 2001. Der Fahndungsbrief der
Polizei in Serbien nach Jacques Chirac und den Chefs
anderer NATO-Staaten wurde außer Kraft gesetzt, sagte
gestern der Polizeisprecher Sreten Lukic. Somit steht
einem Besuch Chiracs in Jugoslawien am 14. und 15.
September nichts mehr im Wege.

Am 21. September 2000 wurden 14 Staats- und
Regierungschefs der NATO-Länder wegen Verbrechen gegen
die Menschlichkeit und das internationale Recht vom
Kreisgericht in Belgrad schuldig gesprochen.

TANJUG

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Milosevics Frau wirft Westen Blutbad auf dem Balkan vor

London (Reuters)
Freitag 7. September 2001, 06:18 Uhr
http://de.news.yahoo.com/010907/71/1xjnm.html

London (Reuters) - Die Ehefrau des wegen Kriegsverbrechen
angeklagten jugoslawischen Ex-Präsidenten Slobodan
Milosevic hat dem Westen ein Blutbad auf dem Balkan
vorgeworfen. "Das Blutbad auf dem Balkan war das Ergebnis
einer Politik, die von außerhalb Jugoslawiens mit dem Ziel
betrieben wurde, Jugoslawien zu zerstören und auszulöschen",
sagte Mira Markovic am Freitag in einem Interview des
britischen Rundfunksenders BBC. Ihr Mann sei dafür nicht
verantwortlich. Milosevic muss sich vor dem
UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wegen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Kosovo-Krieg 1999 verantworten.

"Jugoslawien hat aufgehört zu existieren", sagte
Markovic weiter. "Es verschwand in einem
Blutbad. Den Verdienst für diese Ereignisse
in Jugoslawien haben die Zentren der
politischen und wirtschaftlichen Macht
vor allem im Westen, die das Land zerstören
wollten." Ihren Mann nannte Markovic "die
Verkörperung des Kampfes um Wahrheit,
Gerechtigkeit und Freiheit für alle".
Die BBC will das vorab aufgezeichnete Gespräch mit
Markovic am Montagabend ausstrahlen.

Das UNO-Tribunal wirft Milosevic vor, für den Tod
von mehr als 900 Albanern und die Vertreibung von mehr als 740.000
Zivilisten
in der mehrheitlich von Albanern bewohnten südserbischen Provinz Kosovo
verantwortlich zu sein. Die Chefanklägerin des Tribunals, Carla del
Ponte, hat angekündigt, Milosevic auch wegen Völkermordes im
Bosnien-Krieg 1992 bis 1995 anklagen zu wollen. Der Prozess gegen
Milosevic soll im kommenden Jahr beginnen. Das Tribunal war 1993 von den
Vereinten Nationen (UNO) zur juristischen Aufarbeitung der Kriege
geschaffen worden, die nach dem Zerfall Jugoslawiens geführt wurden.